Duisburg, 1. Dezember 2022 - Die
Situation der Kinderkliniken und vor allem der ambulanten
Kinder- und Jugendarztpraxen in Deutschland ist dramatisch.
Eltern kranker Kinder finden kaum noch Plätze für ihren
Nachwuchs. Kinderkliniken weisen sie wegen Überbelegung ab,
Praxen verhängen Aufnahmestopps. Ein Grund dafür ist, dass
sich das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) derzeit
besonders stark verbreitet. Dazu treten andere schwere
Atemwegsinfekte vermehrt auf.
Die Infektwelle ist
aber nicht der eigentliche Grund für die dramatische Lage,
so Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder-und
Jugendärzte: „Das Debakel hat die Politik zu verantworten,
die seit Jahren die Pädiatrie finanziell aushungert, uns
aber gleichzeitig immer mehr Aufgaben aufbürdet.
80
Prozent der Kliniken mussten in den letzten Jahren die Zahl
ihrer Betten reduzieren, sogar im Intensivbereich. In
unseren Praxen müssen wir daher zunehmend schwer kranke und
chronisch kranke Kinder und Jugendliche mitversorgen.
Wir müssen außerdem eine wachsende Zahl von PatientInnen
medizinisch betreuen, denn die Zahl der Geburten hat in den
letzten Jahren zugenommen, ebenfalls die Zahl der Kinder aus
Flüchtlingsfamilien. Wir haben es heute auch nicht mehr nur
mit Infektionskrankheiten zu tun, sondern mit den so
genannten neuen Krankheiten, also vor allem Übergewicht und
sozial bedingten Entwicklungsstörungen, die einen hohen
Beratungsaufwand erfordern.
Wir arbeiten
durchschnittlich weit über 50 Stunden pro Woche, um unsere
PatientInnen zu versorgen – ohne dass dies entsprechend
honoriert wird. Wir werden mit Aussicht auf Nullrunden
abgespeist, während die Ausgaben für die reine Erhaltung
unserer Praxen rasant wachsen. Allein die steigenden
Energiepreise belasten uns überdurchschnittlich. Anders als
in öffentlichen Gebäuden können wir zum Beispiel kaum die
Raumtemperaturen absenken, weil wir Neugeborene und kranke
Kinder nicht frieren lassen können.
Lange und
stressige Arbeitstage bei fehlenden finanziellen Anreizen
und damit auch fehlender gesellschaftlicher Wertschätzung
führen heute schon dazu, dass wir keine NachfolgerInnen mehr
für freie Praxissitze finden. Etwa ein Drittel der
Kinder- und JugendärztInnen werden in den kommenden fünf
Jahren in Rente gehen, Eltern werden dann noch
größere Probleme haben, einen Kinder- und Jugendarzt oder
eine -ärztin zu finden, der oder die ihr Kind medizinisch
betreut, Vorsorgen macht, impft, berät, Infekte behandelt
und dafür sorgt, dass es gesund aufwächst.
Kinder haben in der Politik offenbar keine Lobby und die
Kinder- und Jugendmedizin hat es damit auch nicht.
Die derzeitige dramatische Situation beleuchtet diesen
Skandal. Es ist höchste Zeit, dass die Politik nun
umsteuert. Wir brauchen mehr Medizinstudienplätze,
Perspektiven für junge niederlassungswillige Ärzt:innen und
mehr Klinikbetten. Und zwar schnell, denn Kinder und
Jugendliche warten nicht mit dem Krankwerden.“
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