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Bundesverfassungsgericht am 17. Dezember 2014:
Privilegierung des Betriebsvermögens bei der
Erbschaftsteuer ist in ihrer derzeitigen
Ausgestaltung nicht in jeder Hinsicht mit der
Verfassung vereinbar Das
Bundesverfassungsgericht hat eine neue
Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der
Kurztext: Mit heute verkündetem Urteil hat der Erste
Senat des Bundesverfassungsgerichts §§ 13a und 13b
und § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer‑ und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) für
verfassungswidrig erklärt. Die Vorschriften sind
zunächst weiter anwendbar; der Gesetzgeber
muss bis 30. Juni 2016 eine Neuregelung
treffen. Zwar liegt es im
Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleine und
mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung
geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und zur
Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu
begünstigen. Die Privilegierung betrieblichen
Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit sie
über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen
hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.
Ebenfalls unverhältnismäßig sind die Freistellung von
Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der
Einhaltung einer Mindestlohnsumme und die Verschonung
betrieblichen Vermögens mit einem
Verwaltungsvermögensanteil bis zu 50 %. §§ 13a und
13b ErbStG sind auch insoweit verfassungswidrig, als
sie Gestaltungen zulassen, die zu nicht zu
rechtfertigenden Ungleichbehandlungen führen. Die
genannten Verfassungsverstöße haben zur Folge, dass
die vorgelegten Regelungen insgesamt mit Art. 3
Abs. 1 GG unvereinbar sind. Die Entscheidung ist im
Ergebnis und in der Begründung einstimmig ergangen;
davon unberührt bleibt das von den Richtern Gaier und
Masing sowie der Richterin Baer abgegebene
Sondervotum.
- Oberlandesgericht am 16. Dezember 2014:
Stadt
schuldet dem Halter eines durch einen herabstürzenden
Ast beschädigten Pkw Schadensersatz, wenn sie eine
ausreichende Stabilitätskontrolle des Baumes versäumt
hat. Das hat der 11. Zivilsenat des
Oberlandesgerichts Hamm am 31.10.2014 entschieden und
damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts
Dortmund abgeändert. Der seinerzeit 52 Jahre alte
Kläger, seinerzeit wohnhaft in Hamm, parkte im Mai
2012 seinen Pkw Mercedes Benz in einer Parkbucht auf
der Straße "Sonnenplatz" in Dortmund. Im Verlauf
des Tages brach ein Ast von der am Straßenrand
stehenden Linde ab und beschädigte das Dach des
klägerischen Pkw. Von der beklagten Stadt hat der
Kläger Schadensersatz in Höhe von ca. 4.700 Euro
verlangt und gemeint, die Stadt habe ihre
Verkehrssicherungspflichten verletzt, weil sie den
Baum nicht hinreichend kontrolliert habe. Die
Beklagte ist dem entgegengetreten und hat gemeint,
die bei dem Baum zweimal im Jahr durchgeführte
Sichtkontrolle sei ausreichend gewe sen. Die Klage
hatte Erfolg. Der 11. Zivilsenat des
Oberlandesgerichts Hamm hat - sachverständig beraten
- eine schuldhafte Amtspflichtverletzung der
beklagten Stadt festgestellt und sie zu 4.700 Euro
Schadensersatz verurteilt. Die Beklagte habe gegen
ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen, weil sie
die Stabilität des Baumes unzureichend kontrolliert
habe.
Zur Abwehr der von Bäumen ausgehenden
Gefahren habe eine Stadt diejenigen Maßnahmen zu
treffen, die zum Schutz gegen Astbruch und Windwurf
erforderlich seien, wobei diese unter
Berücksichtigung des umfangreichen Baumbestandes der
öffentlichen Hand auch zumutbar sein müssten. In der
Regel genüge eine in angemessenen Abständen
ordnungsgemäß durchgeführte Sichtprüfung. Eine
eingehendere fachmännische Untersuchung sei aber
vorzunehmen, wenn es konkrete Anhaltspunkte für eine
mangelhafte Stabilität des Baumes gebe. Ausgehend
hiervon seien die Kontrollen der Beklagten im
vorliegenden Fall nicht ausreichend gewesen. Nach
den Feststellungen des Sachverständigen habe die
Linde konkrete Anzeichen für eine besondere
Gefährdung aufgewiesen, die eine intensivere
Kontrolle erfordert hätten. Die direkt an einer
Hausecke stehende Linde habe einen ungünstigen
Standort, weil sie besonders dem Wind ausgeliefert
sei. Zudem habe sie eine grob beastete, von der
Hauswand weggeneigte, sehr kopflastige Krone
entwickelt, die ein Stabilitätsrisiko sei. Hinzu
komme eine mangelnde Vitalität der Linde. Sie sei als
mittelstark bis stark geschädigt einzustufen. Die
Linde habe ein geringes Dickenwachstum von lediglich
2 cm in 20 Jahren, weise eine überdurchschnittliche
Menge an Totholz auf und habe einen ihre Vitalität
beeinträchtigenden Stammschaden. Die in ihrer
Stabilität gefährdete Linde habe deswegen
weitergehend als von der Beklagten veranlasst
kontrolliert werden müssen. Rechtskräftiges
Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Hamm vom 31.10.2014 (11 U 57/13)
Antrag der NPD gegen die
Bundesfamilienministerin erfolglos
Das
Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung
veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute
verkündetem Urteil hat der Zweite Senat des
Bundesverfassungsgerichts eine Organklage der NPD gegen
die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend wegen einer Äußerung in einem Zeitungsinterview vor
der Landtagswahl 2014 in Thüringen zurückgewiesen.
Zwar sind die Mitglieder der Bundesregierung bei
Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktion zu strikter
Neutralität gegenüber den politischen Parteien
verpflichtet. Das Neutralitätsgebot gilt jedoch nur,
soweit die Äußerung eines Mitglieds der Bundesregierung
unter spezifischer Inanspruchnahme der Autorität seines
Amtes oder der damit verbundenen Ressourcen erfolgt. Im
konkreten Fall ist ein solcher Bezug weder den äußeren
Umständen noch dem Interview selbst zu entnehmen. Daher
ist die von der NPD angegriffene Äußerung dem politischen
Meinungskampf zuzuordnen, der nicht dem Neutralitätsgebot
unterliegt.
i
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Bundesverfassungsgericht
am 12. Dezember 2014:
Antrag im Organstreitverfahren zur Zeugenvernehmung
von Edward Snowden in Berlin ist unzulässig
Pressemitteilung Nr. 114/2014 vom 12. Dezember 2014
Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue
Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der
Kurztext: Die Organklage der Fraktionen DIE LINKE
sowie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, von 127
Bundestagsabgeordneten und zwei Ausschussmitgliedern
gegen die Bundesregierung und den 1.
Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des
Deutschen Bundestages (sogenannter
NSA-Untersuchungsausschuss) ist unzulässig. Dies
hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts
einstimmig mit heute veröffentlichtem Beschluss
entschieden. Die beanstandete Einschätzung der
Bundesregierung zu rechtlichen Fragen im Zusammenhang
mit der Zeugenvernehmung von Edward Snowden in Berlin
ist lediglich vorläufig; sie stellt daher keine
rechtserhebliche Maßnahme dar, die zulässiger
Gegenstand eines Organstreitverfahrens sein könnte.
Gegen die Ablehnung des Untersuchungsausschusses,
die Vernehmung in Berlin durchzuführen, ist der
Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht nicht
eröffnet. Der Antrag betrifft kein in Art. 44 Abs. 1
GG wurzelndes Recht der Ausschussminderheit gegenüber
dem Untersuchungsausschuss, sondern die
verfahrensrechtliche Überprüfung der Ausschussarbeit
im Einzelnen, die dem Bundesgerichtshof zugewiesen
ist.
- Bundesgerichtshof
11. Dezember 2014 (Telekomurteil):
Bundesgerichtshof entscheidet über Rechtsbeschwerden
nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
(KapMuG) im Telekom-Verfahren Der u.a. für das
gesetzlich geregelte Prospekthaftungsrecht zuständige
XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit
Beschluss vom 21. Oktober 2014 über die
Rechtsbeschwerden von Anlegern, die stellvertretend
für rund 17.000 Kläger Rechtsmittel eingelegt hatten,
und die Rechtsbeschwerde der Deutschen Telekom AG
gegen den Musterentscheid des Oberlandesgerichts
Frankfurt am Main vom 16. Mai 2012 entschieden.
Gegenstand des – im Zusammenhang mit den massenhaft
erhobenen Klagen von Aktionären der Deutschen Telekom
AG – neu geschaffenen Kapitalanleger-Musterverfahrens
können nur verallgemeinerungsfähige Vorfragen zu den
einzelnen Aktionärsklagen sein. Im Mittelpunkt des
Verfahrens steht dabei die (Un-)Richtigkeit des
anlässlich des sogenannten "dritten Börsenganges" der
Deutschen Telekom AG herausgegebenen
Verkaufsprospektes. Im Jahr 2000 bot die Deutsche
Telekom AG auf Grundlage dieses Prospektes 230
Millionen bereits zum Börsenhandel zugelassene
Stückaktien aus dem Bestand der Kreditanstalt für
Wiederaufbau (KfW) öffentlich zum Verkauf an. Nachdem
der Kurs der Aktien stark gefallen war, kam es ab dem
Jahr 2001 zu zahlreichen Klagen gegen die Deutsche
Telekom AG, die KfW, die Bundesrepublik Deutschland
und einen Teil der Konsortialbanken. Im
Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt
am Main haben der Musterkläger und die auf seiner
Seite Beigeladenen eine Vielzahl von Prospektfehlern
geltend gemacht. Die Deutsche Telekom AG als
Musterbeklagte hat das Vorliegen eines
Prospektfehlers in Abrede gestellt und sich unter
anderem auch auf Verjährung berufen. Das
Oberlandesgericht hat über die ihm durch mehrfach
berichtigten und ergänzten Vorlagebeschluss des
Landgerichts vorgelegten Fragen durch Musterentscheid
vom 16. Mai 2012 entschieden. Einen Prospektfehler
hat es nicht festgestellt. Feststellungen hat es
lediglich zu Teilaspekten wie zur
Prospektverantwortlichkeit der Musterbeklagten und zu
Verjährungsfragen getroffen. Im Übrigen hat es die
Feststellungsanträge beider Seiten zurückgewiesen.
Auf die Rechtsbeschwerden des Musterklägers und
der auf seiner Seite Beigeladenen hat der XI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs den Musterentscheid
in einem zentralen Punkt aufgehoben. Anders als das
Oberlandesgericht hat er hinsichtlich der Vorgänge um
die konzerninterne Übertragung der ursprünglich von
der Musterbeklagten gehaltenen Aktien des
US-amerikanischen Telekommunikationsunternehmens
Sprint Corporation (Sprint) einen Prospektfehler
bejaht. Er hat die Sache deshalb zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung über noch offene -
verallgemeinerungsfähige - Folgefragen zur Kausalität
und zum Verschulden an das Oberlandesgericht
zurückverwiesen. Zur Begründung hat er im
Wesentlichen ausgeführt: Das Oberlandesgericht
ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen,
dass sich die geltend gemachten
Prospekthaftungsansprüche nach der
spezialgesetzlichen Prospekthaftung gemäß § 13
VerkProspG aF* iVm § 45 BörsG aF** analog richten.
Rechtsfehlerhaft hat das Oberlandesgericht jedoch
einen Prospektfehler verneint, soweit im Prospekt
ausgeführt ist, die Musterbeklagte habe im Jahr 1999
auf Grund des konzerninternen Verkaufs ihrer Anteile
an Sprint einen Buchgewinn von 8,2 Mrd. € realisieren
können. Insoweit ist der Prospekt objektiv falsch.
Selbst für einen bilanzkundigen Anleger war bei der
gebotenen sorgfältigen und eingehenden Lektüre des
gesamten Prospekts nicht ersichtlich, dass die
Musterbeklagte die Sprint-Aktien
nicht - wie im Prospekt dargestellt
- verkauft, sondern im Wege der Sacheinlage auf ihre
100%-ige Konzerntochter, die NAB Nordamerika
Beteiligungs Holding GmbH (NAB), übertragen hat (sog.
Umhängung). Der Prospekt zeigt damit
nicht wie geboten auf, dass die Musterbeklagte trotz
Übertragung der Aktien innerhalb des Konzerns
weiterhin das volle Risiko eines Kursverlustes der
Sprint-Aktien mit allen dividendenrelevanten
Abschreibungsrisiken trug. Im Prospekt
hätte dargelegt werden müssen, dass der
Beteiligungsbuchwert der Musterbeklagten an der NAB
in Folge der Umhängung um 9,8 Mrd. € gestiegen war.
Nur so wäre erkennbar gewesen, dass der
Beteiligungsbuchwert im Falle eines Kursverlustes der
Sprint-Aktien in derselben Höhe sinken würde und
deshalb eine Sonderabschreibung in Höhe des
kompletten Kursverlusts - wie hier in Höhe von 6,653
Mrd. € - vorgenommen werden müsste, was wiederum
unmittelbaren Einfluss auf den Bilanzgewinn der
Musterbeklagten in künftigen Geschäftsjahren und
damit die Dividendenerwartung der mit dem Prospekt
angesprochenen Anleger haben würde. Das alles
ergibt sich aus dem Prospekt aber nicht. An keiner
Stelle des Prospektes werden die NAB, ihre
Rechtsform, ihre Geschäftstätigkeit als Holding, die
Ende des Geschäftsjahres 1999 das gesamte Aktienpaket
an Sprint hielt, und die wesentliche Beteiligung der
Musterbeklagten an der NAB erwähnt. Im Gegenteil wird
im Konzernanhang des Prospekts unter der Überschrift
"Wesentliche Beteiligungen" der Kapitalanteil der
Musterbeklagten an Sprint-FON mit 10,99 % und an
Sprint-PCS mit 11,28 % - jeweils bezogen auf das
Geschäftsjahr 1998 - angegeben. Daraus konnte
selbst ein bilanzkundiger Anleger die tatsächlichen
Beteiligungsverhältnisse im Jahr 1999 und die sich
daraus ergebenden Risiken nicht ableiten. Damit steht
das Vorliegen eines Prospektfehlers für sämtliche
Ausgangsverfahren bindend fest. Allerdings ist mit
Abschluss des Rechtsbeschwerdeverfahrens noch nicht
abschließend entschieden, ob die Deutsche Telekom AG
auf Grund des festgestellten Prospektfehlers dem
Grunde nach tatsächlich zur Zahlung von
Schadensersatz verpflichtet ist.
Zu den
weiteren - verallgemeinerungsfähigen -
haftungsbegründenden Voraussetzungen, wie zur
Kausalität und zum Verschulden (§ 46 BörsG aF***),
hat das Oberlandesgericht - von seinem rechtlichen
Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine
Feststellungen getroffen. Dies wird es nach
Zurückverweisung des Musterverfahrens nachzuholen
haben. Die weitergehenden Angriffe der
wechselseitigen Rechtsbeschwerden gegen den
Musterentscheid des Oberlandesgerichts Frankfurt am
Main hatten mit Ausnahme von Nebenpunkten zur
Verjährung keinen Erfolg. Insbesondere hat das
Oberlandesgericht aufgrund einer umfassenden
tatrichterlicher Würdigung rechtsfehlerfrei
entschieden, dass der Wert des Immobilienvermögens
der Musterbeklagten mit mehr als 12.000 Grundstücken
und ca. 32.000 baulichen Anlagen im Prospekt nicht
wesentlich zu hoch angegeben worden war.
Beschluss vom 21. Oktober 2014 - XI ZB 12/12 LG
Frankfurt am Main – Beschluss vom 11. Juli 2006 –
3-07 OH 1/06 OLG Frankfurt am Main – Beschluss vom
16. Mai 2012 – 23 Kap 1/06 Karlsruhe, den 11.
Dezember 2014
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10. Dezember 2014:
Finanzgericht Münster:
Kosten des Scheidungsprozesses weiterhin als
außergewöhnliche Belastungen abziehbar
Mit heute veröffentlichtem Urteil vom 21. November
2014 (Aktenzeichen
4 K 1829/14 E)
hat der 4. Senat des Finanzgerichts Münster
entschieden, dass Scheidungsprozesskosten auch nach
der ab dem Jahr 2013 geltenden gesetzlichen
Neuregelung als außergewöhnliche Belastungen
abzugsfähig sind. Die Klägerin und ihr Ehemann ließen
sich im Jahr 2013 scheiden. Bereits im Vorfeld hatten
die Eheleute eine notarielle
Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen, mit der die
Klägerin den hälftigen Miteigentumsanteil am
gemeinsamen Grundstück erwarb und sich zur Zahlung
eines Ausgleichsbetrages an ihren Ehemann zur
Abgeltung aller Ansprüche verpflichtete. Im Rahmen
ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin
die Kosten des Scheidungsprozesses und der
Scheidungsfolgenvereinbarung sowie die
Ausgleichszahlung an ihren Ehemann als
außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt
versagte den Abzug vollständig und wies auf die ab
2013 geltende Regelung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG
hin, nach der Prozesskosten und damit auch
Scheidungskosten grundsätzlich nicht mehr zu
berücksichtigen seien. Der 4. Senat des
Finanzgerichts Münster gab der Klage teilweise statt.
Die Gerichts- und Anwaltskosten des
Scheidungsprozesses seien außergewöhnliche
Belastungen. Die Kosten seien zwangsläufig
entstanden, weil eine Ehe nur durch ein
Gerichtsverfahren aufgelöst werden könne. Dem stehe
die Neuregelung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht
entgegen, denn ohne den Scheidungsprozess und die
dadurch entstandenen Prozesskosten liefe die Klägerin
Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre
lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen
nicht mehr befriedigen zu können. Der Begriff der
Existenzgrundlage sei nicht rein materiell zu
verstehen, sondern umfasse auch den Bereich des
bürgerlichen Lebens und der gesellschaftlichen
Stellung. Dies erfordere die Möglichkeit, sich aus
einer zerrütteten Ehe lösen zu können. Für ein solch
weites Verständnis des Begriffs spreche auch die
Absicht des Gesetzgebers, lediglich die umfassende
Ausweitung der Abzugsfähigkeit von Prozesskosten
durch die seit dem Jahr 2011 geltende Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs wieder einzuschränken.
Zwangsläufig entstandene Scheidungskosten seien aber
schon seit früherer langjähriger Rechtsprechung als
außergewöhnliche Belastungen anerkannt gewesen.
Diese Abzugsmöglichkeit habe der Gesetzgeber nicht
einschränken wollen. Allerdings seien die Kosten für
die Scheidungsfolgenvereinbarung nicht abzugsfähig,
da diese Aufwendungen nicht zwangsläufig entstanden
und auch nach der früheren Rechtsprechung ni cht
abzugsfähig gewesen seien. Die Ausgleichszahlung
selbst stelle bereits keine außergewöhnliche
Belastung dar, sondern vielmehr eine Gegenleistung
der Klägerin für den Erwerb des Miteigentums am
Grundstück und für die Abgeltung weiterer Ansprüche.
Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof
zugelassen.
Warmwasserkosten bei
hohem Wohnungsleerstand Der
Bundesgerichtshof hat sich heute in einer
Entscheidung mit der Umlage von Warmwasserkosten auf
den Mieter im Falle eines hohen Wohnungsleerstands in
einem Mehrfamilienhausbeschäftigt. Die Klägerin, eine
Wohnungsbaugenossenschaft, hatte der Beklagten eine
Wohnung in einem 28-Familien-Haus in Frankfurt (Oder)
vermietet. Da das Haus im Rahmen der Stadtplanung
abgerissen werden sollte, waren Ende 2011 nur noch
wenige Wohnungen belegt. Der erhebliche
Wohnungsleerstand hatte zur Folge, dass die für eine
große Leistung und viele Wohnungen ausgelegte
Heizungs- und Warmwasseranlage gemessen an dem
geringen Verbrauch der wenigen verbliebenen Mieter
nicht mehr kostengünstig arbeitete. Die Klägerin
legte von den im Abrechnungsjahr 2011 angefallenen
Warmwasserkosten (7.848,61 €) 50 % nach
Wohnflächenanteilen um, 50 % der Kosten berechnete
sie nach dem Verbrauch. Von dem Gesamtverbrauch im
Gebäude (78,220 m³) entfielen 23,820 m³ auf die
Beklagte. Daraus errechnete die Klägerin einen
Verbrauchskostenanteil von 1.195,06 € (3.924,31 € :
78,22 m³ x 23,82 m³). Hiervon stellte sie der
Beklagten "aus Kulanz" allerdings lediglich die
Hälfte (597,53 €) in Rechnung. Die Beklagte
weigerte sich, Nachzahlungen zu erbringen, da die
Klägerin die Warmwasserkosten aufgrund des hohen
Leerstandes im Haus nicht nach Verbrauch, sondern
ausschließlich nach der Wohnfläche habe umlegen
dürfen. Die auf Zahlung der
Betriebskostennachforderung gerichtete Klage hatte in
erster Instanz überwiegend Erfolg. Auf die Berufung
der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des
Amtsgerichts teilweise abgeändert und die Klage
insgesamt abgewiesen. Die vom Berufungsgericht
zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der
unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige
VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
entschieden, dass die von der Klägerin vorgenommene
Berechnung auf der Grundlage von § 8 Abs. 1
HeizkostenV* aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden
ist. Auch bei hohen Leerständen bleibt es
grundsätzlich bei der gesetzlich vorgegebenen
Abrechnung, wonach die Kosten zu mindestens 50 % nach
Verbrauch umzulegen sind. Entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts kommt eine analoge Anwendung
von § 9a HeizkostenV** nicht in Betracht, denn die in
§ 9a HeizkostenV geregelten Fälle, in denen aus
zwingenden technischen Gründen eine
Verbrauchserfassung nicht möglich ist, sind mit dem
hier in Rede stehenden Fall einer jetzt
unwirtschaftlich arbeitenden Heizungsanlage nicht
vergleichbar. Allerdings kann die strikte Anwendung
der Vorgaben der HeizkostenV bei hohen Leerständen in
Einzelfällen zu derartigen Verwerfungen führen, dass
eine angemessene und als gerecht empfundene
Kostenverteilung nicht mehr gegeben ist.
Diesen Fällen kann mit einer aus dem Prinzip von Treu
und Glauben (§ 242 BGB) abzuleitenden
Anspruchsbegrenzung Rechnung getragen werden. Ob eine
solche Anspruchskürzung geboten ist, um die
beiderseitigen Interessen zu einem angemessenen
Ausgleich zu bringen, obliegt grundsätzlich der
Beurteilung des Tatrichters. Im vorliegenden Fall
konnte der Senat die Beurteilung selbst vornehmen, da
keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu
treffen waren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass
die Klägerin in Anwendung von § 8 Abs. 1 HeizkostenV
bereits den für die Beklagte günstigsten Maßstab (50
%) gewählt hat und von dem sich so ergebenden Betrag
lediglich die Hälfte geltend macht, so dass sich für
die knapp 50 qm große Wohnung der Beklagten für
Heizung und Warmwasser ein zwar hoher, aber nicht
völlig untragbar erscheinender Betrag von rund 1.450
€ ergibt. Auf der anderen Seite hat auch die
Klägerin - ohne für die leerstehenden Wohnungen
Mieteinnahmen zu erhalten - schon über den
Wohnflächenanteil - beträchtliche Kosten zu tragen
und muss es insoweit ihrerseits ebenfalls hinnehmen,
dass die angesichts des Leerstandes unwirtschaftliche
Heizungsanlage erhebliche Mehrkosten verursacht.
Insgesamt erscheint es daher nicht unangemessen, dass
auch die Mieter einen nicht ganz unerheblichen Teil
der leerstandsbedingten Mehrkosten zu tragen haben.
Eine weitere Anspruchskürzung über den von der
Klägerin bereits freiwillig abgezogenen Betrag hinaus
ist deshalb auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und
Glauben nicht geboten.
* § 8
Heizkostenverordnung: Verteilung der Kosten der
Versorgung mit Warmwasser (1) Von den Kosten des
Betriebs der zentralen Warmwasserversorgungsanlage
sind mindestens 50 vom Hundert, höchstens 70 vom
Hundert nach dem erfassten Warmwasserverbrauch, die
übrigen Kosten nach der Wohn- oder Nutzfläche zu
verteilen. ** § 9a Heizkostenverordnung:
Kostenverteilung in Sonderfällen (1) Kann der
anteilige Wärme- oder Warmwasserverbrauch von Nutzern
für einen Abrechnungszeitraum wegen Geräteausfalls
oder aus anderen zwingenden Gründen nicht
ordnungsgemäß erfasst werden, ist er vom
Gebäudeeigentümer auf der Grundlage des Verbrauchs
der betroffenen Räume in vergleichbaren Zeiträumen
oder des Verbrauchs vergleichbarer anderer Räume im
jeweiligen Abrechnungszeitraum oder des
Durchschnittsverbrauchs des Gebäudes oder der
Nutzergruppe zu ermitteln. Der so ermittelte
anteilige Verbrauch ist bei der Kostenverteilung
anstelle des erfassten Verbrauchs zu Grunde zu legen.
Urteil vom 10. Dezember 2014 – VIII ZR 9/14 AG
Frankfurt (Oder) - Urteil vom 7. Juni 2013 - 2.2 C
215/13 LG Frankfurt (Oder) - Urteil vom 17.
Dezember 2013 - 16 S 138/13 Karlsruhe, den 10.
Dezember 2015
- 03. Dezember 2014:
Zahlungsanspruch des Mieters für Schönheitsreparaturen
Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung
mit der Auslegung einer Klausel beschäftigt, die dem Mieter
einen Zahlungsanspruch für selbst ausgeführte
Schönheitsreparaturen gewährt. Die Kläger sind seit 1990
Mieter einer – damals noch preisgebundenen – Wohnung in
Berlin, die sie damals von der Rechtsvorgängerin der
Beklagten gemietet hatten. § 11 des Mietvertrags lautet: "1.
Die Kosten der Schönheitsreparaturen innerhalb der Wohnung
werden vom Vermieter getragen. 2. Umfang und Ausführung der
Schönheitsreparaturen erfolgt im Rahmen der hierfür nach den
Vorschriften der 2. Berechnungsverordnung § 28 (4)*
vorgesehenen Kostenansätze. 3. Sofern der Mieter
Schönheitsreparaturen selbst ausführt oder durch
entsprechende Fachfirmen ausführen lässt, werden ihm auf
Antrag die anteiligen Beträge, wie sie sich nach der obigen
Verordnung errechnen, ausgezahlt, sofern die Ausführung sach-
und fachgerecht erfolgt ist." In einer Zusatzvereinbarung
ist bestimmt: "In Ergänzung von § 11 Ziff. 2 des mit Ihnen
abgeschlossenen Mietvertrages wird hiermit vereinbart, dass
der Mieter nach Durchführung von Schönheitsreparaturen, die
durch normale Abnutzung notwendig wurden, Anspruch auf
Auszahlung des hierfür in der Miete vorgesehenen Betrages
gemäß den jeweils gültigen Berechnungsverordnungen hat. Als
Abrechnungsmodus wird eine Zeitspanne von 5 Jahren
angesetzt." Die Beklagte informierte die Kläger Anfang
2012 darüber, dass sie die Schönheitsreparaturen künftig
selbst ausführen werde. Die Kläger lehnten dies ab und
kündigten an, die Wohnung nach Ablauf von mindestens fünf
Jahren seit den letzten Schönheitsreparaturen selbst zu
renovieren. Im Mai 2012 teilten sie der Beklagten mit, die
Wohnung sei jetzt renoviert, und verlangten – entsprechend
den Berechnungsvorgaben in der Zusatzvereinbarung - die
Zahlung von 2.440,78 €. Sie behaupten, es habe
Renovierungsbedarf bestanden und es seien alle Wände, Decken,
Türen und Heizkörper fachgerecht gestrichen worden.
Das Amtsgericht hat der auf Zahlung des vorgenannten Betrages
gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung der
Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die vom
Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger hatte
Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht
zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
entschieden, dass der auf § 11 Ziffer 3 des
Formularmietvertrags in Verbindung mit der Zusatzvereinbarung
gestützte Zahlungsanspruch eine Zustimmung der Beklagten zur
Ausführung der Schönheitsreparaturen durch die Kläger nicht
voraussetzt, sondern lediglich erfordert, dass die Kläger als
Mieter fällige Schönheitsreparaturen sach- und fachgerecht
vorgenommen haben. Dem Zahlungsanspruch steht daher nicht
entgegen, dass die Beklagte die Schönheitsreparaturen selbst
durchführen wollte und dies den Klägern auch mitgeteilt
hatte. Für diese – den Klägern als Gegnern der
Klauselverwenderin günstigste - Auslegung der Klausel
sprechen, wie die Revision zu Recht geltend macht, sowohl der
Wortlaut der Klausel als auch eine Abwägung der berechtigten
beiderseitigen Interessen. Denn die Klausel bietet dem Mieter
einen Anreiz, die Schönheitsreparaturen (kostengünstig) in
Eigenarbeit durchzuführen und dafür die "angesparten"
Beträge, die den eigenen Aufwand im Einzelfall übersteigen
können, ausgezahlt zu erhalten. Für den Vermieter
hat die Klausel den Vorteil, dass er bei Durchführung der
Schönheitsreparaturen durch den Mieter eigenen Aufwand für
die Planung und Abstimmung der Arbeiten mit dem Mieter
erspart und das Risiko mangelhafter
Ausführung beim Mieter liegt, der die Auszahlung nur
erhält, wenn infolge normaler Abnutzung erforderliche
Schönheitsreparaturen durch den Mieter fachgerecht ausgeführt
worden sind.
Urteil vom 3. Dezember 2014 – VIII ZR
224/13 AG Berlin-Charlottenburg - Urteil vom 1. November
2011 - 239
C 155/12 LG Berlin - Urteil vom 20. Juni 2013 - 67 S 619/12
Karlsruhe, den 3. Dezember 2014
|
Zivilrecht. Papierrechnung
nur gegen Aufpreis ist unzulässig
|
Mobilfunkanbieter dürfen
kein zusätzliches Geld dafür verlangen, dass sie dem
Kunden neben einer online abrufbaren Rechnung auch
eine Rechnung auf Papier zuschicken. Wie der
Bundesgerichtshof entschied, gilt dies zumindest
dann, wenn der Betrieb seine Leistungen nicht
ausschließlich online anbietet. BGH, Az. III ZR
32/14
Hintergrundinformation:
Die Wirksamkeit von Klauseln in allgemeinen
Geschäftsbedingungen ist oft umstritten. Viele
Unternehmen sehen die Zusendung von Papierrechnungen
an ihre Kunden heute als zusätzlichen Aufwand an.
Immer mehr Kunden machen von der Möglichkeit
Gebrauch, ihre Rechnungen über ein besonderes
Internetangebot des Unternehmens herunterzuladen.
Bisher war umstritten, ob Unternehmen das Zusenden
von Rechnungen in Papierform mit Hilfe ihrer
Geschäftsbedingungen zur aufpreispflichtigen
Zusatzleistung machen dürfen. Der Fall: Ein
Mobilfunkanbieter hatte in seinen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen festgelegt, dass die Kunden ihre
Rechnungen über ein Internetportal des Unternehmens
herunterladen könnten. Die Rechnungen waren dort 12
Monate lang abrufbar, der Einzelverbindungsnachweis
80 Tage lang. Eine Rechnung in Papierform erstellte
das Unternehmen laut Geschäftsbedingungen nur auf
ausdrücklichen Wunsch des Kunden – und gegen einen
Aufpreis von 1,50 Euro pro Rechnung. Ein
Verbraucherschutzverband klagte gegen das Unternehmen
mit dem Ziel, ihm die Verwendung der entsprechenden
Klausel in seinen Geschäftsbedingungen verbieten zu
lassen. Die Vertragsregelung sei unwirksam.
Das Urteil: Nach Mitteilung der D.A.S.
Rechtsschutzversicherung gab der Bundesgerichtshof
den Verbraucherschützern Recht. Die Erstellung einer
Rechnung in Papierform sei eine vertragliche Pflicht
des Unternehmens. Anders liege die Sache nur bei
Betrieben, die ihre Dienstleistungen ausschließlich
online vertreiben würden. Dies gelte jedoch nicht für
die Beklagte: Sie könne sich nicht darauf verlassen,
dass alle ihre Kunden über einen Internetzugang
verfügten. Dies gelte trotz gestiegener
Internet-Nutzung. Die Zusendung einer Rechnung auf
Papier stelle noch immer eine Vertragspflicht des
Unternehmens dar, für die keine gesonderte Bezahlung
gefordert werden dürfe. Bundesgerichtshof, Urteil
vom 9.10.2014, Az. III ZR 32/14
|
Einschlafen als
Kündigungsgrund?
Das Arbeitsgericht Köln hatte
am 19.11.2014 über die Kündigungsschutzklage einer
Stewardess im Bordservice der beklagten Bahngesellschaft zu
entscheiden, die gekündigt worden war, nachdem sie in einem
Zugabteil eingeschlafen war und erst nach mehreren Stunden
die Arbeit aufgenommen hat. Die Arbeitnehmerin hatte bei
Dienstbeginn über Unwohlsein geklagt, sich jedoch nicht
förmlich krankgemeldet. Das Arbeitsgericht hat die
Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Die Arbeitgeberin
hatte das Einschlafen als Arbeitsverweigerung gewertet und
darauf hingewiesen, dass die Klägerin bereits abgemahnt
worden war, unter anderem wegen Verschlafens des
Dienstbeginns. Dieser Argumentation ist das Gericht nicht
gefolgt. Es hat offen gelassen, ob die Klägerin eine
arbeitsvertragliche Pflicht verletzt hat, indem sie sich
nicht förmlich krankgemeldet hat und im Abteil eingeschlafen
ist. Selbst im Fall einer Pflichtverletzung hätte es einer
weiteren Abmahnung bedurft. Die bereits erteilten Abmahnungen
hat das Gericht für nicht einschlägig und die Kündigung damit
für unverhältnismäßig gehalten. Die Entscheidung ist
nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim
Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden. Arbeitsgericht
Köln ? Aktenzeichen 7 Ca 2114/14
12. November -
Oberlandesgericht Hamm: Brücke mit erheblichen Mängeln -
Zahnarzt muss Neuanfertigung anbieten
Weist eine zahnprothetische Brücke so
erhebliche Mängel auf, dass sie erneuert werden muss, muss
der Zahnarzt dem Patienten eine Neuanfertigung anbieten.
Unterlässt er dies, kann der Patient den Behandlungsvertrag
fristlos kündigen, schuldet kein Zahnarzthonorar und kann
seinerseits Schmerzensgeld beanspruchen. Das hat der 26.
Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05.09.2014
entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des
Landgerichts Bielefeld abgeändert. Der heute 72 Jahre alte,
beklagte Patient aus Bielefeld ließ sich von 2006 bis Mai
2011 vom klagenden Zahnarzt aus Bielefeld zahnärztlich
behandeln. Anfang des Jahres 2011 führte der Kläger eine
zahnprothetische Behandlung durch und gliederte dem Beklagten
Brücken ein. Hierfür berechnete er Behandlungskosten in Höhe
von ca. 8.600 Euro. Diese beglich der Beklagte nicht, weil
die Brücken nach seiner Ansicht - auch nach
Nachbesserungsversuchen seitens des Klägers - erhebliche
Mängel aufwiesen. Der Kläger te ilte dem Beklagten sodann
mit, dass er zu weiteren zahnärztlichen Leistungen ohne
Vergütung nicht mehr bereit sei. Der Beklagte lehnte darauf
hin weitere Behandlungen durch den Kläger ab. Mit seiner
Klage hat der Kläger vom Beklagten die Bezahlung der
Behandlungskosten verlangt. Im Wege der Widerklage hat der
Beklagte den Kläger auf Zahlung von Schadensersatz, u. a.
eines Schmerzensgeldes in Anspruch genommen. Der 26.
Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat dem Patienten
Recht gegeben, die Klage abgewiesen und den Kläger auf die
Widerklage zur Zahlung von 2.500 Euro Schmerzensgeld
verurteilt. Nach der Anhörung eines zahnmedizinischen
Sachverständigen stehe fest, dass der Beklagte den
Behandlungsvertrag habe fristlos kündigen dürfen und dem
Kläger auch kein zahnärztliches Honorar für bereits erbrachte
Leistungen schulde. Dem Kläger seien erhebliche
Behandlungsfehler vorzuwerfen. Die dem Beklagten
eingegliederte Brückenkonstruktion sei mit zahlreichen
Mängeln be haftet. Ihre Keramik weise Schäden auf, die
Kontakte der Kauflächen seien nicht ausreichend und
gleichmäßig ausgeführt. Zudem weise die Brückenkonstruktion
erhebliche Schleifspuren auf, die die Versorgung insgesamt
nutzlos machten. Die Brücke müsse neu hergestellt werden.
Auf weiteren Nachbesserungen durch den Kläger habe sich der
Beklagte nicht einlassen müssen, weil der Kläger eine
Neuanfertigung nicht angeboten habe. Die dem Kläger
anzulastenden Behandlungsfehler hätten zu gesundheitlichen
Beeinträchtigungen beim Beklagten geführt, für die der Kläger
ein Schmerzensgeld von 2.500 Euro schulde. Die Fehler hätten
eine Verlagerung des Kiefergelenks, eine Fehlbelastung der
Muskulatur dieses Bereichs und später den Abbruch eines
Zahnes zur Folge gehabt. Urteil des 26. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Hamm vom 05.09.2014 (26 U 21/13)
11. November 2014 -
Sozialgericht: Beginn der Sperrzeit bei verspäteter
Arbeitsuchendmeldung
Meldet sich ein befristet
Beschäftigter später als drei Monate vor dem Ende des
Arbeitsverhältnisses bei der Arbeitsagentur arbeitsuchend,
beginnt die zu verhängende einwöchige Sperrzeit für den Bezug
von Arbeitslosengeld mit dem Tag der verspäteten Meldung.
Dies gilt auch dann, wenn ein Ruhen des
Arbeitslosengeldanspruchs nicht mehr eintritt, weil die
Arbeitslosigkeit erst nach Ablauf der Sperrzeit beginnt.
Diese Auffassung vertritt das Sozialgericht Dortmund in Falle
einer Arbeitslosen aus Bochum, die zunächst davon ausging,
ihr befristetes Arbeitsverhältnis werde verlängert. Sie
meldete sich erst einen Monat vor Ende des
Arbeitsverhältnisses und damit nach Ablauf der
Dreimonatsfrist arbeitsuchend, nachdem ihr Arbeitgeber
schriftlich die Verlängerung abgelehnt hatte. Die Agentur
für Arbeit Bochum stellte eine einwöchige Sperrzeit fest und
bewilligte das Arbeitslosengeld ab der zweiten Woche der
Arbeitslosigkeit. Die hiergegen bei dem Sozialgericht
Dortmund erhobene Klage hat teilweise Erfolg. Das
Sozialgericht bestätigt zwar den Eintritt der Sperrzeit wegen
verspäteter Arbeitsuchendmeldung. Gleichwohl ruhe das
Arbeitslosengeld nicht, weil die Sperrzeit mit der
verspäteten Meldung als sperrzeitbegründendem Ereignis
begonnen habe und bei Eintritt der Arbeitslosigkeit bereits
abgelaufen gewesen sei. Soweit demgegenüber in
Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten werde,
die Sperrzeit beginne hier erst mit Beginn des
Arbeitslosengeldanspruchs, weil der Versicherte ansonsten
ohne Sanktion bleibe, überzeuge dies nicht. Als Sanktion
bleibe die Minderung der Anspruchsdauer des
Arbeitslosengeldes. Auch könne der Wortlaut des
Sozialgesetzbuchs nicht zum Nachteil des Berechtigten
ausgelegt werden. Sozialgericht Dortmund, Urteil vom
13.10.2014, Az.: S 31 AL 573/12
Oberverwaltungsgericht
für das Land Nordrhein-Westfalen:
04. November 2014:
Gastwirte sind nach dem
nordrhein-westfälischen Nichtraucherschutzgesetz (NiSchG NRW)
nicht verpflichtet, den Gebrauch sog. E-Zigaretten in ihren
Betrieben zu unterbinden. Das hat der 4. Senat
des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
mit Urteil vom heutigen Tage festgestellt und damit eine
Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt. Der
Kläger betreibt in Köln eine Gaststätte und duldet dort den
Gebrauch von E-Zigaretten durch seine Gäste. Die Stadt Köln
drohte ihm Ordnungsmaßnahmen an, sollte er den ihrer Meinung
nach durch das NiSchG NRW untersagten Konsum von E-Zigaretten
in seiner Gaststätte nicht effektiv unterbinden. Der
Kläger begehrte daraufhin die gerichtliche Feststellung, dass
der Konsum einer E-Zigarette vom NiSchG NRW nicht erfasst
sei. Bei E-Zigaretten entstehe mangels Verbrennungsvorgangs
kein Rauch; die Inhaltsstoffe würden vielmehr nur verdampft.
Die Einbeziehung der E-Zigarette in das Rauchverbot sei zudem
verfassungswidrig. Das Verwaltungsgericht gab der Klage
statt. Mit dem heute verkündeten Urteil hat das
Oberverwaltungsgericht die Berufung der Stadt Köln
zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Vorsitzende in der
mündlichen Verhandlung im Wesentlichen aus: Das NiSchG NRW
enthalte keine ausdrücklichen Regelungen zur E-Zigarette.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW sei "das Rauchen" in
bestimmten Einrichtungen verboten, so auch in Gaststätten.
Unter Rauchen sei nach allgemeinem und fachlichem
Sprachgebrauch das Einatmen von Rauch zu verstehen, der bei
der Verbrennung von Tabakwaren entstehe. Beim Gebrauch einer
E-Zigarette finde jedoch kein Verbrennungsprozess, sondern
ein Verdampfungsvorgang statt. Zudem handele es sich bei der
verdampften Flüssigkeit (Liquid) nicht um ein Tabakprodukt im
Rechtssinne, weil sie nicht zum Rauchen bestimmt sei. Das
gelte auch für das in vielen Liquids enthaltene Nikotin. Mit
der Entstehungsgeschichte des Ni SchG NRW lasse sich eine
Anwendung des Rauchverbots auf E-Zigaretten ebenfalls nicht
rechtfertigen.
Bei Erlass des NiSchG NRW im Jahr 2007
habe der Gesetzgeber die E-Zigarette nicht im Blick gehabt.
Bei der Änderung des Gesetzes im Jahr 2012 habe er zwar die
Absicht gehabt, die E-Zigarette wie herkömmliche Zigaretten
zu behandeln. Den Wortlaut der Verbotsnorm habe er aber nicht
entsprechend geändert. Dies wäre aber erforderlich gewesen,
um den Adressaten der Norm deren Anwendungsbereich
hinreichend deutlich zu machen. Zudem diene das NiSchG allein
dem Schutz vor Gefahren des Passivrauchens. Mögliche Gefahren
durch E-Zigaretten seien damit jedenfalls weder identisch
noch vergleichbar. Die Gefährlichkeit einer E-Zigarette für
"Passivdampfer" sei bislang nicht hinreichend erforscht,
geschweige denn nachgewiesen. Der Gesetzgeber selbst gehe
davon aus, dass Gesundheitsgefahren lediglich nicht
auszuschließen sind. Falls er im Jahr 2012 die Absicht gehabt
habe, die E-Zigarette aus Gründen der Gefahrenvorsorge in das
Rauchverbot einzubeziehen, habe er diese Unterschiede
jedenfalls nicht ausreichend erwogen. Der Senat hat die
Revision nicht zugelassen. Dagegen ist
Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das
Bundesverwaltungsgericht entscheidet. Aktenzeichen: 4 A
775/14 (I. Instanz: VG Köln 7 K 4612/13)
Verwaltungsgericht Düsseldorf
04. November 2014:
Abfallgebühren 2014 der
Städte Duisburg und Oberhausen rechtswidrig Die 16.
Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf hat mit Urteilen
vom 22. Oktober 2014, die den Beteiligten heute
zugestellt wurden, mehrere Abfallgebührenbescheide
der Städte Duisburg und Oberhausen mit der Begründung
aufgehoben, dass es für das Jahr 2014 in beiden Städten an
einer wirksamen Abfallgebührensatzung fehle. Diese Städte
hatten mit Rücksicht auf frühere Beanstandungen ihrer
Gebührensätze, die auf der ungenügenden Beachtung
preisrechtlicher Vorschriften beruhten, vorsorglich eine
Neuorganisation der Gemeinschafts-Müll-Verbrennungsanlage
Niederrhein GmbH (GMVA GmbH) vorgenommen. So wurden zwei
Tochtergesellschaften der GMVA GmbH gegründet, deren eine -
die GMVA Gemeinschafts-Müll-Verbrennungsanlage Niederrhein
GmbH & Co KG anstelle der GMVA GmbH den Auftrag zur
Verbrennung der Abfälle erhielt. Sie gab den Auftrag
ihrerseits an die GMVA GmbH weiter. Das Gericht
entschied, dass hierdurch die Bindung an das Preisrecht nicht
wirksam aufgehoben wurde. Zum einen sei die GMVA GmbH nicht
vollständig aus dem Vertrag mit den Städten ausgeschieden.
Zum anderen laufe die Bindung des Preisrechts leer, wenn
bereits die vertragliche "Zwischenschaltung" eines zu diesem
Zweck gegründeten Rechtssubjektes ausreichen würde, den
öffentlichen Auftraggeber in den Stand zu versetzen, sich von
der bestehenden Bindung zu lösen und nicht
preisrechtskonforme Kosten zu akzeptieren. Eine solche
Auslegung würde zur Funktionslosigkeit der Preiskontrolle
führen und lasse sich mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht
mehr vereinbaren. Wegen der besonderen Bedeutung hat die
Kammer die Berufung gegen die Urteile zugelassen.
Aktenzeichen: 16 K 645/14 u. a.
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