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 Juli- September 2011
 




 






 
Mitten aus dem Leben...
 

KiBiz NRW teilweise verfassungswidrig - Ausschluss der Förderung privatgewerblicher Träger verstößt gegen Art. 3 des Grundgesetzes

31. August 2011 - Der Ausschluss privatgewerblicher Träger von Kindertagesstätten von der im Kinderbildungsgesetz NRW (KiBiz) vorgesehenen finanziellen Förderung verstößt nach vorläufiger Einschätzung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes.
Zu diesem Schluss kam die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen am heutigen Tag (31.08.2011) in einem Verfahren, in welchem eine privatgewerbliche Betreiberin einer Kindertagesstätte von der Stadt Aachen für das Jahr 2008/2009 einen Betriebskostenzuschuss verlangt.
Nach § 20 KiBiz werden dem Träger einer Einrichtung nur dann Betriebskostenzuschüsse gewährt, wenn es sich um eine Kirche, eine Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts, einen anerkannten Träger der freien Jugendhilfe oder eine Elterninitiative handelt. Die Förderung gewerblicher Träger sieht das Gesetz nicht vor.
Das Gericht konnte keinen sachlichen Grund für den Ausschluss der gewerblichen Träger feststellen, so dass es diesen Ausschluss für grundgesetzwidrig hält.
Eine Entscheidung in dem Verfahren hat das Gericht nicht getroffen, weil die prozessrechtlichen Folgen der angenommenen Verfassungswidrigkeit der Vorschrift noch vertiefter Erörterung mit den Verfahrensbeteiligten bedürfen. Die Sache wurde vertagt, um den Beteiligten Gelegenheit zu geben, zu den prozessrechtlichen Fragen Stellung zu nehmen.
Hintergrund ist, dass es den Gerichten grundsätzlich verwehrt ist, die Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift selbst festzustellen. Vielmehr sind die Gerichte in einem solchen Fall gehalten, dem Bundesverfassungsgericht das Verfahren vorzulegen. Nur das Bundesverfassungsgericht ist befugt, über die Gültigkeit einer Vorschrift zu entscheiden (sog. Verwerfungsmonopol). Ob hier eine derartige Richtervorlage nach Art. 100 GG in Betracht kommt, wird noch zu klären sein.
Aktenzeichen 8 K 590/09
 

G-8-Schüler haben den gleichen Anspruch auf Schülerfahrkosten wie Schüler anderer Schulformen

29. August 2011 -  Schüler der 10. Klasse eines G-8-Gymnasiums haben den gleichen Anspruch auf Gewährung von Fahrkosten wie Schüler der 10. Klasse anderer Schulformen. Dies entschied die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen mit zwei nunmehr veröffentlichten Urteilen vom 17. Juni 2011 (9 K 1205/10) und 15. Juli 2011 (9 K 1210/10).
Die Schülerfahrkostenverordnung sieht vor, dass Fahrkosten für den Besuch der nächstgelegenen Schule der gewählten Schulform dann zu gewähren sind, wenn der Schulweg für Schüler der Sekundarstufe I mehr als 3,5 km und für Schüler der Sekundarstufe II mehr als 5 km beträgt. Die klagenden Schüler der 10. Klasse besuchen ein G-8-Gymnasium und wohnen knapp 4 km von den nächstgelegenen Schulen entfernt.
Die beklagte Stadt hatte argumentiert, dass bei G-8-Schülern nach dem Schulgesetz die Sekundarstufe II mit der Klasse 10 beginne, so dass die Entfernungsgrenze von 5 km zur Anwendung komme. Das Gericht sieht hierin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Für Schüler der 10. Klasse an Gesamt-, Real- und Hauptschulen gelte die Entfernungsgrenze von 3,5 km, während allein für Gymnasiasten der 10. Klasse eine andere Entfernungsgrenze gelten solle. Dies verstoße gegen das Grundgesetz. Auch die zulässigerweise generalisierende Festlegung von Entfernungsgrenzen dürfe die Frage, ob ein Schulweg besagter Länge für einen Schüler körperlich zumutbar sei, nicht außer acht lassen. Insoweit gebe es keinen Grund, Gymnasiasten die Bewältigung eines Schulwegs von 5 km ein Jahr früher zuzumuten als den Schülern anderer Schulformen.
Gegen die Urteile ist Berufung eingelegt worden. Hierüber entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.
Aktenzeichen VG 9 K 1205/10 (OVG 19 A 1846/11) und VG 9 K 1210/10 (OVG 19 A 1889/11)
 

Einsatz elektronischer Fußfesseln

29. August 2011 - Justizminister Thomas Kutschaty hat heute (Montag, 29. August 2011) in Wiesbaden mit seinem Amtskollegen aus Baden-Württemberg den Staatsvertrag über die Einrichtung einer "Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder" - kurz GÜL - unterzeichnet. Hessen und Bayern hatten den Staatsvertrag bereits zuvor unterzeichnet.
"Damit ist eine wichtige Hürde für die flächendeckende Umsetzung der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung genommen", sagte der Minister im Anschluss an die Simulation einer elektronischen Überwachung in der hessischen Landeshauptstadt. "Auch wenn sich Rückfalltaten durch die Überwachung nicht sicher verhindern lassen werden, so geht von der Möglichkeit, den Aufenthaltsort rückwirkend genau bestimmen zu können, eine erhebliche Abschreckungswirkung aus."
Die Elektronische Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) ist seit dem 1. Januar dieses Jahres im Strafgesetzbuch geregelt. Sie wird im Zuge der Führungsaufsicht angewendet, der - unter bestimmten Voraussetzungen - wegen eines schwerwiegenden Delikts verurteilte Straftäter nach ihrer Entlassung aus dem Strafvollzug unterstehen. Geht von einem Probanden weiterhin eine besondere Gefahr aus, so kann ihm das zuständige Gericht die Weisung erteilen, ein technisches Überwachungsgerät - die so genannte elektronische Fußfessel - zur Feststellung seines Aufenthalts mittels GPS bei sich zu tragen.
Unmittelbar nach Inkrafttreten der Neuregelung hatten Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen mit der Erarbeitung des Konzeptes zur technischen und organisatorischen Umsetzung der EAÜ begonnen. Dieses sieht eine zentrale technische Überwachung und eine Übermittlung der Ereignismeldungen an die GÜL vor, die rund um die Uhr besetzt sein und die Aufgabe haben wird, die bei ihr eingehenden Daten auszuwerten. Auf dieser Grundlage wird die Überwachungsstelle in der Lage sein, die zuständigen Stellen in den Ländern ohne Zeitverzug auf Gefahrensituationen hinzuweisen.
Mit dem Abschluss des Staatsvertrags kann nun mit dem Aufbau der GÜL, die ihren Sitz in Hessen haben wird, begonnen werden.
"Dass es vier Ländern in nur wenigen Monaten gelungen ist, ein Konzept zu diesem in Deutschland völlig neuen Instrument der Führungsaufsicht zu erstellen, ist ein ermutigendes Beispiel für eine länderübergreifende Zusammenarbeit", unterstrich Justizminister Kutschaty. Zugleich dankte er für die Kooperationsbereitschaft Hessens, das aufgrund eines dort bereits laufenden Projekts der freiwilligen Aufenthaltsüberwachung über eine technische Infrastruktur verfügt, die nun auch für die EAÜ genutzt werden kann. Minister Kutschaty: "Ein teurer und zeitintensiver Alleingang eines jeden Landes war keine wirkliche Alternative."
Mehrere Länder haben bereits ihren Wunsch bekundet, sich an dem "Vier-Länder-Konzept" zu beteiligen. Mecklenburg-Vorpommern erklärte heute unmittelbar nach Unterzeichnung des Staatsvertrags durch die Minister Kutschaty und Stickelberger seinen Beitritt. Nach den derzeitigen Planungen wird die GÜL ihren Echtbetrieb voraussichtlich Anfang 2012 aufnehmen können.
"Bei der Sicherheit der Bevölkerung darf es keine Kompromisse geben", betonte Minister Kutschaty, der außerdem vor wenigen Tagen einen Vorschlag für eine Unterbringung hochgefährlicher und psychisch gestörter Gewalt- und Sexualstraftäter gemacht hat. "Das bedeutet, dass wir einerseits Entlassene unterstützen, damit sie ihren Weg in die Gesellschaft zurück finden. Andererseits werden wir uns im Rahmen des rechtlich Möglichen für den Schutz der Allgemeinheit vor rückfallgefährdeten Straftätern einsetzen."
 

Finanzgericht Köln: Kein Ehegattensplitting bei Zweitfrau

1. August 2011 - Eine Zusammenveranlagung mit der im Koma liegenden Ehefrau kommt nicht in Betracht, wenn der Ehemann bereits mit einer neuen Partnerin zusammenlebt und aus dieser Beziehung ein Kind hervorgegangen ist. Dies hat der 10. Senat des FG Köln in seinem Urteil vom 16. Juni 2011 (10 K 4736/07) entschieden.
In dem Verfahren klagte ein Mann auf Zusammenveranlagung mit seiner im Wachkoma liegenden Ehefrau, die in einem Pflegeheim untergebracht war.
Zur Haushaltsführung und Versorgung der beiden ehelichen Kinder nahm der Kläger gegen Kost und Logis eine Frau auf, die im Streitjahr vom Kläger ein Kind bekam. Das Finanzamt lehnte daraufhin die Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner Ehefrau ab.
Dies bestätigte der 10. Senat. Er hielt es wie das Finanzamt für ausgeschlossen, die Kindsmutter lediglich als “Hausangestellte“ zu sehen. Der Senat ging vielmehr spätestens mit der Geburt des gemeinsamen Kindes von der Begründung einer neuen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft aus, durch die die Gemeinschaft mit der im Koma liegenden Ehefrau aufgehoben worden sei. Nach dem grundgesetzlichen Gebot der Einehe (Art. 6 GG) könnten bei einer Person nicht gleichzeitig zwei Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften vorliegen.
Der 10. Senat hat die Revision gegen sein Urteil zum BFH zugelassen, weil bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden sei, ob besondere Lebensumstände das gleichzeitige Vorliegen von zwei Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften rechtfertigen könnten.
 

Fristlose Kündigung eines Fußballtrainers wegen Arbeitsverweigerung

13. Juli 2011 - Vor der 14. Kammer des LAG Hamm (Vorsitzender: Ralf Henssen) wird am 19.07.2011 ein Kündigungsrechtsstreit verhandelt, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Der 45 Jahre alte Kläger wurde im Juli 2009 bei dem beklagten Verein in Siegen eingestellt. Er wurde als Trainer der ersten Mannschaft eingesetzt, die am Spielbetrieb der 5. Fußballliga (NRW-Liga) teilnimmt. Bereits Ende Oktober 2009 stellte der beklagte Verein den Kläger von seiner Arbeitsverpflichtung frei. Die Trainerstelle bei der ersten Mannschaft wurde neu besetzt.
Danach forderte der beklagte Verein den Kläger mehrfach erfolglos auf, zur Arbeit zu erscheinen. Der Verein mahnte den Kläger dreimal ab und sprach am 1. Februar 2010 eine fristlose Kündigung aus.
Der Verein stützt die Kündigung darauf, dass der Kläger unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei. Der Kläger meint demgegenüber, er sei ausschließlich als Cheftrainer der ersten Mannschaft eingestellt worden. Eine andere Tätigkeit schulde er nicht. Den Aufforderungen, zur Arbeit zu erscheinen, sei er nicht nachgekommen, weil im Hinblick auf die Neubesetzung der Trainerstelle bei der ersten Mannschaft mit einer vertragsgemäßen Beschäftigung nicht zu rechnen gewesen sei.

Das Arbeitsgericht Siegen hat mit dem Urteil vom 5. Oktober 2010 die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe seine Arbeit beharrlich verweigert. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag sei der Kläger als „Trainer“ eingestellt gewesen. Daher habe er keinen Anspruch darauf, ausschließlich als Trainer der ersten Mannschaft eingesetzt zu werden.
Der Kläger hat gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt, über die das LAG Hamm zu entscheiden hat.
Termin 19.07.2011, 11.00 Uhr, Saal 2

Veranstalter eines "Public-Viewing-Events" haftet

4. Juli 2011 - Ein Veranstalter eines „Public-Viewing-Events“ ist für die Sicherheit von stehenden Zuschauern auf einer Sitztribüne verantwortlich und wird nicht durch eine ordnungsbehördliche Genehmigung entlastet.
Dies hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05.11.2010 entschieden und folgte damit dem erstinstanzlichen Urteil des Landgericht Essen (Urteil vom 22.12.2009, 17 O 219/08).
Die Beklagte, eine Event-GmbH, zeigte während der Fußballweltmeisterschaft 2006 im Rahmen eines „Public-Viewing-Events“ Länderspiele und errichtete hierzu mit ordnungsbehördlicher Genehmigung eine dreistöckige Sitztribüne, die nicht mit Geländern abgesichert war.
 Aus dem Stand stürzte der Kläger gemeinsam mit einem anderen Zuschauer aus 80 cm Höhe zu Boden und brach sich hierbei den Arm. Der Kläger war mehrere Monate arbeitsunfähig und verklagte die Veranstalterin erfolgreich unter anderem auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz.
Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflichten als Veranstalterin verletzt und hafte daher dem Kläger für die entstandenen Schäden. Die Veranstalterin sei für die Sicherheit der auf der Sitztribüne stehenden Zuschauer verantwortlich und werde nicht durch die ordnungsbehördliche Genehmigung entlastet, führte der Senat aus und folgte damit dem Landgericht Essen.
Anders als die erste Instanz beurteilte der Senat das Mitverschulden des Klägers mit 50 statt mit 25%. Die Gefahr sei bei wiederholten tumultartigen Bewegungen unter den Zuschauern auf der Bühne offensichtlich gewesen. Der Kläger hätte sich durch vorsichtiges Verhalten vor Schaden schützen und den Tribünenrand meiden können, führte der Senat aus und sprach dem Kläger Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro und weiteren Schadensersatz in Höhe von etwa 3.300 Euro zu.
(Urteil vom 05.11.2010, I-9 U 44/10)
 

Arbeitszimmer trotz privater Mitbenutzung steuerlich absetzbar

1. Juli 2011 - Die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer können auch bei erheblicher Privatnutzung in Höhe des beruflichen bzw. betrieblichen Nutzungsanteils steuerlich abgezogen werden. Dies entschied der 10. Senat des Finanzgerichts Köln in seinem Urteil vom 19. Mai 2011 (10 K 4126/09).
In dem Verfahren beantragte ein Unternehmer den Abzug von 50 % der Kosten für einen jeweils hälftig als Wohnzimmer und zur Erledigung seiner Büroarbeiten genutzten Raum. Der Senat gab der Klage grundsätzlich statt. Er beschränkte allerdings die steuerliche Anerkennung als Betriebsausgaben auf 1.250 €, da das Wohn-/Arbeitszimmer im Urteilsfall nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Tätigkeit darstellte. Der 10. Senat stützt seine Entscheidung im Wesentlichen auf den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs zur Aufteilung von gemischt veranlassten Reisekosten vom 21. September 2009 (GrS 1/06).
Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Denn das Finanzgericht Baden-Württemberg hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom 2. Februar 2011

Arbeitszimmer als Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit

29. Juni 2011 - Der 11. Senat des Finanzgerichts Düsseldorf (Az.: 11 K 2591/09 E) hat sich in seinem Urteil vom 05.05.2011 ausführlich mit den Kriterien für die steuerliche Absetzbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer befasst. Er hat das Vorliegen eines „Arbeitszimmers“ angenommen (kein betriebsstättenähnlicher Raum trotz Ausstattung mit Kommunikationsgeräten, Kenntlichmachung als Außendienstbüro, Nutzung für Besprechungen), auch ein „häusliches“ Arbeitszimmer bejaht (kein substantieller Publikumsverkehr, kein fremdes Personal), aber das Arbeitszimmer als Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit qualifiziert (Abwicklung der Projekte im Arbeitszimmer mit größerem Gewicht als die Präsenz beim Kunden).

Kein Schadensersatz wegen überlanger Verfahrensdauer

24. Juni 2011 - Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat mit Urteil vom 17.06.2011 entschieden, dass dem Kläger unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung kein Schadensersatzanspruch gegen das beklagte Land wegen überlanger Verfahrensdauer eines Zivilprozesses zusteht. Damit hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Dortmund jetzt bestätigt (U. v. 16.12.2005 – 8 0 36/05).
Der Kläger, ein Transportunternehmer, hatte 1984 eine Baufirma auf Zahlung restlichen Werklohns verklagt. Dieses Verfahren zog sich über Jahre hin. Während des laufenden Berufungsverfahrens geriet die Baufirma in Insolvenz. Der Kläger konnte seine Forderung in der Folgezeit nur noch zum Teil realisieren. Seinen Ausfallschaden hat der Kläger vom beklagten Land mit der Behauptung ersetzt verlangt, das Verfahren sei von den beteiligten Gerichten pflichtwidrig nicht ausreichend gefördert worden.

Dieses Begehren blieb jetzt ohne Erfolg. Nach Aufhebung der zunächst ergangenen – für den Kläger teilweise erfolgreichen - Entscheidung des Senats vom 08.01.2010 (vgl. Pressemitteilung vom 15.01.2010) durch den Bundesgerichthof (U. v. 04.11.2010 – III ZR 32/10) hatte sich der Senat erneut mit diesem Streitfall zu befassen.
Der Senat hat nach den verbindlichen Maßstäben des Bundesgerichtshofs, wann eine Haftung wegen verzögerlicher Sachbearbeitung in Betracht kommt, insgesamt 20 Monate amtspflichtwidrige zögerliche richterliche Bearbeitung im Vorprozess festgestellt. Diese Verzögerung habe aber nicht zu dem vom Kläger geltend gemachten Schaden geführt. Nach den Feststellungen des Senats sei auszuschließen, dass der Kläger bei einem - ohne die Verzögerung - im August 2001 ergangenem Berufungsurteil bis zu der im November 2001 beantragten und im Februar 2002 erfolgten Insolvenzeröffnung der Baufirma noch Zahlung hätte erlangen können.
(Urteil vom 17.06.2011, I-11 U 27/06)

Genehmigung der Gemeinschaftsschule Finnentrop rechtswidrig

9. Juni 2011, Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - Die Errichtung der Gemeinschaftsschule „Perspektivschule Finnentrop“ setzt eine Änderung des Schulgesetzes voraus. Die Schulversuchsermächtigung in diesem Gesetz ist hierfür keine ausreichende Rechtsgrundlage. Das hat der 19. Senat des Oberverwaltungsgerichts heute in zwei Eilverfahren entschieden. Er hat damit die beiden Eilentscheidungen des Verwaltungsgerichts Arnsberg von April bestätigt, das die Schule ebenfalls vorläufig gestoppt hatte. Es hatte damit Eilanträgen der beiden Nachbarstädte Attendorn und Lennestadt stattgegeben.
Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Genehmigung der Gemeinschaftsschule sei offensichtlich rechtswidrig. Wesensmerkmal eines Schulversuchs sei, dass er der Erprobung von Reformmaßnahmen diene. Die Schulverwaltung müsse einen Erprobungsbedarf darlegen, also eine Ungewissheit über die Eignung der Gemeinschaftsschule als einer neuen Schulform in Nordrhein-Westfalen, mit der längeres gemeinsames Lernen in der Sekundarstufe I ermöglicht und trotz des demografischen Wandels ein wohnortnahes Schulangebot gesichert werden solle. Lege man die Angaben der Schulverwaltung zugrunde, sei die Eignung der Gemeinschaftsschule zur Erreichung dieser Reformziele jedoch nicht zweifelhaft, sondern stehe bereits fest. Das Schulministerium habe nachvollziehbar und schlüssig einen Bedarf für Änderungen des gegliederten Schulsystems dargelegt, nicht aber, inwiefern diese Reformen zuvor noch durch einen Schulversuch erprobt werden müssten. Im Gegenteil gehe das Ministerium selbst von der Eignung der Gemeinschaftsschule aus. In seinem „Leitfaden“ heiße es etwa, diese Schule sei „die Antwort“ auf die dort im Einzelnen beschriebenen Probleme. Auch sei nicht ersichtlich, dass das Ministerium die Erfahrungen mit Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein, Berlin und Sachsen einbezogen habe. Es habe nicht erläutert, welcher Erprobungsbedarf in Nordrhein-Westfalen trotz der Erkenntnisse aus diesen Bundesländern noch bestehe.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar. Az.: 19 B 478/11, 19 B 479/11

Justizminister Kutschaty: Heutige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Sicherungsverwahrung bringt weitere Rechtssicherheit
Der EGMR hat heute in zwei Fällen entschieden, dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Beide Beschwerdeführer bleiben weiterhin in der Sicherungsverwahrung in Aachen. Es handelt sich zum einen um den Fall einer von Anfang an unbefristeten Sicherungsverwahrung. Zum anderen ist ein sog. Altfall betroffen, bei dem jedoch die früher geltende Höchstdauer von 10 Jahren noch nicht erreicht worden ist.
Justizminister Thomas Kutschaty begrüßte heute (Donnerstag, 9. Juni 2011) in Düsseldorf die Straßburger Entscheidung. "Der Gerichtshof hat einstimmig festgestellt, dass die mit der Verurteilung angeordnete Sicherungsverwahrung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Der EGMR ist seiner Linie treu geblieben. Wir haben die Entscheidung erwartet", erklärte der Minister. Er betonte, dass die Urteile für Rechtssicherheit sorgen. Der Minister hob mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 hervor, dass der EGMR für den Bundesgesetzgeber den konventionsrechtlichen Rahmen für die anstehende Reform der Sicherungsverwahrung klar umrissen hat.
Für die Neuregelung der Sicherungsverwahrung, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nötig geworden ist, erwarte Nordrhein-Westfalen nunmehr die Vorlage von Eckpunkten durch den Bund. Sodann werden sich die Länder intensiv in den Reformprozess einbringen. Die Vorbereitungen hierzu laufen bereits.
Jedenfalls, so betonte der Minister erneut, werde die Sicherheit der Bevölkerung für die Landesregierung auch weiterhin oberste Priorität haben.