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Eine angenehme Ruhe in der Abtei Hamborn
Stephan Sadowski

Duisburg, 4. Mai 2025 - Es ist eine Zeit der Einkehr und der Kontemplation. Zumindest kurz können wir etwas abschalten, beim schwachen Abendlicht, das durch die bunten Fenster ins Kirchenschiff der St. Johann-Pfarrkirche hindurchschimmert. Hier in der Abtei Hamborn umfängt uns eine angenehme Ruhe, die man im umgebenden Duisburger Stadtteil, der einem Schmelztiegel der Kulturen gleicht, vergeblich sucht. Einen Moment halten wir inne, schauen auf die drei Kirchenfenster, die sich in der Apsis der im gotischen Stil erbauten Kirche befinden. Sie zeigen neben dem ganz in weiß erscheinendem Jesus die beiden Namens gebenden Patronen des Johannes. Einmal in Darstellung des Täufers, der Jesus im Fluss Jordan die Taufe spendete, einmal in Gestalt des Evangelisten, der nach den Synoptikern Markus, Lukas und Matthäus die wichtigsten Ereignisse im Leben Jesu' bis zu seiner Kreuzigung im Johannesevangelium niederschrieb.  

Gegenüber der Figurengruppe Anna-Selbdritt, die die Mutter der Gottesmutter Maria, also Anna, sowie Maria und das Jesuskind in  Form eines Gnadenbilds aus dem 15. Jahrhundert darstellt, zünden wir noch schnell eine Kerze an, sprechen ein kurzes Gebet in dem flackernden Schein. Gründe dafür gibt es schließlich genug. Zum „Rosenkranz“ gereicht die Zeit jedoch nicht mehr, denn schon wartet Abt Albert Dölken, der uns auf einen Streifzug durch seine weitläufigen Gefilde mitnehmen möchte.

„Entschuldigen Sie, dass ich Sie nicht im weißen Chorherren-Habit empfangen kann“, sagt uns der 64-jährige Leiter der Abtei eingangs. Eine Schulterverletztung mache es ihm unmöglich, die schwerlich überzustreifende Arbeitskleidung der Prämonstratenser anzuziehen. „Sie müssen mich jetzt im Physiotherapie-Outfit nehmen“, sagt er mit einem Lächeln. Dementsprechend sportlich geht es durch die heiligen Hallen.  

Abt Albert Thomas Dölken wurde 1960 in Duisburg-Hamborn geboren. Seit 1995 ist er Abt der Abtei Hamborn, wurde kürzlich für weitere zehn Jahre in seiner Funktion als Leiter des Prämonstratenser-Klosters bestätigt. Gleichzeitig ist er Pfarrer der Gemeinde St. Johann, die heute das gesamte ehemalige Dekanat Hamborn umfasst.  

Wir lernen, dass man hier auf dem einstigen Gutshof Havenburn (mittelhochdeutsch für 'Viehstall') im 9. Jahrhundert eine kleine Pfarrkirche, deren Grundmauern erst 1969 bei Ausgrabungen entdeckt wurden, gebaut habe. Drum herum sei dann später der Stadtteil Hamborn entstanden. Ein späterer Besitzer, der Adlige Gerhard von Hochstaden, übertrug dieses Anwesen 1136 dem Kölner Erzbistum, mit der Auflage dort eine Abtei der Prämonstratenser errichten zu lassen. Die ersten Mönche kamen aus dem Kloster Steinfeld in der Eifel – da wo der als „Apfelheilige“ nominierte Hermann Joseph ruht - und erweiterten die Kirche zur Klosterkirche. Sie gestalteten den Kreuzgang, von dem noch die Nordfront erhalten ist.

„Man sieht hier schön ausgeprägte Rundbögen, die typisch für die romanische Bauweise waren“, erklärt uns Abt Albert. In der Mitte des Innenhofs sticht der Brunnen von Gernot Rumpf ins Auge, auf dem man bei näherer Betrachtung viele verschiedene Skulpturen kleinerer Tiere, wie blubbernde Fische und zirpende Grillen, erkennen kann. Vielleicht um die gesamte göttliche Schöpfung darzustellen. Entlang den aus rötlichem Sandstein gehauenen Wandreliefs des Kreuzweges gelangen wir in das „Allerheiligste“ der Abtei: in die Paramentenkammer.    

„Viele Schätze wurden komischerweise nicht von den französischen Truppen gestohlen bei der Enteignung des Klosters Anfang des 19. Jahrhunderts“, erklärt Abt Albert die Zustände nach der Säkularisierung des Klosters durch Napoleon, bei der die gesamten damaligen Chorherren vor die Tür gesetzt wurden. „Wahrscheinlich herrschte ein Überfluss an Kirchenschätzen in dieser Zeit“, so mutmaßt der Abteivorsteher. „Da eben alle umliegenden Klöster gleichzeitig beschlagnahmt waren.“
Seit 1986 besteht die Paramentenkammer, hinter Sicherheitsglas geschützt setzen uns goldbestickte Messgewänder aus dem 14. und 15. Jahrhundert in Erstaunen.

„In den Vitrinen wird durch spezielle Messverfahren auf gleichbleibende Luftfeuchtigkeit geachtet, damit die Stoffe konserviert bleiben“, erklärt der Abt. Daneben befinden sich viele Paramente, also Gewänder, und andere liturgische Gegenstände, die in Messfeiern vergangener Epochen benutzt wurden: mit Edelsteinen besetzte Kreuze, sowie aus Silber gearbeitete Monstranzen und Tabernakel, einen fein ziselierten Abtsstab der Abtei von 1726, sowie Kelche und Weihrauchschwenker aus dem späten Mittelalter und der Neuzeit sehen wir dort – und sind beeindruckt ob der Kunstfertigkeit der Kirchengüter. Glücklicherweise waren diese dem Schwager  Napoleons, Joachim Murat, nicht weiter von Bedeutung, als er die Enteignung 1806 durchführte.

„Während also das Kloster aufgegeben wurde und an den Staat fiel, endete damit vorläufig eine 670-jährige Tradition des Zusammenlebens der Prämonstratenser in Hamborn. Die Abteikirche blieb der umliegenden Gemeinde als Pfarrkirche erhalten“, sagt Abt Albert, der unlängst auf weitere zehn Jahre in seinem Amt als Klostervorsteher bestätigt wurde.  

Nachdem das Kirchenschiff im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört und wiederaufgebaut wurde, ist das vormals säkularisierte Kloster erst 153 Jahre später, am 24. August 1959,  neu gegründet worden - als unabhängiges Priorat St. Johann der Prämonstratenser-Chorherren in Duisburg-Hamborn.

Alle Mitglieder leben ein „Vita Mixta“, wie uns der Abt erklärt: „Wir leben nach den Augustiner-Regeln, die auch unser Ordensstifter Norbert von Xanten bei der Gründung 1120 im französischen Tal von Prémontré anwandte.“ Dazu gehören unter anderem die innere Einkehr, das gemeinsame Gebet, die seelsorgerische Tätigkeit, aber auch der Einsatz gegen die Armut in der Gesellschaft.  

Im Auftrag des Herrn am Start  
Diese Leitsätze hat Pater Tobias Breer für sich verinnerlicht. Seit 17 Jahren nimmt er neben seiner Hauptaufgabe als Pastor der Herz-Jesu-Gemeinde in Duisburg-Neumühl regelmäßig an Marathons für den guten Zweck teil: fast 300 Extremläufe hat er inzwischen absolviert, bei denen er über zwei Millionen Euro als Spenden generiert habe – in der Läuferszene ist er als „Marathon-Pater“ bekannt. Der 62-jährige Chorbruder ist „im Auftrag des Herrn“ weltweit unterwegs. Auf allen Kontinenten ist er gelaufen, selbst in der Antarktis ist er zum Wettbewerb angetreten.

Pater Tobias Breer wurde 1963 in Werne geboren. Neben seiner Tätigkeit als Pastor der Herz-Jesu-Gemeinde in Duisburg-Neumühl, betreibt er die caritative Firma Projekt LebensWert gGmbH, mit der er sich für benachteiligte Kinder und mildtätige Zwecke einsetzt. Er hat als einer von wenigen hundert Menschen an den „Big-Six-Marathons“ (Chicago-Boston-London-New York-Berlin-Tokyo) teilgenommen und bekam daraufhin einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde. Inzwischen ist er fast 300 Marathons gelaufen und hat mehr als 70000 Kilometer, inklusive Trainingseinheiten, für den guten Zweck zurückgelegt. Foto: Andreas Breer
Infos:
www.pater-tobias.de www.abtei-hamborn.de    

„Das waren natürlich extreme Bedingungen bei teilweise – 22 Grad, nur wenige Läufer sind als Finisher ins Ziel gekommen“, sagt der charismatische caritative Chorbruder. Wichtig bei allen seinen sportlichen Aktivitäten sei die ärztliche Betreuung, wie er uns sagt: „Ich muss alle drei Monate Blut abgeben bei meinem Arzt und bekomme ein EKG dabei, um meine Fitness kontrollieren zu lassen“, so Pater Tobias. „In 2024 war ich sehr aktiv. Bei 70 Marathonläufen habe ich etwa 140.000 Euro an Spenden eingenommen.“ Eine beachtliche Leistung, neben Gottesdiensten, Hochzeiten und Taufen, die er in der Woche als Pastor in seiner Gemeinde vornimmt.  

Die Gelder werden hauptsächlich für bedürftige und in Armut lebende Kinder eingesetzt, das kann für eine Reittherapie oder Schwimmkurse oder Sportrollstühle für inklusive Schulen sein. „Einmal konnte ich mit Spenden das Schulfrühstück für alle Schüler an einer Grundschule mitfinanzieren“, sagt Pater Tobias stolz. Und was war sein extremster Lauf? „Das war der Oman Desert Marathon. Mit acht Kilo Gepäck, das wir zum Überleben mitnehmen mussten, bin ich bei 40 Grad Hitze geradezu in dem Wüstensand eingesackt“, schildert der Extremläufer.

Nachlesen kann man seine Erlebnisse in dem Buch „Der Marathon-Pater. 60000 Kilometer gegen die Armut“.
„Das waren natürlich schwierigste Bedingungen, aber wenn man bedenkt, dass Jesus 40 Tage in der Wüste ausharrte, so waren meine vier Tage bei den 172 Kilometern des Oman Desert Marathons vergleichsweise milde“, sagt der Läufer im Auftrag des Herrn.
Bei diesem Extremsport hat er auch viele spirituelle Erfahrungen gemacht, die ihn antreiben: „Für mich ist Laufen wie Meditation, ich habe viele Gebete auf den Strecken zu Gott gesprochen – als ich nicht mehr weiter konnte, bekam ich oft das Gefühl: Der Himmel feuert mich an!“