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Duisburg, 1. November 2025 - Nach seinem beeindruckenden
Debutroman „Totemwald“ vor zwei Jahren, legt Bernhard
Klaffke jetzt doppelt nach. Im September erschienen gleich
zwei Werke „Stille Verdammnis“, sowie „Weihnachtsanektötchen
– Spannende Geschichten aus dem Ruhrgebiet“. Nach einer
Ausbildung zum Maschinenbaumechaniker arbeitete er im
Bereich Industiekultur und Restaurierung. 2005 eröffnete er
die Galerie „9/46“ in Duisburg-Ruhrort, heute ist der
gebürtige Rumelner an der Kunstakademie Düsseldorf
beschäftigt. Wir sprachen mit dem 57-Jährigen darüber, wie
er zum Schreiben gefunden hat. Die Fragen stellte
Stephan Sadowski. Haben Sie als Jugendlicher oft
Stephen King gelesen? Als „Shining“ 1979 in der
deutschen Übersetzung auf den Markt kam, habe ich mir ein
Exemplar besorgt und es regelrecht verschlungen. Ohne es
damals zu wissen, hat mir King früh gezeigt, wie man
Spannung nicht nur durch Schockmomente, sondern durch
Atmosphäre und Figuren aufbaut. Seine Geschichten haben mich
gelehrt, dass das wahre Grauen oft zwischen den Zeilen
liegt. Sie sind in der Kunstakademie Düsseldorf
beschäftigt – inwieweit schöpfen Sie bei der Tätigkeit dort
Inspiration fürs Schreiben von Gruselromanen? Die
Akademie ist ein eigener Kosmos für sich: Dort existiert
Kunst in all ihren Formen, dort arbeiten Menschen mit
radikal unterschiedlichen Sichtweisen in einem Gebäude voll
mit Geschichten. Ich bewege mich zwischen Ateliers, in denen
heute etwas entsteht, das vielleicht erst in Jahrzehnten
verstanden wird. Diese Mischung aus Kreativität,
Eigenwilligkeit und gelegentlicher Exzentrik ist wie ein
permanentes Ideenlabor. Manchmal genügt ein flüchtiges
Gespräch im Treppenhaus, um den Keim für eine neue Idee zu
pflanzen. Sie haben eine Lese-Tour im Sommer auf
der Weißen Flotte, Mülheim, veranstaltet. Welche
Eindrücke bleiben in Erinnerung bei Ihnen? Als ein
Mitarbeiter von der weißen Flotte an mich herantrat und mir
eine Lesung bei Mondschein vorschlug, war ich sofort Feuer
und Flamme. Es gibt drei Orte, an denen ich unbedingt einmal
lesen möchte: in einer Burg oder einem Schloss, in einem
Beerdigungsinstitut – und auf einem Schiff. Das mit dem
Schiff habe ich jetzt erledigt und das Beerdigungsinstitut
steht für 2026 in Aussicht. Zwei Wochen vorher war der
Termin restlos ausverkauft, alle 120 Karten restlos
vergriffen. Für einen heiteren Moment sorgte eine sehr
junge Servicekraft, die mir einen Teller Suppe direkt vor
mein Manuskript stellte und sichtlich überlegte, wohin noch
mit dem Besteck. Die Stimmung an Bord war gut – doch
stellenweise auch zu laut. In solchen Situationen sehe ich
es als meine Aufgabe, das Publikum mit der Geschichte wieder
einzufangen. Das gelingt oft, aber nicht immer.
Gibt es Traumata oder Ängste, die Sie beim Schreiben
begleiten? Als Kind nahm ich oft die Rolle des
stillen Beobachters ein – ich war häufig krank, litt unter
unerklärlichen Kreislaufproblemen und hatte Pseudokrupp.
Deshalb stand ich oft am Rand des Geschehens, aber immer mit
einem wachsamen Blick. Ich kann mich noch gut daran
erinnern, wie mein Vater mir den Ratschlag gab: „Klaue mit
den Augen.“ Diesen habe ich bis heute beherzigt. Ich
beobachte die Welt weiterhin mit einer Mischung aus Neugier
und gesunder Skepsis. Dabei ist mir aufgefallen, dass oft
die kleinen Details eine Geschichte ins Rollen bringen.
Was war das schrecklichste Verbrechen, was Sie sich
bisher ausgedacht haben? Es war jedenfalls kein
Blutbad, wie man vielleicht jetzt denken könnte, sondern ein
perfider Mord, der so inszeniert wurde, dass er wie ein
natürlicher Tod erschien – und bei dem die Hinterbliebenen
niemals erfahren, dass es ein Verbrechen war. Der wahre
Schrecken liegt für mich im Alltäglichen. Wobei
entspannen Sie und schöpfen neue Energie fürs Schreiben?
Ganz ehrlich, ich besitze eine Shakti-Matte – so eine mit
tausenden spitzen Plastikenden. Ich lege mich darauf und
lasse mir meine eigenen Texte über eine App vorlesen oder
höre Klangschalen-Melodien. Oder ich gehe einfach Boxen mit
der Buchhändlerin meines Vertrauens. Ja, Sie haben richtig
gehört: Meine Buchhändlerin und ich trainieren zusammen. Das
kann überraschend heilsam sein, kann ich Ihnen sagen. Aber
am liebsten bin ich draußen, zu Fuß unterwegs. Ich stöpsle
meine Kopfhörer ein und höre Hörbücher, meist von Stephen
King oder Preston & Child. Welchen Horrorfaktor
hat für Sie das Weihnachtsfest? Gerade Weihnachten
ist für mich eine spannende Bühne für Grusel. Wir alle
verbinden diese Zeit mit Licht, Wärme, familiären Ritualen
und gemütlicher Geborgenheit – und genau deshalb wirkt das
Dunkle umso stärker, wenn es plötzlich in diese heile Welt
eindringt. Zwischen Kerzenschein und Schneefall lauert gerne
auch das Unheimliche: alte Mythen, lange Nächte,
Familiengeheimnisse. Vielleicht ist das auch der Grund,
warum gerade über die Feiertage so viele Horrorfilme im
Fernsehen laufen? Worum geht es in Ihrem neuen
Roman? Mein neues Buch Stille Verdammnis ist der
zweite Fall des Ermittlerduos Fröhlig & Stern. Diesmal führt
es die beiden in die dunkelsten Ecken Duisburgs: In einer
verlassenen Industriehalle wird die grausam entstellte
Leiche eines Geflüchteten gefunden. Alles deutet auf Folter
hin, ohne jede Gegenwehr. Was als scheinbar klarer Mordfall
beginnt, zieht Fröhlig und Julia Stern in ein Geflecht aus
organisiertem Verbrechen, Drogenhandel und menschlichen
Abgründen. Ohne zu viel zu verraten: Am Ende merken die
Ermittler, dass es nicht nur um Schuld und Sühne geht,
sondern um eine Wahrheit, die niemand von ihnen ertragen
will. Der Thriller „Stille
Verdammnis", 464 Seiten, es kostet 17
Euro, ISBN-Nr. 978-3827192073. Das Buch
„Weihnachtsanektötchen – spannende Geschichten aus dem
Ruhrgebiet“, 96 Seiten, es kostet 15 Euro,
ISBN-Nr. 978-3827192165. Beide Bücher erscheinen am 1.
September bei CW Niemeyer, Buchverlage GmbH.
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