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„Als der Wagen nicht kam“ - Onkel Pauls Lebensgeschichte
Stephan 'Der Kult-Attaché' Sadowski

Duisburg, 28. November 2019 - Manfred Lütz ist nicht nur Theologe, Psychiater und Psychotherapeut – er ist auch ein Glückskind der Geschichte. Denn durch Zufall fand er die auf der Schreibmaschine zwischen den Jahren 1960 bis 1971 verfassten Tagebuchnotizen seines Großonkels Paulus van Husen, einem bedeutenden Widerstandskämpfer des Kreisauer Kreises aus der Verschwörung um Graf von Stauffenberg vom 20 Juli 1944.  Auf einem wohlgeordneten Stapel Papier fand er diese Einträge nach „Onkel Pauls“ Tod bei dessen Wohnungsauflösung im Jahr 1971.

„Dabei kannte ich meinen Onkel Paul kaum“, sagt Manfred Lütz bei seiner Lesung im Rumelner Kulturspielhaus, die vom Katholischen Bildungsforum Duisburg-West initiiert wurde. „Es waren ursprünglich um die 1000 Seiten, ich habe für das Buch etwa 280 verwendet, um die Stringenz zu wahren.“ Und etwa 80 Zuhörer lauschen gebannt, als er die spannenden, ja fast unglaublichen Geschichten aus dem Werk „Als der Wagen nicht kam“ - der Lebensgeschichte seines Großonkels - vorliest. Er erzählt von den Anfängen seiner Karriere als Rechtsreferendar im Münsterland, und wie er zum Militärdienst im Ersten Weltkrieg gelangte.  Nach seiner Dissertation im Jahr 1920 trat van Husen in den preußischen Staatsdienst ein, gelangte in die deutsch-polnische Gemischte Kommission Oberschlesien, wo er auf Gustav Stresemann traf.

Das Buch „Als der Wagen nicht kam“ von Manfred Lütz ist ein Lehrwerk über die Psyche eines in die innere Opposition gekehrten Widerständlers, der mit viel Wortwitz und Ironie das NS-Regime durchschaute.
Van Husen wurde nach der Kapitulation der Nazis aus Plötzensee von der Roten Armee befreit und gilt als Mitbegründer der CDU. Konrad Adenauer warb um ihn und Paulus van Husen wurde 1949 zum ersten Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts für NRW in Münster ernannt.
Am 1. September 1971 starb er ebenda.


Doch 1934 wurde er von den Nazis aus der Kommission abberufen und fand sich als Richter am Preußischen Oberverwaltungsgericht im durch Willkür geprägten Rechtsapparat wieder.
„Aber mit den Nazis konnte er nie“, weiß sein Großneffe über ihn. „Er war sehr stark katholisch geprägt– so dass scheinbar die Nazis nichts mit ihm anfangen konnten“, lacht Manfred Lütz.

Und wirklich, vor dem geistigen Auge der Zuhörer erwächst die Erinnerung an einen unbeugsamen, aufrechten Menschen mit einer hohen moralisch-ethischen Rechtsauffassung. „Mein Großonkel berief sich Zeit Lebens auf das Naturrecht, nach dem alle Menschen gleich sind“, so Autor Lütz. Van Husen war ein Mann, der sogar in Notsituationen die oberen Etagen der Nazis gegeneinander ausspielte, und Anordnungen wie die „Gesetze gegen Asoziale“ des SS-Obergruppenführers Heydrich mit einer gewissen Bauernschläue geschickt „nicht zur Ausführung“ brachte.

„Heydrich hatte sehr kalte Augen“, schreibt Paulus van Husen über seinen Gegner, somit bleibt auch dem Leser des Buches dieser gefährliche Drahtseilakt des Widerständlers im Nazi-Regime ständig im Bewusstsein. Lütz spielt auf den Titel des Buches an: „Dass der Wagen nicht kam, lag daran, dass das Attentat von Stauffenberg in der Wolfsschanze fehlgeschlagen war. Ein Wagen stand nämlich bereit, um meinen Großonkel in den Bendler-Block zu fahren, wo er als Staatssekretär an einer neuen Nachkriegsordnung mitarbeiten sollte.“ Eine Schlüsselstelle ist auch, als er als Widerständler entdeckt wurde und ins Gefängnis Plötzensee verbracht wird. „Ein Nazi-Aufpasser gab ihm den Rosenkranz wieder, den er ihm vorher abgenommen hatte“, sagt Lütz über den Onkel, dem sein Glaube an das Gute niemals genommen werden konnte …