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'Ganz normaler Wahnsinn'
Urban "Piroll"
in der Rheinhausen-Halle

Stephan Sadowski

Duisburg, 10. Februar 2015 - „Herr Piroll, Herr Piroll“, mahnt sein Psychotheraupeut – wahrscheinlich der, der dafür gesorgt, dass Urban Priol Freigang aus der Anstalt bekam, und jetzt seinen „ganz normalen Wahnsinn“ in der Rheinhausen-Halle treiben darf. „Jetzt“ heißt sein neues Programm – mit dem er üblicherweise fünf Minuten später anfängt, „um noch die neusten Meldungen aus der Tagesschau mit reinzunehmen.“

Denn zeitaktuell entwickelt sich ein politisches Kabarett auf dem Niveau eines Dieter Hildebrandt, das Urban Priol genauso erscheinen lässt wie den Meister der politischen Satire selbst, nämlich als getriebenen und durchgedrehten Durchschauer der Dinge, der sich aber seiner Ohnmachtsposition bewusst ist. So ist nicht nur sein geblümtes Endzeit-Flower-Power-Hemd mitleiderregend, sondern die Figur selbst. Und spätestens als er blökend und wild muhend auf den Beistelltisch springt und „Mööh“ ins Publikum macht und erklärt: „Das ist Om rückwärts gesprochen!“, er habe es in seiner Yoga-Gruppe gelernt, hilft kein Therapeut mehr –  er bringt es aber damit auf den Punkt: Dass die politischen Zusammenhänge der Welt nicht mehr zu verstehen sind.

Diese Zusammenhänge bis zu einem gewissen Punkt zu entwirren, daran arbeitet er fast drei Stunden -  bis sein Weizenbier längst unter den gleißenden Scheinwerfern  ungenießbar geworden ist: „Jetzt haben die neue Minister in Griechenland, die keine Krawatte tragen“, ereifert er sich. Die Begegnung von Finanzminister Varoufakis und Wolfgang Schäuble wurde so zum „Clash of Civilization“, aber genauso seien die Krawattenträger von Banken wie Goldman Sachs für die Eurokrise verantwortlich.

Während „Hoeneß bei seiner Verhandlung mit dreieinhalb Jahren Freiheitsentzug am Landgericht München mal so eben durchgewinkt wurde, zog sein Kollege Middelhoff ne lange Flappe. Er musste zum Gericht nach Essen“, spottet Priol über ungleiche Maßstäbe in der Jurisdiktion.
Immer wenn er Bundespräsident Gauck ins Spiel bringt, redet er verworren von „Freiheit“, bei Angela Merkel fällt seine Kinnlade konsequent nach unten. „Die ist bald zehn Jahre im Amt –  das heißt dann wohl Stock- oder Besenhochzeit!“, frotzelt er.

Pegida gefalle ihm als Splitterpartei: „Ich glaub, die zerlegen sich gerade in MOB Deutschland I bis V.“
Natürlich auch die Selbstmordattentäter des Islamischen Staates bekommen es ab: „Kein Wunder, dass die 72 Jungfrauen brauchen – wenn die als Puzzle oben ankommen.“
Seine Pointen sitzen, aber da er umtriebig wie „Professor Hastig“ über die Bühne wirbelt, sind die mehr als 800 Zuschauer immer neu getroffen von seinen Geistesblitzen.

Zentrales Thema bei Priol bleibt aber die Unfähigkeit der Politik und ihrer Akteure, die von einem Posten verdrängt, schon wieder in einer neuen Position ans Licht kommen: „Wir haben  bald wieder den Kalten Krieg, die Eurokrise – aber wir haben die Schwarze Null und keine Neuverschuldung dank Schäuble.“
Erzählt man einem Politik verdrossenem 16-Jährigen, nachdem er die Ohrenstöpsel seines mp3-Players herausgenommen hat: „Komm her, ich schenke dir einen ausgeglichenen Staatshaushalt!“, da könne man besser direkt ein Bier trinken gehen.

Das tat Urban Priol anschließend, aber ein frisch gezapftes bitte...