Urteile  Archiv Jan - März 2010

 

Kündigung in der Probezeit wegen Schweißgeruchs wirksam

25. März 2010 - Die Beklagte hatte dem Kläger Schweißgeruch und ein ungepflegtes Erscheinungsbild vorgeworfen. Sie kündigte ihm gegen Ende der Probezeit.
Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte vor der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Köln keinen Erfolg.
Der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz greift erst nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses ein. Bis zu diesem Zeitpunkt kann ein Arbeitsverhältnis
grundsätzlich auch ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes i. S. des Kündigungsschutzgesetzes gekündigt werden. Zu überprüfen war die Kündigung daher nur im Hinblick auf Sittenwidrigkeit bzw. Willkür. Diese hat das Arbeitsgericht verneint.

Kündigung wegen zweiter Eheschließung

19. März 2010 - Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.01.2000 als Abteilungsarzt (Chefarzt) beschäftigt. Die Beklagte ist der kirchliche Träger eines katholischen Krankenhauses und hat das Arbeitsverhältnis wegen dessen zweiter Eheschließung am 30.03.2009 zum 30.09.2009 gekündigt. Der dem Arbeitsverhältnis zugrundeliegende Arbeitsvertrag bedingt die Einhaltung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Der Kläger und seine erste Ehefrau lebten seit dem Jahre 2005 getrennt. Nachdem diese erste Ehe im März 2008 weltlich geschieden worden war, schloss der Kläger im August 2008 standesamtlich seine zweite Ehe.
 Im März 2009 leitete er betreffend die erste Ehe ein kirchliches, derzeit noch nicht abgeschlossenes Annullierungsverfahren ein. Im Hinblick auf dieses laufende Verfahren hat das Arbeitsgericht Düsseldorf die Kündigung für unwirksam erklärt. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat den Rechtsstreit heute vertagt. Es geht davon aus, dass der Kläger nach den ihm nach kanonischem Recht obliegenden Loyalitätspflichten durch die erneute Eheschließung eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung begangen haben kann. Dies komme auch bei laufendem kirchlichen Annulierungsverfahren in Betracht.
Maßgeblich sei insoweit das weit gefasste, verfassungsrechtlich verbürgte Selbstbestimmungsrecht der Kirche. Im Hinblick auf die von den staatlichen Gerichten vorzunehmende Interessenabwägung bedürfe es aber weiterer Sachverhaltsaufklärung. Zu klären sei u.a. wie lange die Beklagte bereits von der eheähnlichen Gemeinschaft des Klägers mit seiner jetzigen zweiten Ehefrau Kenntnis hatte. Das Landesarbeitsgericht wird über den Fortgang des Verfahrens, insbesondere über den noch anzuberaumenden neuen Verhandlungstermin, informieren. ArbG Düsseldorf, 6 Ca 2377/09, Urteil vom 30.07.2009

Landgericht Essen: Urteil in der Sache gegen Prof. Broelsch

15. März 2010 - Die XXI. große Strafkammer (56 KLs 20/08) des Landgerichts Essen hat Prof. Broelsch zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Die Verurteilung erfolgte wegen Bestechlichkeit in 30 Fällen, davon 3-mal in Tateinheit mit Nötigung und einmal in Tateinheit mit Betrug, jeweils zum Nachteil des Kassenpatienten, ferner wegen Betruges in zwei Fällen zum Nachteil seines Arbeitgebers, des Landes NRW, wegen Abrechnungsbetruges in 8 Fällen zum Nachteil von Privatpatienten und schließlich wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen, wobei es einmal bei einem Versuch blieb. Von drei Vorwürfen der Bestechlichkeit und vier Vorwürfen des Abrechnungsbetruges ist Prof. Broelsch freigesprochen worden.

Das Gericht hat sich in 28 Verhandlungstagen eingehend mit den komplexen Sachverhalten auseinandergesetzt und sowohl die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft als auch das Verteidigungsvorbringen des Angeklagten einer sehr genauen Prüfung unterzogen.
Zum Tatkomplex der Geldspenden hat die Kammer festgestellt, dass Professor Broelsch als beamteter Hochschulprofessor, also als Amtsträger, von schwer kranken Kassenpatienten als Gegenleistung für die Behandlung durch ihn persönlich außerhalb eines privaten Behandlungsvertrages eine Geldspende auf ein sogenanntes Drittmittelkonto verlangt und erhalten hat. Dabei hat das Gericht die Einlassung des Angeklagten, die Spenden seien freiwillig und aus Dankbarkeit erfolgt und er habe keinen Vorteil von den Spenden gehabt, als widerlegt angesehen. Das Gericht ist davon überzeugt, dass es sich bei den sog. Spenden um Zahlungen für eine rechtswidrige Diensthandlung, nämlich eine bevorzugte Behandlung von Kassenpatienten gehandelt hat. Es hat außerdem festgestellt, dass Prof. Broelsch unmittelbaren Zugriff auf die sog. Drittmittelgelder hatte und auch Vorteile für sich aus deren Verwendung zog. In drei Fällen hat das Gericht zugleich eine Nötigung der Kassenpatienten angenommen, weil Prof. Broelsch die Behandlung als besonders dringlich dargestellt oder erklärt hatte, nur er könne aufgrund seiner Qualifikation die Behandlung vornehmen, so dass die Patienten sich gezwungen sahen, die Geldbeträge zu bezahlen, um in den Genuss der Behandlung zu kommen. In einem der Spendenfälle liegt zugleich ein Betrug zum Nachteil des Kassenpatienten vor, weil die Behandlung dann schließlich entgegen der Zusage von Prof. Broelsch nicht durch ihn selber erfolgte. Insgesamt handelt es sich um sog. Spendenzahlungen in Höhe von 158.000,00 €.

Während es bei dem ersten Tatkomplex, der Verurteilung wegen Bestechlichkeit, um die Behandlung von Kassenpatienten ging, stehen die übrigen Straftaten im Zusammenhang mit der Behandlung von Privatpatienten. In zwei Fällen konnten Prof. Broelsch Schwarzgeschäfte nachgewiesen werden, in denen er es unterlassen hatte, 35 % seiner Privatarzteinnahmen an die Klinik abzuführen. Hierzu war er aber nach dem Nebentätigkeitsrecht verpflichtet. Es ist dem Land NRW ein Schaden in Höhe von ca. 16.500,00 € entstanden. In 7 Fällen hat Prof. Broelsch schließlich gegenüber Privatpatienten ärztliche Leistungen abgerechnet, die gar nicht selbst erbracht hat und deshalb nicht abrechnen durfte. Hierbei handelt es sich um Beträge von insgesamt ca. 13.200,00 €.

Schließlich hat das Gericht auch den Vorwurf der Steuerhinterziehung bestätigt. Prof. Broelsch hat in den Jahren 2002, 2004 und 2005 seine Einkünfte nicht vollständig angegeben und dadurch Steuern hinterzogen. Für das Jahr 2005 ist es allerdings beim Versuch geblieben, weil die Tat vor Festsetzung der Steuer aufgedeckt werden konnte. Der Schaden beträgt ca. 40.000,00 €.

Anspruch auf Kindergeld auch bei Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat

5. März 2010 - Nach einer Entscheidung des 3. Senates des Finanzgerichts Düsseldorf (Az.: 3 K 3986/08 Kg) steht es dem Anspruch eines Vaters auf Kindergeld nicht entgegen, wenn er keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat.
Seine Anspruchsberechtigung bestehe – so der 3. Senat - fort, soweit er aufgrund einer Elternzeit in der inländischen Arbeitslosen- und Rentenversicherung versichert sei. Der Kindergeldanspruch des Vaters bestehe, auch wenn die Mutter im Ausland einen Anspruch auf Kindergeld habe.

Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung nicht verfassungsgemäß

Urteil vom 2. März 2010  1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08  

Nachweis von Bewirtungsaufwendungen

25. Februar 2010 -Nach der Entscheidung des 11. Senates des Finanzgerichts Düsseldorf (Az.: 11 K 1093/07 E) können Bewirtungsaufwendungen auch dann steuerlich geltend gemacht werden, wenn lediglich Eigenbelege mit Angaben zu Ort, Tag, Teilnehmern und Anlass der Bewirtung sowie der Höhe der Aufwendungen vorliegen.
Die unterbliebene Angabe des Bewirtenden im Bewirtungsvordruck kann nachgeholt werden. Der Abzugsfähigkeit der Bewirtungsaufwendung steht nicht entgegen, dass die eingereichten Rechnungen keine Angaben zum Rechnungsadressaten enthalten, wenn die wirtschaftliche Belastung durch Kreditkartenabrechnungen nachgewiesen ist.

Nachbarklage gegen "Kleine Düse" am Flughafen Mülheim/Essen erfolgreich
Mit dem soeben in öffentlicher Sitzung verkündeten Urteil hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf der Nachbarklage eines Anwohners aus Essen stattgegeben und die drei angefochtenen Erlaubnisse nach § 25 Luftverkehrsgesetz, die die Außenstart- und Landeerlaubnis für strahlgetriebene Flugzeuge vom Typ Cessna 525, 525 A und 525 B zum Gegenstand haben, für rechtswidrig erklärt und die aktuelle Erlaubnis aufgehoben.
In der mündlichen Urteilsbegründung führte der Vorsitzende aus, die angefochtenen Erlaubnisse seien rechtswidrig und verletzten den Kläger dadurch in seinen nachbarlichen Rechten, weil sie als Ausnahmeerlaubnisse nicht das gesetzlich zulässige Mittel seien, den Betrieb der "Kleinen Düse" auf dem Verkehrslandeplatz Essen/Mülheim zu ermöglichen. Die Zulassung dieser Düsenjets stelle eine wesentliche Änderung des Betriebes des Verkehrslandeplatzes dar und erfordere deshalb zumindest eine Änderungsgenehmigung nach § 6 LuftVG oder möglicherweise sogar einen Planfeststellungsbeschluss nach § 8 LuftVG. Durch diesen Formenfehlgebrauch sei der Kläger in rechtserheblicher Weise nachteilig betroffen, weil er als Inhaber abwägungsrelevanter privater Belange, namentlich im Hinblick auf den Fluglärm, einen Anspruch darauf habe, dass diese Belange in einem durch diese Vorschriften geregelten Verfahren abgewogen werden.
Gegen das Urteil ist Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zulässig.
Az.: 6 K 2481/08

Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall

 23. Februar 2010 - Strafsache

gegen: Frank B. (44) aus Wuppertal
Matthias Eric D. (27) aus Salzburg
Daniel Alexander Heinrich F. (35) aus Wuppertal
Bata G. (34) aus Wuppertal
Frank M. (38) aus Wuppertal
Ricky Jürgen N. (37) aus Düsseldorf
Jens P. (34) aus Wuppertal
Anja S. (32) aus Essen
Michael S. (38) aus Essen
Siegfried S. (37) aus Düsseldorf
Ulas Y. (29) aus Duisburg

Vorwurf: Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall
Tatort: Wuppertal, Düsseldorf, Solingen, Essen u.a.
Kammer: 6. große Strafkammer
Termine
1) 23.02.2010,
2) 24.02.2010,
3) 26.02.2010,
4) 02.03.2010,
5) 03.03.2010,
6) 05.03.2010,
7) 09.03.2010,
8) 10.03.2010,
9) 12.03.2010,
10) 16.03.2010,
11) 17.03.2010,
12) 19.03.2010,
jeweils 9.00 Uhr, nur am 02.03.2010 um 13.00 Uhr.

Die Sitzungen finden im Schwurgerichtssaal des Landgerichts statt.
Den Angeklagten wird Steuerhinterziehung in einer Vielzahl von Fällen im Zeitraum vom 10.2.2004 bis zum 10.5.2009 vorgeworfen, wobei ein Schwerpunkt der Taten in Nordrhein-Westfalen gelegen haben soll. Unter anderem sollen die Angeklagten über ein Geflecht von ihnen etablierter Scheinfirmen, die oft nur für kurze Zeit am Wirtschaftsleben teilnahmen (sog. „missing trader“), Handelsware – hauptsächlich kleine Computerteile – aus dem EU-Ausland eingeführt haben. Die bei der Einfuhr zu zahlende Steuer sollen sie ebenso wenig entrichtet haben wie die beim Weiterverkauf abzuführende Umsatzsteuer, die bei den Weiterverkäufen an andere Scheinfirmen (sog. „buffer“) und spätere Endabnehmer in den Rechnungen ausgewiesen wurde.
Das soll die Angeklagten in die Lage versetzt haben, die Ware am Markt günstiger als die Konkurrenz weiterzuverkaufen und entsprechende Gewinne zu erzielen. Die Scheinfirmen in der Lieferkette, welche keine Steuern entrichteten, sollen zum Zeitpunkt des versuchten Rückgriffs der Finanzämter dem Plan der Angeklagten entsprechend bereits verschwunden gewesen sein, so dass Steuern nicht mehr zu erlangen waren. Durch die den Angeklagten vorgeworfenen Taten soll ein Steuerschaden von insgesamt 30.698.741,- € entstanden sein.

Bis auf die Angeklagten Frank B. und Anja S., die als Gehilfen angeklagt sind, sollen die Angeklagten jeweils täterschaftlich und als Bande gehandelt haben. Um Gelder dem Einblick und dem Zugriff des deutschen Staates zu entziehen und ihre Geschäfte zu verschleiern, sollen sie vielfach aus der Schweiz heraus operiert und Schweizer Bankkonten genutzt haben. Zum Teil hielten sie sich zuletzt auch in der Schweiz auf oder hatten vor, ihren Wohnsitz dorthin zu verlagern. Aus den vorgeworfenen Taten sollen sich die Angeklagten teilweise einen sehr aufwändigen Lebensstil finanziert haben.
Als Kopf der Gruppe sieht die Anklage den Angeklagten Michael S., der mit der Angeklagten Anja S. verheiratet ist. Neben Michael S. sollen die Angeklagten D., F. und P. wichtige Rollen gespielt haben.
Bedeutende Hilfsdienste soll der Angeklagte Frank B. als Steuerberater erbracht haben. Er soll für Scheinfirmen von Mitangeklagten mit einer zuletzt von ihm geführten Steuerberatungsgesellschaft in Solingen beratend tätig geworden sein und als vertrauenswürdiges Aushängeschild der Gruppe fungiert haben.

 

Oberlandesgericht Düsseldorf: Kreuze in den Gerichtssälen von Amts- und Landgericht Düsseldorf: Persönliche Erklärung der Präsidentin des Oberlandesgerichts

 22. Februar 2010 - Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf Anne-José Paulsen nimmt nach Rückkehr von einer Auslandsdienstreise dazu Stellung, dass in dem Neubau des Amts- und Landgerichts Düsseldorf keine Kreuze mehr aufgehängt werden sollen:
„Die Bedeutung des Christentums für die abendländische Kultur und für die Werteordnung unserer Gesellschaft steht außer Frage. Deshalb ist auch das Grundgesetz im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen erlassen worden. Gleichwohl schreibt gerade dieses Grundgesetz vor, dass der Staat insbesondere seine Gerichte – sich weltanschaulich neutral zu verhalten haben.
Dies erklärt, weshalb sich weder in den Bundesgerichten, wie etwa dem Bundesverfassungsgericht oder dem Bundegerichtshof, noch im Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in den Sitzungssälen Kreuze befinden. In Nordrhein-Westfalen hängen nur in 40 bis 60 von ca. 1.300 Gerichtssälen Kreuze. Bereits vor 40 Jahren sind alle Kreuze aus den Sitzungssälen der Verwaltungsgerichte und des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen entfernt worden. So hängen gerade auch im Rheinland in praktisch keinem Gerichtssaal Kreuze, sei es in der Domstadt Aachen, am Sitz des Erzbischofs von Köln, in der früheren Bundeshauptstadt Bonn oder im Oberlandesgericht Düsseldorf, ohne dass dies in den letzten Jahren von der Öffentlichkeit oder Politik beanstandet worden wäre.
Ich begrüße es, dass ich Mitte März in einem schon seit längerem vereinbarten Gespräch mit dem Stadtdechanten Msgr. Rolf Steinhäuser und dem Superintendenten Ulrich Lilie Gelegenheit haben werde, in gegenseitigem Respekt die jeweiligen Argumente zu erörtern und meinen Standpunkt zu erläutern.“

Explosion auf der Toilette:
Arbeitsgericht Oberhausen entscheidet über Schmerzensgeld

 19. Februar 2010 - Das Arbeitsgericht Oberhausen hat heute einer Klage eines Arbeitnehmers gegen seinen ehemaligen Arbeitskollegen auf Zahlung von Schmerzensgeld stattgegeben. Der Kläger hatte dem Beklagten vorgeworfen, im Jahr 2006 auf der Betriebstoilette zwei Dosen Raumspray versprüht zu haben, während der Kläger die Toilette benutzte. Aus nicht aufklärbaren Umständen hatte sich anschließend das Luft-Gas-Gemisch entzündet. Es war zu einer Explosion gekommen, bei welcher der Kläger lebensgefährliche Brandverletzungen davongetragen hatte. Auch der Beklagte war schwer verletzt worden. Neben dem völlig verwüsteten Toilettenraum waren auch andere Betriebsräume in Mitleidenschaft gezogen worden.

Das Arbeitsgericht Oberhausen ist am 17.02.2010 nach der Vernehmung zweier Zeugen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte für das Versprühen des Raumsprays und damit für die Explosion verantwortlich war. Es hat den Beklagten u.a. zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,- EUR verurteilt.

Regelleistungen nach SGB II 
("Hartz IV- Gesetz") nicht verfassungsgemäß

I. Sachverhalt

9. Februar 2010 - 1. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (sog. „Hartz IV-Gesetz“) führte mit Wirkung vom 1. Januar 2005 die bisherige Arbeitslosenhilfe und die bisherige Sozialhilfe im neu geschaffenen Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)  in Form einer einheitlichen, bedürftigkeitsabhängigen Grundsicherung für Erwerbsfähige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zusammen. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden, nicht erwerbsfähigen Angehörigen, insbesondere Kinder vor Vollendung des 15. Lebensjahres, Sozialgeld. Diese Leistungen setzen
sich im Wesentlichen aus der in den §§ 20 und 28 SGB II bestimmten Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und Leistungen für Unterkunft und Heizung zusammen. Sie werden nur gewährt, wenn ausreichende eigene Mittel, insbesondere Einkommen oder Vermögen, nicht vorhanden sind. Die Regelleistung für Alleinstehende legte das SGB II zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens für die alten Länder einschließlich Berlin (Ost) auf 345 Euro fest. Die Regelleistung für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bestimmt es als prozentuale Anteile
davon. Danach ergaben sich zum 1. Januar 2005 für Ehegatten, Lebenspartner und Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft ein Betrag von gerundet 311 Euro (90%), für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres ein Betrag von 207 Euro (60%) und für Kinder ab Beginn des 15. Lebensjahres ein Betrag von 276 Euro (80%).

Im Vergleich zu den Regelungen nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG) wird die Regelleistung nach dem SGB II weitgehend pauschaliert; eine Erhöhung für den Alltagsbedarf ist ausgeschlossen. Einmalige Beihilfen werden nur noch in Ausnahmefällen für einen besonderen Bedarf gewährt. Zur Deckung unregelmäßig wiederkehrenden Bedarfs ist die Regelleistung erhöht worden, damit Leistungsempfänger entsprechende Mittel ansparen können.

2. a) Bei der Festsetzung der Regelleistung hat sich der Gesetzgeber an das Sozialhilferecht, das seit dem 1. Januar 2005 im Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) geregelt wird, angelehnt. Nach dem SGB XII und der vom zuständigen Bundesministerium erlassenen Regelsatzverordnung erfolgt die Bemessung der sozialhilferechtlichen Regelsätze nach einem Statistikmodell, das bereits in ähnlicher Form unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) entwickelt worden war. Grundlage für die Bemessung der Regelsätze ist eine Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die vom Statistischen Bundesamt alle fünf Jahre erhoben wird. Für die Bestimmung des Eckregelsatzes, der auch für Alleinstehende gilt, sind die in den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten Ausgaben der untersten 20% der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte (unterstes Quintil) nach Herausnahme der Empfänger von Sozialhilfe maßgeblich. Diese Ausgaben gehen allerdings nicht vollständig, sondern
als regelsatzrelevanter Verbrauch nur zu bestimmten Prozentanteilen in die Bemessung des Eckregelsatzes ein.
Die seit dem 1. Januar 2005 geltende Regelsatzverordnung fußt auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahre 1998. Bei der Bestimmung des regelsatzrelevanten Verbrauchs in § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung wurde die Abteilung 10 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (Bildungswesen) nicht berücksichtigt. Weiterhin erfolgten Abschläge unter anderem in der Abteilung 03 (Bekleidung und Schuhe) zum Beispiel für Pelze und Maßkleidung, in der Abteilung 04 (Wohnung etc.) bei der Ausgabenposition „Strom“, in der Abteilung 07 (Verkehr) wegen der Kosten für Kraftfahrzeuge und in der Abteilung 09 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur) zum Beispiel für Segelflugzeuge. Der für das Jahr 1998 errechnete Betrag wurde nach den Regelungen, die für die jährliche Anpassung der Regelleistung nach dem SGB II und der Regelsätze nach dem SGB XII gelten, entsprechend der Entwicklung des aktuellen Rentenwertes in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. § 68 SGB VI) auf den 1. Januar 2005 hochgerechnet.

b) Bei der Festsetzung der Regelleistung für Kinder wich der Gesetzgeber von den Prozentsätzen, die unter dem BSHG galten, ab und bildete nunmehr nur noch zwei Altersgruppen (0 bis 14 Jahre und 14 bis 18 Jahre). Eine Untersuchung des Ausgabeverhaltens von Ehepaaren mit einem Kind, wie sie unter dem BSHG erfolgt war, unterblieb zunächst.
3. Die Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahre 2003 führte zwar zum 1. Januar 2007 zu Änderungen beim regelsatzrelevanten Verbrauch gemäß § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung, jedoch nicht zu einer Erhöhung des Eckregelsatzes und der Regelleistung für Alleinstehende. Eine erneute Sonderauswertung bezogen auf das Ausgabeverhalten von Ehepaaren mit einem Kind veranlasste den Gesetzgeber zur Einführung einer dritten Alterstufe von haushaltsangehörigen Kindern im Alter von 6 Jahren bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres. Diese erhalten ab dem 1. Juli 2009 nach § 74 SGB II 70% der Regelleistung eines Alleinstehenden. Seit dem 1. August 2009 erhalten schulpflichtige Kinder nach Maßgabe von § 24a SGB II zudem zusätzliche Leistungen für die Schule in Höhe von 100 Euro pro Schuljahr.

4. Über eine Vorlage des Hessischen Landessozialgerichts (1 BvL 1/09) und über zwei Vorlagen des Bundessozialgerichts (1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09) zu der Frage, ob die Höhe der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts für Erwachsene und Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 nach § 20 Abs. 1 bis 3 und nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Alt. 1 SGB II mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts am 20. Oktober 2009 verhandelt.

II. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erfüllen. Die Vorschriften bleiben bis zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2010 zu treffen hat, weiter anwendbar. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung auch einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs für die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten vorzusehen, der bisher nicht
von den Leistungen nach §§ 20 ff. SGB II erfasst wird, zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums jedoch zwingend zu decken ist. Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber wird angeordnet, dass dieser Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zu Lasten des Bundes geltend gemacht werden kann.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung.
Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Der Umfang des verfassungsrechtlichen Leistungsanspruchs kann im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung
abgeleitet werden. Die Konkretisierung obliegt dem Gesetzgeber, dem hierbei ein Gestaltungsspielraum zukommt.
Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht, zu bemessen.

b) Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht. Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaubt, beschränkt sich bezogen auf das Ergebnis die materielle Kontrolle darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind. Innerhalb der materiellen Bandbreite, welche diese Evidenzkontrolle belässt, kann das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums keine quantifizierbaren Vorgaben liefern. Es erfordert aber eine
Kontrolle der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung daraufhin, ob sie dem Ziel des Grundrechts gerecht werden. Um eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Nachvollziehbarkeit des Umfangs der gesetzlichen Hilfeleistungen sowie deren gerichtliche Kontrolle zu gewährleisten, müssen die Festsetzungen der Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigen sein.

Das Bundesverfassungsgericht prüft deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat. Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle besteht für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offen zu legen. Kommt er ihr nicht hinreichend nach, steht die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel
nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang.

2. Die in den Ausgangsverfahren geltenden Regelleistungen von 345, 311 und 207 Euro können zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht als evident unzureichend angesehen werden. Für den Betrag der Regelleistung von 345 Euro kann eine evidente Unterschreitung nicht festgestellt werden, weil sie zur Sicherung der physischen Seite des Existenzminimums zumindest ausreicht und der
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der sozialen Seite des Existenzminimums besonders weit ist. Dies gilt auch für den Betrag von 311 Euro für erwachsene Partner einer Bedarfsgemeinschaft. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass durch das gemeinsame Wirtschaften Aufwendungen gespart werden und deshalb zwei zusammenlebende Partner einen finanziellen Mindestbedarf haben, der geringer als das Doppelte des Bedarfs eines Alleinlebenden ist.

Es kann ebenfalls nicht festgestellt werden, dass der für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres einheitlich geltende Betrag von 207 Euro zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums offensichtlich unzureichend ist. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass dieser Betrag nicht ausreicht, um das physische Existenzminimum, insbesondere den Ernährungsbedarf von Kindern im Alter von 7 bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres zu decken.

3. Das Statistikmodell, das für die Bemessung der sozialhilferechtlichen Regelsätze gilt und nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Grundlage für die Bestimmung der Regelleistung bildet, ist eine verfassungsrechtlich zulässige, weil vertretbare Methode zur realitätsnahen Bestimmung des Existenzminimums für eine alleinstehende Person. Es stützt sich auch auf geeignete empirische Daten. Die
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bildet in statistisch zuverlässiger Weise das Verbrauchsverhalten der Bevölkerung ab. Die Auswahl der untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte nach Herausnahme der Empfänger von Sozialhilfe als Referenzgruppe für die Ermittlung der Regelleistung für einen Alleinstehenden ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber konnte auch vertretbar davon ausgehen, dass die bei der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 zugrunde
gelegte Referenzgruppe statistisch zuverlässig über der Sozialhilfeschwelle lag.
Es ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden, dass die in den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten Ausgaben des untersten Quintils nicht vollständig, sondern als regelleistungsrelevanter Verbrauch nur zu einem bestimmten Prozentsatz in die Bemessung der Regelleistung einfließen. Der Gesetzgeber hat aber die wertende Entscheidung, welche Ausgaben zum Existenzminimum zählen, sachgerecht und vertretbar zu treffen. Kürzungen von Ausgabepositionen in den Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bedürfen zu ihrer Rechtfertigung einer empirischen Grundlage. Der Gesetzgeber darf Ausgaben, welche die Referenzgruppe tätigt, nur dann als nicht relevant einstufen, wenn feststeht, dass sie anderweitig gedeckt werden oder zur Sicherung des Existenzminimums nicht notwendig sind. Hinsichtlich der Höhe der Kürzungen ist auch eine Schätzung auf fundierter empirischer Grundlage nicht ausgeschlossen; Schätzungen „ins Blaue hinein“ stellen jedoch keine realitätsgerechte Ermittlung dar.

4. Die Regelleistung von 345 Euro ist nicht in verfassungsgemäßer Weise ermittelt worden, weil von den Strukturprinzipien des Statistikmodells ohne sachliche Rechtfertigung abgewichen worden ist.
a) Der in § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2005 festgesetzte regelsatz- und damit zugleich regelleistungsrelevante Verbrauch beruht nicht auf einer tragfähigen Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998. Denn bei einzelnen Ausgabepositionen wurden prozentuale Abschläge für nicht regelleistungsrelevante Güter und Dienstleistungen (zum Beispiel Pelze, Maßkleidung und Segelflugzeuge) vorgenommen, ohne dass feststand, ob die Vergleichsgruppe (unterstes Quintil) überhaupt solche Ausgaben getätigt hat. Bei anderen Ausgabepositionen wurden Kürzungen vorgenommen, die dem Grunde nach vertretbar, in der Höhe jedoch empirisch nicht belegt waren (zum Beispiel Kürzung um 15% bei der Position Strom). Andere Ausgabepositionen, zum Beispiel die Abteilung 10 (Bildungswesen), blieben völlig unberücksichtigt, ohne dass dies  begründet worden wäre.

b) Zudem stellt die Hochrechnung der für 1998 ermittelten Beträge auf das Jahr 2005 anhand der Entwicklung des aktuellen Rentenwerts einen sachwidrigen Maßstabswechsel dar. Während die statistische Ermittlungsmethode auf Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten abstellt, knüpft die Fortschreibung nach dem aktuellen Rentenwert an die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter, den Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung und an einen Nachhaltigkeitsfaktor an. Diese Faktoren weisen aber keinen Bezug zum Existenzminimum auf.

5. Die Ermittlung der Regelleistung in Höhe von 311 Euro für in Bedarfsgemeinschaft zusammenlebende Partner genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, weil sich die Mängel bei der Ermittlung der Regelleistung für Alleinstehende hier fortsetzen, denn sie wurde auf der Basis jener Regelleistung ermittelt. Allerdings beruht die Annahme, dass für die Sicherung des Existenzminimums von zwei Partnern ein Betrag in Höhe von 180 % des entsprechenden Bedarfs eines Alleinstehenden ausreicht, auf einer ausreichenden empirischen Grundlage.

6. Das Sozialgeld für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres von 207 Euro genügt nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, weil es von der bereits beanstandeten Regelleistung in Höhe von 345 Euro abgeleitet ist. Darüber hinaus beruht die Festlegung auf keiner vertretbaren Methode zur Bestimmung des Existenzminimums eines Kindes im Alter bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres. Der Gesetzgeber hat jegliche Ermittlungen zum spezifischen Bedarf eines Kindes, der sich im Unterschied zum Bedarf eines Erwachsenen an kindlichen
Entwicklungsphasen und einer kindgerechten Persönlichkeitsentfaltung auszurichten hat, unterlassen. Sein vorgenommener Abschlag von 40 % gegenüber der Regelleistung für einen Alleinstehenden beruht auf einer freihändigen Setzung ohne empirische und methodische Fundierung. Insbesondere blieben die notwendigen Aufwendungen für Schulbücher, Schulhefte, Taschenrechner etc. unberücksichtigt, die zum existentiellen Bedarf eines Kindes gehören. Denn ohne Deckung dieser Kosten droht hilfebedürftigen Kindern der Ausschluss von Lebenschancen. Auch fehlt eine differenzierte Untersuchung des Bedarfs von kleineren und größeren
Kindern.

7. Diese Verfassungsverstöße sind weder durch die Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 und die Neubestimmung des regelsatzrelevanten Verbrauchs zum 1. Januar 2007 noch durch die Mitte 2009 in Kraft getretenen §§ 74 und 24a SGB II beseitigt worden.

a) Die zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene Änderung der Regelsatzverordnung hat wesentliche Mängel, wie zum Beispiel die Nichtberücksichtigung der in der Abteilung 10 (Bildungswesen) der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten Ausgaben oder die Hochrechnung der für 2003 ermittelten Beträge entsprechend der Entwicklung des aktuellen Rentenwertes, nicht beseitigt.

b) Das durch § 74 SGB II eingeführte Sozialgeld für Kinder ab Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres in Höhe von 70 % der Regelleistung für einen Alleinstehenden genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen bereits deshalb nicht, weil es sich von dieser fehlerhaft ermittelten Regelleistung ableitet. Zwar dürfte der Gesetzgeber mit der Einführung einer dritten Altersstufe und der § 74 SGB II zugrunde liegenden Bemessungsmethode einer realitätsgerechten Ermittlung der notwendigen Leistungen für Kinder im schulpflichtigen Alter näher gekommen sein. Den Anforderungen an die Ermittlung des kinderspezifischen Bedarfs ist er dennoch nicht gerecht geworden, weil die gesetzliche Regelung weiterhin an den Verbrauch für einen erwachsenen Alleinstehenden anknüpft.

c) Die Regelung des § 24a SGB II, die eine einmalige Zahlung von 100 Euro vorsieht, fügt sich methodisch nicht in das Bedarfssystem des SGB II ein. Zudem hat der Gesetzgeber den notwendigen Schulbedarf eines Kindes bei Erlass des § 24a SGB II nicht empirisch ermittelt. Der Betrag von 100 Euro pro Schuljahr wurde offensichtlich freihändig geschätzt.

8. Es ist mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zudem unvereinbar, dass im SGB II eine Regelung fehlt, die einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs vorsieht. Ein solcher ist für denjenigen Bedarf erforderlich, der deswegen nicht schon von den §§ 20 ff. SGB II abgedeckt wird, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der
die Regelleistung beruht, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegelt, nicht aber einen darüber hinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen.

Die Gewährung einer Regelleistung als Festbetrag ist grundsätzlich zulässig. Wenn das Statistikmodell entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben angewandt und der Pauschalbetrag insbesondere so bestimmt worden ist, dass ein Ausgleich zwischen verschiedenen Bedarfspositionen möglich ist, kann der Hilfebedürftige in
der Regel sein individuelles Verbrauchsverhalten so gestalten, dass er mit dem Festbetrag auskommt; vor allem hat er bei besonderem Bedarf zuerst auf das Ansparpotential zurückzugreifen, das in der Regelleistung enthalten ist.
Da ein pauschaler Regelleistungsbetrag jedoch nach seiner Konzeption nur den durchschnittlichen Bedarf decken kann, wird ein in Sonderfällen auftretender Bedarf von der Statistik nicht aussagekräftig ausgewiesen. Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gebietet allerdings, auch diesen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf zu decken, wenn es im Einzelfall für ein
menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich ist. Dieser ist im SGB II bisher nicht ausnahmslos erfasst.
Der Gesetzgeber hat wegen dieser Lücke in der Deckung des lebensnotwendigen Existenzminimums eine Härtefallregelung in Form eines Anspruchs auf Hilfeleistungen zur Deckung dieses besonderen Bedarfs für die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten vorzugeben. Dieser Anspruch entsteht allerdings  erst, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistungen - einschließlich der Leistungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen - das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet. Er dürfte angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen nur in seltenen Fällen in Betracht kommen.
9. Die verfassungswidrigen Normen bleiben bis zu einer Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2010 zu treffen hat, weiterhin anwendbar. Wegen des gesetzgeberischen
Gestaltungsspielraums ist das Bundesverfassungsgericht nicht befugt, aufgrund eigener Einschätzungen und Wertungen gestaltend selbst einen bestimmten Leistungsbetrag festzusetzen. Da nicht festgestellt werden kann, dass die gesetzlich festgesetzten Regelleistungsbeträge evident unzureichend sind, ist der Gesetzgeber nicht unmittelbar von Verfassungs wegen verpflichtet, höhere Leistungen festzusetzen. Er muss vielmehr ein Verfahren zur realitäts- und bedarfsgerechten Ermittlung der zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen entsprechend den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Vorgaben durchführen und dessen Ergebnis im Gesetz als Leistungsanspruch verankern.
Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber nicht dazu, die Leistungen rückwirkend neu festzusetzen. Sollte der Gesetzgeber allerdings seiner Pflicht zur Neuregelung bis zum 31. Dezember 2010 nicht nachgekommen sein, wäre ein pflichtwidrig später erlassenes Gesetz schon zum 1. Januar 2011 in Geltung zu setzen.

Der Gesetzgeber ist ferner verpflichtet, bis spätestens zum 31. Dezember 2010 eine Regelung im SGB II zu schaffen, die sicherstellt, dass ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf gedeckt wird. Die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten, bei denen ein derartiger Bedarf vorliegt, müssen aber auch vor der Neuregelung die erforderlichen Sach- oder Geldleistungen erhalten. Um die Gefahr einer Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in
der Übergangszeit bis zur Einführung einer entsprechenden Härtefallklausel zu vermeiden, muss die verfassungswidrige Lücke für die Zeit ab der Verkündung des Urteils durch eine entsprechende Anordnung des Bundesverfassungsgerichts geschlossen werden.

Profifußballer muss keinen Schadensersatz zahlen

5. Februar 2010 - Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat in einer aktuellen Entscheidung eine gegen einen Profifußballer aus dem Ruhrgebiet gerichtete Schadensersatzklage abgewiesen.
Die klagende Firma hatte mit dem Profifußballer einen befristeten Beratervertrag abgeschlossen, wonach er sich ausschließlich von dieser Firma beraten und unterstützen lassen sollte. Diesen Beratervertrag kündigte der Fußballer und verlängerte unter Inanspruchnahme von fremden Beratungsleistungen seinen bisherigen mit einem Bundesligisten aus dem Revier bestehenden Spielervertrag. Dieses Verhalten sah die Klägerin als Vertragsverletzung an und verlangte Schadensersatz von zuletzt mehr als 70.000 Euro.

Die 8. Zivilkammer des Landgerichts Bochum (8 O 511/08) hatte diese Schadensersatzklage abgewiesen, die Entscheidung hat der 12. Zivilsenat in zweiter Instanz bestätigt.
Der Senat hat ausgeführt, dass kein Verstoß gegen die Exklusivitätsvereinbarung vorliege, da diese Klausel unwirksam sei. Ein Profifußballer sei weisungsgebundener Arbeitnehmer und könne die zum Schutz Arbeitssuchender geltende Bestimmung des § 297 Nr. 4 SGB III für sich in Anspruch nehmen. Danach seien Vereinbarungen unwirksam, die sicherstellen sollen, dass ein Arbeitssuchender sich ausschließlich eines bestimmten Vermittlers bediene.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.
(Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 08.01.2010 – 12 U 124/09-)

Weitere Entscheidungen zum Kölner Glasverbot an Karneval
Das Verwaltungsgericht Köln hat im Anschluss an seinen gestrigen Beschluss (vgl. Presserklärung vom 03. Januar 2010) mit Beschlüssen vom heutigen Tage auch den Anträgen von vier Kölner Kiosk-Betreibern gegen das von Stadt Köln ausgesprochene „Glasverbot“ an den Karnevalstagen stattgegeben. Den Kiosk-Besitzern hatte die Stadt mit individuellen Ordnungsverfügungen verboten, zu bestimmten Zeiten während des Karnevals Getränke in Glasbehältnissen zu verkaufen.
Das Gericht hat die aufschiebende Wirkung der entsprechenden Klagen gegen die Ordnungsverfügungen angeordnet. Die Kiosk-Betreiber müssen das Verbot damit vorerst nicht befolgen. Maßgebend für die Entscheidung des Gerichts waren dieselben Gründe, die auch im Verfahren eines Anwohners aus dem Zülpicher Viertel zum Erfolg des Antrags geführt haben.
Gegen die Beschlüsse kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Münster eingelegt werden.
Az: 20 L 109/10, 20 L 113/10, 20 L 114/10 und 20 L 115/10

 Gericht stoppt Kölner Glasverbot an Karneval

4. Februar 2010 - Mit Beschluss vom heutigen Tage hat das Verwaltungsgericht Köln die sofortige Vollziehung des „Glasverbots“ an Karneval in der Kölner Innenstadt aufgehoben. Das Gericht gab damit dem Eilantrag eines Anwohners aus dem Zülpicher Viertel statt, der gegen eine entsprechende Allgemeinverfügung der Stadt Köln vom 13.01.2010 geklagt hatte.
Mit der Allgemeinverfügung hatte die Stadt für bestimmte Zeiten an den Karnevalstagen in der Altstadt, im Zülpicher Viertel und im Bereich der Ringe ein allgemeines Verbot des „Mitführens und Benutzens von Glasbehältnissen“ ausgesprochen. Die von der Stadt ebenfalls angeordnete sofortige Vollziehung hob das Gericht nun auf.
Zur Begründung hat das Gericht darauf hingewiesen, dass das allgemeine Recht der Gefahrenabwehr rein vorsorgliche Maßnahmen, wie ein vorbeugendes Verbot, grundsätzlich nicht zulasse. Allein das in der Allgemeinverfügung verbotene Mitführen und Benutzen von Gläsern und Glasflaschen stelle noch keine „Gefahr“ im Rechtssinne dar. So sei die Benutzung von Glasbehältern an sich nicht gefährlich. Sie werde es im Regelfall erst dadurch, dass ordnungswidriges oder strafbares Verhalten, etwa die rechtswidrige Beseitigung von Gläsern und Flaschen oder Sachbeschädigungs- bzw. Köperverletzungsdelikte, hinzukämen. Das Verbot träfe aber auch eine Vielzahl von Personen, die sich ordnungsgemäß verhielten und deswegen im Rechtssinne „Nichtstörer“ seien.

Zusätzlich zu dem heute entschiedenen Fall sind bei Gericht noch vier neue Eilanträge von Kioskbesitzern eingegangen, über die ebenfalls in Kürze entschieden werden soll.
Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Münster eingelegt werden. Az.: 20 L 88/10

Hartz IV - Keine Leistungskürzung bei unzureichender Rechtsfolgenbelehrung

3. Februar 2010 - Langzeitarbeitslosen kann das Arbeitslosengeld II wegen Verstoßes gegen die Eingliederungsvereinbarung nur nach konkreter Belehrung über die Rechtsfolgen gekürzt werden.
Das Sozialgericht Dortmund ordnete in einem Eilverfahren die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Sanktionsbescheid an, mit dem die Leistungen für einen 52-jährigen Hartz-IV-Empfänger aus Dortmund um monatlich 107,70 EUR gekürzt werden sollten. Das JobCenter ARGE Dortmund kann die Sanktion nun bis zu einer Klärung im Hauptsacheverfahren nicht vollziehen.

Das Gericht hat ernstliche Zweifel im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides. Die vor der Sanktionierung erfolgte Rechtsfolgenbelehrung sei nicht hinreichend gewesen. Diese müsse konkret, verständlich, richtig und vollständig sein. Weder die standardisiert in der Eingliederungsvereinbarung enthaltene schriftliche noch die von der ARGE im Verfahren geltend gemachte „umfassende“ mündliche Belehrung erfülle diese Voraussetzungen. Die einem Merkblatt ähnliche schriftliche Belehrung erstrecke sich über eine Seite mit elf Ziffern, die eine Zusammenstellung von verschiedenen Pflichtverletzungen und möglichen Rechtsfolgen enthalte. Eine konkrete Zuordnung der Belehrung auf den Einzelfall fehle bei einer derartigen schriftlichen Belehrung. Nicht ausreichend sei weiter der Verweis auf frühere Belehrungen oder eine mögliche Kenntnis der Rechtslage seitens des Antragstellers. Soweit sich die ARGE auf eine konkrete mündliche Belehrung berufe, müsse diese - auch inhaltlich - hinreichend dokumentiert sein; der Verweis auf eine „umfassende“ Erläuterung lasse nicht den Rückschluss auf eine konkrete Belehrung zu.
Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom 05.01.2009, Az.: S 22 AS 369/09 ER

Finanzgericht Köln: Bekanntgabe durch Computer-Fax unwirksam

1. Februar 2010 - Eine vom Finanzamt mittels Computer-Fax (sog. Ferrari-Fax-Verfahren) übersandte Einspruchsentscheidung ist nichtig, wenn sie mit keiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. Sie entfaltet keine Rechtswirkung und setzt damit die Klagefrist nicht in Gang. Dies hat der 6. Senat des Finanzgerichts Köln in seinem Urteil vom 05.11.2009 (6 K 3931/08) entschieden.
In dem Verfahren wendete der Kläger ein, dass er die Einspruchsentscheidung des Finanzamtes nicht erhalten habe, obwohl das Finanzamt den Sendebericht der Übermittlung per Computer-Fax vorgelegt hatte. In seinem Urteil führt der 6. Senat aus, dass es gar nicht auf den Erhalt der Einspruchsentscheidung durch den Kläger ankomme. Die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung sei bereits unwirksam. Bei der Übermittlung durch Computer-Fax handele es sich nämlich um einen elektronischen Verwaltungsakt, der nur dann gültig sei, wenn er mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werde.
Der 6. Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof in München zugelassen, da in der Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärt ist, ob ein Computer-Fax überhaupt ein elektronisches Dokument ist und ob bei einer Einspruchsentscheidung auf eine qualifizierte elektronische Signatur ggf. verzichtet werden kann.
In diesem Zusammenhang hat der 5. Senat des Finanzgerichts Köln mit seinem vorhergehenden Urteil vom 11.03.2009 (5 K 1396/05) entschieden, dass ein Fax dann kein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt sei, wenn das Empfangsgerät keine elektronische Aufzeichnung ermögliche. Gegen dieses Urteil wurde Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt (X R 22/09).
Die qualifizierte elektronische Signatur soll sicherstellen, dass ein elektronisches Dokument, z.B. eine E-Mail, tatsächlich vom Absender stammt und unverfälscht übermittelt worden ist. Diese wird allerdings kaum im elektronischen Rechtsverkehr angenommen, obwohl sie dort vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist. Dies wirkt sich anders als in dem vom 6. Senat entschiedenen Fall im gerichtlichen Verfahren meist negativ auf den Kläger aus.

Häufige Toilettenbesuche rechtfertigen keine Gehaltskürzung

25. Januar 2010 - Streit unter Kölner Rechtsanwälten –
Der Kläger war seit August 2008 als Rechtsanwalt bei der Kölner Rechtsanwaltskanzlei des Beklagten angestellt.
Durch minutiöse schriftliche Aufzeichnungen hatte der beklagte Rechtsanwalt feststellen lassen, dass sein Angestellter im Zeitraum vom 08.05. bis 26.05.2009 insgesamt 384 Minuten auf der Toilette verbracht hatte.
Der Beklagte rechnete daraufhin die Toilettenzeiten auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses hoch und kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger bis Mai 2009 zusätzlich zu den üblichen Pausen- und Toilettenzeiten insgesamt 90 Stunden auf der Toilette verbrachte. Hierfür zog er dem Kläger 682,40 Euro vom Nettogehalt ab. Der Kläger setzte sich hiergegen zur Wehr mit der Begründung, dass er im vorgenannten Zeitraum an Verdauungsstörungen gelitten habe.
Zum 30.06.2009 ist der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.
Mit Urteil vom 21.01.2010 entschied das Arbeitsgericht Köln insoweit zugunsten des Klägers.

Ende des EU-Führerscheintourismus durch die 3. Führerscheinrichtlinie

22. Januar 2010 - Der 16. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 20. Januar 2010 über einen neuen Aspekt des Dauerthemas "EU-Führerscheintourismus" entschieden. In dem Verfahren um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes griff ein Antragsteller aus Paderborn die Feststellung des Landrats des Kreises Paderborn (Antragsgegner) an, dass seine in Polen erteilte Fahrerlaubnis der Klasse B nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtige. Auf der Grundlage der neuen 3. Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates) vom 20. Dezember 2006 hat der 16. Senat die Auffassung des Antragsgegners bestätigt.

Dem 1964 geborenen Antragsteller hatte das Amtsgericht Paderborn im Jahr 2004 die Fahrerlaubnis entzogen, nachdem er mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,24 Promille ein Kraftfahrzeug geführt hatte. Im Jahr darauf wurde er erneut auffällig, diesmal wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Ohne jemals versucht zu haben, in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Fahrerlaubnis zu erwerben, was eine erfolgreiche medizinisch-psychologische Untersuchung vorausgesetzt hätte, erwarb der Antragsteller Ende Januar 2009 unter Vermittlung einer sich als "Marktführer für Polen" bezeichnenden Agentur in Słubice/Polen eine EU Fahrerlaubnis. Nachdem dies dem Antragsgegner im Februar 2009 bekannt geworden war, richtete er über das Kraftfahrt Bundesamt eine Anfrage an die polnische Ausstellungsbehörde. Darin wies er darauf hin, dass der Antragsteller durchgängig in Paderborn gemeldet gewesen sei und dass es nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH Sache des Ausstellerstaates sei, bei einem erkennbaren Verstoß gegen das im europäischen Führerscheinrecht verankerte Wohnsitzerfordernis die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Die Anfrage blieb ohne Reaktion aus Polen. Daraufhin erließ der Antragsgegner mit Ordnungsverfügung vom 30. März 2009 die vom Antragsteller angegriffene Feststellung über dessen fehlende Berechtigung, im Bundesgebiet von seiner polnischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen. Den zusammen mit der Klageerhebung gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht Minden ab. Die dagegen vom Antragsteller erhobene Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht nunmehr mit dem o.g. Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die unter der Geltung der 2. Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 91/439/EWG) vom EuGH aufgestellten einengenden Voraussetzungen für eine Nichtanerkennung ausländischer Fahrerlaubnisse in der Bundesrepublik Deutschland in Fällen einer vormaligen Entziehung einer Fahrerlaubnis im Heimatstaat und des Fortbestehens der seinerzeit zutage getretenen Eignungsbedenken seien nach dem Inkrafttreten von Art. 11 Abs. 4 der 3. Führerscheinrichtlinie am 19. Januar 2009 nicht mehr einschlägig. Insbesondere komme es jetzt nicht mehr auf einen aus Verlautbarungen des Ausstellerstaates hervorgehenden Nachweis eines Verstoßes gegen das europarechtliche Wohnsitzerfordernis beim Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis an. Das folge zum einen aus den nunmehr zwingenden Verboten der 3. Führerscheinrichtlinie, nach vorheriger Entziehung einer Fahrerlaubnis in einem anderen EU Staat eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen bzw. eine gleichwohl erteilte Fahrerlaubnis anzuerkennen. Zum anderen hätten die an der 3. Führerscheinrichtlinie beteiligten europäischen Gremien während des Normsetzungsverfahrens deutlich gemacht, dass es ihnen um eine wirkungsvolle Unterbindung des die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdenden Führerscheintourismus gehe.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar. Die Entscheidung in einem möglichen Hauptsacheverfahren steht allerdings noch aus.
Aktenzeichen: 16 B 814/09

Höhere Steuerermäßigung für Renovierungsaufwendungen erst ab 2009
"Big Brother" einkommensteuerpflichtig

15. Januar 2010 - Finanzgericht: Höhere Steuerermäßigung für Renovierungsaufwendungen erst ab 2009
Aus Sicht des 10. Senates des Finanzgerichts Münster bestehen keine ernsthaften Zweifel daran, dass der auf 1.200 EUR heraufgesetzte Ermäßigungshöchstbetrag für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen erst ab dem Jahr 2009 gilt. Dies hat der Senat in einem heute veröffentlichten Beschluss vom 11. Dezember 2009 (10 V 4132/09 E) klargestellt.
Im Streitfall hatte ein Ehepaar im Jahr 2008 von Handwerkern Renovierungsarbeiten durchführen lassen. Von den hierfür im gleichen Jahr gezahlten Beträgen entfielen ca. 4.120 EUR auf Handwerkerlöhne. In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 machte das Ehepaar unter Hinweis auf § 35a EStG eine Steuerermäßigung in Höhe von 20 % dieser Aufwendungen (= 824 EUR) geltend. Sie vertraten die Auffassung, dass die gesetzliche Neuregelung am Tag nach der Verkündung des Gesetzes und damit am 30. Dezember 2008 in Kraft getreten sei und der "neue" Höchstbetrag von 1.200 EUR daher bereits für das Jahr 2008 gelte. Das Finanzamt sah dies anders. Es ermäßigte die Steuer lediglich um 600 EUR, da – so das Finanzamt – im Jahr 2008 noch der "alte" Höchstbetrag für eine entsprechende Steuerermäßigung von 600 EUR anwendbar sei.

Dieser Auffassung hat sich der 10. Senat jetzt – im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung der streitigen Einkommensteuer – angeschlossen. Das Gesetz zur "Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung" vom 21. Dezember 2008 führe – wenn Handwerkerleistung und Zahlung im Jahr 2008 erbracht worden seien – nicht zur Anwendung des neuen Höchstbetrages von 1.200 EUR. Die gesetzliche Neuregelung sei in Bezug auf den Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung des aufgestockten Höchstbetrages bereits in sich widersprüchlich und daher auszulegen. Insbesondere aus der Begründung des Gesetzes ergebe sich aber, dass die Aufstockung des Höchstbetrages erst ab dem Jahr 2009 gelte.


"Big Brother" einkommensteuerpflichtig
Das Preisgeld des Gewinners einer Big-Brother-Staffel unterliegt der Einkommensteuer. Dies hat der 15. Senat des Finanzgerichts Köln in seinem Urteil vom 29.10.2009 (15 K 2917/06) rechtzeitig zum Beginn der 10. Staffel der RTL2-Show "Big Brother" entschieden. Er folgte nicht der Auffassung des Klägers, wonach die Gewinnsumme als sog. Spielgewinn wie ein Rennwett- oder Lotteriegewinn steuerfrei bleiben müsse. Das bloße "Sich-Filmen-lassen" an sich führe zwar noch nicht zu einer steuerbaren Leistung im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Durch das Hinzutreten der weiteren Verpflichtungen des Klägers zur Teilnahme am Einspielfilm, Fotoshooting, Interviews und Presseterminen, werde die Grenze der nicht steuerbaren "Spieltätigkeit" im Streitfall allerdings überschritten.

Mit seiner Entscheidung grenzt sich der 15. Senat gegenüber der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in München ab. Dieser hat mit Urteil vom 28.11.2007 (IX R 39/06) für das Preisgeld aus der Fernsehproduktion "Mein großer, dicker, peinlicher Verlobter" entschieden, dass dieses schon deshalb der Einkommensteuer unterliege, weil es Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sei und weder eine Veräußerung noch einen veräußerungsähnlichen Vorgang betreffe.

Die Finanzverwaltung hat sich im Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 30.5.2008 dieser BFH-Rechtsprechung angeschlossen und die Finanzämter angewiesen, Preisgelder für die Teilnahme an einer Fernsehsendung dann als einkommensteuerpflichtig zu behandeln, wenn das Preisgeld und die Leistung des Kandidaten in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen.
Der 15. Senat hat die Revision zum BFH zugelassen.

Hamm: Schadensersatz wegen überlanger Verfahrensdauer
Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat in einer aktuellen Entscheidung das Land Nordrhein-Westfalen aus Gründen der Amtshaftung verurteilt, Schadensersatz in Höhe von ca. 700.000 Euro wegen überlanger Verfahrensdauer eines vorangegangenen Rechtsstreits zu zahlen.

Der Kläger hatte darin mit im Jahre 1984 erhobener Klage die beklagte Firma auf Bezahlung von vertragsgemäß erbrachten Transportleistungen in Anspruch genommen. Dieser Prozess war nach knapp 18-jähriger Verfahrensdauer noch nicht entschieden, als am 01. Februar 2002 über das Vermögen der beklagten Firma das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger konnte seine Forderung danach nur noch zum Teil realisieren.
Der Kläger hat seinen mit ca. 1,6 Millionen Euro berechneten Ausfallschaden gegenüber dem beklagten Land in erster Instanz erfolglos geltend gemacht.

Der Senat hat auf die Berufung des Klägers das landgerichtliche Urteil abgeändert. Nach Auffassung des Senats besteht ein Amtshaftungsanspruch. Das Gericht hat ausgeführt, die mit der Bearbeitung des Vorprozesses befassten Berufsrichter seien ihrer Verpflichtung, sich fortwährend und mit zunehmender Verfahrensdauer um so nachhaltiger um die Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen und damit einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten, zeitweise nicht in der gebotenen Form nachgekommen. Durch die festgestellte Verfahrensverzögerung von 34 Monaten sei ein Schaden entstanden, der allerdings erheblich hinter den Berechnungen des Klägers zurückbleibe.
Der Senat hat die Revision zugelassen.
(Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 08.01.2010 – 11 U 27/06 -)

- Duisburg: Entfristungsklage einer Telefon-Service-Beraterin gegen die Bundesagentur für Arbeit erfolgreich
- Weitere Klagen gegen Dortmunder Kommunalwahl

Arbeitsgericht Duisburg: Entfristungsklage einer Telefon-Service-Beraterin gegen die Bundesagentur für Arbeit erfolgreich
12. Januar 2010 - Das Arbeitsgericht Duisburg hat heute entschieden, dass die Bundesagentur für Arbeit Arbeitsverhältnisse mit Telefon-Service-Beratern nicht mit der Begründung wirksam befristen konnte, sie erhalte ihrerseits von der ARGE Duisburg nur einen befristeten Serviceauftrag für die Durchführung der Telefondienste.
Die Bundesagentur für Arbeit hatte gemeinsam mit der Stadt Duisburg aufgrund des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt im Jahr 2004 eine Arbeitsgemeinschaft (im folgenden: ARGE) zur Wahrnehmung der den Vertragspartnern nach dem SGB II (Grundsicherung, umgangssprachlich: „Hartz IV“) obliegenden Aufgaben gegründet.
Die ARGE hat ihrerseits im Juli 2007 die Bundesagentur für Arbeit Duisburg beauftragt, befristet bis zum 31.12.2009 den Telefonservice zu übernehmen.
Diesen Umstand hat die beklagte Bundesagentur für Arbeit zum Anlass genommen, in diesem Bereich Telefon-Service-Berater nur befristet anzustellen.

Diese Befristung ist jedoch unwirksam. Eine sachgrundlose Befristung war nicht mehr möglich, da der zulässige Zeitraum von zwei Jahren überschritten war. Im Übrigen fehlt es an dem erforderlichen Sachgrund. Telefonische Serviceleistungen für Grundsicherungssuchende werden dauerhaft benötigt werden. Der Bedarf an dieser Serviceleistung ist nicht nur „vorübergehend“, wie die Bundesagentur für Arbeit argumentiert hat. Die Bundesagentur für Arbeit ist originär zuständig für wesentliche Bereiche der Grundsicherung. Der Sachgrund des vorübergehenden Bedarfs an einer Arbeitsleistung wird nicht dadurch geschaffen, dass ein Arbeitgeber als eines von zwei Mitgliedern einer Arbeitsgemeinschaft dieser seine Aufgaben überträgt und sich dann von dieser – allerdings nur befristet – wieder mit einem Teil der Aufgaben beauftragen lässt.

Die Klägerin ist eine von mehreren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Bundesagentur für Arbeit, die zur Zeit vor dem Arbeitsgericht Duisburg gegen ihre Befristung klagen. Die Entscheidung (Geschäftsnummer: 3 Ca 2556/09) ist nicht rechtskräftig, die schriftliche Urteilsbegründung liegt in spätestens zwei Wochen vor.
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: Weitere Klagen gegen Dortmunder Kommunalwahl eingegangen
Am heutigen Vormittag sind beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen 13 weitere Klagen im Zusammenhang mit der Wiederholung der Kommunalwahl in Dortmund eingegangen.
Wie die bereits im Dezember vergangenen Jahres anhängig gewordene Klage eines Bezirksvertreters (Aktenzeichen 15 K 5569/09), richtet sich eine der heute eingegangenen Klagen gegen die Wiederwahl des Rates, der Bezirksvertretungen und des Oberbürgermeisters (Aktenzeichen 15 K 86/10).
Mehrere Mitglieder des Stadtrates wenden sich gegen den Beschluss zur Wiederholung der Wahl des Rates (Aktenzeichen: 15 K 95/10).
Weitere 11 Klagen richten sich gegen die Wiederholung der Wahl zu den folgenden Bezirksvertretungen in Dortmund:

Sozialgericht: 1 Euro-Jobber ohne Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung

11. Januar 2010 - Arbeitsgelegenheiten der Grundsicherungsträger (sog. 1 Euro-Jobs) können der Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung entgegenstehen.

Dies entschied das Sozialgericht Dortmund im Falle eines 47jährigen Langzeitarbeitslosen aus Hagen, der die Deutschen Rentenversicherung Westfalen auf Zahlung von Rente wegen Erwerbsminderung verklagt hatte. Zugleich übte der Mann auf Veranlassung der Arbeitsbehörde eine Tätigkeit als Hausmeistergehilfe aus.
Das Sozialgericht Dortmund wies die Klage als unbegründet ab. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein und sei damit nicht voll erwerbsgemindert. Die bei ihm vorliegende soziale Phobie, ein Alkoholmissbrauch und eine depressive Störung hinderten ihn nicht, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dies ergebe sich aus dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme und dem Umstand, dass der Kläger als Hausmeistergehilfe eine zumutbare Tätigkeit tatsächlich ausübe. Zwar handele es sich bei der Arbeitsgelegenheit nicht um ein reguläres Arbeitsverhältnis. Gleichwohl bestätige die tatsächliche Arbeitsleistung im Rahmen des 1 Euro-Jobs die Erwerbsfähigkeit des Klägers.
Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 17.12.2009, Az.: S 26 (1) R 40/08

Oberlandesgericht Köln: Unerlaubter Musikdownload: Anschlussinhaberin haftet für Ehemann und Kinder

7. Januar 2010 - Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 23.12.2009 (Az. 6 U 101/09) hat eine Frau aus Oberbayern 2.380,00 Euro Abmahnkosten nebst Zinsen an 4 führende deutsche Tonträgerhersteller zu zahlen.

Im August 2005 waren vom Internetanschluss der Bayerin, wie spätere Ermittlungen ergaben, insgesamt 964 Musiktitel als MP3-Dateien unerlaubt zum Download angeboten worden, darunter auch viele ältere Titel wie z. B. von der Rockgruppe "The Who". Die unterschiedlichen Urheber- und Nutzungsrechte an diesen Titeln stehen den Musikfirmen EMI, Sony, Universal und Warner Deutschland zu. Nachdem die IP Adresse des Internetanschlusses aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft der Bayerin zugeordnet worden war, ließen die Musikfirmen sie durch ihren Anwalt abmahnen, worauf sie sich zur Unterlassung weiterer Urheberrechtsverletzungen verpflichtete. Daraufhin nahmen die Musikfirmen sie auf Zahlung der Anwaltskosten für die Abmahnung in Anspruch. Die Anschlussinhaberin bestritt, dass sie selbst Musikstücke im Internet angeboten habe. Neben ihr haben noch ihr Ehemann sowie ihre damals 10 und 13 Jahre alten Jungen Zugang zu dem Computer gehabt.

Der für Urheberrechtsfragen speziell zuständige 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat den klagenden Musikfirmen wegen des unberechtigten Download-Angebots jetzt einen Anspruch auf Ersatz ihrer Abmahnkosten zuerkannt. Dabei hat der Senat offengelassen, inwieweit der Inhaber eines Internetanschlusses überwachen muss, dass andere Personen keine Urheberrechtsverletzungen über seinen Anschluss begehen. Im konkreten Fall habe die Frau jedenfalls nichts dazu vorgetragen, wer nach ihrer Kenntnis den Verstoß begangen haben könnte. Dazu wäre sie nach prozessualen Grundsätzen aber verpflichtet gewesen. So habe es etwa nicht ferngelegen, dass ihr Ehemann den Anschluss benutzt habe, da vielfach auch ältere Titel zum Download angeboten worden seien. Es sei darüber hinaus auch unklar geblieben, welches der Kinder den Anschluss genutzt haben könnte. Auch habe die Anschlussinhaberin nicht erläutert, ob hinreichende technische Sicherungen an ihrem Computer eingerichtet gewesen seien, wie etwa eine Firewall, die einen Download hätte verhindern können, oder die Einrichtung von Benutzerkonten mit beschränkten Rechten. Die Mutter der beiden Jungen habe im Prozess auch nicht deutlich machen können, dass sie ihren elterlichen Kontrollpflichten nachgekommen sei. Das bloße Verbot, keine Musik aus dem Internet downzuloaden und an Internet-Tauschbörsen teilzunehmen, genüge zur Vermeidung von Rechtsverletzungen durch die Kinder nicht, wenn dies praktisch nicht überwacht und den Kindern freie Hand gelassen werde. Daher sei die Anschlussinhaberin letztlich als verantwortlich anzusehen und hafte für die Urheberrechtsverletzungen.

Bei der Berechnung der anwaltlichen Abmahnkosten, die sich nach dem Gegenstandswert der Sache richten, hat der Senat das hohe Interesse der Musikfirmen an der Vermeidung weiterer Urheberrechtsverletzungen vom konkreten Anschluss aus betont.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. In etwa zwei Wochen wird die Entscheidung im Internet unter www.nrwe.de abrufbar sein.