Duisburg, 4. Mai 2025 - Es ist eine Zeit der Einkehr und der
Kontemplation. Zumindest kurz können wir etwas abschalten,
beim schwachen Abendlicht, das durch die bunten Fenster ins
Kirchenschiff der St. Johann-Pfarrkirche hindurchschimmert.
Hier in der Abtei Hamborn umfängt uns eine angenehme Ruhe,
die man im umgebenden Duisburger Stadtteil, der einem
Schmelztiegel der Kulturen gleicht, vergeblich sucht. Einen
Moment halten wir inne, schauen auf die drei Kirchenfenster,
die sich in der Apsis der im gotischen Stil erbauten Kirche
befinden. Sie zeigen neben dem ganz in weiß erscheinendem
Jesus die beiden Namens gebenden Patronen des Johannes.
Einmal in Darstellung des Täufers, der Jesus im Fluss Jordan
die Taufe spendete, einmal in Gestalt des Evangelisten, der
nach den Synoptikern Markus, Lukas und Matthäus die
wichtigsten Ereignisse im Leben Jesu' bis zu seiner
Kreuzigung im Johannesevangelium niederschrieb.
Gegenüber der Figurengruppe Anna-Selbdritt, die die Mutter
der Gottesmutter Maria, also Anna, sowie Maria und das
Jesuskind in Form eines Gnadenbilds aus dem 15. Jahrhundert
darstellt, zünden wir noch schnell eine Kerze an, sprechen
ein kurzes Gebet in dem flackernden Schein. Gründe dafür
gibt es schließlich genug. Zum „Rosenkranz“ gereicht die
Zeit jedoch nicht mehr, denn schon wartet Abt Albert Dölken,
der uns auf einen Streifzug durch seine weitläufigen Gefilde
mitnehmen möchte.
„Entschuldigen Sie, dass ich Sie
nicht im weißen Chorherren-Habit empfangen kann“, sagt uns
der 64-jährige Leiter der Abtei eingangs. Eine
Schulterverletztung mache es ihm unmöglich, die schwerlich
überzustreifende Arbeitskleidung der Prämonstratenser
anzuziehen. „Sie müssen mich jetzt im Physiotherapie-Outfit
nehmen“, sagt er mit einem Lächeln. Dementsprechend
sportlich geht es durch die heiligen Hallen.
Abt Albert Thomas Dölken wurde
1960 in Duisburg-Hamborn geboren. Seit 1995 ist er Abt der
Abtei Hamborn, wurde kürzlich für weitere zehn Jahre in
seiner Funktion als Leiter des Prämonstratenser-Klosters
bestätigt. Gleichzeitig ist er Pfarrer der Gemeinde St.
Johann, die heute das gesamte ehemalige Dekanat Hamborn
umfasst.
Wir lernen, dass man hier auf dem
einstigen Gutshof Havenburn (mittelhochdeutsch für
'Viehstall') im 9. Jahrhundert eine kleine Pfarrkirche,
deren Grundmauern erst 1969 bei Ausgrabungen entdeckt
wurden, gebaut habe. Drum herum sei dann später der
Stadtteil Hamborn entstanden. Ein späterer Besitzer, der
Adlige Gerhard von Hochstaden, übertrug dieses Anwesen 1136
dem Kölner Erzbistum, mit der Auflage dort eine Abtei der
Prämonstratenser errichten zu lassen. Die ersten Mönche
kamen aus dem Kloster Steinfeld in der Eifel – da wo der als
„Apfelheilige“ nominierte Hermann Joseph ruht - und
erweiterten die Kirche zur Klosterkirche. Sie gestalteten
den Kreuzgang, von dem noch die Nordfront erhalten ist.
„Man sieht hier schön ausgeprägte Rundbögen, die typisch
für die romanische Bauweise waren“, erklärt uns Abt Albert.
In der Mitte des Innenhofs sticht der Brunnen von Gernot
Rumpf ins Auge, auf dem man bei näherer Betrachtung viele
verschiedene Skulpturen kleinerer Tiere, wie blubbernde
Fische und zirpende Grillen, erkennen kann. Vielleicht um
die gesamte göttliche Schöpfung darzustellen. Entlang den
aus rötlichem Sandstein gehauenen Wandreliefs des Kreuzweges
gelangen wir in das „Allerheiligste“ der Abtei: in die
Paramentenkammer.
„Viele Schätze wurden
komischerweise nicht von den französischen Truppen gestohlen
bei der Enteignung des Klosters Anfang des 19.
Jahrhunderts“, erklärt Abt Albert die Zustände nach der
Säkularisierung des Klosters durch Napoleon, bei der die
gesamten damaligen Chorherren vor die Tür gesetzt wurden.
„Wahrscheinlich herrschte ein Überfluss an Kirchenschätzen
in dieser Zeit“, so mutmaßt der Abteivorsteher. „Da eben
alle umliegenden Klöster gleichzeitig beschlagnahmt waren.“
Seit 1986 besteht die Paramentenkammer, hinter
Sicherheitsglas geschützt setzen uns goldbestickte
Messgewänder aus dem 14. und 15. Jahrhundert in Erstaunen.
„In den Vitrinen wird durch spezielle Messverfahren
auf gleichbleibende Luftfeuchtigkeit geachtet, damit die
Stoffe konserviert bleiben“, erklärt der Abt. Daneben
befinden sich viele Paramente, also Gewänder, und andere
liturgische Gegenstände, die in Messfeiern vergangener
Epochen benutzt wurden: mit Edelsteinen besetzte Kreuze,
sowie aus Silber gearbeitete Monstranzen und Tabernakel,
einen fein ziselierten Abtsstab der Abtei von 1726, sowie
Kelche und Weihrauchschwenker aus dem späten Mittelalter und
der Neuzeit sehen wir dort – und sind beeindruckt ob der
Kunstfertigkeit der Kirchengüter. Glücklicherweise waren
diese dem Schwager Napoleons, Joachim Murat, nicht weiter
von Bedeutung, als er die Enteignung 1806 durchführte.
„Während also das Kloster aufgegeben wurde und an den
Staat fiel, endete damit vorläufig eine 670-jährige
Tradition des Zusammenlebens der Prämonstratenser in
Hamborn. Die Abteikirche blieb der umliegenden Gemeinde als
Pfarrkirche erhalten“, sagt Abt Albert, der unlängst auf
weitere zehn Jahre in seinem Amt als Klostervorsteher
bestätigt wurde.
Nachdem das Kirchenschiff im
Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört und wiederaufgebaut
wurde, ist das vormals säkularisierte Kloster erst 153 Jahre
später, am 24. August 1959, neu gegründet worden - als
unabhängiges Priorat St. Johann der
Prämonstratenser-Chorherren in Duisburg-Hamborn.
Alle Mitglieder leben ein „Vita Mixta“, wie uns der Abt
erklärt: „Wir leben nach den Augustiner-Regeln, die auch
unser Ordensstifter Norbert von Xanten bei der Gründung 1120
im französischen Tal von Prémontré anwandte.“ Dazu gehören
unter anderem die innere Einkehr, das gemeinsame Gebet, die
seelsorgerische Tätigkeit, aber auch der Einsatz gegen die
Armut in der Gesellschaft.
Im Auftrag des
Herrn am Start Diese Leitsätze hat
Pater Tobias Breer für sich verinnerlicht. Seit 17
Jahren nimmt er neben seiner Hauptaufgabe als Pastor der
Herz-Jesu-Gemeinde in Duisburg-Neumühl regelmäßig an
Marathons für den guten Zweck teil: fast 300 Extremläufe hat
er inzwischen absolviert, bei denen er über zwei Millionen
Euro als Spenden generiert habe – in der Läuferszene ist er
als „Marathon-Pater“ bekannt. Der
62-jährige Chorbruder ist „im Auftrag des Herrn“ weltweit
unterwegs. Auf allen Kontinenten ist er gelaufen, selbst in
der Antarktis ist er zum Wettbewerb angetreten.
Pater
Tobias Breer wurde 1963 in Werne geboren.
Neben seiner Tätigkeit als Pastor der Herz-Jesu-Gemeinde in
Duisburg-Neumühl, betreibt er die caritative Firma Projekt
LebensWert gGmbH, mit der er sich für benachteiligte Kinder
und mildtätige Zwecke einsetzt. Er hat als einer von wenigen
hundert Menschen an den „Big-Six-Marathons“
(Chicago-Boston-London-New York-Berlin-Tokyo) teilgenommen
und bekam daraufhin einen Eintrag ins Guiness-Buch der
Rekorde. Inzwischen ist er fast 300 Marathons gelaufen und
hat mehr als 70000 Kilometer, inklusive Trainingseinheiten,
für den guten Zweck zurückgelegt. Foto: Andreas Breer
Infos:
www.pater-tobias.de
www.abtei-hamborn.de
„Das
waren natürlich extreme Bedingungen bei teilweise – 22 Grad,
nur wenige Läufer sind als Finisher ins Ziel gekommen“, sagt
der charismatische caritative Chorbruder. Wichtig bei allen
seinen sportlichen Aktivitäten sei die ärztliche Betreuung,
wie er uns sagt: „Ich muss alle drei Monate Blut abgeben bei
meinem Arzt und bekomme ein EKG dabei, um meine Fitness
kontrollieren zu lassen“, so Pater Tobias. „In 2024 war ich
sehr aktiv. Bei 70 Marathonläufen habe ich etwa 140.000 Euro
an Spenden eingenommen.“ Eine beachtliche Leistung, neben
Gottesdiensten, Hochzeiten und Taufen, die er in der Woche
als Pastor in seiner Gemeinde vornimmt.
Die Gelder
werden hauptsächlich für bedürftige und in Armut lebende
Kinder eingesetzt, das kann für eine Reittherapie oder
Schwimmkurse oder Sportrollstühle für inklusive Schulen
sein. „Einmal konnte ich mit Spenden das Schulfrühstück für
alle Schüler an einer Grundschule mitfinanzieren“, sagt
Pater Tobias stolz. Und was war sein extremster Lauf? „Das
war der Oman Desert Marathon. Mit acht Kilo Gepäck, das wir
zum Überleben mitnehmen mussten, bin ich bei 40 Grad Hitze
geradezu in dem Wüstensand eingesackt“, schildert der
Extremläufer.
Nachlesen kann man seine Erlebnisse in
dem Buch „Der Marathon-Pater. 60000 Kilometer gegen
die Armut“. „Das waren natürlich schwierigste
Bedingungen, aber wenn man bedenkt, dass Jesus 40 Tage in
der Wüste ausharrte, so waren meine vier Tage bei den 172
Kilometern des Oman Desert Marathons vergleichsweise milde“,
sagt der Läufer im Auftrag des Herrn. Bei diesem
Extremsport hat er auch viele spirituelle Erfahrungen
gemacht, die ihn antreiben: „Für mich ist Laufen wie
Meditation, ich habe viele Gebete auf den Strecken zu Gott
gesprochen – als ich nicht mehr weiter konnte, bekam ich oft
das Gefühl: Der Himmel feuert mich an!“
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