Mercatorhaus Averdunkplatz

Unterschutzstellung
Die Unterschutzstellung im Sinne von § 2, Abs. 1 DSchG NRW: „Denkmäler sind Sachen, Mehrheiten von Sachen und Teile von Sachen, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Ein öffentliches Interesse besteht, wenn die Sachen bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse sind und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen.“
Das Büro — und Geschäftshaus, das sogenannte Mercatorhaus, ist bedeutend für Städte und Siedlungen. Seine Erhaltung und Nutzung liegt aus wissenschaftlichen, insbesonders architektur- und stadthistorischen Gründen im öffentlichen Interesse.
Im Jahr 2007 führte die Eigentümerin des sogenannten Mercatorhauses, das als repräsentatives Geschäftsgebäude den Ausgang der Duisburger Königstraße markiert, eine Sanierung er Jugendstilfassade durch. In Abstimmung mit der Unteren Denkmalbehörde erhielt die Erdgeschosszone nach Entfernung der nachträglich vorgeblendeten Natursteinplatten erfreulicherweise wieder ihre historische Prägung zurück.

Geschichte und Lage
Das fünfgeschossige Büro- und Geschäftshaus füllt auf zuvor unbebautem Grundstück einen Gebäudeblock an der Ecke Königstraße d Averdunkplatz, ehemals Marienstraße, und bildete zu seiner Entstehungszeit mit der egenüberliegenden großbürgerlichen Bauten das Eingangstor zur Innenstadt vom Bahnhof und der Mercatorstraße bzw. von Mülheim her kommend. Historische Fotos zeigen, dass die Gebäudeflucht entlang der Königstraße gegenüber dem östlich angrenzenden, älteren Bestand zurückversetzt wurde, was auf das Ziel einer Verbreiterung der Königstraße als Prachtallee hindeutet. Westlich öffnete sich seit jeher ein Platz, der heutige Averdunkplatz. Das Geschäfts- und Bürogebäude mit zwei Straßenfronten wurde im Eigenauftrag von Johann Brocker errichtet, Inhaber eines Baugeschäftes mit Ringofenziegelei an der Düsseldorfer Straße. Die Planung besorgte sein Sohn, Regierungsbaumeister Carl Brocker. Der Bauantrag wurde am 18. April 1911 gestellt mit Ergänzung vom 27. Mai. Die Baugenehmigung folgte am 3. Juni des Jahres, Schlussabnahme am 28. März 1913.
Mit Datum vom 24. April 1911 wurde beantragt, die das Portal rahmenden Pfeiler mit ihrer künstlerischen Gestaltung vor die Bauflucht vortreten zu lassen, wofür 20 cm gestattet wurden. Mit der Ausführung der Portalskulpturen wurde ein “erstklassiger Künstler“ beauftragt, so die Baubeschreibung, der allerdings namentlich nicht nachweisbar ist. Seine Figuren des Columbus und Mercator verweisen auf weltumspannenden Handel, der hier angesiedelt werden sollte, und gaben dem Haus seinen Namen “Mercatorhaus“. Die projektierte äußere Ansicht ist neben Planzeichnungen durch eine fotografische Aufnahme des Modells belegt. Einer der ersten Mieter war die private Handelsiehranstalt Naumann, ein anderer die Handelsvertretung der Bahlsen Keks-Fabrik Hannover. Seit dem Tod Johann Brockers sind als Eigentümer Carl Brocker und Miterben verzeichnet.
Der Zweite Weltkrieg verursachte an diesem Gebäude lediglich geringe Schäden an der oberen, östlichen Brandwand, da die Nachbarhäuser im Oktober 1944 total zerstört wurden, wie zeitgenössische Fotos belegen. Sie zeigen auch das Podest der Fliegerabwehrkanone auf dem Flachdach des Gebäudes.1953 erfolgte im EG ein Umbau des “Caf Ernst“, das auf die andere Seite der Königstraße umzog, für ein Lokal der Königbrauerei. 1960 bezog der Versandhandel Quelle in der Front Averdunkplatz EG und Keller, dort wo zuvor das Möbelhaus Kalderoni seine Geschäftsräume hatte, Auftraggeber des benachbarten, 1961 fertiggestellten “Kalderoni-Hochhauses“. Ein schon 1960 geplanter Umbau des gesamten EG mit Öffnung des Arkadenganges erfolgte dann 1963 nach Plänen des Architekten Heinrich Stöwer, wobei beide Straßenfronten im EG eine Verkleidung in hellem Marmor erhielten, die Seite Averdunkplatz zusätzlich ein Vordach als Sonnenschutz. Zwischen die Arkadenöffnungen wurden 1964 freistehende Glasvitrinen eingestellt. Weitere Baumaßnahmen griffen nicht wesentlich in den Bestand ein: 1968 wurde der Paternoster durch einen Personenaufzug ersetzt und 1983 die Hofentwässerung erneuert. Nachdem der U-Bahnbau unter der Königstraße zu Senkungen geführt hatte, weil die Fundamente wie zu der Bauzeit üblich als Punktgründung nicht tief genug ausgeführt waren, wurde 1985 im Zuge der Neubaumaßnahme Averdunkcenter der Innenhof auf Kellerniveau abgesenkt und mit einem Durchbruch auf der Nordseite an die Zufahrt der Averdunkgarage angeschlossen, dabei die bisherige Zufahrt vom Averdunkplatz aus geschlossen und an dieser Stelle ein Treppenabgang in den Hof angelegt. Die Fassaden im Innenhof erhielten 1993 eine wärmedämmende Verkleidung. Eine sukzessive Sanierung und Modernisierung des Foyers und der Flure innen erfolgte ab 2001.
Beschreibung
Der blockhafte, insgesamt sechsgeschossige, flach gedeckte Baukörper mit vierseitig umbautem Innenhof ist in kombinierter Bauweise aus Eisenbeton und Mauerwerk erstellt. Er bildet eine Straßen- bzw. Platzecke und ist an beiden Fronten seitlich eingebaut.
Äußeres
Beide Außenfassaden sind im Wesentlichen gleichgewichtig gestaltet und deutlich gegliedert im Wechsel von hellen Bauteilen und dunkelrotem Ziegel. Über dem Sockel mit den Geschäften und ihren großflächigen Schaufenstern, die im heutigen Zustand hinter der Arkade zurücktreten, folgen drei durch eine Kolossalordnung zusammengefasste Obergeschosse, darauf in gleicher Mauerflucht das Attikageschoss als 4. OG. Die Plandarstellung von 1911 gibt für das 1 .OG eine Höhe von 3,95 m an und für das 2.-4. OG jeweils 3,60 m bei gleicher Fenstergruppierung. Über dem Traufsims, das durch eine kräftige Girlande betont ist, ist das mit 3,30 m niedrigere Staffelgeschoss angesetzt. Es ist flach gedeckt, nur an den Hauptfronten umlaufend und weist nur einfache, geteilte Rechteckfenster ohne Bauzier auf. Diese Anordnung gab gelegentlich zu der Vermutung einer nachträglichen Aufstockung Anlass, die jedoch durch das Quellenmaterial widerlegt werden kann. Das Attikageschoss ist glatt verputzt, das Staffelgeschoss mit Platten verkleidet.
Die Vertikalgliederung in Fensterachsen übernehmen in Ziegelmauerwerk vorgeblendete Lisenen. Die Fenster mit Oberlicht stehen jeweils in Dreiergruppen übereinander, vertikal getrennt durch schmale Betonstege, die im 3. OG unter einem durchlaufenden Ziegelband in Konsolen münden, dazwischen eine vorgewölbte Platte als Fensterverdachung. Entsprechend treten jeweils die Brüstungsfelder zwischen den Geschossen leicht vor, von seitlichen Kehlen eingefasst.
Die Front Königstraße mit 27 Meter Länge ist in sieben Achsen geteilt, die Front Averdunkplatz mit 35 Metern in neun, beide sind durch stärkere und in das Attikageschoss hochgezogene Mauerpfeiler in Dreiergruppen rythmisiert. Diese Hauptpfeiler, die an den Gebäudekanten Eckpfeiler bilden, enden oben in freistehenden, von Girlanden bekränzten Blockkapitellen in hellem Haustein, wobei der letzte nördliche Pfeiler der Seitenfront lediglich abgefasst ist. Zwischen den Pfeilerköpfen vor den Fenstern des Attikageschosses liefen ursprünglich Balkongitter durch, die heute durch Absturzsicherungsstangen innerhalb der Fensterlaibungen ersetzt sind. Auch der Haupteingang, der ursprünglich mittig in der Front Königstraße lag, wurde von zwei dieser Pfeiler flankiert, davor waren in Höhe des Geschossbandes die Standfiguren des Kolumbus und Mercator montiert. Gleichzeitig mit der Öffnung des Arkadenganges wurden sie 1963. Seither fehlt hier das horizontale Ziegelband, das die drei Obergeschosse vom Gebäudesockel absetzte und quasi die Grundlinie für das Aufgehende bildete. Dadurch ist der Eindruck geschlossener Fassadenfelder heute nicht mehr gegeben. Im Zuge dieser Veränderung wurden auch das Reliefbild über dem früheren Haupteingang und Ornamentfelder an den Eckpfosten der Fassade entfernt. In der dritten nördlichen Achse Averdunkplatz befand sich ursprünglich ein Nebeneingang mit Durchfahrt zum Hof für die Anlieferung, daneben eine Hausmeisterwohnung.
Innenhof
Der Innenhof bildet wie der Gesamtgrundriss ein unregelmäßiges Viereck, in das in der nordöstlichen und südwestlichen Ecke die Rundungen der Treppenaufgänge vorspringen. Da ursprünglich die Keller als voll nutzbare und beheizte Nebenräume für die Geschäfte vorgesehen waren, wurden zur besseren Belichtung entlang der Nord- wie der Ostseite Lichtgräben angelegt, zusätzlich gab es über Kopf verglaste Lichtschächte an den Straßenfronten. Bei der Absenkung des Hofes wurden die Kellerräume mit neuen Fenstern zum Hof versehen, das frühere Bodenniveau ist noch an einem Versprung in der Fassadenverkleidung ablesbar. Der Hof war im Kellerniveau nicht überbaut bis auf WCs an der Westseite, diese wurden entfernt. Die viergeteilten Hoffenster in den Etagen sind bauzeitlich erhalten, ebenso möglicherweise z.T. die weißen Fliesen der ursprünglichen Mauerverblendung unter der heutigen Wärmedämmung. An der Nordseite ist die neue abgesenkte und mit Stahlunterzügen gesicherte Durchfahrt zur Anlieferung angeordnet.
Innenausbau
Im Erdgeschoss haben alle Geschäfte getrennte Zugänge von der Straße bzw. der heutigen Arkade aus. Der um eine Achse nach Westen verlegte Haupteingang erfolgt heute in der dritten Achse von Westen, das Vestibül, das ursprünglich zwei Achsen breit war, wurde geteilt und der östliche Teil dem Geschäft in der vierten Achse zugeschlagen. Die Anordnung  der Aufzüge blieb erhalten, ebenso der Treppenaufgang. Im Zuge der jüngsten Modernisierung wurden die Wände im Vestibül wie auch auf den einzelnen Büroetagen mit opaken Glasscheiben neu verkleidet. Im rückwärtigen Teil des Vestibüls in Richtung Kellerabgang ist ein Stück bauzeitlichen Steinfußbodens erhalten in diagonal ausgerichtetem, schwarzem Karomuster mit roten Kreuzungsquadraten auf hellem Grund. Als Schmuck hängt im Vestibül eine Tafel, die auf Bauherrn und Architekt verweist und als Baudatum 1912 verzeichnet, was allerdings nicht der Baufertigstellung entspricht.
Das Haupttreppenhaus selbst ist unverändert aus der Bauzeit erhalten in seiner schlichten, zweckmäßigen, aber sehr sorgfältig gestalteten Ausstattung. Die Treppenstufen sind aus Gründen des Feuerschutzes bis in die oberste Etage in Granit ausgeführt, ebenso der Belag der Zwischenabsätze, während die Flure, soweit nicht verändert, Terrazzoböden in Felderteilung aufweisen. Die Seitenwände wurden mit dunkelrot glasierten Fliesen belegt, die in den oberen Etagen auch die Stützpfeiler umkleiden und sich als schulterhohe Wandspiegel mit wulstiger Randleiste auf der Tür- wie auf der Fensterseite in die Flure hineinziehen, nur z.T. erhalten. Das Treppengeländer in Gusseisen besteht aus einem dichten Gitter glatter, senkrechter Stäbe, die zwischen eine Fußleiste und eine obere Leiste eingespannt sind. Wo der Anlaufstab frei steht, sind dreiseitig Stützen angefügt. Als Handlauf ist eine gedrechselte Holzleiste aufgelegt, die auf dem raumgreifend auswärts gedrehten Anlauf im Vestibül eine kleine Schnecke bildet. Dieses Motiv kehrt auf den Etagen jeweils an den Endpunkten gleichartiger Gitter wieder, die zwischen die Stützpfeiler als Abtrennung eingefügt sind, dazu betonen kugelförmige Abstandhalter seitlich oder unter einer Treppenschräge die Unterscheidung zwischen konstruktivem Bauteil und Beifügung.
Die Treppenrundung in Richtung Innenhof weist eine großflächige Bleiverglasung in Grisaille auf, geteilt in Rechteckfelder mit Windhaspen, wobei der Aufwand der Ausgestaltung nach oben abnimmt. Auf dem Absatz zwischen EG und 1. OG zeigt das Milieubild als stehendes Achteck in Farbglas einen Bergmann unter Tage in einer Kartusche mit neobarocker Ornamentik in Gelbtönen, dem entsprechen seitlich geschosshohe Bordüren in friesartigem Rapport. Das Milieubild auf dem nächst höheren Absatz zeigt einen Schmied, wobei die Rahmung etwas variiert und die seitlichen Bordüren nur ornamental geführte Stege, aber kein Farbglas aufweisen. Auf dem dritten Absatz treten die seitlichen Schmuckbänder als verkleinertes Rechteckraster auf, während das hier kleinere, rechteckige Milieubild in jüngerer Zeit durch ein Wappen der Stadt Duisburg ersetzt wurde. Das Fensterfeld darüber zeigt in der Mitte eine Rosette und keine Randleisten. Auf dem Absatz zwischen 4. und 5. OG ist die Glasfläche verkleinert und schmucklos, im Staffelgeschoss folgt ein einfaches Fenster.
Die Büroetagen sind einhüftig angelegt mit wechselnd an der Hof- bzw. Außenseite durchlaufenden Fluren. Alle Räume weisen betonierte sogenannte Stahlkappendecken auf Stahlunterzügen auf. Sie bilden über den Zwischenwänden Kehlen und umfassen jeweils Raumkompartimente von 16 bis 18 Quadratmetern. Die Tragfähigkeit ist für 350 kg/qm ausgelegt, hinreichend zur Aufstellung von Tresoren, so die Baubeschreibung, und bis heute der Norm für Büros entsprechend. Die Räume sind nach Fensterachsen flexibel teilbar und jeweils mit Heizkörpern und Wasseranschlüssen versehen, ehem. auch zentraler Warmwasserversorgung. Während in den meisten Räumen die Decken abgehängt wurden, sind sie im 1 .OG sowie im Staffelgeschoss teilweise noch sichtbar, dort ebenso im Flur, dessen Wände eine Felderteilung aufweisen bedingt durch die vor die Wand vortretenden vertikalen Dachträger. Die Flurtüren mit glatten, breitflächigen, durch schmale Stege eingefassten Laibungen sind hier alle erhalten, in den unteren Etagen teilweise, Türblätter mit neuen Beschlägen oder ganz erneuert. Das Besprechungszimmer der Hausverwaltung im Staffelgeschoss zeigt mit Parkett und Heizkörper die bauzeitliche Ausstattung.

Umfang des Denkmals
Das Denkmal Königstraße 61 umfasst den baulichen Bestand der ersten Bauzeit in seiner das äußere Erscheinungsbild sowie die innere Disposition des Gebäudes prägenden Substanz. Besondere Bedeutung kommt der Ausgestaltung der Straßenfassaden zu, der wandfesten Ausstattung sowie dem Haupttreppenhaus in seinem gesamten Umfang wie beschrieben.
Begründung des Denkmalwertes
Das Büro- und Geschäftshaus Königstraße 61, gen. “Mercatorhaus“, ist bedeutend für Städte und Siedlungen, hier Duisburg Innenstadt, denn es markiert an einer stadträumlich wichtigen Stelle die Entscheidung für eine großstädtische, repräsentative und zugleich zweckorientierte Bebauung. Es steht städtebaulich im Kontext der östlichen Stadterweiterung in Richtung Bahnhof seit den 1890er Jahren und gab zur Bauzeit dem eher vorstädtischen Umfeld ein neues Gesicht. Seinem ursprünglichen Zweck entsprechend befindet sich das Gebäude in kontinuierlicher Nutzung und genügt damals wie heute voll und ganz den Anforderungen.
Für seine Erhaltung und angemessene Nutzung liegen wissenschaftliche, hier architektur- und stadthistorische Gründe vor. Die Konzeption als Geschäfts- und Bürogebäude mit flexibler Teilbarkeit in einzeln vermietbare Einheiten kam einem steigenden Bedarf an gewerblichen Räumen in einer aufstrebenden Stadt des Handels und der Industrie entgegen. Damit repräsentiert das Gebäude einen Typus, der sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts auszuprägen begann und bislang bauhistorisch noch wenig Beachtung fand. Diese Zweckbestimmung prägt einerseits die bauliche, insbesondere konstruktive Ausformung, betrifft jedoch ebenso das wirtschaftliche Handeln des Auftraggebers, der hier ein Verfahren aus dem Wohnungsbau — Typus Wohnblock oder Mietskaserne — auf den neuen Gewerbesektor übertrug.

Hierfür wurde die zur Verfügung stehende Baufläche in optimaler Weise ausgenutzt. Die Baukonstruktion beruht auf einer letztlich aus dem Holzbau abgeleiteten Pfosten-Riegel-Bauweise aus mit Beton ummantelten Stahlstützen und —trägern und betonierten Deckenpiatten, wie sie seit dem 19.Jh. in Frankreich durch die Pionierleistungen von Monier (1. Patent 1867) und Hennebique (Betonbauunternehmen ab 1892) bekannt sind. In Deutschland, wo es Betonbauversuche ab ca. 1875 z.B. in Verbindung mit der Baugewerkschule Holzminden durch Bernhard Liebold gab, war das Bauunternehmen Wayss & Freytag Vorreiter des Betonbaus. Der Leiter der dortigen Forschungsabteilung Emil Mörsch publizierte 1902 “Der Betoneisenbau, seine Anwendung und seine Theorie“, als Standardwerk fortgeschrieben in “Der Eisenbeton“. 1904 mit Ergänzungen 1909 wurden dann durch den Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine und den Deutschen Betonbauverein die ersten “Leitsätze für die Vorbereitung, Ausführung und Prüfung von Eisenbetonbauten“ herausgegeben, Vorläufer späterer Bauvorschriften. Der Betonbau erlaubt großflächige, nur durch Stützen unterteilte Geschossebenen mit hoher Festigkeit und Brandsicherheit und erlaubt die Vorfertigung von Bauteilen, was sich im Industriebau z.B. für mehrgeschossige Speicher bewährte. Im Mercatorhaus ermöglicht diese Bauweise nicht nur die flexible Teilbarkeit, sondern verleiht auch dem Treppenhaus, das statt von massiven Wänden lediglich von Vierkantstützen gefasst ist, trotz seiner bescheidenen Abmessungen einen großzügigen, luftigen Charakter. Auch hier galt die Maxime, den Anteil an Verkehrsfläche im Gebäude so gering wie möglich zu bemessen und dennoch einen gehobenen Standard für gute Mieterträge zu gewährleisten.
Stilistisch fügt sich das Denkmal Mercatorhaus ein in eine Entwicklungsreihe seit den nordenglischen Stahl-Glas-Bauten des früheren 19. Jahrhunderts. Vorreiter war hier Glasgow, wo insbesondere durch Alexander Thomson mehrgeschossige Geschäftsbauten in Eisenskelettbauweise entstanden, denen antikisierende, auf dem Motiv der Kolossalordnung aufbauende Fassaden vorgeblendet wurden, weshalb Thomson auch der Name “Greek“ beigegeben wurde und im Englischen das oberste, meist niedrigere Geschoss unter dem Dachansatz als “attic“, entspr. “Attika“ bezeichnet wird. Spätere Nachfahren dieser Bauweise waren die zum Hochhaus gesteigerten Entwürfe der Chicago School. In Deutschland steht am Beginn der nicht ausgeführte Entwurf Schinkels für ein mehrgeschossiges Kaufhaus und seine Bauakademie als Prototyp des konstruktiv durchrationalisierten Bauens. Der Architekt Carl Brocker dürfte sie als Student an der Technischen Hochschule Charlottenburg kennen gelernt haben, einer der renommiertesten im damaligen Deutschland, wo er 1903 das 1. und 1908 das 2. Staatsexamen ablegte. Für das Mercatorhaus minimiert er das klassizistische Repertoir, bereichert es durch bewegte Elemente wie Kurvaturen und Girlanden, sodass trotz der strengen Linearität ein plastisch differenziertes Bild entsteht, und lässt aber, ganz im Sinne des späten, geometrischen Jugendstil die Rasterfassade als zu Grunde liegendes Motiv durchscheinen. Dem antworten innen die Rigidität der Vierkantstützen, die nackten, undekorierten Wände und Decken, die ihre Konstruktionsweise erkennen lassen, und, sozusagen als Essenz, das strenge Gitterwerk des Treppengeländers.
Carl Brocker war aus Duisburg gebürtig, wo er das Steinbart-Realgymnasium besuchte, studierte an den Hochschulen Karlsruhe und Charlottenburg und ließ sich, nach kurzem Staatsdienst als Regierungsbaumeister, 1910 in Düsseldorf als selbstständiger Architekt nieder. Ein früher Entwurf galt 1912 dem Pfarrhaus der Liebfrauenkirche Ottostraße in Duisburg-Homberg. Nach dem 1. Weltkrieg folgten Siedlungsbauten für die Phoenix AG in Düsseldorf, das Hotel Duisburger Hof mit Fertigstellung 1927 sowie ab den späten 1920er Jahren vorwiegend Krankenhäuser u.a. 1926-28 St. Johannis-Hospital Duisburg-Hamborn. 1930 ist er als Mitglied des Architekten- und Ingenieurvereins Berlin registriert und Konsul der Republik Bolivien. Er verstirbt 1959 in Bad Honnef.
Quellen
Werner Burghoff: Bauten des Historismus in Duisburg. in: Duisburger Forschungen 31 1982
S. 229f (dort z.T. unrichtige Angaben)
Uta Hassler: Häuser aus Beton. Tübingen und Berlin 2004, bes. S. 47-57u. 26 1-264

Dr. Claudia Euskirchen, Untere Denkmalbehörde Duisburg