Berlin/Duisburg, 18. Januar 2022 -
Erstmalig wurde im den USA ein genetisch modifiziertes
Schweineherz einem männlichen, 57jährigen Patienten mit
schwerer Herzinsuffizienz eingepflanzt. Diese sogenannte
Xenotransplantation wird von der Deutschen Gesellschaft für
Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) als ein wichtiger
Entwicklungsschritt im Bereich der Transplantationsmedizin
angesehen.
„Schweineherzen sind anatomisch gesehen
dem menschlichen Herzen sehr nahe. Größe und Funktion ähneln
sich“, erklärt Prof. Dr. Jan Gummert, Vizepräsident der
DGTHG. „Daher forscht die Transplantationsmedizin mit
unterschiedlichen Ansätzen bereits seit 40 Jahren auf dem
Gebiet der Xenotransplantation. Kürzlich erst wurde in einer
Studie Pavianen gentechnologisch angepasste Schweinherz
transplantiert, die mehr als 6 Monate überlebten. Das
Münchener Forscherteam um Herzchirurg Prof. Bruno Reichart
hat hier Pionierarbeit geleistet; ein wichtiger Meilenstein
für die Entwicklung der Xenotransplantation.“
Mangel an Spenderorganen Ursache für Forschung Rund
9.000 Patient*innen stehen allein in Deutschland aktuell auf
der Warteliste für unterschiedliche Spenderorgane. Im
Jahr 2021 wurden in Deutschland 339 Spenderherzen
transplantiert; mehr als zweimal so viele schwer herzkranke
Menschen warten bundesweit auf ein Spenderherz. Auch mit dem
wissenschaftlichen Erfolg der ersten erfolgreichen
Tierherz-Transplantation auf einen Menschen, bleibt
gegenwärtig – und bis auf Weiteres – die menschliche
Organspende der Goldstandard. Ein menschliches Spenderherz
kann länger als 20 Jahre „funktionieren“; bei
transplantierten Schweineherzen gibt es noch keine Daten.
Wesentliche wissenschaftliche Fragen müssen noch fundiert
beantwortet werden. Die mechanische Herzunterstützung zeigt
ebenfalls bereits seit Jahren guten Ergebnisse für Patienten
mit schwerer Herzinsuffizienz.
„Auch wenn die
Schweineherz-Transplantation möglicherweise ein weiterer
Meilenstein in der Transplantationsmedizin ist, so sind wir
erst am Anfang. In den nächsten 10 Jahren wird ein Tierherz
in der Routine das menschliche Spenderherz nicht ersetzen
können“, so Herzchirurg Gummert.
Xenotransplantation birgt Risiken „In erster Linie
kann die Xenotransplantation mit einer starken und schwer
unterdrückbaren Abstoßungsreaktion einhergehen“, erklärt
Prof. Gummert. Der Herzchirurg beschreibt weiter, dass
möglicherweise auch Infektionen einen nicht zu
unterschätzenden Risikofaktor darstellen können. „Vor allem
fehlen uns Langzeiterfahrungen bzw. -erkenntnisse. Wir
betreten Neuland und brauchen evidenzbasierte Ergebnisse und
weitere Forschungserkenntnisse.“
Genmodifikation
ist die Voraussetzung Die Zellen, und somit auch das
Gewebe des Schweineherzens, sind anders als beim Menschen.
Um Abstoßreaktionen weitgehend zu minimieren, ist zunächst
eine Modifikation nötig. Durch die Entwicklung der
sogenannten Genschere ist die Anpassung einfacher geworden.
„Auch bei menschlichen Spenderherzen müssen lebenslang
Immunsuppressiva verabreicht werden, damit der Empfänger das
Spenderorgan nicht abstößt. Bei einem tierischen
Transplantat wäre ohne vorherige gentechnische Behandlung
die Abstoßreaktion noch viel größer“, erläutert Herzchirurg
Gummert. „Zudem ist die Gefäßinnenhaut des Schweinherzens
anders aufgebaut als beim Menschen, so dass ohne genetische
Veränderungen eine dauerhafte Gefahr der Entstehung von
Blutgerinnseln besteht.“
Forschungsergebnisse sind
offen Weder zur langfristigen Funktion noch zur
„Haltbarkeit“ im menschlichen Körper lassen sich derzeit
wissenschaftlich fundierte Aussagen treffen. „Erst durch
klinische Erfahrungen und weitere Forschungsvorhaben können
wir die notwendigen Antworten auf diverse Fragen geben“,
betont Prof. Gummert. Das bereits erwähnte Münchener
Forscherteam hat bisher nicht für den Menschen zugelassene
Medikamente im Tierex-periment verwendet, um das Spenderherz
im Affen vor einer Abstoßung zu bewahren. „Hierzu fehlen uns
gegenwärtig auch differenzierte Informationen von der
Arbeitsgruppe aus den USA“, so Prof. Gummert.
Xenotransplantation bleibt Vision Theoretisch ist es
denkbar, dass auch weitere genmodifizierte Organe in den
Menschen transplantiert werden können. Kürzlich wurde über
eine extrakorporal angeschlossene Niere berichtet. „Im
Moment bleibt dies aber eine Vision. Wir brauchen weitere
Forschung“, so der DGTHG-Vizepräsident. Der Vorteil wäre,
dass es im Idealfall keinen Mangel mehr an Spenderorganen
gibt. „Das ist jedoch Zukunftsmusik“, meint Prof. Gummert.
„So lange können wir als DGTHG nur zur Organspende
aufrufen.“
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