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Renaissance-Musik 'ohne Vieren'
„Convivium musicale“ grippegeschwächt in Baerl
Stephan Sadowski

Duisburg, 24. Februar 2015 - Ohne vier zu spielen, das wäre schon beim Skat gewagt – noch gewagter ist es in einem elfköpfigen Ensemble für Renaissance-Musik. Denn vier Ausfälle wegen der aktuellen Grippewelle musste der organisatorische Leiter Guido Sold seiner Truppe „Convivium musicale“ aus Wesel verkraften und diese Musiker umgehend neu besetzen. Und das ist für sehr spezielle Instrumente aus der Renaissance wie Dulzian oder Gambe gar nicht so einfach.

Dennoch - in der evangelischen Baerler Dorfkirche entwickelte sich innerhalb der Reihe „Klein, aber fein“ ein außergewöhnliches Konzert: Guido Sold hatte als Vorlage eine Komposition des niederländischen Renaissance-Komponisten Orlando di Lasso „Susanne un jour“ genommen.



„Die Vertonung der Susanne beim Bade war ein Schlager im 16. Jahrhundert“, weiß Sold. Darauf aufbauend verwob er die Messe „La Misa Susanne un jour cum 4 vocibus“  des Spaniers Pere Riquet, die damals als Parodie geschaffen wurde, mit diesem kirchlichen Chanson aus der Renaissance. In rhythmisch äußerst vertrackten Synkopen sangen die drei Sängerinnen Karen Hertzog-Frese, Beate Schlottmann und Monika Seiler das Kyrie, Gloria und Agnus Dei, rieben sich dabei ein ums andere Mal an sich selbst oder an den für die Renaissance typisch schleifenden Gamben und Posaunen, die für die Untertöne zuständig waren – ein Hauch von Hofkultur entwickelte sich nun in der Kirche, die noch aus dem 12. Jahrhundert stammt.

Denn das Ensemble nahm die 60 Zuhörer mit auf eine Zeitreise, ins Spanien der Hochrenaissance, auch weil die Messe eingebettet war in viele Stücke der drei iberischen Hauptkomponisten Christobal de Morales, Francisco Guerrero und Tomas Luis de Victoria. Nicht nur, dass die Stücke in den Tonarten ähnlich waren und so mit der in drei Teile aufgeteilten Messe korrespondierten -  auf geschickte Weise hatte Moderator Guido Sold auch eine kalendarische Konzeption des Konzerts abgeliefert: Angefangen mit einem Stück von Tomas Luis de Victoria zu Ehren des Todestags des spanischen Bischofs Idlefone Ende Januar war  die Messe zu Ehren der Susanne dem Festtag Maria Lichtmess, dem 2.  Februar zugeeignet, und danach ging es weiter mit Musik aus der Fastenzeit, unter anderem  mit der einleitenden Motette „Cum ieiunatis“ für den Aschermittwoch. Immer wieder glänzte Guido Sold als Moderator und faszinierte mit seinen geschichtlichen Informationen zu den speziellen Komponisten, die er sich als Autodidakt über die Jahre angelesen hat.

Besonders beeindruckend  war die Motette „Aspice Domine“ (Schau mich an, Herr!) des spanischen Komponisten Vincente Garcia, in der die drei Sängerinnen abwechselnd um die Gunst des Herrn in ihren gegenläufigen mit mancher Koloratur gespickten Arien warben, begleitet von Michael Führer am Cembalo und gestützt  von den polyphonen und oft arhythmischen Melodien des Ensembles. Und mit dem Stück „Circumdederunt me“, welches einem Requiem entlehnt sein könnte, fand das beeindruckende Konzert in der Baerler Dorfkirche seinen Abschluss, das den beeindruckten Zuhörern auch längst vergessene Instrumente wie Zinken, Schalmei oder die Pommer, und damit vielleicht auch das Lebensgefühl der Renaissance,  etwas näher brachte:. Ohne vier, Spiel fünf – klein, aber fein....