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Klinik Medizinische Versorgung
  
 Redaktion Harald Jeschke

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Stellungnahme der hauptamtlichen unparteiischen Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 25.09.2023 zum Krankenhaustransparenzgesetz

Berlin, 25. September 2023 - Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wurden im Vergleich zum Entwurf der Formulierungshilfe keine inhaltlichen Verbesserungen erreicht. Insbesondere die wesentlichen Kritikpunkte aus der Stellungnahme der hauptamtlichen unparteiischen Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 28. August 2023 (Anlage) wurden nicht ansatzweise berücksichtigt.

Allenfalls in Aufbau und Gliederung der jeweiligen Regelungen sowie in den aufgezeigten erheblichen Mängeln in rechtlicher (z. B. Unbestimmtheit des Verfahrens und widersprüchliche Regelungen zu den Aufgaben der Beteiligten) und fachlicher (z. B. Ungeeignetheit der Leistungsgruppen als Bezugspunkt für eine Darstellung der personellen Ausstattung) Hinsicht wurden punktuelle Verbesserungen erreicht.


Dies ändert jedoch nichts an den weiterhin bestehenden fundamentalen Defiziten des vorliegenden Gesetzentwurfs, wie sie bereits der Stellungnahme der hauptamtlichen unparteiischen Mitglieder des G-BA zum Entwurf der Formulierungshilfe zum Krankenhaustransparenzgesetz vorgetragenen wurden. Die hauptamtlichen unparteiischen Mitglieder des G-BA begrüßen weiterhin das grundsätzliche Anliegen dieses Gesetzes, die Qualität der Krankenhausbehandlung durch ein Transparenzverzeichnis fördern zu wollen.


Transparenz über Leistungsangebote, personelle und technische Ausstattung, Häufigkeit von in einem Krankenhaus erbrachte Leistungen und die bei Interventionen erreichte risikoadjustierte Outcomequalität ist für Patientinnen und Patienten bei planbaren elektiven Interventionen wichtig, um im Vorfeld eines Krankenhausaufenthaltes eine auf belastbaren und fachlich richtigen Qualitätsparametern gründende, bewusste Auswahlentscheidung zwischen mehreren für die Durchführung einer Behandlung in Betracht kommenden Krankenhäusern als Leistungserbringer treffen zu können.


Wie im Entwurf der Formulierungshilfe ausgeführt, gehen auch die hauptamtlichen unparteiischen Mitglieder des G-BA davon aus, dass durch diese Transparenz ein erheblicher Einfluss auf die Leistungserbringer-Auswahlentscheidung der Patientinnen und Patienten genommen wird, der geeignet ist, zumindest mittelbar verfassungsrechtlich relevante Interessen, insbesondere der durch die Datenpublikation möglicherweise negativ betroffenen Leistungserbringer, zu tangieren.

• Deshalb ist es von elementarer Bedeutung, dass ein Krankenhaustransparenzgesetz so ausgestaltet ist, dass es den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein die Grundrechtsausübung einzelner Krankenhäuser berührendes Gesetz entspricht.

• Weiterhin ist essentiell, dass die publizierten und damit die Auswahlentscheidung der Patientinnen und Patienten beeinflussenden Daten nicht nur fachlich richtig und risikoadjustiert sind, sondern in ihrer Gesamtheit auch geeignet sind, eine Auswahlentscheidung auf Basis eines sachgerechten Urteils über die Behandlungs- und Outcomequalität zu ermöglichen. Bekanntermaßen ist in vielen Leistungsbereichen die bloße Erfüllung von Strukturanforderungen allein kein hinreichend belastbarer Indikator, aus dem auch eine hohe Outcomequalität mit der erforderlichen Sicherheit abgeleitet werden kann.


• Fast schon überflüssig, weil selbstverständlich, ist es darauf hinzuweisen, dass je „staatsnäher“ die Veröffentlichung von Transparenzdaten erfolgt, um so höhere Anforderungen an deren inhaltliche Richtigkeit und fachlich adäquate Auswahl der zugrundeliegenden Indikatoren zu stellen sind. 3 Allein inhaltliche Richtigkeit, die selbstverständlich gewährleistet sein muss, genügt nicht. Entscheidend ist vielmehr, dass das zugrundeliegende und binnengewählte Indikatorenset auch tatsächlich geeignet ist, ein in der Sache tragfähiges und rechtlich belastbares Gesamtbild der Versorgungsqualität einer Einrichtung abzubilden, aufgrund dessen Auswahlentscheidungen von Patientinnen und Patienten mit unmittelbaren Auswirkungen auf Krankenhäuser getroffen werden.


• Damit korrespondiert unmittelbar auch die Haftungsfrage in Fällen der Publikation sachlich unrichtiger Daten oder der Auswahl fachlich nicht tragfähiger Indikatorensets, die erhebliche wirtschaftliche Folgen für durch „Patientenabwanderungen“ beeinträchtigte Krankenhäuser haben können. Wenn das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Transparenzdaten unmittelbar und eigenverantwortlich unter direkter Beauftragung des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) generiert und veröffentlicht und eine „Abnahme“ und damit eine Richtigkeitskontrolle durch den G-BA nach dem Entwurf der Formulierungshilfe sogar ausdrücklich ausgeschlossen wird, so müssen klare Regelungen zur Haftungsfreistellung der das IQTIG tragenden Stiftung getroffen werden.

Bei dem IQTIG als Institut zuzurechnenden Handlungen, die Haftungstatbestände z. B. gegenüber fälschlicherweise „stigmatisierten“ Krankenhäusern auslösen könnten, würde auch ein Haftungsanspruch gegenüber der das Institut tragenden Stiftung und den Mitgliedern des Vorstandes begründet, obgleich durch die vorgesehene Direktbeauftragung durch das BMG weder der G-BA als bislang gesetzlich vorgesehener primärer Auftraggeber noch der Vorstand der Stiftung relevante Einfluss- und/oder Steuerungsmöglichkeiten haben. Insofern bedarf es einer klaren gesetzlichen Regelung, die eine Haftung der Bundesrepublik Deutschland bei möglichen Haftungsansprüchen begründet.

• Auch die Kostentragung für die Erfüllung dieser unmittelbar vom BMG beauftragten Aufgaben des Instituts bedarf der gesetzlichen Regelung.

• Schließlich gefährdet der postulierte absolute Vorrang der vom BMG beauftragten Aufgaben die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung in anderen Bereichen der so wichtigen, dem G-BA durch den Gesetzgeber übertragenen Qualitätssicherung.
Aufgrund der vorgenannten schwerwiegenden Mängel und Regelungslücken haben die hauptamtlichen unparteiischen Mitglieder des G-BA trotz der uneingeschränkten Befürwortung des Anliegens des Gesetzgebers nach Schaffung von mehr Transparenz erhebliche Bedenken und lehnen den Entwurf in der vorliegenden Fassung ab.


Es bestehen bereits Zweifel, dass die Regelung des § 135d SGB V [neu], die als eine Grundrechtseingriffe regelnde Norm zu qualifizieren ist, in der vorgelegten Fassung den zu beachtenden maßgeblichen allgemeinen, speziellen und organisatorischen Gesetzesvorbehalten hinreichend Rechnung trägt und damit das beabsichtigte Transparenzverzeichnis auch auf eine verfassungskonforme Ermächtigungsgrundlage gestellt werden würde.

4. Noch erheblich schwerer wiegen die Zweifel an der Regelung des § 135d Absatz 2 SGB V [neu], nach der die Wahrnehmung der Aufgaben des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen nach § 137a SGB V Vorrang vor allen sonstigen Aufträgen des IQTIG durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeräumt werden soll.

Diese vorgesehene prioritäre Aufgabenwahrnehmung „aus Sicht des IQTIG“ steht in diametralem Widerspruch zur gesetzlich vorgesehenen umfassenden Steuerungsfunktion des G-BA und zu den prägenden Strukturprinzipien des SGB V, die darauf ausgerichtet sind und sein müssen, die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten und Störungen in der Patientenversorgung zu verhindern.


Sie verstößt damit gegen die leitenden Grundgedanken autonomer Selbstverwaltung und das Gebot effektiver Aufgabenwahrnehmung. Die erheblichen Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit der vorgesehenen Regelung mit höherrangigem Recht setzen sich mit Blick auf die flankierenden Vorgaben zur Finanzierung in § 135d Absatz 2 SGB V [neu] fort.

Der Gesetzentwurf gibt insoweit nicht zu erkennen, wie die vorgesehene Finanzierung für das staatliche Informationshandeln des BMG durch die Trägerin des IQTIG und den Ausgleich über den Systemzuschlag des § 136c SGB V mit der nach der Rechtsprechung zu beachtenden strengen Zweckbindung der Sozialversicherungsbeiträge zu vereinbaren sein soll. Eine Finanzierung über den Systemzuschlag würde auch unmittelbar Fragen mit Blick auf das Risiko strafrechtlicher Konsequenzen in Form einer Veruntreuung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund etwaiger Verletzungen der Vermögensbetreuungspflicht im Sinne von § 266 Strafgesetzbuch (StGB) aufwerfen.


Offen bliebe auch, ob durch die Regelungen zudem eine Satzungsänderung der hinter dem IQTIG stehenden Stiftung notwendig werden würde, da die Satzung eine streng zweckgebundene Mittelverwendung vorsieht. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass in diesem Zusammenhang aufgrund der vorgesehenen Erklärung der Sachlichkeit und Richtigkeit der Daten des IQTIG auch an haftungsrechtliche Verbindlichkeiten zu denken ist, für die dann ggf. Sozialversicherungsbeiträge herangezogen werden würden. Darüber hinaus finden sich im Gesetzentwurf zusätzlich weitere schwerwiegende Mängel, die sich unmittelbar auf die Aufgabenerfüllung des G-BA auswirken.

Dabei handelt es sich insbesondere um die folgenden Änderungen im Gesetzentwurf:
• Zu § 136a Absatz 6 SGB V: Abweichend von der ursprünglichen Formulierungshilfe soll der Regelungsauftrag des G-BA für vergleichende Veröffentlichungen von Qualitätsdaten nicht mehr aufgehoben, sondern nunmehr nur noch auf die vertragsärztlichen Leistungserbringer erstreckt werden.

Zwar ist grundsätzlich zu begrüßen, dass es weiterhin auch Transparenz über die Qualität der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer geben und dass der G-BA die entsprechenden Regelungen treffen soll – allerdings bleibt es dabei, dass dieser Regelungsauftrag im Vergleich zu dem in § 135d SGB V geplanten Transparenzverzeichnis der Krankenhausbehandlungen mit deutlich höheren Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung der Veröffentlichung bei gleichzeitig weniger geeigneten Instrumenten und Datenquellen ausgestaltet ist (vgl. dazu Stellungnahme vom 28. August 2023 zu § 136a Absatz 6 SGB V, S. 21 ff.).


Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf erschwert die Erfüllung des Regelungsauftrags zusätzlich dadurch, dass mit der Änderung in § 299 Absatz 1 SGB V und der Gesetzesbegründung hierzu für vertragsärztliche Leistungserbringer – anders als 5 für Krankenhäuser und abweichend von der bisherigen Rechtslage – faktisch eine Verpflichtung zur Pseudonymisierung bei Qualitätssicherungs-Verfahren (QS-Verfahren) vorgegeben werden soll (siehe dazu auch den folgenden Punkt).

• Zu § 299 Absatz 1 SGB V: Der ursprüngliche Regelungsvorschlag, nach dem Leistungserbringerdaten im QS-Verfahren nicht zu pseudonymisieren sind, wurde dahingehend geändert, dass dies nur für einrichtungsbezogene Daten der Krankenhäuser gilt. In der Gesetzesbegründung des Fraktions-Entwurfs (Seite 23) heißt es dazu: „Die Verpflichtung zur Pseudonymisierung von personenbezogenen Daten der an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten und den übrigen in § 135a Absatz 2 genannten Leistungserbringer sowie versichertenbezogenen Daten bleibt bestehen; diese Daten bedürfen eines besonderen Schutzes.“


Mit dieser Begründung wird abweichend von der bisherigen Rechtslage und auch ohne Grundlage im neuen Wortlaut des § 299 Absatz 1 SGB V eine Verpflichtung zur Pseudonymisierung von personenbezogenen Daten der an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten und den übrigen in § 135a Absatz 2 SGB V genannten Leistungserbringern statuiert, für die es keinen rechtlichen Grund gibt, die auch von der Systematik in sich widersprüchlich ist, die den bürokratischen Aufwand bei der datengestützten Qualitätssicherung wegen unterschiedlicher Vorgaben für vertragsärztliche Leistungserbringer und Krankenhäuser erhöht und zudem auch die Erfüllung des Regelungsauftrags des G-BA nach § 136a Absatz 6 SGB V erschwert.


• Die aktuell geltende Regelung in § 299 Abs. 1 SGB V normiert in Satz 1 eine Befugnis zur Verarbeitung personen- und einrichtungsbezogener Daten der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, zugelassenen Krankenhäuser und übrigen Leistungserbringer gemäß § 135a Absatz 2 für Zwecke der Qualitätssicherung.


Anders als für Daten der Versicherten (Absatz 1 Satz 4 Nummer 1) ist für Leistungserbringerdaten gesetzlich derzeit keine Pseudonymisierung vorgegeben. Die Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung (DeQSRL) sieht lediglich für bestimmte Verfahrensschritte eine Pseudonymisierung der Leistungserbringerdaten vor, um eine neutrale Bewertung der Qualitätsdaten zu gewährleisten und dem Grundsatz der Datenminimierung Rechnung zu tragen.


Für bestimmte Verfahrensschritte ist es jedoch erforderlich, auf die Leistungserbringer-Pseudonymisierung in der DeQS-RL zu verzichten, wenn damit z. B. Fehler im Verfahren vermieden werden können. Die Begründung des Gesetzentwurfs stellt diese Möglichkeit nunmehr für die Daten der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer ohne Not in Frage.


• Die Gesetzesbegründung ist zudem widersprüchlich, weil auch Krankenhäuser an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer sein können (z. B. bei einer Ermächtigung nach §§ 116a, 117, 118 SGB V) und auch in dieser Rolle an der datengestützten Qualitätssicherung teilnehmen. Es stellt sich die Frage, ob bei QS-Verfahren die Krankenhausdaten künftig für stationär erbrachte Leistungen einrichtungsbezogen und für im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbrachte Leistungen pseudonymisiert verarbeitet werden sollen.


6 • Sektorspezifisch unterschiedliche gesetzliche Vorgaben zur Leistungserbringerpseudonymisierung bei QS-Verfahren erhöhen schließlich auch unnötig den bürokratischen Aufwand bei der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung und machen die Verfahren fehleranfälliger. Die in der Gesetzesbegründung statuierte Verpflichtung zur Pseudonymisierung von personenbezogenen Daten der an der vertragsärztlichen Versorgung Beteiligten lässt auch offen, ob und wann eine De-Pseudonymisierung im QS-Verfahren zulässig sein soll.

Ohne De-Pseudonymisierung sind weder Stellungnahmeverfahren noch qualitätsfördernde oder -durchsetzende Maßnahmen und letztlich auch keine leistungserbringerbezogenen Veröffentlichungen zur Qualität möglich. Ohne die zwingend erforderliche Möglichkeit zum Verzicht auf die Pseudonymisierung der Leistungserbringer bestehen für den G-BA erhebliche Hürden bei der Erfüllung seiner gesetzlichen Vorgaben aus dem Regelungsauftrag nach § 136a Absatz 6 SGB V.

Prof. Josef Hecken (Unparteiischer Vorsitzender)

Dr. Monika Lelgemann MSc (Unparteiisches Mitglied)

Karin Maag   (Unparteiisches Mitglied)