Loveparade Duisburg 2010: Der Schrei um Hilfe
 "Ich will mein Leben zurück!" - Von Harald und Barbara Jeschke
Aktion 100 Tage - 1000 Lichter

 
Gedenkskulptur Loveparade: Verfahren zur Auswahl eines Gedenkzeichens für Loveparade-Opfer beginnt im Januar neu

Initiative Spendentrauermarsch wird nicht weiter mit dem Künstler Jürgen Meister zusammenarbeiten
Duisburg, 22. Dezember 2010 - Die Initiative Spendentrauermarsch hat sich am heutigen Mittwoch gemeinsam mit der Jury zur Auswahl des Gedenkzeichens aus Anlass der Loveparade-Tragödie in Duisburg getroffen. Grund für Sitzung war die Tatsache, dass sich Künstler Jürgen Meister bei seinem ausgewählten Entwurf einer Vorlage aus dem Internet bedient hatte. Die Jury unter Vorsitz von Alt-Oberbürgermeister Josef Krings fasste die Ergebnisse nach der Sitzung zusammen: Das Verhalten des Künstlers wurde einmütig von den Mitglieder der Jury verurteilt. Insbesondere fühlten sich die Vertreter der Angehörigen der Opfer der Loveparade getäuscht und waren emotional tief getroffen über das Verwendung eines Motivs, das für einen vollkommenen anderen Zusammenhang geschaffen wurde.

Die Jury hatte Jürgen Meister einen großen Zeitraum zur Vorstellung seines Modells eingeräumt. In diesem Gespräch hatte der Künstler mit keinem Wort auf die Vorlage aus einer Bilddatenbank im Internet hingewiesen. Die Jury will und wird deshalb nicht weiter mit dem Künstler zusammenarbeiten. Obwohl das Werk grundsätzlich überzeugt, kann es nicht länger als Entwurf gelten, der auch von den Angehörigen mitgetragen wird. Dies gilt, zumal die Bildvorlage inzwischen vielfach für ganz andere Zwecke verwandt wurde. Der Künstler selbst hat nach einem Gespräch mit dem Vorsitzenden der Jury seinen Entwurf zurückgezogen.

Die Jury wird nach einer Denkpause im Januar mit einer neuen Beratung über die eingereichten Entwürfe beginnen. Dabei spielt auch eine Rolle, den Vertretern der Angehörigen nach dieser tief emotional belastenden Situation eine Möglichkeit der Erholung zu geben, um wieder möglichst unbelastet in die Beratung gehen zu können. Dafür zeigten alle Mitglieder der Jury großes Verständnis.

Die Initiative Spendentrauermarsch hält weiter an dem Vorhaben fest, ein Gedenkzeichen aus Anlass der Loveparade-Tragödie zu verwirklichen. Sie fand dafür ausdrücklich auch die Zustimmung der Vertreter der Angehörigen-Gruppen. Zur Initiative Spendentrauermarsch haben sich der Stadtsportbund Duisburg, der Lions Club Duisburg-Rhenania, das Bürgerhaus Steinhof in Huckingen und die 1910 gegründete bürgerschaftliche Vereinigung proDUISBURG e.V. zusammengeschlossen. In der Jury arbeiteten Vertreter dieser Organisationen sowie ein Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Duisburger Künstler und Vertreter der Angehörigengruppen von Opfern der Loveparade zusammen. Den Vorsitz hatte der Duisburger Alt-Oberbürgermeister Josef Krings.

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Nach Diskussion um Motivwahl für die Gedenkskulptur Loveparade:
Initiative Spendentrauermarsch prüft gemeinsam mit Jury das Vorgehen

Duisburg, 21. Dezember 2010 - Die Initiative Spendentrauermarsch hat von Vorwürfen erfahren, dass der Entwurf des Künstlers Jürgen Meister für eine Skulptur in Erinnerung an die Opfer des Loveparade-Unglücks einer vorher existierenden Vorlage nachempfunden wurde. Die Mitglieder der Initiative werden sich nun mit dem Künstler in Verbindung zu setzen.
Jürgen Meister hat in einer schriftlichen Stellungnahme alle Vorwürfe zurückgewiesen. Er versichert darin, dass er Inhaber der Rechte an dem Motiv sei. Die Vertreterin der Angehörigen der Opfer des Loveparade-Unglücks ist über die Entwicklung informiert. Die Jury unter Leitung von Altoberbürgermeister Josef Krings setzt sich am morgigen Mittwoch zusammen, damit über das weitere Vorgehen entscheiden werden kann.

Dabei ist zu beachten, dass die Entscheidung für die Skulptur unabhängig von der Person des Künstlers einstimmig und in Anlehnung der Kriterien zur Ausschreibung vorgenommen wurde. Die eingereichten 39 Entwürfe prüfte die achtköpfige Jury in anonymisierter Form. „Es war das Kunstwerk, das uns überzeugt hat, unabhängig, vom dem der es geschaffen hat“, sagt Josef Krings als Vorsitzender der Jury. Dies gelte auch weiterhin.
Die Jury hatte auch nach Aussprache mit Jürgen Meister vor der Vergabe keine Hinweise, dass das Motiv möglicherweise nicht eine originäre Entwicklung des Künstlers sein könnte. Die Frage, ob es von Jürgen Meister oder einem anderen Gestalter stammt, schränkt zunächst nicht die Qualität des Werks selbst ein.
Die Initiative Spendentrauermarsch bedauert zugleich zutiefst, dass es in Zusammenhang mit der Gestaltung des Gedenkzeichens, das im Wesentlichen aus Spendenmitteln Duisburger Bürgerinnen und Bürger finanziert wurde, zu einer solchen Irritation gekommen ist. Die Initiative Spendentrauermarsch erklärt
dazu: „Wir werden uns deshalb bemühen, so schnell als möglich, Klarheit zu schaffen, und gleichzeitig unsere Arbeit an dem Projekt Gedenkzeichen fortführen.“

Gleichzeitig sehe man es positiv, dass zu diesem frühen Zeitpunkt das Thema zur Sprache komme, weil so rechtzeitig Aufklärung zum Sachverhalt erreicht werden kann.

Zur Initiative Spendentrauermarsch haben sich der Stadtsportbund Duisburg, der Lions Club Duisburg-Rhenania, das Bürgerhaus Steinhof in Huckingen und die 1910 gegründete bürgerschaftliche Vereinigung proDUISBURG e.V.
zusammengeschlossen. In der Jury arbeiteten Vertreter dieser Organisationen sowie ein Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Duisburger Künstler, Vertreter der Angehörigengruppen von Opfern der Loveparade zusammen. Den Vorsitz hatte der Duisburger Alt-Oberbürgermeister Josef Krings.
 

Jury Spendentrauermarsch: Entwurf für Gedenkstele Stahlrelief des Grevenbroichers Jürgen Meister erinnert an die Opfer des Loveparade-Unglücks

Juryvorsitzender Altoberbürgermeister Josef Krings gab einstimmigen Beschluss bekannt:
- Entwurf von Jürgen Meister aus 39 Vorschlägen ausgewählt
- Umsetzung bis Frühjahr 2011 geplant
- 26.200 Euro aus Spenden finanzieren das Projekt

Duisburg, 20. Dezember 2010 - Die Jury der Initiative Spendentrauermarsch hat am Montag ihren Entscheid über den künstlerischen Entwurf für die Gedenkstele aus Anlass der Loveparade-Tragödie am 24. Juli 2010 in Duisburg bekannt gegeben. Nach einstimmigem Willen des Gremiums soll der Vorschlag des in Duisburg aufgewachsenen und zur Duisburger Sezession gehörenden Künstlers Jürgen Meister aus Grevenbroich umgesetzt werden. Das Stahlrelief mit Betonfuß zeigt gegenständlich die Silhouetten von Menschen, die ihre Hände in die Höhe recken.
Das Gedenkzeichen ist etwa 2,50 Meter hoch und hat eine Länge von ca. 6 Metern. Finanziert wird das Gedenkzeichen aus Spenden in Höhe von 26.200 Euro. Die Umsetzung des Entwurfs soll bis Frühjahr 2011 erfolgen.

Zur Initiative Spendentrauermarsch haben sich der Stadtsportbund Duisburg, der Lions Club Duisburg-Rhenania, das Bürgerhaus Steinhof in Huckingen und die 1910 gegründete bürgerschaftliche Vereinigung proDUISBURG e.V.
zusammengeschlossen. In der Jury arbeiteten Vertreter dieser Organisationen sowie ein Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Duisburger Künstler, Vertreter der Angehörigengruppen von Opfern der Loveparade zusammen. Den Vorsitz hatte der Duisburger Alt-Oberbürgermeister Josef Krings. Die Vertreter trafen ihre Entscheidung aus insgesamt 39 eingereichten Entwürfen. Alle Vorschläge zur Errichtung einer Gedenkstele sollen Anfang des Jahres in einer eigenen Ausstellung zu sehen sein. Das Erinnerungszeichen wird den Glaskubus in einem Park nahe des Tunnels Karl-Lehr-Straße ersetzen.
Ausgewählter Entwurf entspricht Bedürfnissen der Angehörigen Nach Meinung der Jury entsprach der Vorschlag von Jürgen Meister in besonderer Weise den Vorstellungen und Bedürfnissen vor allem der Angehörigen der Opfer des Loveparade-Unglücks, bei dem 21 Menschen ums Leben kamen und mehr als 500 Menschen zum Teil schwerste Verletzung erlitten.
In der Begründung für den Entscheid heißt es: „Das Objekt zeigt eine Gruppe junger, fröhlicher und tanzender Menschen, wie sich die Angehörigen an sie erinnern. Andererseits spiegelt es aber auch die Angst und Hilflosigkeit der Opfer, Verletzten und Teilnehmer der Loveparade wider und lässt Raum für Interpretation. So stehen die zum Himmel ausgestreckten Arme auch als Zeichen für Hilfe suchende Menschen, die in Panik und Lebensangst geraten, ihre Hände zur Rettung nach oben reichen.“

Über die Materialfrage sagte die Jury:
„Das vom Künstler für das Mahnmal gewählte Material „Stahl“ schafft darüber hinaus eine deutliche Verbindung zu Duisburg und zur Region, die über Jahrzehnte hinweg von der Stahlindustrie geprägt war und noch immer ist.“´ Nach der Bekanntgabe des Juryentscheids prüft die Initiative nun den bestmöglichen Standort in unmittelbarer Nähe des Unglücksorts. Darüber hinaus sind in Abstimmung mit der Stadt Duisburg und ihren politischen Gremien planungsrechtliche Auflagen zu erfüllen. Die Initiative geht aber davon aus, dass sich alle anstehenden Aufgaben bis zum April 2011 bewältigen lassen. Nach Willen der Angehörigen soll das Gedenkzeichen möglichst deutlich vor dem ersten Jahrestag des Unglücks aufgestellt worden sein.
Spendentrauermarsch fand am 1. August 2010 statt Zum Hintergrund: Nach der Tragödie der Loveparade hatten sich bürgerschaftliche Institutionen zusammengeschlossen. Am 1. August 2010 veranstalteten sie einen Trauermarsch, an dem sich etwa 800 Bürgerinnen und Bürger beteiligten. Aus den dabei sowie in der Zeit danach gesammelten Spenden soll das Gedenkzeichen, geschaffen von einem Duisburger Künstler, finanziert werden. Die offizielle Ausschreibung wurde im Oktober 2010 veröffentlicht. Einreichungsschluss war der 15. November 2010.

 

37 Entwürfe Duisburger Künstler für die Gedenkstele der Loveparade-Tragödie - Jury trifft sich erstmals nächste Woche

Duisburg, 17. November 2010 - Am Montag (15.11.) endete die Bewerbungsfrist für die Gestaltung der Gedenkstele, die an die Opfer der Loveparade-Tragödie am 24. Juli 2010 erinnern. An dem Aufruf der „Initiative Spendentrauermarsch“ beteiligten sich 37 Duisburger Künstlerinnen und Künstler. Über ihre Vorschläge für das Erinnerungszeichen, das in der Nähe des Tunnels an der Karl-Lehr-Straße gesetzt werden soll, entscheidet jetzt eine Jury. Das erste Treffen ist für den 1. Dezember 2010 geplant. Eine Entscheidung wird noch im Dezember erwartet. Die Stele selbst soll im Frühjahr 2011 errichtet werden. Mit der Stele wird dann der Kubus auf einem Parkgrundstück in der Nähe des Tunnels abgebaut.

Bis dahin sind unter anderem planungsrechtliche Auflagen zu erfüllen sowie die Zustimmung der politischen Gremien einzuholen. In der „Initiative Spendentrauermarsch“ arbeiten der Lions Club Duisburg-Rhenania, der Stadtsportbund Duisburg, der Steinhof Duisburg und die bürgerschaftliche Vereinigung proDUISBURG e.V. zusammen. Gemeinsam hatte man unmittelbar nach der Loveparade Tragödie einen Trauermarsch organisiert und Spenden für ein Erinnerungszeichen der Duisburger Bürger gesammelt. Insgesamt kamen dabei mehr als 25.000 Euro zusammen. Die Ausschreibung mit dem Aufruf an Duisburger Künstlerinnen und Künstler erfolgte im Oktober 2010. Die Bewerbungsfrist endete am Montag, 15. November.
An den Jurysitzungen nehmen Vertreter der Initiative teil. Darüber hinaus sind zwei Mitglieder aus dem Kreis der Angehörigen der Loveparade-Opfer vertreten. Die Interessensgemeinschaft Duisburger Künstler ist ebenfalls vertreten. Alt-Oberbürgermeister Josef Krings, der auch die weithin beachtete Rede beim Spendentrauermarsch hielt, ist ein weiteres Mitglied der Jury. Sie nimmt nun ihre Arbeit auf.

Franz Hering, Vorsitzender des Stadtsportbundes, sagte zur Resonanz auf die Ausschreibung: „Ich bin zutiefst beeindruckt. Nicht nur die Vielzahl der Bewerbungen, sondern auch das hohe Einfühlungsvermögen der Künstlerinnen und Künstler, das sich an den Entwürfen ablesen lässt, ist ein bewegendes Zeichen.“ Den Stadtsportbund - als Adressat für die Bewerbungen - erreichten Skizzen, ausführliche Beschreibungen und zudem Modelle für die Gedenkstele. Arno Eich, Geschäftsführer des Kulturzentrums Steinhof in Huckingen, sagte: „Auf uns als Jury kommt nun die schwierige Aufgabe zu, einen Entwurf aus dieser großen Zahl an Gestaltungsideen auszuwählen. Wir sehen die große Verantwortung. Wir sehen aber auch die Chance, ein wirklich wichtiges Zeichen des würdigen Erinnerns an die Tragödie des 24. Juli setzen zu können.“

Jörg Bunert, Mitorganisator des Trauermarschs und Mitglied des Lions Club Rhenania, sagte: „Ich bedanke mich beim Kulturbüro, das uns bei der Formulierung der Ausschreibung geholfen hat. Ich bedanke mich ebenfalls beim Kulturdezernat der Stadt Duisburg. Uns wurde Unterstützung bei der Umsetzung der Verwaltungsvorgaben zugesagt, die wir benötigen, um unser Vorhaben möglichst schnell umsetzen zu können.“
Hermann Kewitz, der Vorsitzende der 1910 gegründeten bürgerschaftlichen Vereinigung proDUISBURG e.V.: „Wir denken darüber nach, eine Ausstellung mit allen Skizzen, Modellen und Entwürfen zu organisieren. Denn aus unserer Sicht verdienen es auch die Künstlerinnen und Künstler, deren Idee nicht berücksichtigt werden können, dass ihre Idee für die Gedenkstele gesehen und wahrgenommen wird.“
 

Massenpanik Selbsthilfeverein gegründet

Duisburg, 3. November 2010 - Bei dem Besuch im Oktober in der Redaktion der Bürgerzeitung kam der Vorschlag auf, mit der Gründung einer Selbsthilfegruppe bzw. Verein den Betroffenen zum einen eine Anlaufstelle und zum anderen eine dauerhafte Einrichtung zu bieten. Dieser Vorschlag wurde nun mit dem heutigen Termin beim Notar umgesetzt.

Vorsitzender der bürgerschaftlichen Vereinigung "Massenpanik Selbsthilfeverein" wurde Jürgen Hagemann, der für rund 50 Betroffene der Ansprechpartner der letzten Monat in Hinblick auf klärende Gespräche, das offene Ohr schlechthin und der Initiator, beim ehemaligen Minister und dessen Kanzlei in Düsseldorf die Rechtsberatung zu bündeln.

Vorstand des Vereins:
Vorsitzender Jürgen Hagemann (Foto)
Lidija Vujnic (Schatzmeisterin)
Janine Marsollek (Schriftführerin)
Evelyn Hagemann

Der wesentliche Teil der Satzung

1. Ausschließlicher Zweck des Vereins ist die Hilfe für Opfer, Geschädigte und deren Angehörige von Massenpanikereignissen.

2. Der Zweck wird insbesondere verwirklicht durch

- gegenseitige Selbsthilfe und den Austausch untereinander durch Opfer- und Angehörigentreffen,

- Austausch im Internet durch Bereitstellung einer geschützten Kommunikationsplattform, die Unterstützung durch Vernetzung mit seelsorgerischen, psychosozialen und sozialen Einrichtungen,

- Hilfe bei der Suche nach Rechtsanwälten, die über Erfahrungen bei Großschadensereignissen verfügen,

- Öffentlichkeitsarbeit zur Thematik und öffentliches Eintreten für die Belange der Betroffenen und deren Angehörigen.

Aktion 100 Tage - 1000 Lichter

Duisburg, 1. November 2010


 




Duisburg, 25. Oktober 2010 - "Wir wünschen, dass Duisburg 100 Tage nach der Loveparade an Allerheiligen der Toten und Verletzten gedenkt", so ein Sprecher der Gruppe der Betroffenen, die Opfer zu beklagen haben, selbst verletzt wurden und immer noch mit den Folgen des unsäglichen Tages zu kämpfen haben.
Beim Treffen der Angehörigen von Opfern am Wochenende wurde aber auch deutlich gemacht, sich nicht instrumentalisieren zu lassen. "Wir stehen nicht für Krawall-Aktionen", heißt es unmissverständlich aus den Reihen der geschädigten Menschen.

 Ich will meine altes Leben zurück

Duisburg, 20. Oktober 2010 - Wer am 24. Juli in diesem Panikbereich bei der Loveparade war, auch wenn mittlerweile die körperlichen Blessuren mehr oder weniger verheilt sein mögen, kann nicht einfach da weiter machen, wo er oder sie vor diesem Tag aufgehört haben.

Es ist richtig, für uns, die nicht direkt betroffen waren, geht das Leben weiter.

„Nach dem Tod meines Mannes, wollte ich mit dem Besuch der Loveparade wieder ein Stückchen Normalität und Spaß in mein Leben bringen“. 31 Jahre ist sie und wird vielleicht nie wieder richtig mit ihrem kleinen Sohn toben können, weil die Verletzung so gravierend war.

Das ist die eine, die äußerliche Verletzung, diese sehen wir, sind betroffen und verstehen, dass der Alltag nicht mehr normal läuft.

Aber das, was im Inneren zerrissen wurde, die extreme Angst, die Hilflosigkeit, ja Panik, werden wir, die nicht um Luft, Platz, Leben und Freunde gekämpft haben, nie auch nur ansatzweise nachvollziehen können. Nur weil wir die Wunden der Seele nicht sehen, dürfen wir nicht davon ausgehen, dass mittlerweile für die Betroffenen alles überstanden ist.

„Ich möchte wieder schlafen, ich habe Angst, meine Familie leidet, was ist, wenn ich nicht mehr arbeiten kann, weil ich keine Menschenansammlungen und Kinderschreien ertrage“, diese Ängste werden mittlerweile nur untereinander ausgetauscht, weil das große Verständnis schwindet und andere Katastrophen sich in den Vordergrund schieben.

Bei mir haben diese Worte Hilflosigkeit ausgelöst und dann ist daraus eine tiefe Wut geworden, als ich hörte, dass weder die Stadt noch der Veranstalter ein persönliches Wort, ein Schreiben des Bedauerns geschickt haben.

Der Schrei um Hilfe

Duisburg, 20. Oktober 2010 - Fünf Betroffene sind zu uns gekommen. Nach der Begrüßung wird zunächst versucht auszuloten, was der gegenüber möchte, was ihn bedrückt oder andersherum, was kann dieser Mensch für mich tun? Es dauert eine ganze Zeit, bis die ersten Worte gefunden sind, sich der Mensch etwas lösen und vor allem mitteilen kann. Was erst stockend beginnt, wird dann zur erneuten Aufarbeitung der Tragödie. Was für beide Seiten wieder schlimm wird, aber auch als notwendig angesehen wird.

"Es ist gar nichts besser geworden. Ganz im Gegenteil!"
Wie bitte? Die Zeit hat die ganz schlimmen Wunden überhaupt nicht bessern können.
"Nein. Auf gar keinen Fall. Im Gegenteil", erfolgt die Bekräftigung richtig und heftig anklagend.
Warum?

"Es ist eben so", schildert Maren (Name geändert) "dass die Mitmenschen es nicht mehr verstehen wollen. Deshalb wird es schlimmer." Gerd nickt zustimmend. "Die Menschen, die wissen was uns passiert ist, erwarten, dass es jetzt doch nicht mehr so schlimm sein kann. Man sieht ja keine Verletzung bei mir. Was innen in mir los ist, sieht doch keiner. Ich habe gedacht, nein gehofft, dass meine Arbeit mich ablenken wird. Das war nicht so. Ich konnte weiterhin an nichts anderes denken und habe mich auch deshalb - was nie zuvor in meinem Berufsleben vorkam, sogar verletzt. Was mache ich nun? Ich weiß wirklich nicht mehr weiter. Meine Lebensgefährtin hat es noch schlimmer getroffen und wir ziehen uns beide immer mehr runter. Wie soll es weitergehen?"

Der Schrei um Hilfe ist überlaut. Deutlich und bedrückend. So schlimm steht es.
Ich werde eines Besseren belehrt: es geht sogar noch schlimmer.
So bei Christina.
"Mein Arzt sagt zu mir, dass ich mit dieser Sache zu ihm gar nicht mehr kommen brauche. Das macht mich fertig. Selbst ein Arzt will mir nicht mehr helfen. Wer bleibt denn dann noch."
Wieso will der Arzt nicht helfen frage ich fassungslos.
"Es ist so, dass ich in meinen Beruf mit Kindern zu tun habe. Wenn die Kinder aber lauter werden oder schlimmer noch, schreien, zieht mich das total runter. Dann ist im Kopf nur noch das Erlebte allgegenwärtig. Ich höre nur noch das Schreien der Menschen und mich selbst im Tunnel. Dann geht gar nichts  mehr. Ich muss zuhause ein fünfjähriges Kind betreuen. Aber mein Arzt schreibt mich nicht mehr krank und ich werde möglicherweise den Job verlieren. Wer hilft mir jetzt?"
Die Frau ist am Ende. Die Tränen kommen, die Stimme versagt, der Mensch sackt in sich zusammen.

Halt. Stopp. Da muss es doch Möglichkeiten geben. Nicht aufgeben. Es muss ein klarer Kopf her. Wir haben doch Seelsorger, Mediziner, Psychologen, Therapeuten, Sozialdienste und Anwälte.

Mit Manfred diskutieren wir ganz sachlich, so weit das überhaupt geht, die Situation.

Er hat sich der Menschen angenommen nach dem Schock der ersten Tage, als die Tochter seiner Frau mit Christina zur Parade ging, aber nur Christina wieder heimkam. Das junge Mädchen lebt nicht mehr. Christina fühlt sich gegenüber der Freundin, der Ehefrau von Manfred verantwortlich, wurde aber auch noch selbst schwer verletzt.

So geht es auch Maren. Auch ihr Schicksal ist bedrückend. Sie verlor ein Kind und etwas später ihren 34-jährigen Mann. Der junge Mann starb beim Sport an einen Hinterwandinfarkt.
Jetzt ist sie mit ihrem kleinen Sohn allein auf der Welt, wollte sich bei der Loveparade ablenken und wurde fast zu Tode gequetscht. Ihr Bein ist dermaßen verletzt worden, dass sie immer noch an Krücken geht.
"Ich wurde zum Krüppel. Am Oberschenkel und innerlich sowieso", sagt sie ohne Umschweife.

Das sind Momentaufnahmen. Sie gehen ganz heftig an die Nieren.
Aber: ich bin betroffen, aber nicht Betroffener.
Also muss ich in Ruhe überlegen, wie man diesen Menschen helfen kann. Als Mitmensch ist es eindeutig, dass auch ich hier vielleicht intensiver als bisher aktiv werden muss.
Helfen, aber wie?

Und: Wollen diese Betroffenen das überhaupt?

"Ja unbedingt," bekräftigen alle unisono. "Es ist uns sehr wichtig, dass wir nicht vergessen werden. Wir wollen, dass dies alles in der Öffentlichkeit bekannt wird. Wir haben Angst, dass dies keiner mehr hören will. Das würde und ganz runter ziehen."

Manfred hat aber auch Positives zu berichten. Die finanziellen Sofortmaßnahmen des Landes bei Überführung und Bestattungen haben durchaus gegriffen. Die Kontakte zu den Seelsorgern waren erstens willkommen und zweitens hilfreich.

...

Nach diesem Gespräch bleiben wir zurück und hoffen, dass mit Hilfe von Therapeuten, Nachbarn und Freunden in naher oder ferner Zukunft nicht mehr das Unglück "Loveparade" das Leben der Betroffenen bestimmt, sondern dass die Freude am Leben wieder überwiegt.

Barbara und Harald Jeschke