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„Dogensuppe Herzogin – ein Austopf mit Einlage“
Jochen Malmsheimer in der Rheinhausenhalle
Stephan 'Der Kult-Attaché' Sadowski

Duisburg, 30. September 2019 - Eigentlich müsste man als Kritiker Oden an ihn schreiben. Wenn nicht, zumindest Elegien. Irgendeine dem Jetzt entrückte journalistische Stilform jenseits der profanen Rezension jedenfalls. Denn so antiquiert sprachverliebt und aber auch sprachbewußt wie der Kabarettist Jochen Malmsheimer sich in seinem Programm „Dogensuppe Herzogin – ein Austopf mit Einlage“ gibt, so könnte es auch von der Journaille „aus dem Wald zurück schallen“ für diesen selbstverliebten Meister des Wortes – zumindest also in Jambusform, wenn schon nicht als Hexameter oder Daktylus. Doch dafür fehlt mir als Rezensent dieses Abends in der Rheinhausenhalle so ganz die Fähigkeit, zu dichten. Und manches metaphorische Bild und manche stilistische Blüte sowieso, mit denen Malmsheimer allerdings zuhauf um sich wirft – oder wenigstens wirkungsvoll wedelt.

Gerade wenn er sich in einen sprachlichen Fluss, also einen Flow schneller als ein Rapper, nur mit „gehaltvoll ziselierten“ Adjektiven und nicht zensierten Hauptwörtern, redet – da streift er nicht nur „Kopf und Kragen“ - nein, vielmehr macht er aus einer Busfahrt von Herne nach Venedig, ein Helden-Epos, Marke „Ilias“ von Homer. Dabei lässt der 58-Jährige alle seine frühkindlichen literarischen Helden von WinneOne, über WinneTwo, bis WinneThree in einer Traumsequenz auftauchen. „Für sie ist das eine klassische Win-Win-Win-Situation“, scherzt Jochen Malmsheimer über die fiktiven Drillings-Häuptlinge der Apachen. Lederstrumpf, Robin Hood und der Sherriff von Nottingham kommen auch drin vor.

Dann aber Spannung: „Capitän James Cook, nein nicht der insolvente Reiseveranstalter, der von der Endeavour, beugte sich im Kerzenschein über die von Hand gemalte Karte – sollte dies etwa Lüdenscheid sein?“, liest Malmsheimer sinntragend. Ja, und man merkt ihm ein innerliches Hadern mit eben seinem Selbst an, denn als Kind des Ruhrgebiets bleibt für ihn nach fast eineinhalb Stunden aufwühlender Reiseerzählung die Sinnsuche als Frage: Sollte sein Lyrisches-Ich es gerade mal von Bochum in den Märkischen Kreis geschafft haben? Und etwa 460 Gäste liegen in ihren Stühlen, als es zum Schluss doch noch „Dogen-Suppe Herzogin“ beim Fürsten von Venedig eben im Dogenpalast gibt.

Apropos Doge: Zum Thema Konservendose fällt dem Ex-Tresenleser folgendes ein: „Sie ist um 1815 erfunden worden. 1870 kam endlich der Dosenöffner auf den Markt: da mussten die Menschen also 55 Jahre warten, bis sie das Zeug, das darin verplombt war, endlich essen konnten?“, poltert der Kabarettist mit einer Frage – aufrührerisch mit dem Heben und Senken seiner Stimme gesprochen, doch rhetorisch zugleich. Danach redet er von „weißem Erbrochenem.“

Zum Schluss gibt es doch noch eine Ode an alle „Kleinode“, an denen Malmsheimer vielleicht schon aufgetreten ist, indem er die heimeligen Orte zu Verben verändert. Ein kleiner Auszug: „Sie hörten auf zu Xanten. Nach dem Rinteln, begann sie zu Aachen, denn er konnte nicht Cochem, dafür wollte er umso lieber Essen.“  Wobei Rinteln, eine Gemeinde im Weserbergland, in der gerundialen Form eher zweideutig rüber kommt.

Egal, stattdessen muss sich der gebürtige Essener oft mit Slogans aus der Whatsapp-Sprache herumschlagen: „Ey, was für Beschiss is das?“ Und auch 460 Zuschauer äußerten ihren Unmut über solch merkwürdige, aber inzwischen gängige Grammatik. Für das Auseinandernehmen derartiger linguistischer Absonderlichkeiten und für den grandiosen fließenden Vortrag spendeten sie Jochen Malmsheimer aber tosenden Applaus.