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Mitten aus dem Leben  -  Urteile und Tipps zu §§

Archiv 2020

Dezember 2020

Fleischwirtschaft: Erfolglose Eilanträge betreffend das Inkrafttreten von Teilen des Arbeitsschutzkontrollgesetzes
Karlsruhe/Duisburg, 30. Dezember 2020 - Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat heute mehrere Anträge auf einstweilige Anordnungen abgelehnt, mit denen verhindert werden sollte, dass Teile des am 30. Dezember 2020 verkündeten Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) zum 1. Januar 2021 in Kraft treten.
Sie betreffen eine neue Regelung, die den Unternehmen der Fleischwirtschaft ab dem 1. Januar den Einsatz von Fremdpersonal auf der Grundlage von Werkverträgen im Bereich der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung in ihrem Betrieb untersagt. Für die Führung eines Betriebes gilt vor Ort ein Kooperationsverbot. Zudem ist die Beschäftigung von Fremdpersonal in Leiharbeit ab dem 1. April 2021 nur noch bis zum 1. April 2024 unter besonderen Bedingungen zulässig und danach auf diesem Sektor ebenfalls verboten.

 

November 2020

Sonderkündigungsrecht: Kfz-Versicherung nach 30. November kündigen  
Coburg/Duisburg, 27. November 2020 - Der vielbeschworene Stichtag zur Kündigung der Kfz-Versicherung ist vorbei. Was wenn die Rechnung des Kfz-Versicherers erst nach dem 30. November im Briefkasten liegt? Man also auch erst später erfährt, dass die Kfz-Versicherung im kommenden Jahr teurer wird. Muss man zwangsläufig beim bisherigen Versicherer bleiben?
Nein. Hier kommt das Sonderkündigungsrecht ins Spiel. Die einmonatige Kündigungsfrist beginnt erst bei Erhalt der Rechnung. Selbst bei einem günstigeren Beitrag entfällt das Sonderkündigungsrecht nicht automatisch.
Es kommt auf den Grund für die günstigere Prämie an. Sinkt der Beitrag, weil sich wegen unfallfreiem Fahren die Schadenfreiheitsklasse verbessert, während das Tarifniveau des Grundbeitrags steigt, bleibt die Sonderkündigung eine lukrative Option. Warum? Nicht unwahrscheinlich, dass die Kfz-Prämie noch günstiger wird, wenn der Kunde sowohl von einem besseren Schadenfreiheitsrabatt als auch von einem niedrigen Tarifniveau profitieren kann.  

Genau hinschauen und Geld sparen
Fazit: Die Rechnung sollte genau gelesen werden. Besteht ein Sonderkündigungsrecht, muss der bisherige Versicherer seinen Kunden deutlich darauf hinweisen. Dem Wechsel zum günstigeren Kfz-Versicherer steht dann – auch nach dem 30. November – nichts im Weg.   Vergleichen lohnt sich: Die Preisspannen zwischen den einzelnen Anbietern sind erheblich: Oft lassen sich so ein paar hundert Euro pro Jahr einsparen. Beim Preisvergleich helfen entsprechende Portale im Internet. Doch Vorsicht, kein Portal berücksichtigt alle Kfz-Versicherer und oft handelt es sich leistungsseitig um ein abgespecktes Angebot.
Die Recherche in mehreren Portalen ist also unerlässlich. Zudem arbeiten Onlineportale auf Provisionsbasis. Für jede vermittelte Police zahlt ihnen der betroffene Kfz-Prämie. Onlineportale sind also nur bedingt unabhängig. Manche günstigen Direktversicherer sind dort gar nicht zu finden. Daher lohnt sich stets auch eine parallele Anfrage bei einem günstigen Versicherer.

Der 30. November ist vorbei: Kann man seine Kfz-Versicherung trotzdem kündigen? Ja, wenn das Sonderkündigungsrecht greift. Foto: HUK-COBURG

 

Oktober 2020

Mit Winterreifen sicher durch die kalte Jahreszeit
§   Bußgeld und Punkte bei falscher Bereifung
§   Mögliche Konsequenzen beim Versicherungsschutz  
Coburg/Duisburg,  29. Oktober 2020 - Zwar gibt es keine verbindliche Winterreifenpflicht, aber die Straßenverkehrsordnung (§ 2 Absatz 3a der StVO) fordert von Verkehrsteilnehmern, ihre „Ausrüstung an die Wetterverhältnisse anzupassen“. Mittlerweile hat der Gesetzgeber diese freie Formulierung konkretisiert:
 Autofahrer müssen bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte Winterreifen aufgezogen haben.
Was einen Reifen zum Winterreifen macht?
Sein Profil und seine Lauffläche sind so konstruiert, dass er bei Matsch und frischem oder schmelzendem Schnee bessere Fahreigenschaften als ein Sommerreifen hat. Technische Details müssen Autofahrer beim Kauf nicht kennen. Es genügt auf ein Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) zu achten.
Neu ist, dass Reifen mit der Kennzeichnung M+S nicht mehr in jedem Fall genügen. Und um als wintertauglich zu gelten, müssen sie bis zum 31. Dezember 2017 hergestellt worden sein. Diese Ausnahmeregelung hat bis zum 30. Dezember 2024 Bestand. Wer die Winterreifen-Regelung missachtet, riskiert ein Bußgeld und Punkte in Flensburg. Einen Punkt und ein Bußgeld von mindestens 60 Euro kassieren alle, die die Polizei bei Winterwetter mit Sommerreifen antrifft.
Wird der Verkehr durch die falschen Reifen gefährdet werden 80 Euro Bußgeld und ein Punkt fällig. Aber auch dem Halter, der eine Fahrt mit falscher Bereifung zulässt, droht ein Bußgeld in Höhe von 75 Euro und ein Punkt. Versicherungsschutz nicht gefährden Bei einem Unfall nicht auszuschließen, sind Konsequenzen beim Versicherungsschutz. Insbesondere wenn Schneematsch schon wochenlang für Behinderungen auf den Straßen gesorgt hat.
Natürlich reguliert die Kfz-Haftpflichtversicherung eines Unfallverursachers immer den Schaden des Opfers. Allerdings kann sie den eigenen Versicherungsnehmer, der ohne Winterreifen unterwegs war, im Nachgang mit bis zu 5.000 Euro in Regress nehmen. Aber auch beim Unfallopfer kann falsche Bereifung durchaus zum Problem werden: Lässt sich nachweisen, dass dessen fehlende Winterausrüstung ursächlich für den Unfall war – weil sich zum Beispiel der Bremsweg drastisch verlängert hat – muss das Unfallopfer mit einer Mithaftung rechnen.
Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ersetzt den Schaden nicht komplett, sondern nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz. Besonders prekär kann sich das bei Personenschäden auswirken, wenn es um Schmerzensgeld, Verdienstausfall oder Rentenzahlungen geht.
Fazit: Sommerreifen und winterliche Straßenverhältnisse passen nicht zusammen. Wer das ignoriert, riskiert neben den Folgen beim Versicherungsschutz auch rechtliche Konsequenzen, insbesondere wenn durch den Unfall Personen verletzt wurden.
Höchstgeschwindigkeit
Nicht immer entspricht die maximale Geschwindigkeit, die man mit den montierten Winterreifen fahren darf, der Höchstgeschwindigkeit des Autos: Winterreifen sind weicher als Sommerreifen. Fährt man schneller als erlaubt, erhitzt sich die Karkasse (das tragende Gerüst des Reifens), kann der Reifen platzen. Beim Räderwechsel in der Werkstatt sollte man darauf achten, dass auf einem Zettel am Armaturenbrett die zulässige Höchstgeschwindigkeit der Reifen vermerkt ist oder die elektronische Anzeige des Fahrzeugs entsprechend eingestellt wird.
Selbstverständlich sollten Reifengrößen verwendet werden, die vom Fahrzeughersteller vorgeschrieben sind. Und noch etwas ist wichtig, die Profiltiefe der Winterreifen. Mindestens 1,6 Millimeter schreibt der Gesetzgeber vor. Experten empfehlen zur eigenen Sicherheit aber 4 Millimeter.

Die „Ausrüstung ist den Witterungsverhältnissen anzupassen“, heißt es in der Straßenverkehrsordnung. Autofahrer, die sich daran nicht halten, sollten wissen, dass mangelhafte Bereifung auch zu Konsequenzen beim Versicherungsschutz führen kann. Foto: HUK-COBURG     


Eilantrag bezogen auf das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin abgelehnt

Karlsruhe, 29. Oktober 2020 - Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der sich gegen das Inkrafttreten des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (im Folgenden: MietenWoG Bln) am 22. November 2020 richtete, abgelehnt. Die Beschwerdeführerin hat schon nicht dargelegt, dass ihr im Fall der Ablehnung ihres Antrags ein schwerer Nachteil von besonderem Gewicht droht. Ungeachtet dessen wurden auch für die Gesamtheit oder eine erhebliche Zahl der Vermieter Berlins keine solchen Nachteile aufgezeigt.

Herbstlaub: Wer muss Bürgersteig freihalten?
§  Reinigungspflicht kann übertragen werden
§  Haftung bei Unfällen  

Duisburg/Coburg, 20. Oktober 2020 - Der Herbst hält Einzug: Das Laub verfärbt sich und fällt zu Boden. Was im Sonnenschein schön aussieht, kann schnell zur Gefahr werden. Denn im Herbst sinken nicht nur die Temperaturen, auch die Niederschläge nehmen zu und feuchtes Herbstlaub verwandelt Bürgersteige in rutschige Flächen. Ein Unfall ist da schnell passiert. Kommunen können in ihren Satzungen festschreiben, ob und in welchem Umfang sich Hauseigentümer um die Reinigung der Bürgersteige kümmern müssen. Wer sich der Reinigungspflicht dauerhaft entzieht, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Den Eigentümern eines Mietshauses steht es offen, die Reinigungspflicht über den Mietvertrag an die Mieter weiterzugeben.  
Ereignet sich ein Unfall, hat der nicht nur eine strafrechtliche Seite. Hier geht es, wie die HUK-COBURG mitteilt, auch um persönliche Haftung. Bricht sich ein Passant beispielsweise das Bein, weil vergessen wurde, die Blätter wegzufegen, muss der Verantwortliche für den Schaden aufkommen. Ohne Haftpflichtversicherung kann das teuer werden: Im geschilderten Fall können dem Geschädigten Schmerzensgeld – und falls er arbeitet – auch eine Entschädigung für seinen Verdienstausfall zustehen. Bleiben nach einem Unfall dauerhafte Schäden zurück, können sogar lebenslange Rentenzahlungen fällig werden.
Ob und in welchem Umfang ein säumiger Laubräumer haftet, hängt allen Regeln zum Trotz oft von den speziellen Umständen des Einzelfalls ab. Sollte der Geschädigte den Rechtsweg beschreiten, steht die Haftpflichtversicherung ihrem Kunden zur Seite.

Gefährlich: Nasses Herbstlaub kann Bürgersteige schnell in rutschige Flächen verwandeln. Räumen ist deshalb für Hauseigentümer oder Mieter in vielen Kommunen Pflicht. Foto: HUK-COUBURG 


BGH: Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen das Tabakerzeugnisgesetz
Karlsruhe, 16. Oktober 2020 -  Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats die Verfassungsbeschwerde einer Produzentin von Tabakerzeugnissen gegen das Tabakerzeugnisgesetz (TabakerzG) und die Verordnung über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (TabakerzV) nicht zur Entscheidung angenommen.
Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Überprüfung dieser Regelungen am Maßstab der deutschen Grundrechte nicht in Betracht kommt, weil sie zwingendes Unionsrecht umsetzen. Angesichts der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit des einschlägigen zwingenden unionsrechtlichen Fachrechts mit den Unionsgrundrechten erscheint es auch ausgeschlossen, eine Überprüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte durch eine Vorlage mit dem Ziel der Ungültigerklärung dieses unionsrechtlichen Fachrechts zu eröffnen.
Soweit die Beschwerdeführerin die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht als verspätet rügt, ist eine Prüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte zwar eröffnet, eine Grundrechtsverletzung allerdings nicht genügend dargetan.

BGH: Schadensersatzklausel für Abbruch einer Mutter-Kind-Kur unwirksam
Karlsruhe, 8. Oktober 2020 – Der unter anderem für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Kurklinik, die einen Schadensersatzanspruch für den Fall vorsieht, dass die Patientin einer Mutter-Kind-Kur diese vorzeitig abbricht, unwirksam ist.

Sachverhalt
Die Beklagte ist Mutter von vier minderjährigen Kindern. Ihre gesetzliche Krankenversicherung bewilligte eine dreiwöchige medizinische Vorsorgemaßnahme in Form einer Mutter-Kind-Kur. Die Beklagte erhielt ein Einladungsschreiben der von der Klägerin betriebenen Klinik, dem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen beigefügt waren. Deren Nummer 5.4 lautet wie folgt: "Vorzeitige Abreise (Kündigung), Schadensersatz 5.4.1 Tritt die Patientin, ohne medizinisch nachgewiesene Notwendigkeit, die Abreise vor Beendigung der Maßnahme an, so kann der Einrichtungsträger Ersatz für den erlittenen Schaden verlangen. Der Ersatzanspruch ist unter Berücksichtigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und möglichen anderweitigen Verwendungen pauschaliert und beträgt 80 % des Tagessatzes für jeden vorzeitig abgereisten Tag. Es bleibt der Patientin unbenommen, den Nachweis zu führen, dass kein oder ein geringerer Schaden entstanden ist. 5.4.2 Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB bleibt hiervon unberührt."

Die Beklagte bestätigte durch ihre Unterschrift, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin erhalten zu haben und diese anzuerkennen. Beigefügte Fragebögen zur Vorbereitung der Therapie füllte sie aus und sandte sie – zusammen mit dem unterschriebenen Exemplar der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – an die Klägerin zurück. Die Beklagte trat die bis zum 21. März 2018 vorgesehene Kur am 28. Februar 2018 zusammen mit ihren vier Kindern an, brach sie jedoch zehn Tage vor dem regulären Ende aus Gründen, die zwischen den Parteien streitig sind, vorzeitig ab.
Die Klägerin nahm die Beklagte daraufhin auf Schadensersatz in Höhe von 3.011,20 € in Anspruch.

Prozessverlauf
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung des vorgenannten Betrags nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihre Klageanträge weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der III. Zivilsenat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die verlangte Zahlung. Die Beklagte konnte die Kur durch konkludente Kündigung gemäß § 627 Abs. 1 BGB auch ohne besonderen Grund vorzeitig beenden, so dass die Klägerin nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB nur Anspruch auf Vergütung der bis zum Abbruch erbrachten Leistungen hat.
Zwischen der Klägerin und der Beklagten war ein Vertrag über die Durchführung einer Mutter-Kind-Kur (§ 24 Abs. 1 SGB V) zustande gekommen, der jedenfalls nach seinem inhaltlichen Schwerpunkt als Behandlungsvertrag im Sinne des § 630a BGB und damit als besonderes Dienstverhältnis zu qualifizieren ist.
Dieses unterliegt dem jederzeitigen Kündigungsrecht der Patientin, da die von der Klinik geschuldeten Leistungen im Sinne des § 627 Abs. 1 BGB Dienste höherer Art sind, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Die von § 627 Abs. 1, § 628 Abs. 1 BGB abweichende Nummer 5.4.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist unwirksam, weil sie gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung – dem "freien" und sanktionslosen Kündigungsrecht bei Diensten höherer Art, die auf besonderem Vertrauen beruhen – nicht zu vereinbaren ist.

Überdies ist sie mit dem Grundgedanken des § 280 Abs. 1 BGB unvereinbar, nach dem vertragliche Schadensersatzansprüche eine zu vertretende Pflichtverletzung des Schuldners – hier der Patientin – voraussetzen. Eine Einschränkung auf diese Fälle sieht die Klausel aber nicht vor.

Vorinstanzen: AG Strausberg, Urteil vom 16. April 2019 – 10 C 17/19 LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 1. April 2020 – 16 S 249/19

Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 280 BGB Schadensersatz wegen Pflichtverletzung (1) 1Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. 2Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. § 627 BGB Fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung (1)
Bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 ist, ist die Kündigung auch ohne die in § 626 bezeichnete Voraussetzung zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.
§ 628 BGB Teilvergütung und Schadensersatz bei fristloser Kündigung (1) 1Wird nach dem Beginn der Dienstleistung das Dienstverhältnis auf Grund des § 626 oder des § 627 gekündigt, so kann der Verpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. 2Kündigt er, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles dazu veranlasst zu sein, oder veranlasst er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teiles, so steht ihm ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben.
3Ist die Vergütung für eine spätere Zeit im Voraus entrichtet, so hat der Verpflichtete sie nach Maßgabe des § 346 oder, wenn die Kündigung wegen eines Umstands erfolgt, den er nicht zu vertreten hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten. § 630a BGB Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag (1) Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist. § 24 SGB V Medizinische Vorsorge für Mütter und Väter (1) 1Versicherte haben unter den in § 23 Abs. 1 genannten Voraussetzungen Anspruch auf aus medizinischen Gründen erforderliche Vorsorgeleistungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung; die Leistung kann in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme erbracht werden.
2Satz 1 gilt auch für Vater-Kind-Maßnahmen in dafür geeigneten Einrichtungen. 3Vorsorgeleistungen nach den Sätzen 1 und 2 werden in Einrichtungen erbracht, mit denen ein Versorgungsvertrag nach § 111a besteht. 4§ 23 Abs. 4 Satz 1 gilt nicht; § 23 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.

Urteil im Verfahren zur Tötung von Mine O.: Ehemann zu lebenslanger Haft verurteilt
Duisburg, 05. Oktober 2020 - In dem Strafverfahren gegen den 29-jährigen Ehemann der Getöteten hat die 5. Große Strafkammer – Schwurgericht – in der öffentlichen Sitzung am 05.10.2020 ein Urteil verkündet. Der Angeklagte wurde wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach den Feststellungen der Kammer beschloss der Angeklagte am Abend des 07.09.2019, seine Ehefrau zu töten, da diese ihm mitgeteilt hatte, sich von ihm scheiden lassen zu wollen. Hierzu würgte er sie mit beiden Händen so lange, bis sie erstickte und noch am Tatort verstarb. Ihre Leiche versteckte der Angeklagte zunächst in einem Koffer in der Garage und vergrub sie anschließend in einem Waldstück, wo die Polizei den Leichnam drei Monate später fand.

Die Richter haben die Tat als Mord aus niedrigen Beweggründen gewertet, weil die Motivation des Angeklagten in besonderem Maße verwerflich und verachtenswert war. Sie haben festgestellt, dass er seine Ehefrau tötete, weil er sie allein für sich beanspruchte und nicht mit anderen Männern teilen wollte. Das Gericht hat seine Überzeugung hiervon insbesondere auf die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten gestützt, in der er dieses Motiv eingeräumt hatte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 35 Ks 6/20

August 2020

Kommunales Bildungspaket:
Regelungen der Bedarfe für Bildung und Teilhabe wegen Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts mit dem Grundgesetz unvereinbar


Karlsruhe/Duisburg, 07. August 2020 - Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem Beschluss § 34 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, Abs. 4 bis Abs. 7 und § 34a Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in der Fassung vom 24. März 2011 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt.

Die angegriffenen Regelungen stellen eine unzulässige Aufgabenübertragung dar und verletzen die Beschwerdeführerinnen, kreisfreie Städte des Landes Nordrhein-Westfalen, in ihrem Recht auf Selbstverwaltung. Die Regelungen bleiben jedoch bis zum 31. Dezember 2021 weiter anwendbar. Die in § 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 SGB XII geregelten Aufgaben entsprechen dagegen inhaltsgleich bereits früher auf die Kommunen als örtliche Träger der Sozialhilfe übertragenen Aufgaben und sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Juli 2020

4 BGH-Urteile zum "VW-Dieselskandal"

Schadensersatzklage
Keine "Deliktzinsen" für geschädigte VW-Käufer

Erfolgreiche Revision
Nutzungsvorteile können Schadensersatzanspruch vollständig aufzehren


Schadensersatzklage im sogenannten "Dieselfall" gegen die VW AG bei Gebrauchtwagenkauf nach Aufdeckung des "Dieselskandals" erfolglos  VI ZR 5/20
Karlsruhe/Duisburg, 30. Juli 2020 - Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat hat heute über einen Fall entschieden, in dem der Käufer einen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Gebrauchtwagen erst nach Bekanntwerden des sogenannten Dieselskandals gekauft hat. Der Senat hat in diesem Fall Schadensersatzansprüche verneint.

Sachverhalt: Der Kläger erwarb im August 2016 von einem Autohändler einen gebrauchten VW Touran Match zu einem Kaufpreis von 13.600 €, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Wagens. Der Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten.
Vor dem Erwerb des Fahrzeugs, am 22. September 2015, hatte die Beklagte in einer Pressemitteilung die Öffentlichkeit über Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software bei Dieselmotoren vom Typ EA189 informiert und mitgeteilt, dass sie daran arbeite, die Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen, und dass sie hierzu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt in Kontakt stehe.
Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte im Oktober 2015 nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung erlassen und der Beklagten aufgegeben, die Vorschriftsmäßigkeit der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu gewährleisten. In der Folge hat die Beklagte bei Fahrzeugen mit dem betroffenen Motortyp ein Software-Update bereitgestellt, das nach August 2016 auch bei dem Fahrzeug des Klägers aufgespielt wurde. Das Thema war Gegenstand einer umfangreichen und wiederholten Berichterstattung in Presse, Funk und Fernsehen. Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.


Bisheriger Prozessverlauf
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Entscheidung des Senats: Die Revision des Klägers, mit der er sein Klageziel weiterverfolgt hat, blieb ohne Erfolg. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht Ansprüche aus § 826 BGB deshalb verneint hat, weil das Verhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht als sittenwidrig anzusehen ist. Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat.
War das Verhalten der Beklagten gegenüber Käufern, die ein mit einer illegalen Abschalteinrichtung versehenes Fahrzeug vor dem 22. September 2015 erwarben, sittenwidrig (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, Rn. 16 ff.), so wurden durch die vom Berufungsgericht festgestellte Verhaltensänderung der Beklagten wesentliche Elemente, die das Unwerturteil ihres bisherigen Verhaltens gegenüber bisherigen Käufern begründeten, derart relativiert, dass der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf ihr Gesamtverhalten gerade gegenüber dem Kläger nicht mehr gerechtfertigt ist.
So war bereits die Mitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 objektiv geeignet, das Vertrauen potenzieller Käufer von Gebrauchtwagen mit VW-Dieselmotoren in eine vorschriftsgemäße Abgastechnik zu zerstören, diesbezügliche Arglosigkeit also zu beseitigen. Aufgrund der Verlautbarung und ihrer als sicher vorherzusehenden medialen Verbreitung war typischerweise nicht mehr damit zu rechnen, dass Käufer von gebrauchten VW-Fahrzeugen mit Dieselmotoren die Erfüllung der hier maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben noch als selbstverständlich voraussetzen würden.
Für die Ausnutzung einer diesbezüglichen Arglosigkeit war damit kein Raum mehr; hierauf konnte das geänderte Verhalten der Beklagten nicht mehr gerichtet sein. Käufern, die sich, wie der Kläger, erst für einen Kauf entschieden haben, nachdem die Beklagte ihr Verhalten geändert hatte, wurde deshalb - unabhängig von ihren Kenntnissen vom "Dieselskandal" im Allgemeinen und ihren Vorstellungen von der Betroffenheit des Fahrzeugs im Besonderen - nicht sittenwidrig ein Schaden zugefügt.
Auch Ansprüche aus sonstigen Vorschriften hat der Senat verneint.

Vorinstanzen: Landgericht Trier - Urteil vom 03. Mai 2019 - 5 O 686/18 Oberlandesgericht Koblenz - Urteil vom 2. Dezember 2019 - 12 U 804/19 Die maßgebliche Vorschrift lautet: § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.



Keine "Deliktzinsen" für geschädigte VW-Käufer  -  VI ZR 397/19
Karlsruhe/Duisburg, 30. Juli 2020 - In einem weiteren VW-Verfahren hat der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass geschädigten Käufern eines vom sogenannten "Dieselskandal" betroffenen Fahrzeugs unter dem Gesichtspunkt sogenannter "Deliktszinsen" kein Anspruch auf Verzinsung des für das Fahrzeug bezahlten Kaufpreises bereits ab Kaufpreiszahlung zusteht.

Sachverhalt: Die Klägerin erwarb im August 2014 von einem Autohändler einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw Golf VI 1,6 TDI mit einer Laufleistung von rund 23.000 km zu einem Preis von 15.888 €. Das Fahrzeug war mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet, der mit einer Steuerungssoftware versehen war, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus schaltet.
Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt die Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet und die Beklagte verpflichtet hatte, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, ließ die Klägerin das von der Beklagten entwickelte Software-Update im Jahr 2017 aufspielen. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen ab Kaufpreiszahlung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht Oldenburg hat die Beklagte im Wesentlichen zur Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsersatz Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verurteilt. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat dieses Urteil auf die Berufung der Klägerin dahingehend abgeändert, dass es ihr Zinsen bereits ab Kaufpreiszahlung zugesprochen hat. Die weitergehende Berufung der Klägerin sowie die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu, auf den sie sich im Wege des Vorteilsausgleichs die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen müsse.
Dabei sei von einer Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von 200.000 km auszugehen. Ab dem Zeitpunkt der Zahlung könne die Klägerin von der Beklagten gemäß § 849 BGB zudem sogenannte "Deliktszinsen" verlangen. Beide Parteien haben gegen dieses Urteil Revision eingelegt.

Entscheidung des Senats: Beide Revisionen hatten nur zum Teil Erfolg. Im Wesentlichen unter Verweis auf sein erstes Urteil zum sogenannten "Dieselskandal" vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19) hat der VI. Zivilsenat auch hier einen Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB auf Erstattung des von ihr aufgewendeten Kaufpreises abzüglich der ihr durch den Gebrauch des Fahrzeugs zugeflossenen Nutzungsvorteile Zug um Zug gegen "Rückgabe" des Fahrzeugs für gegeben erachtet. Einen Anspruch der Klägerin auf sogenannte "Deliktszinsen" nach § 849 BGB hat er hingegen - anders als das Berufungsgericht - verneint.
Zwar erfasst diese Vorschrift grundsätzlich jeden Sachverlust durch Delikt, auch den Verlust von Geld in jeder Form. Dies gilt auch dann, wenn dieser Verlust - wie hier - mit Willen des Geschädigten durch Weggabe erfolgt. Vorliegend stand einer Anwendung des § 849 BGB aber jedenfalls der Umstand entgegen, dass die Klägerin als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhalten hat; die tatsächliche Möglichkeit, das Fahrzeug zu nutzen, kompensierte den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Geldes.
Eine Verzinsung gemäß § 849 BGB entspricht in einem solchen Fall nicht dem Zweck der Vorschrift, mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer entzogenen oder beschädigten Sache auszugleichen.
Vorinstanzen: Landgericht Oldenburg - Urteil vom 11. Januar 2019 -3 O 1275/18
Oberlandesgericht Oldenburg - Urteil vom 2. Oktober 2019 - 5 U 47/19
Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
§ 849 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Ist wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen, so kann der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird.

Erfolgreiche Revision gegen Abweisung einer Schadensersatzklage in einem "Dieselfall" gegen die VW AG. Zurückverweisung an Oberlandesgericht.

BGH-Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 367/19

Karlsruhe/Duisburg, 30. Juli 2020 - Der Kläger erwarb am 4. April 2013 von einem Autohaus einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten PKW VW Tiguan 2.0 TDI zu einem Preis von 21.500 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189, Schadstoffnorm Euro 5, ausgestattet. Die das Abgasrückführungsventil steuernde Software des Motorsteuerungsgeräts erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und schaltete in diesem Falle in einen Stickoxid-optimierten Modus.
Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) erkannte in der genannten Software eine unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete Mitte Oktober 2015 einen Rückruf an, der auch das Fahrzeug des Klägers betraf. Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, das das KBA als geeignet zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit auch des hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyps ansah.
Der Kläger ließ das Software-Update im Februar 2017 durchführen. Mit seiner Klage begehrt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs.
Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht Braunschweig hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers zum Oberlandesgericht Braunschweig hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen dem Kläger Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht zu. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB schieden aus, weil der Kläger nicht schlüssig dargelegt habe, welche konkrete Person aus dem in Betracht kommenden Täterkreis (Vorstand, leitende Angestellte) den Betrugstatbestand verwirklicht bzw. den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe. Abgesehen davon fehle es an einem Schaden des Klägers.

Entscheidung des Senats: Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat hat das angefochtene Urteil unter Anwendung der Grundsätze seines Urteils vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19) aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht vom Kläger näheren Vortrag dazu verlangt, welche konkrete bei der Beklagten tätige Person für den Einsatz der illegalen Abschalteinrichtung verantwortlich ist. Die Entscheidung über den Einsatz der Abschalteinrichtung betrifft die grundlegende strategische Frage, mit Hilfe welcher technischen Lösung die Beklagte die Einhaltung der - im Verhältnis zu dem zuvor geltenden Recht strengeren - Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm sicherstellen wollte.
Vor diesem Hintergrund genügte die Behauptung des Klägers, die Entscheidung sei auf Vorstandsebene oder jedenfalls durch einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter getroffen oder zumindest gebilligt worden.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Schaden des Klägers nicht dadurch entfallen, dass dieser das von der Beklagten entwickelte Software-Update durchgeführt hat. Liegt der Schaden - wie das Berufungsgericht unterstellt hat - in einem unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Klägers sittenwidrig herbeigeführten ungewollten Vertragsschluss, so entfällt dieser Schaden nicht dadurch, dass sich der Wert oder Zustand des Vertragsgegenstandes nachträglich verändern. Ein solcher Schaden fällt auch unter den Schutzzweck des § 826 BGB.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. § 31 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
Vorinstanzen: Landgericht Braunschweig - Urteil vom 06.07.2018, Az. 11 O 2675/17 Oberlandesgericht Braunschweig - Urteil vom 13.08.2019, Az. 7 U 352/18


"VW-Dieselverfahren": Nutzungsvorteile können Schadensersatzanspruch vollständig aufzehren und keine "Deliktszinsen" für geschädigte VW-Käufer

Bundesgerichtshof-Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 354/19
Karlsruhe/Duisburg, 30. Juli 2020 - Sachverhalt: Der Kläger erwarb im Mai 2014 von einem Dritten einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten VW Passat 2,0 I TDI zum Preis von 23.750 €. In dem Fahrzeug, das bei Erwerb durch den Kläger eine Laufleistung von rund 57.000 km aufwies, ist ein Motor der Baureihe EA189, Schadstoffnorm Euro 5 verbaut. Der Motor ist mit einer Steuerungssoftware versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus schaltet.
Das Kraftfahrt-Bundesamt erkannte in der genannten Software eine unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete einen Rückruf an. Ein von der Beklagten daraufhin entwickeltes Software-Update ließ der Kläger nicht durchführen, fuhr das Fahrzeug aber trotzdem weiter. Das Fahrzeug hat inzwischen eine Laufleistung von rund 255.000 km.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht Braunschweig hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Braunschweig die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt, Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte bestünden schon deshalb nicht, weil der im Hinblick auf die vom Kläger mit dem Fahrzeug gefahrenen Kilometer vorzunehmende Vorteilsausgleich dazu führe, dass der vom Kläger aufgewendete Kaufpreis vollständig aufgezehrt sei. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt.

Entscheidung des Senats: Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat hat die Revision zurückgewiesen.

Die Annahme des Oberlandesgerichts, die vorzunehmende Anrechnung der vom Kläger durch den Gebrauch des Fahrzeugs gezogenen Nutzungsvorteile (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19) zehre den Kaufpreiserstattungsanspruch vollumfänglich auf, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die vom Oberlandesgericht dabei zur Berechnung des Wertes der Nutzungsvorteile herangezogene Formel (Bruttokaufpreis mal gefahrene Strecke seit Erwerb geteilt durch erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt) war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; die Annahme des Oberlandesgerichts, das Fahrzeug habe im Erwerbszeitpunkt eine Gesamtlaufleistungserwartung von 250.000 Kilometern gehabt, hatte der Kläger mit seiner Revision nicht angegriffen.
Einen Anspruch des Klägers auf sogenannte "Deliktszinsen" nach § 849 BGB ab Zahlung des Kaufpreises hat der VI. Zivilsenat ebenfalls verneint. Zwar erfasst diese Vorschrift grundsätzlich jeden Sachverlust durch Delikt, auch den Verlust von Geld in jeder Form. Dies gilt auch dann, wenn dieser Verlust - wie hier - mit Willen des Geschädigten durch Weggabe erfolgt.
Vorliegend stand einer Anwendung des § 849 BGB aber jedenfalls der Umstand entgegen, dass der Kläger als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhalten hat; die tatsächliche Möglichkeit, das Fahrzeug zu nutzen, kompensierte den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Geldes.
Eine Verzinsung gemäß § 849 BGB entspricht in einem solchen Fall nicht dem Zweck der Vorschrift, mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer entzogenen oder beschädigten Sache auszugleichen.

Vorinstanzen: Landgericht Braunschweig - Urteil vom 27. November 2017 -11 O 603/17 Oberlandesgericht Braunschweig - Urteil vom 20. August 2019 - 7 U 5/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 249 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. […].
§ 849 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Ist wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen, so kann der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird.

Unfall und was dann? Unfallstelle professionell absichern, die richtige Schadenmeldung  

Coburg/Duisburg, 28. Juli 2020 - Ferienzeit ist Urlaubszeit. Wie in jedem Jahr quälen sich Autokolonnen über deutsche Straßen. Das Risiko, in einen Unfall verwickelt zu werden, steigt. Das Risiko kennen die Autofahrer. Deutlich weniger können die Frage beantworten: Was ist im Fall der Fälle zu tun? Werden Menschen verletzt, sollte die Polizei und wenn nötig auch der Krankenwagen informiert werden. Noch bevor die Polizei eintrifft, gilt es erste Hilfe zu leisten und die Unfallstelle zu sichern.
Letzteres beginnt mit dem Einschalten der eigenen Warnblinkanlage und dem Anziehen der Warnweste noch im Auto. Danach wird das Warndreieck aufgestellt: Innerorts sollte es 50 Meter und auf Landstraßen mindestens 150 Meter entfernt zur Unfallstelle stehen. Auf Autobahnen beträgt die Distanz zwischen Warndreieck und Schadenort mindestens 200 Meter. Liegt die Unfallstelle in einer Kurve oder hinter einer Kuppe, wird das Warndreieck davor aufgestellt. Wichtig ist, dass das Warndreieck so steht, dass andere Verkehrsteilnehmer rechtzeitig und deutlich sichtbar auf die Gefahrenstelle aufmerksam werden.
Das Aufstellen auf Landstraßen und Autobahnen ist ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen. Zum eigenen Schutz läuft man ganz weit rechts, am äußersten Fahrbahnrand – noch besser: das Laufen hinter der Leitplanke. Wer das Warndreieck aufgeklappt vor sich her trägt, verbessert zusätzlich seine Sichtbarkeit. Die Polizei hält alle Unfall-Fakten in einem Protokoll fest. Bleiben die Kontrahenten unter sich, füllt man, wie die HUK-COBURG mitteilt, am besten einen europäischen Unfallbericht aus. Der sollte griffbereit im Handschuhfach liegen.

Wer alle Fragen nach Personalien, Versicherung und Unfallhergang beantwortet sowie ein Foto vom Unfallgeschehen macht, hat eine solide Basis für die Schadenregulierung gelegt. Gibt es Zeugen, werden natürlich deren Personalien notiert. – Den Unfallbericht stellen Versicherer ihren Kunden in der Regel kostenlos zur Verfügung. Stehen die Fakten fest, ist der Unfallverursacher in der Uhr. Er muss seiner Versicherung den Schaden zeitnah melden. Und selbst wenn die Haftung klar zu sein scheint, sollte der Geschädigte das Gespräch mit der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung suchen.

Unfall mit ausländischem Pkw?
Deutschland ist ein Transitland. Gerade im Sommer sind viele ausländische Pkw auf deutschen Straßen unterwegs und Unfälle zwischen Ausländern und Deutschen keine Seltenheit. Verschuldet ein Ausländer einen Unfall, kann sich der deutsche Geschädigte mit seinen Ansprüchen an das „Deutsche Grüne Karte Büro“ wenden (Telefon (030) 2020 5757; Telefax (030) 2020 6757; dbgk@gruene-karte.de). In der Regel überträgt das „Deutsche Grüne Karte Büro“ die Schadenregulierung an einen inländischen Kfz-Haftpflichtversicherer. Der Schaden des deutschen Unfallopfers wird also reguliert, als hätte ein deutscher Verkehrsteilnehmer den Unfall verschuldet.

Unfall - was tun?

Bundesgerichtshof entscheidet über Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google: Nicht immer gilt ein "Recht auf Vergessenwerden"

Karlsruhe. 27. Juli 2020 - Der Kläger war Geschäftsführer eines Regionalverbandes einer Wohlfahrtsorganisation. Im Jahr 2011 wies dieser Regionalverband ein finanzielles Defizit von knapp einer Million Euro auf; kurz zuvor meldete sich der Kläger krank. Über beides berichtete seinerzeit die regionale Tagespresse unter Nennung des vollen Namens des Klägers. Der Kläger begehrt nunmehr von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine "Google", es zu unterlassen, diese Presseartikel bei einer Suche nach seinem Namen in der Ergebnisliste nachzuweisen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für Ansprüche aus dem Datenschutzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers zurückgewiesen.
Der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Auslistung der streitgegenständlichen Ergebnislinks ergibt sich nicht aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO. Der Auslistungsanspruch aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO erfordert nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. November 2019 (1 BvR 276/17 – Recht auf Vergessen II) eine umfassende Grundrechtsabwägung, die auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen Person einerseits (Art. 7, 8 GRCh), der Grundrechte der Beklagten, der Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit sowie der Grundrechte der Anbieter der in den beanstandeten Ergebnislinks nachgewiesenen Inhalte andererseits (Art. 11, 16 GRCh) vorzunehmen ist.

Da im Rahmen dieser Abwägung die Meinungsfreiheit der durch die Entscheidung belasteten Inhalteanbieter als unmittelbar betroffenes Grundrecht in die Abwägung einzubeziehen ist, gilt keine Vermutung eines Vorrangs der Schutzinteressen des Betroffenen, sondern sind die sich gegenüberstehenden Grundrechte gleichberechtigt miteinander abzuwägen. Aus diesem Gebot der gleichberechtigten Abwägung folgt aber auch, dass der Verantwortliche einer Suchmaschine nicht erst dann tätig werden muss, wenn er von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung des Betroffenen Kenntnis erlangt.
An seiner noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten der DS-GVO entwickelten gegenteiligen Rechtsprechung (Senatsurteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350, 363 Rn. 36 i.V.m. 370 f. Rn. 52) hält der Senat insoweit nicht fest. Nach diesen Grundsätzen haben die Grundrechte des Klägers auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs im konkreten Fall hinter den Interessen der Beklagten und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer, der Öffentlichkeit und der für die verlinkten Zeitungsartikel verantwortlichen Presseorgane zurückzutreten, wobei der fortdauernden Rechtmäßigkeit der verlinkten Berichterstattung entscheidungsanleitende Bedeutung für das Auslistungsbegehren gegen die Beklagte zukommt.

Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des vorliegend unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts und die bei Prüfung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DS-GVO vorzunehmende umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts stützen. Verfahren VI ZR 476/18: Der Kläger ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleitungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt.
Die Klägerin ist seine Lebensgefährtin und war Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Webseite eines US-amerikanischen Unternehmens, dessen Ziel es nach eigenen Angaben ist, "durch aktive Aufklärung und Transparenz nachhaltig zur Betrugsprävention in Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen", erschienen im Jahr 2015 mehrere Artikel, die sich kritisch mit dem Anlagemodell einzelner dieser Gesellschaften auseinandersetzten. Einer dieser Artikel war mit Fotos der Kläger bebildert.
Über das Geschäftsmodell der Betreiberin der Webseite wurde seinerseits kritisch berichtet, u.a. mit dem Vorwurf, sie versuche, Unternehmen zu erpressen, indem sie zunächst negative Berichte veröffentliche und danach anbiete, gegen ein sog. Schutzgeld die Berichte zu löschen bzw. die negative Berichterstattung zu verhindern. Die Kläger machen geltend, ebenfalls erpresst worden zu sein. Sie begehren von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine "Google", es zu unterlassen, die genannten Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste nachzuweisen und die Fotos von ihnen als sog. "thumbnails" anzuzeigen.
Die Beklagte hat erklärt, die Wahrheit der in den verlinkten Inhalten aufgestellten Behauptungen nicht beurteilen zu können. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Zum einen ist durch den Gerichtshof der Europäischen Union zu klären, ob es mit den Rechten des Betroffenen auf Achtung seines Privatlebens (Art. 7 GRCh) und auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten (Art. 8 GRCh) vereinbar ist, bei der im Rahmen der Prüfung seines Auslistungsbegehrens gegen den Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes gemäß Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen aus Art. 7, 8, 11 und 16 GRCh dann, wenn der Link, dessen Auslistung beantragt wird, zu einem Inhalt führt, der Tatsachenbehauptungen und auf Tatsachenbehauptungen beruhende Werturteile enthält, deren Wahrheit der Betroffene in Abrede stellt, und dessen Rechtmäßigkeit mit der Frage der Wahrheitsgemäßheit der in ihm enthaltenen Tatsachenbehauptungen steht und fällt, maßgeblich auch darauf abzustellen, ob der Betroffene in zumutbarer Weise - z.B. durch eine einstweilige Verfügung - Rechtsschutz gegen den Inhalteanbieter erlangen und damit die Frage der Wahrheit des vom Suchmaschinenverantwortlichen nachgewiesenen Inhalts einer zumindest vorläufigen Klärung zuführen könnte.

Zum anderen bittet der Bundesgerichtshof um Antwort auf die Frage, ob im Falle eines Auslistungsbegehrens gegen den Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes, der bei einer Namenssuche nach Fotos von natürlichen Personen sucht, die Dritte im Zusammenhang mit dem Namen der Person ins Internet eingestellt haben, und der die von ihm aufgefundenen Fotos in seiner Ergebnisübersicht als Vorschaubilder ("thumbnails") zeigt, im Rahmen der nach Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a DS-RL / Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen aus Art. 7, 8, 11 und 16 GRCh der Kontext der ursprünglichen Veröffentlichung des Dritten maßgeblich zu berücksichtigen ist, auch wenn die Webseite des Dritten bei Anzeige des Vorschaubildes durch die Suchmaschine zwar verlinkt, aber nicht konkret benannt und der sich hieraus ergebende Kontext vom Internet-Suchdienst nicht mit angezeigt wird.

Vorinstanzen: VI ZR 405/18: Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 6. September 2018 – 16 U 193/17 Landgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 26. Oktober 2017 – 2-03 O 190/16 und VI ZR 476/18: Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 8. November 2018 – 15 U 178/17 Landgericht Köln – Urteil vom 22. November 2017 – 28 O 492/15

Die maßgebliche Vorschrift der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) lautet: Art. 17 Recht auf Löschung ("Recht auf Vergessenwerden") (1) Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern einer der folgenden Gründe zutrifft:
a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. (…)
c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.
d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet. (…) (3)
Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Verarbeitung erforderlich ist a) zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information (…)

Quadratische Verpackung für Ritter-Sport-Schokolade bleibt als Marke geschützt Karlsruhe, 23. Juli 2020 - I ZB 42/19 und I ZB 43/19

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute die Anträge auf Löschung von zwei für Tafelschokolade eingetragenen Marken in Form quadratischer Verpackungen zurückgewiesen. Damit steht fest, dass diese Verpackungen weiterhin als Marken geschützt sind.
Sachverhalt: Für die Markeninhaberin sind seit 1996 und 2001 zwei dreidimensionale Formmarken als verkehrsdurchgesetzte Zeichen für die Ware "Tafelschokolade" registriert. Sie zeigen in zwei verschiedenen Größen jeweils die Vorderseite und die Rückseite einer Verpackung mit einer quadratischen Grundfläche sowie zwei seitlichen Verschlusslaschen und einer weiteren Verschlusslasche auf der Rückseite.
Dabei handelt es sich um die neutralisierten Verpackungen der Tafelschokoladen "Ritter Sport" und "Ritter Sport Minis". Bisheriger Verfahrensverlauf: Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt in zwei Verfahren jeweils die Löschung der Marken beantragt. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Anträge zurückgewiesen. Auf die Beschwerden der Markeninhaberin hat das Bundespatentgericht die Löschung der Marken angeordnet. Es hat angenommen, die Zeichen seien nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, weil sie ausschließlich aus einer Form bestünden, die durch die Art der Ware selbst bedingt sei.

Auf die Rechtsbeschwerden der Markeninhaberin hat der Bundesgerichtshof diese Entscheidungen aufgehoben und die Verfahren an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Er hat ausgeführt, das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG liege nicht vor; das Bundespatentgericht habe deshalb die von ihm offengelassene Frage zu prüfen, ob das Eintragungshindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bestehe.

Danach sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht, dem Schutz als Marke nicht zugänglich. Das Bundespatentgericht hat angenommen, dieses Schutzhindernis liege nicht vor, und hat die Beschwerden der Antragstellerin zurückgewiesen. Dagegen hat nun die Antragstellerin Rechtsbeschwerden beim Bundesgerichtshof eingelegt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerden zurückgewiesen. Die Löschungsanträge sind nicht begründet. Die eingetragenen Marken bestehen nicht ausschließlich aus einer Form, die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht. Das einzige wesentliche Merkmal der als Marken eingetragenen Warenverpackungen sind deren quadratische Grundflächen.
Diese verleihen der in den Verpackungen vertriebenen Tafelschokolade keinen wesentlichen Wert. Maßgeblich für die insoweit erforderliche Beurteilung sind Beurteilungskriterien wie die Art der in Rede stehenden Warenkategorie, der künstlerische Wert der fraglichen Form, ihre Andersartigkeit im Vergleich zu anderen auf dem jeweiligen Markt allgemein genutzten Formen, ein bedeutender Preisunterschied gegenüber ähnlichen Produkten oder die Ausarbeitung einer Vermarktungsstrategie, die hauptsächlich die ästhetischen Eigenschaften der jeweiligen Ware herausstreicht.

Das Schutzhindernis liegt vor, wenn aus objektiven und verlässlichen Gesichtspunkten hervorgeht, dass die Entscheidung der Verbraucher, die betreffende Ware zu kaufen, in hohem Maß durch dieses Merkmal bestimmt wird. Auf der Grundlage der vom Bundespatentgericht getroffenen Feststellungen kann nicht angenommen werden, dass die Entscheidung der Verbraucher, die in den quadratischen Verpackungen vertriebene Tafelschokolade zu kaufen, in hohem Maße dadurch bestimmt wird, dass diese Verpackungsform der Schokolade einen wesentlichen Wert verleiht.

Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts hat die quadratische Form der Verpackung keinen besonderen künstlerischen Wert und führt auch nicht zu bedeutenden Preisunterschieden gegenüber ähnlichen Produkten. Die Markeninhaberin verfolgt zwar eine Vermarktungsstrategie, in der sie die quadratische Form der Verpackung mit dem bekannten Werbespruch "Quadratisch. Praktisch. Gut." herausstellt. Dies kann zwar dazu führen, dass die Entscheidung der Verbraucher, die Schokolade zu erwerben, durch die quadratische Form der Verpackung bestimmt wird, weil die Verbraucher darin einen Hinweis auf die Herkunft der Schokolade aus einem bestimmten Unternehmen sehen und damit bestimmte Qualitätserwartungen verbinden. Darauf kommt es aber nicht an.

Vom Markenschutz ausgeschlossen ist die Form einer Ware oder einer Verpackung nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nur dann, wenn sie der Ware einen wesentlichen Wert verleiht. Dafür bestehen im Fall der hier in Rede stehenden quadratischen Tafelschokolade-Verpackungen keine Anhaltspunkte.

Vorinstanzen: BPatG - Beschlüsse vom 4. November 2016 - 25 W (pat) 78/14 BGH - Beschlüsse vom 18. Oktober 2017 - I ZB 105/16, BGHZ 216, 208 - Quadratische Tafelschokoladenverpackung I und I ZB 106/16 BPatG - Beschlüsse vom 13. Dezember 2018 - 25 W (pat) 78/14 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 3 MarkenG (in der bis zum 13. Januar 2019 geltenden Fassung) Dem Schutz als Marke nicht zugänglich sind Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, 1. die durch die Art der Ware selbst bedingt ist, […] 3. die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht.


Regelungen zur Bestandsdatenauskunft verfassungswidrig
Karlsruhe, 17. Juli 2020  - Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts § 113 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und mehrere Fachgesetze des Bundes, die die manuelle Bestandsdatenauskunft regeln, für verfassungswidrig erklärt. Sie verletzen die beschwerdeführenden Inhaber von Telefon- und Internetanschlüssen in ihren Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung sowie auf Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG).
Die manuelle Bestandsdatenauskunft ermöglicht es Sicherheitsbehörden, von Telekommunikationsunternehmen Auskunft insbesondere über den Anschlussinhaber eines Telefonanschlusses oder einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen IP-Adresse zu erlangen. Mitgeteilt werden personenbezogene Daten der Kunden, die im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Durchführung von Verträgen stehen (sogenannte Bestandsdaten).
Nicht mitgeteilt werden dagegen Daten, die sich auf die Nutzung von Telekommunikationsdiensten (sogenannte Verkehrsdaten) oder den Inhalt von Kommunikationsvorgängen beziehen. Die Erteilung einer Auskunft über Bestandsdaten ist grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig. Der Gesetzgeber muss aber nach dem Bild einer Doppeltür sowohl für die Übermittlung der Bestandsdaten durch die Telekommunikationsanbieter als auch für den Abruf dieser Daten durch die Behörden jeweils verhältnismäßige Rechtsgrundlagen schaffen.

Übermittlungs- und Abrufregelungen müssen die Verwendungszwecke der Daten hinreichend begrenzen, indem sie insbesondere tatbestandliche Eingriffsschwellen und einen hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz vorsehen. Der Senat hat klargestellt, dass die allgemeinen Befugnisse zur Übermittlung und zum Abruf von Bestandsdaten trotz ihres gemäßigten Eingriffsgewichts für die Gefahrenabwehr und die Tätigkeit der Nachrichtendienste grundsätzlich einer im Einzelfall vorliegenden konkreten Gefahr und für die Strafverfolgung eines Anfangsverdachts bedürfen.

Findet eine Zuordnung dynamischer IP-Adressen statt, muss diese im Hinblick auf ihr erhöhtes Eingriffsgewicht darüber hinaus auch dem Schutz oder der Bewehrung von Rechtsgütern von zumindest hervorgehobenem Gewicht dienen. Bleiben die Eingriffsschwellen im Bereich der Gefahrenabwehr oder der nachrichtendienstlichen Tätigkeit hinter dem Erfordernis einer konkreten Gefahr zurück, müssen im Gegenzug erhöhte A-forderungen an das Gewicht der zu schützenden Rechtsgüter vorgesehen werden. Die genannten Voraussetzungen wurden von den angegriffenen Vorschriften weitgehend nicht erfüllt. Im Übrigen hat der Senat wiederholend festgestellt, dass eine Auskunft über Zugangsdaten nur dann erteilt werden darf, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Nutzung gegeben sind.


Zulässigkeit einer Berichterstattung über lange zurückliegende Fehltritte öffentlich bekannter Personen
Karlsruhe, 9. Juli 2020 - Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem Beschluss einer Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit stattgegeben. Sie richtet sich gegen ein zivilgerichtliches Verbot, in einem Porträtbeitrag über einen öffentlich bekannten Unternehmer dessen mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Täuschungsversuch im juristischen Staatsexamen zu thematisieren. Die Kammer greift damit die Maßgaben der Senatsentscheidungen zum „Recht auf Vergessen“ auf und konkretisiert sie für die Konstellation aktueller Berichterstattung über vergangene Ereignisse. Dabei hat sie bekräftigt, dass eine wahrhafte Berichterstattung über Umstände des sozialen und beruflichen Lebens im Ausgangspunkt hinzunehmen ist.
Zudem hat sie klargestellt, dass die Gewährleistung einer „Chance auf Vergessenwerden“ durch das Grundgesetz nicht dazu führt, dass die Möglichkeit der Presse, in ihren Berichten Umstände zu erwähnen, die den davon Betroffenen unliebsam sind, schematisch durch bloßen Zeitablauf erlischt. Vielmehr kommt es darauf an, ob für den Bericht als Ganzen ein hinreichendes Berichterstattungsinteresse besteht und ob es für die Einbeziehung des das Ansehen negativ berührenden Umstands objektivierbare Anknüpfungspunkte gibt. Solange das der Fall ist, ist es Aufgabe der Presse, selbst zu beurteilen, welche Umstände und Einzelheiten sie im Zusammenhang eines Berichts für erheblich hält und der Öffentlichkeit mitteilen will. Dies gilt auch unter den Verbreitungsbedingungen des Internets.

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen strafrechtliche Verurteilung wegen Weitergabe einer unverpixelten Bildaufnahme an eine Presseredaktion
Karlsruhe, 8. Juli 2020 - Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem Beschluss einer Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Pressefreiheit stattgegeben, die sich gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen unbefugten Verbreitens eines Bildnisses richtet.
Die Bildaufnahme war anschließend ohne ausreichende Verpixelung in einer großen Tageszeitung veröffentlicht worden. Die Kammer stellt klar, dass es Pressefotografen und Journalisten möglich sein muss, ohne Furcht vor Strafe unverpixeltes Bildmaterial an Redaktionen zu liefern. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch eine spätere Veröffentlichung besteht auch dann nicht, wenn die Zulieferer die Veröffentlichung aktiv anstreben. Anderes kann nur gelten, wenn im Zuge der Weitergabe Umstände verschwiegen werden, die für die von den Redaktionen zu verantwortende Entscheidung über eine Unkenntlichmachung erheblich sind.

Mieter müssen sich an den Renovierungskosten regelmäßig zur Hälfte beteiligen

Haus & Grund fordert Klarstellung vom Gesetzgeber  
Hat der Mieter eine unrenovierte Wohnung – ohne angemessenen Ausgleich – angemietet, ist der Vermieter während des Mietverhältnisses zur Ausführung der Schönheitsreparaturen bei wesentlicher Verschlechterung des Zustandes verpflichtet. Mieter müssen sich aber an den Renovierungskosten regelmäßig zur Hälfte beteiligen.
Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) heute in zwei Fällen entschieden (VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18) - siehe untenstehendes Urteil.


Der Vermieterverband Haus & Grund Deutschland sieht nun große Probleme bei der praktischen Umsetzung und fürchtet wachsendes Misstrauen zwischen Mietern und Vermietern während der laufenden Mietverhältnisse. Ein Mieter, der eine unrenovierte Wohnung mietet, dekoriert und renoviert diese regelmäßig nach eigenen Wünschen durch Eigenleistung. Übernimmt jetzt der Vermieter die Schönheitsreparaturen, müssen Mieter und Vermieter während des laufenden Mietverhältnisses immer im Einzelfall klären, wann und mit welchen Mitteln diese ausgeführt werden.
Eines dürfte dabei jetzt schon klar sein: Klarer und günstiger wird es durch das heutige Urteil für beide Seiten nicht. „Das Urteil ist mit Blick auf die Kosten des Wohnens ein verheerendes Signal für Mieter und Vermieter“, kommentierte Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke.
„Ist der Vermieter verpflichtet, während eines laufenden Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen auszuführen, muss er diese Kosten in die Miete einpreisen. Mieter, die nur wenige Jahre in einer Wohnung leben, werden dadurch mit höheren Kosten belastet, ohne selbst in den Genuss einer Renovierung zu kommen. Darüber hinaus tragen Mieter nach einer durchgeführten Renovierung den Selbstanteil an den angefallenen Kosten. So kann schnell ein vierstelliger Betrag zustande kommen“, gab Warnecke zu bedenken.  
Haus & Grund Deutschland fordert daher eine Klarstellung im Gesetz. Der Gesetzgeber ist jetzt aufgefordert, Wohnkosten durch Eigenleistungen der Mieter zu senken. „Schönheitsreparaturen sollen daher Mietersache sein“, fordert Warnecke.  

Bundesgerichtshof zu Ansprüchen des Mieters einer unrenoviert überlassenen Wohnung auf Durchführung von Schönheitsreparaturen durch den Vermieter

Urteil vom 8. Juli 2020 – VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18

Karlsruhe, 08. Juli 2020 - Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in zwei Verfahren entschieden, dass ein Mieter, dem eine unrenovierte Wohnung als vertragsgemäß überlassen wurde und auf den die Schönheitsreparaturen nicht wirksam abgewälzt wurden, vom Vermieter die Durchführung von Schönheitsreparaturen verlangen kann, wenn eine wesentliche Verschlechterung des Dekorationszustandes eingetreten ist. Allerdings hat er sich in diesem Fall nach Treu und Glauben an den hierfür anfallenden Kosten (regelmäßig zur Hälfte) zu beteiligen, weil die Ausführung der Schönheitsreparaturen zu einer Verbesserung des vertragsgemäßen (unrenovierten) Dekorationszustands der Wohnung bei Mietbeginn führt.

Sachverhalt und Prozessverlauf:
Verfahren VIII ZR 163/18: Die Kläger mieteten im Jahr 2002 von der beklagten Vermieterin eine bei Überlassung unrenovierte Wohnung in Berlin. Da sich aus ihrer Sicht der Zustand der Wohnungsdekoration zwischenzeitlich verschlechtert habe, forderten sie die Beklagte im März 2016 vergeblich auf, Tapezier- und Anstricharbeiten gemäß einem beigefügten Kostenvoranschlag ausführen zu lassen.
Die auf Zahlung eines entsprechenden Vorschusses in Höhe von (zuletzt) 7.312,78 € gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Zur Begründung hat das Landgericht (LG Berlin, 18. Zivilkammer) ausgeführt, den Klägern stehe ein Vorschussanspruch aus § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht zu, da die Mietsache aufgrund ihres dekorativen Verschleißes nicht mangelhaft (§ 536 Abs. 1 BGB) geworden sei. Da die Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag unwirksam sei, sei zwar grundsätzlich der Vermieter zur Instandhaltung verpflichtet. Auch sei davon auszugehen, dass sich der Zustand der Wohnungsdekoration nach einer Mietzeit von 14 Jahren im Vergleich zum (unrenovierten) Anfangszustand weiter verschlechtert habe.
Jedoch hätten die Kläger diesen Zustand als vertragsgemäß akzeptiert, so dass ein Anspruch auf Vornahme von Renovierungsarbeiten gegen den Vermieter von vorne herein ausscheide, zumal dadurch eine deutlich über den vertragsgemäß geschuldeten Zustand der Wohnung hinausgehende Verbesserung erzielt würde, welche die Beklagte nicht schulde.
Ein Anspruch des Mieters auf ein Tätigwerden des Vermieters bestehe nur dann, wenn die Wohnung zwischenzeitlich "verkommen" und "Substanzschäden" vorzubeugen sei. Dafür sei nichts ersichtlich.

Verfahren VIII ZR 270/18: In diesem Verfahren begehrt der Mieter (im Rahmen einer Widerklage) die Verurteilung der Vermieterin zur Vornahme konkret bezeichneter Schönheitsreparaturen. Die Wohnung war ihm bei Mietbeginn im Jahr 1992 von der Rechtsvorgängerin der Vermieterin unrenoviert überlassen worden. Im Dezember 2015 forderte er die Vermieterin vergeblich auf, die aus seiner Sicht zur Beseitigung des mangelhaften Renovierungszustands erforderlichen Malerarbeiten in der Wohnung auszuführen. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg.
Zur Begründung hat das Landgericht (LG Berlin, 63. Zivilkammer) ausgeführt, dem Beklagten stehe ein Anspruch auf Durchführung der von ihm geforderten Instandhaltungsarbeiten aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Zwar bestimme sich die Erhaltungspflicht des Vermieters nach dem Zustand der Mietsache bei Vertragsschluss.
Danach wäre die Klägerin (Vermieterin) aufgrund der unrenoviert überlassenen Wohnung lediglich verpflichtet, nach einem weiteren dekorativen Verschleiß den Ursprungszustand wiederherzustellen, nicht aber durch eine vollständige Renovierung dem Mieter eine Wohnung zu verschaffen, die deutlich besser sei als zu Anfang. Jedoch sei in Fällen wie dem vorliegenden nicht davon auszugehen, dass der schlechte Anfangszustand der vertragsgemäße sei.
Der Vermieter müsse sich an dem im Mietvertrag festgehaltenen – jedoch unwirksamen – "Renovierungsprogramm", wonach der Mieter von Zeit zu Zeit die Schönheitsreparaturen hätte ausführen müssen, spiegelbildlich festhalten lassen.

Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat in beiden Fällen das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zwar sind die Berufungskammern in beiden Fällen zutreffend davon ausgegangen, dass die Übertragung der Schönheitsreparaturen auf die Mieter im Formularmietvertrag unwirksam ist, da diesen jeweils eine unrenovierte Wohnung überlassen und ihnen hierfür kein angemessener finanzieller Ausgleich gezahlt wurde.
Der Bundesgerichtshof hat damit seine Rechtsprechung bestätigt, wonach in diesen Fällen an die Stelle der unwirksamen Schönheitsreparaturklausel die gesetzlich (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) normierte Erhaltungspflicht des Vermieters tritt (vgl. Senatsurteile vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14, Rn. 15, 35; vom 22. August 2018 – VIII ZR 277/16, Rn. 20).

Für eine von der Vermieterseite befürwortete ergänzende Vertragsauslegung – die ohnehin nicht zu dem - einseitig an den Interessen des Vermieters orientierten - Ergebnis führen könnte, dass dem Mieter die Ausführung von Arbeiten auf eigene Kosten freistehe, der Vermieter Schönheitsreparaturen unter keinen Umständen auszuführen habe, ist deshalb kein Raum. Ebenso wenig kann – anders als einige Literaturstimmen und das Berufungsgericht im Verfahren VIII ZR 270/18 meinen - der unwirksamen Formularklausel der Inhalt beigemessen werden, der Vermieter müsse sich spiegelbildlich an der dort vorgesehenen (frischen) Renovierung festhalten lassen und deshalb treffe ihn - ohne Rücksicht auf den (vertragsgemäßen) unrenovierten Zustand bei Mietbeginn - eine uneingeschränkte Renovierungspflicht.

Ausgangspunkt der den Vermieter treffenden Erhaltungspflicht ist grundsätzlich der Zustand der Wohnung im Zeitpunkt ihrer Überlassung an die jeweiligen Mieter, vorliegend nach der Verkehrsanschauung mithin der unrenovierte Zustand, in dem sie sie die Wohnung besichtigt und angemietet haben, ohne dass Vereinbarungen über vom Vermieter noch auszuführende Arbeiten getroffen wurden.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Verfahren VIII ZR 163/18 führt das aber nicht dazu, dass Instandhaltungsansprüche der Mieter unabhängig von dem weiteren Verschleiß der Dekoration von vornherein auszuscheiden hätten. Vielmehr trifft den Vermieter eine Instandhaltungspflicht, wenn sich der anfängliche Dekorationszustand wesentlich verschlechtert hat - was nach langem Zeitablauf seit Mietbeginn (hier: 14 bzw. 25 Jahre) naheliegt.
Allerdings ist die Wiederherstellung des (vertragsgemäßen) Anfangszustandes in der Regel nicht praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich nicht sinnvoll und liegt auch nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien. Vielmehr ist allein eine Durchführung von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch die der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt. Da hierdurch auch die Gebrauchsspuren aus der Zeit vor dem gegenwärtigen Mietverhältnis beseitigt werden und der Mieter nach Durchführung der Schönheitsreparaturen eine Wohnung mit einem besserem als dem vertragsgemäßen Zustand bei Mietbeginn erhält, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die jeweiligen Interessen der Vertragspartner in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat entschieden, dass der Mieter in derartigen Fällen zwar einerseits vom Vermieter eine "frische" Renovierung verlangen kann, sich aber andererseits in angemessenem Umfang an den dafür erforderlichen Kosten zu beteiligen hat. Soweit nicht Besonderheiten vorliegen, wird dies regelmäßig eine hälftige Kostenbeteiligung bedeuten.

Begehrt der Mieter (wie im Verfahren VIII ZR 270/18) die Vornahme der Schönheitsreparaturen durch den Vermieter, so kann dieser die Kostenbeteiligung des Mieters nach Art eines Zurückbehaltungsrechts einwenden. Verlangt der Mieter von dem mit der Durchführung der Arbeiten in Verzug geratenen Vermieter die Zahlung eines Kostenvorschusses (wie im Verfahren VIII ZR 163/18) führt die angemessene Kostenbeteiligung zu einem entsprechenden Abzug von den voraussichtlichen Kosten.

Beide Verfahren sind an das jeweilige Berufungsgericht zurückverwiesen worden, da noch weitere Feststellungen zu treffen sind und den Parteien Gelegenheit zur Ergänzung ihres Sachvortrags und Anpassung ihrer Anträge zu geben ist.
Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 535 Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags (1) ¹Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren.
²Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. […] § 536a Schadens- und Aufwendungsersatzanspruch des Mieters wegen eines Mangels (1) Ist ein Mangel im Sinne des § 536 bei Vertragsschluss vorhanden oder entsteht ein solcher Mangel später wegen eines Umstands, den der Vermieter zu vertreten hat, oder kommt der Vermieter mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der Mieter unbeschadet der Rechte aus § 536 Schadensersatz verlangen.

(2) Der Mieter kann den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn 1.der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug ist oder 2. […] Vorinstanzen: VIII ZR 163/18 Amtsgericht Charlottenburg – Urteil vom 30. November 2016– 216 C 294/16 Landgericht Berlin – Urteil vom 2. Mai 2018 – 18 S 392/16 und VIII ZR 270/17 Amtsgericht Schöneberg – Urteil vom 11. August 2017 – 19 C 408/15 Landgericht Berlin – Urteil vom 24. Juli 2018 – 63 S 283/17



 

Juni 2020

Cabrio: Parken mit offenem oder geschlossenem Verdeck
Wer Diebstahl leichtfertig ermöglicht, riskiert Versicherungsschutz
Coburg/Duisburg, 30. Juni 2020 - Autofahren mit offenem Verdeck, für viele ist es gelebte Freiheit. Knapp 2,2 Millionen Cabrios sind auf Deutschlands Straßen unterwegs (KBA, 1.1.2019). Doch irgendwann endet jede Autofahrt und die Parkplatzsuche beginnt. Damit der Zweisitzer nicht zur leichten Beute für Diebe wird, rät die HUK-COBURG Cabriofahrern darauf zu achten, wo sie parken: Knapp 3,2 Millionen Euro zahlt Deutschlands größter Autoversicherer jedes Jahr für gestohlene Cabrios bzw. für Diebstähle aus dem Cabrio.
Letztlich entscheidet der Abstellplatz darüber, ob das Verdeck offen bleiben kann oder geschlossen werden sollte. Autobesitzer mit abschließbarer Einzelgarage können das Thema Verdeck getrost vergessen, wenn sie ihren Pkw dort parken. Mehr Vorsicht ist bei Tiefgaragen geboten, die für viele Personen frei zugänglich sind. Hier gelten dieselben Regeln wie auf der Straße: Wer sein Cabrio abstellt, um schnell etwas zu besorgen, kann das Verdeck offen lassen. Wer aber mehrere Stunden parkt, sollte das Dach schließen.
Gleiches gilt bei Fahrten in Länder, in denen besonders häufig Autos gestohlen werden wie zum Beispiel in Italien oder Polen. Fans offener Verdecke sollten keine Taschen, Handys oder Ähnliches im Auto liegen lassen. Fest ein- oder angebaute Teile wie z.B. die Bordelektronik oder Fahrzeugassistenz- oder Infotainmentsysteme sind über die Teilkasko-Versicherung mitversichert. Macht ein Dieb dort lange Finger, stellt sich aber auch hier die Frage, wo und wie lange der Wagen geparkt wurde.

Verdeck auf oder zu? Wer sich nicht sicher ist, sollte sein Verdeck einfach schließen. Foto: HUK-COBURG

Fazit: Cabriofahrer, die ihr Verdeck schließen, können in punkto Versicherungsschutz nie etwas falsch machen. Wer es offen lässt und leichtfertig einen Autodiebstahl ermöglicht, muss mit Konsequenzen rechnen. Es kann sein, dass die Teilkasko-Versicherung den Schaden nicht in vollem Umfang übernimmt. Es gibt auch pragmatischen Grund für ein geschlossenes Verdeck: Nach einem Regenguss Sitze und Teppichboden des Zweisitzers zu trocknen, macht deutlich weniger Spaß als eine Spritztour an schönen Sommertagen.

 

Unwirksame Entgeltklausel für Basiskonto bei der Deutschen Bank
Urteil vom 30. Juni 2020 - XI ZR 119/19


Karlsruhe, 30. Juni 2020 - Der u.a. für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kreditinstituts enthaltenen Entgeltklauseln für ein Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen (Basiskonto) im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam sind, wenn bei der Bemessung des Entgelts das kontoführende Institut den mit der Führung von Basiskonten verbundenen Mehraufwand allein auf die Inhaber von Basiskonten umgelegt hat.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf: Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Er wendet sich gegen die im Preis- und Leistungsverzeichnis der beklagten Bank ausgewiesenen Entgelte für ein Basiskonto. Die Beklagte verwendet ein Preis- und Leistungsverzeichnis (Stand: 1. Januar 2017), in dem unter anderem die Preise für ein Basiskonto im Sinne der §§ 30 ff. ZKG geregelt sind.
 Danach beträgt der monatliche Grundpreis für ein solches Konto 8,99 €. Die in diesem Preis enthaltenen Leistungen umfassen insbesondere die Nutzung von Online-Banking, Telefon-Banking und Bankingterminals, die Nutzung des Bank Card Service, Kontoauszüge am Bankterminal, beleglose Überweisungen sowie die Einrichtung und Änderung von Daueraufträgen über Online-Banking und Bankingterminal.
Für beleghafte Überweisungen, für Überweisungen und die Einrichtung oder Änderung von Daueraufträgen über einen Mitarbeiter der Beklagten im telefonischen Kundenservice oder in der Filiale sowie für ausgestellte oder eingereichte Schecks hat der Inhaber eines Basiskontos ein zusätzliches Entgelt von jeweils 1,50 € zu entrichten. Der Kläger hält die Entgeltklauseln wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 41 Abs. 2 ZKG für unwirksam. Die Vorinstanzen haben der Unterlassungsklage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die angefochtenen Klauseln der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegen und dieser nicht standhalten. Er hat deshalb die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:
Die Entgeltklauseln sind Gegenstand der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, weil sie von der gesetzlichen Preisregelung des § 41 Abs. 2 ZKG abweichen. Danach muss das Entgelt für die grundlegenden Funktionen eines Basiskontovertrags angemessen sein, wobei für die Beurteilung der Angemessenheit insbesondere die marktüblichen Entgelte und das Nutzerverhalten zu berücksichtigen sind.
Die Einhaltung dieser gesetzgeberischen Vorgabe hat im Fall von Entgeltvereinbarungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen und in Bezug genommene Preis- und Leistungsverzeichnisse durch eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB zu erfolgen.
Die Entgeltklauseln halten der Inhaltskontrolle nicht stand und sind deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Prüfungsmaßstab für die Inhaltskontrolle ist § 41 Abs. 2 ZKG. Nach dessen Satz 1 muss das Entgelt für die von § 38 ZKG erfassten Dienste, d.h. die grundlegenden Funktionen eines Zahlungskontos, nämlich das Ein- und Auszahlungsgeschäft sowie das Lastschrift-, Überweisungs- und Zahlungskartengeschäft, angemessen sein.

Für die Beurteilung der Angemessenheit sind nach § 41 Abs. 2 Satz 2 ZKG insbesondere die marktüblichen Entgelte und das Nutzerverhalten zu berücksichtigen. Diese Bewertungsparameter sind jedoch - was sich bereits aus dem Wortlaut ("insbesondere") ergibt - nicht abschließend. Bei der Prüfung der Angemessenheit eines Entgelts für ein Basiskonto ist auch in den Blick zu nehmen, dass die Vorschriften über das Basiskonto allen, d.h. insbesondere auch einkommensarmen Verbrauchern den Zugang zu einem Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen und damit die Teilhabe am Zahlungsverkehr ermöglichen sollen und der zur Verwirklichung dieses Ziels in § 31 Abs. 1 ZKG geregelte Kontrahierungszwang nicht durch zu hohe, prohibitiv wirkende Entgelte unterlaufen werden darf.
Das Entgelt für ein Basiskonto ist jedenfalls dann nicht angemessen im Sinne des § 41 Abs. 2 ZKG, wenn in dem verlangten Entgelt Kostenbestandteile enthalten sind, die entweder gar nicht oder jedenfalls nicht nur auf die Nutzer der Basiskonten umgelegt werden dürfen. Diese Vorschrift schließt es nach ihrem Sinn und Zweck insbesondere allgemein aus, den mit der Führung von Basiskonten verbundenen Zusatzaufwand oder die mit der Ablehnung eines Antrags auf Abschluss eines Basiskontos verbundenen Kosten allein auf die Inhaber von Basiskonten umzulegen.
Vielmehr müssen diese Kosten von den Instituten durch die im freien Wettbewerb erzielbaren Leistungspreise erwirtschaftet werden. Dagegen hat die Beklagte verstoßen, indem sie nach den von ihr vorgelegten Kostenkalkulationen für das Basiskonto und die übrigen Girokonten den mit der Führung der Basiskonten verbundenen Mehraufwand ausschließlich auf die Basiskonten umgelegt hat.

 Vorinstanzen: LG Frankfurt am Main - Urteil vom 8. Mai 2018 - 2-28 O 98/17 OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 27. Februar 2019 - 19 U 104/18 (WM 2019, 2197) Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 307 Abs. 1 und 2 BGB:
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. § 38 Abs. 1 und 2 ZKG (1) Durch einen Basiskontovertrag wird das kontoführende Institut verpflichtet, für den Kontoinhaber ein Basiskonto in Euro zu eröffnen und zu führen.
(2) Die Kontoführung nach Absatz 1 muss die Erbringung folgender Zahlungsdienste ohne Kreditgeschäft (Zahlungsgeschäft) ermöglichen: die Dienste, mit denen Bareinzahlungen auf das Zahlungskonto oder Barauszahlungen von dem Zahlungskonto ermöglicht werden (Ein- oder Auszahlungsgeschäft), sowie alle für die Führung eines Zahlungskontos erforderlichen Vorgänge und die Ausführung von Zahlungsvorgängen einschließlich der Übermittlung von Geldbeträgen auf ein Zahlungskonto beim kontoführenden Institut des Kontoinhabers oder bei einem anderen Zahlungsdienstleister durch
 a) die Ausführung von Lastschriften einschließlich einmaliger Lastschriften (Lastschriftgeschäft),
 b) die Ausführung von Überweisungen einschließlich Daueraufträgen (Überweisungsgeschäft),
 c) die Ausführung von Zahlungsvorgängen mittels einer Zahlungskarte oder eines ähnlichen Zahlungsinstruments (Zahlungskartengeschäft). § 41 Abs. 1 und 2 ZKG (1)

Der Kontoinhaber ist verpflichtet, an das kontoführende Institut für die Erbringung von Diensten auf Grund des Basiskontovertrags das vereinbarte Entgelt zu entrichten. (2) Das Entgelt für die von § 38 erfassten Dienste muss angemessen sein. Für die Beurteilung der Angemessenheit sind insbesondere die marktüblichen Entgelte sowie das Nutzerverhalten zu berücksichtigen. Die Sätze 1 und 2 gelten für Vereinbarungen über vom Kontoinhaber zu erstattende Kosten entsprechend.


Verstoß gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG durch polizeiliches Betreten von Abgeordnetenbüros
30. Juni 2020 - Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat entschieden, dass der Präsident des Deutschen Bundestages einen Abgeordneten in seinem Recht aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes dadurch verletzt hat, dass die Polizei beim Deutschen Bundestag seine Abgeordnetenräume betreten hat.
Anlässlich eines Staatsbesuchs des türkischen Staatspräsidenten hatten die Beamten dort angebrachte Plakatierungen mit Zeichen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG entfernt. Zur Begründung der Entscheidung hat der Senat ausgeführt, dass das Handeln der Polizei beim Deutschen Bundestag einen Eingriff in den verfassungsrechtlich geschützten Abgeordnetenstatus darstellt.
Dieser Eingriff ist nicht gerechtfertigt, weil das Vorgehen jedenfalls nicht verhältnismäßig im engeren Sinne war. Im konkreten Fall waren die Anhaltspunkte für eine Gefahrenlage nur schwach ausgeprägt. Zudem war nicht ersichtlich, dass die Plakatierungen überhaupt von Passanten wahrgenommen worden oder zum Anlass von Angriffen auf das Parlamentsgebäude oder die Mitarbeiter genommen worden wären.



Anspruch auf Lärmschutz bei Auswechslung des Teppichbodens durch Fliesen
Urteil vom 26. Juni 2020 - V ZR 173/19

Karlsruhe, 26. Juni 2020 - Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein Wohnungseigentümer von einem anderen Wohnungseigentümer, der in seiner Wohnung den Bodenbelag ausgetauscht hat (Fliesen statt Teppichboden), die Einhaltung der schall-schutztechnischen Mindestanforderungen nach der DIN 4109 auch dann verlangen kann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und ohne diesen Mangel der Trittschall den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche.

Sachverhalt: Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnung des Klägers befindet sich im zweiten Obergeschoss des 1962 errichteten Hauses, die Wohnung des Beklagten in dem darüber liegenden Dachgeschoss. Dieses war 1995 zu Wohnraum ausgebaut und mit Teppichboden ausgestattet worden. 2008 ließ der Beklagte den Teppichboden durch Fliesen ersetzen. Der Kläger macht geltend, seitdem komme es in seiner Wohnung zu unzumutbaren Lärmbelästigungen durch Trittschall.
Ein im Jahr 2013 von der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft in Auftrag gegebenes Gutachten ergab, dass die Trittschalldämmung der Wohnungstrenndecke mit dem Fliesenbelag nicht den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspricht.
Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten, wieder Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag mit einem Trittschallverbesserungsmaß von mindestens 15 dB zu verlegen, hilfsweise durch geeignete Maßnahmen einen Normtrittschallpegel des Fußbodens von = 53 dB herzustellen.

Bisheriger Prozessverlauf: Das Amtsgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Das Landgericht hat das Urteil geändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dem Hilfsantrag stattgegeben. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten zurückgewiesen. Rechtlicher Maßstab für die zwischen den Wohnungseigentümern hinsichtlich des Schallschutzes bestehenden Pflichten ist § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen, wozu auch der Oberbodenbelag gehört, nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.

Ein solcher Nachteil ist dem Kläger infolge des Austauschs des Bodenbelags in der Wohnung des Beklagten entstanden. Der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährende Schallschutz richtet sich nach der DIN 4109, wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt und dabei nicht in den unter dem Belag befindlichen Estrich und die Geschossdecke eingegriffen wird. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und der Trittschall ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche.
Zwar muss der Schallschutz in erster Linie durch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile gewährleistet werden, insbesondere durch die Art und den Aufbau der Geschossdecke und des Estrichs. Daraus folgt aber nur, dass das mittels der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile bislang erreichte Schallschutzniveau bei Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum im Prinzip erhalten bleiben muss und jedenfalls nicht signifikant verschlechtert werden darf.
Das ändert nichts daran, dass der Wohnungseigentümer nach § 14 Nr. 1 WEG gehalten ist, insbesondere bei der Änderung des Bodenbelags darauf zu achten, dass die durch die DIN 4109 vorgegebenen schallschutztechnischen Mindestanforderungen eingehalten werden. Anders kann es sein, wenn bei einer mangelhaften Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums der Wohnungseigentümer keine zumutbare Abhilfemöglichkeit hat.
Solange er aber mit zumutbaren Maßnahmen an seinem Sondereigentum die Mindestanforderungen an den Trittschallschutz einhalten kann, wie etwa durch die Verlegung eines schalldämpfenden Teppichbodens oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags, kann der andere Wohnungseigentümer gemäß § 1004 BGB und § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG von ihm die Beseitigung der Beeinträchtigungen seines Wohneigentums verlangen. So ist es hier.

Der Trittschallpegel überschreitet die maßgeblichen Grenzwerte der DIN 4109 in der Ausgabe von 1989 von 53 dB um 14 dB. Mit dem Fliesenbelag beträgt der Trittschallpegel 66 bis 67 dB. Dem Beklagten ist die Einhaltung der Mindestanforderungen an den Trittschall auch zumutbar. Er kann dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch vergleichsweise einfache Maßnahmen erreichen, nämlich durch die Verlegung eines Teppichbodens oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags auf die bestehenden Fliesen. Welche Maßnahme er ergreift, bleibt ihm überlassen.
Demgegenüber ist die Ertüchtigung des Gemeinschaftseigentums aufwändiger und mit weitaus höheren Kosten verbunden.

Vorinstanzen: AG Mönchengladbach – Urteil vom 28. November 2018 – 36 C 438/17 LG Düsseldorf – Urteil vom 27. Juni 2019 – 19 S 152/18 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 14 WEG Pflichten des Wohnungseigentümers Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet:
1. die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst; (…) § 15 WEG Gebrauchsregelung (…)
(3) Jeder Wohnungseigentümer kann einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. § 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (1) 1Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. 2Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

Bundesgerichtshof bestätigt vorläufig den Vorwurf der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch Facebook
KVR 69/19 - Beschluss vom 23. Juni 2020

Karlsruhe, 23. Juni 2020 - Facebook verwendet Nutzungsbedingungen, die auch die Verarbeitung und Verwendung von Nutzerdaten vorsehen, die bei einer von der Facebook-Plattform unabhängigen Internetnutzung erfasst werden. Das Bundeskartellamt hat Facebook untersagt, solche Daten ohne weitere Einwilligung der privaten Nutzer zu verarbeiten. Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass dieses Verbot vom Bundeskartellamt durchgesetzt werden darf.

Sachverhalt: Die in Irland ansässige Facebook Ireland Limited (im Folgenden: Facebook) betreibt in Europa das soziale Netzwerk Facebook, mit dem privaten Nutzern eine Kommunikationsplattform im Internet zur Verfügung gestellt wird. Weitere Tochtergesellschaften des Facebook-Konzerns bieten weitere Internetdienste wie insbesondere Instagram, WhatsApp, Masquerade und Oculus an. Private Nutzer zahlen kein Entgelt für die Nutzung des sozialen Netzwerks. Ihre Teilnahme am Netzwerk setzt aber voraus, dass sie bei der Registrierung den Facebook-Nutzungsbedingungen zustimmen. Diese sehen vor, dass Facebook jedem Nutzer ein personalisiertes Erlebnis bereitstellt.

Dafür werden personenbezogene Daten des Nutzers verwendet, die Facebook aus der Nutzung anderer konzerneigener Dienste wie Instagram sowie aus sonstigen Internetaktivitäten des Nutzers außerhalb von facebook.com zur Verfügung stehen. Die Nutzungsbedingungen nehmen auf eine Datenrichtlinie Bezug, in der die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten näher erläutert wird. Das Netzwerk wird durch Online-Werbung finanziert.
Hierzu kann zum einen Werbung auf Facebook-Seiten platziert werden. Mit verschiedenen von Facebook bereitgestellten Programmierschnittstellen ("Facebook Business Tools") können Unternehmen zum anderen eigene Internetseiten oder Anwendungen für Mobilgeräte (Apps) in vielfältiger Form mit Facebook-Seiten verbinden. So können Facebook-Nutzer über Plugins ihr Interesse an diesen Seiten oder bestimmten Inhalten bekunden ("Gefällt-mir-Button" oder "Teilen-Button") oder Kommentare abgeben und sich über ein "Facebook-Login" auf Interseiten Dritter mit ihren bei Facebook registrierten Nutzerdaten einwählen.

Über von Facebook angebotene Mess- und Analysefunktionen und -programme kann der Erfolg der Werbung eines Unternehmens gemessen und analysiert werden. Dabei wird nicht nur das Verhalten der privaten Nutzer auf Facebook-Seiten erfasst, sondern über entsprechende Schnittstellen (Facebook Pixel) auch der Aufruf von Drittseiten, ohne dass der Nutzer hierfür aktiv werden muss. Über die analytischen und statistischen Funktionen von "Facebook Analytics" erhalten Unternehmen aggregierte Daten darüber, wie Facebook-Nutzer über verschiedene Geräte, Plattformen und Internetseiten hinweg mit den von ihnen angebotenen Diensten interagieren.

Bisheriger Verfahrensverlauf:
Das Bundeskartellamt sieht in der Verwendung der Nutzungsbedingungen einen Verstoß gegen das Verbot nach § 19 Abs. 1 GWB, eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen. Facebook sei auf dem nationalen Markt der Bereitstellung sozialer Netzwerke marktbeherrschend. Es missbrauche diese Stellung, indem es entgegen den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) die private Nutzung des Netzwerks von seiner Befugnis abhängig mache, ohne weitere Einwilligung der Nutzer außerhalb von facebook.com generierte nutzer- und nutzergerätebezogene Daten mit den personenbezogenen Daten zu verknüpfen, die aus der Facebook-Nutzung selbst entstehen.

Mit Beschluss vom 6. Februar 2019 hat das Bundeskartellamt Facebook und weiteren Konzerngesellschaften untersagt, entsprechende Nutzungsbedingungen zu verwenden und personenbezogene Daten entsprechend zu verarbeiten.
Das OLG Düsseldorf hat über die dagegen eingelegte Beschwerde noch nicht entschieden. Es hat aber auf Antrag von Facebook nach § 65 Abs. 3 GWB wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung die aufschiebende Wirkung der Beschwerde angeordnet. Eine solche Anordnung hat zur Folge, dass die Verfügung des Bundeskartellamts nicht vollzogen werden darf, bis über die Beschwerde entschieden ist.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Kartellsenat hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf aufgehoben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde abgelehnt. Es bestehen weder ernsthafte Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung von Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke noch daran, dass Facebook diese marktbeherrschende Stellung mit den vom Kartellamt untersagten Nutzungsbedingungen missbräuchlich ausnutzt. Maßgeblich hierfür ist nicht die vom Kartellamt in der angefochtenen Verfügung in den Vordergrund gerückte Frage, ob die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten der Facebook-Nutzer, die aus deren Nutzung des Internets außerhalb von facebook.com und unabhängig von einem Facebook-Login entstehen, mit den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung in Einklang steht.

Entscheidend ist vielmehr, dass Nutzungsbedingungen missbräuchlich sind, die den privaten Facebook-Nutzern keine Wahlmöglichkeit lassen, - ob sie das Netzwerk mit einer intensiveren Personalisierung des Nutzungserlebnisses verwenden wollen, die mit einem potentiell unbeschränkten Zugriff auf Charakteristika auch ihrer "Off-Facebook"-Internetnutzung durch Facebook verbunden ist, oder - ob sie sich nur mit einer Personalisierung einverstanden erklären wollen, die auf den Daten beruht, die sie auf facebook.com selbst preisgeben.
Das Missbrauchsurteil – das nach gefestigter Rechtsprechung sowohl die Feststellung nachteiliger Wirkungen auf den betroffenen Märkten voraussetzt als auch eine Abwägung aller beteiligten Interessen erfordert, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des GWB orientiert – beruht dabei im Wesentlichen auf folgenden Überlegungen:
Facebook ist als Betreiber eines sozialen Netzwerks auf zwei Märkten tätig. Es bietet zum einen privaten Nutzern die Plattform als Medium zur Darstellung der Person des Nutzers in ihren sozialen Beziehungen und zur Kommunikation an. Es ermöglicht zum anderen Unternehmen Werbung im Netzwerk und finanziert damit auch die Nutzerplattform, für deren Nutzung die Nutzer kein (monetäres) Entgelt zahlen.
Indem Facebook seinen Nutzern personalisierte Erlebnisse und damit über die bloße Plattformfunktion hinaus Kommunikationsinhalte bereitzustellen verspricht, ergeben sich allerdings fließende Übergänge und Verschränkungen zwischen Leistungen gegenüber den Nutzern und der Refinanzierung der Plattformbereitstellung durch unterschiedliche Formen der Online-Werbung. Als marktbeherrschender Netzwerkbetreiber trägt Facebook eine besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung des noch bestehenden Wettbewerbs auf dem Markt sozialer Netzwerke.
Dabei ist auch die hohe Bedeutung zu berücksichtigen, die dem Zugriff auf Daten aus ökonomischer Perspektive zukommt. Die fehlende Wahlmöglichkeit der Facebook-Nutzer beeinträchtigt nicht nur ihre persönliche Autonomie und die Wahrung ihres – auch durch die DSGVO geschützten – Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Vor dem Hintergrund der hohen Wechselhürden, die für die Nutzer des Netzwerks bestehen ("Lock-in-Effekte"), stellt sie vielmehr auch eine kartellrechtlich relevante Ausbeutung der Nutzer dar, weil der Wettbewerb wegen der marktbeherrschenden Stellung von Facebook seine Kontrollfunktion nicht mehr wirksam ausüben kann.

Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts wünschen erhebliche Teile der privaten Facebook-Nutzer einen geringeren Umfang der Preisgabe persönlicher Daten. Bei funktionierendem Wettbewerb auf dem Markt sozialer Netzwerke wäre ein entsprechendes Angebot zu erwarten. Hierauf könnten Nutzer ausweichen, für die der Umfang der Datenpreisgabe ein wesentliches Entscheidungskriterium wäre. Die so ausgestalteten Nutzungsbedingungen sind auch geeignet, den Wettbewerb zu behindern. Zwar ist die Marktstellung von Facebook in erster Linie durch direkte Netzwerkeeffekte geprägt, da der Nutzen des Netzwerks für die privaten Nutzer wie für die werbetreibenden Unternehmen mit der Gesamtzahl der dem Netzwerk angeschlossenen Personen steigt.

Die Marktposition von Facebook kann auch nur dann erfolgreich angegriffen werden, wenn es einem Konkurrenten gelingt, in überschaubarer Zeit eine für die Attraktivität des Netzes ausreichende Zahl von Nutzern zu gewinnen. Jedoch handelt es sich bei dem Zugang zu Daten nicht nur auf dem Werbemarkt um einen wesentlichen Wettbewerbsparameter, sondern auch auf dem Markt sozialer Netzwerke. Der Zugang von Facebook zu einer erheblich größeren Datenbasis verstärkt die ohnehin schon ausgeprägten "Lock-in-Effekte" weiter.
Außerdem verbessert diese größere Datenbasis die Möglichkeiten der Finanzierung des sozialen Netzwerks mit den Erlösen aus Werbeverträgen, die ebenfalls von Umfang und Qualität der zur Verfügung stehenden Daten abhängen. Wegen der negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb um Werbeverträge lässt sich schließlich auch eine Beeinträchtigung des Marktes für Online-Werbung nicht ausschließen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts bedarf es insoweit keiner Feststellung, dass es einen eigenständigen Markt für Online-Werbung für soziale Medien gibt und Facebook auch auf diesem Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt.

Die Beeinträchtigung muss nicht auf dem beherrschten Markt eintreten, sondern kann auch auf einem nicht beherrschten Drittmarkt eintreten. Vorinstanz: OLG Düsseldorf - Beschluss vom 26. August 2019 – VI-Kart 1/19 (V), WRP 2019, 1333 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: Relevante Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB): § 19 Verbotenes Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen (1)Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten. … § 65 Anordnung der sofortigen Vollziehung … (3)
1Auf Antrag kann das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn
1.die Voraussetzungen für die Anordnung nach Absatz 1 nicht vorgelegen haben oder nicht mehr vorliegen
oder 2.ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen
oder 3.die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
2In den Fällen, in denen die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat, kann die Kartellbehörde die Vollziehung aussetzen; die Aussetzung soll erfolgen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 vorliegen. 3Das Beschwerdegericht kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 2 oder 3 vorliegen.

Einstellung des Loveparade-Prozesess: Existentielle Probleme für viele Nebenkläge
Verein Lopa 2010 e.V.: Offener Brief an Oberbürgermeister Sören Link 
Duisburg, 2. Juni 2020 - Die Einstellung des Loveparade-Prozesses am 24.04.2020 hat nicht nur eine neue Sichtweise der Vorkommnisse  gebracht, sondern bringt zusätzlich existentielle Probleme für viele Nebenkläger mit. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits vor Monaten darauf hingewiesen, dass viele Nebenkläger vor dem finanziellen Ruin stehen werden.  

Der Verein Lopa 2010 e.V. setzt sich seit 2011 für die Interessen der Verletzten ein. Da uns bewusst war, dass nach den anfänglichen Unterstützungen durch Stadt, Land und Veranstalter keine weiteren Stützen zu erwarten waren, haben wir von Beginn an eine Stiftung als beste Lösung bevorzugt. Diese wurde nach jahrelangem Belächeln 2016 gegründet. Wir vermittelten der Stiftung unzählige Adressen Betroffener und organisierten die Jahrestage in den ersten Jahren nach dem Unglück der Loveparade 2010.
Leider mussten wir sehr schnell erkennen, dass die Stiftung kein Interesse suggerierte um für Spenden zu werben, um die finanziellen Belastungen der Betroffenen, entstanden durch den Strafprozess, Therapien und mehr, abzufedern. Ihre Aktivitäten für uns Betroffene des Loveparade-Unglücks hat sie bis heute nicht nachgewiesen. Geschäftsberichte und auch Tätigkeitsnachweise fehlen bis dato ebenfalls. Eingegangene Spendengelder kamen an und wurden durch Herrn Widera an die evangelische Notfallseelsorge abgeführt. Aus diesen genannten Gründen haben wir die Stiftung verlassen, denn sie war und ist bis zum heutigen Tage nur eine partei-politische Organisation unter der Schirmherrschaft einer kirchlichen Organisation.
Nun ist es an der Zeit, kurz vor dem zehnten Jahrestag des Unglücks, dass der Duisburger Oberbürgermeister, Sören Link, seine zugesagten Hilfen an die Betroffenen endlich in die Tat umsetzt und seine Versprechen einlöst. Es muss Gespräche geben und den Betroffenen geholfen werden! Sein Versprechen einer lückenlosen Aufklärung wird wohl niemals eingelöst. Deshalb fordern wir, die Betroffenen der Loveparade 2010, dass Herr Link sich umso mehr dafür einsetzt, sein zweites Versprechen an uns einzuhalten: Finanzielle Hilfen.

Offener Brief an Oberbürgermeister Sören Link              Duisburg, 18.05.2020 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Link,

 

wir wenden uns abermals mit der Bitte um Hilfe an Sie. Es ist viel Zeit vergangen seit der letzten Zusammenkunft. Leider konnten wir keine persönliche Kontaktaufnahme in den letzten 3-4 Jahren mit Ihnen organisieren. Im Jahre 2012 versprachen sie uns eine lückenlose Aufklärung. Sie ist wohl zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr möglich. 

Unsere Probleme sind aber bis heute nicht gelöst! Und sind auch mit der Stiftung nicht lösbar. Deshalb bitten wir Sie um einen persönlichen Termin um eine gemeinsame Lösung zu finden. 

Der Vorstand sowie Betroffene haben sich Ende des letzten Jahres mit Frau Bärbel Bas MdB zusammengesetzt und sie um Hilfe gebeten. Leider sind bei diesen Gesprächen Versprechungen gemacht worden, die wiedermal nicht eingehalten wurden. 

Da jetzt das Gerichtsverfahren eingestellt wurde, und die Nebenkläger (Betroffene) hohe Kosten haben werden wie ZB: Gerichtskosten und Anwaltskosten. Bitten wir Sie sich mit uns zusammen zu setzen um einen gemeinsamen Lösungsweg zu finden.

 

Es kann nicht sein, dass die Geschädigten der Loveparade Katastrophe nochmals bestraft werden. 

Die Spenden von Vereinen und Gruppen über die evangelische Notfallseelsorge sind von ihr angenommen worden. Weder die Betroffenen noch die Angehörigen haben je etwas davon gesehen.

 Wir bitten Sie heute noch einmal: 

Helfen Sie uns und halten Sie Ihr Versprechen. 

Mit freundlichen Grüßen

 

Mai 2020 II

Unfall oder Diebstahl: Wie sind Pedelecs versichert  
Coburg/Duisburg, 27. Mai 2020 - Oft ist Homeoffice ein anderes Wort für Dauersitzen. Bewegung steht hoch im Kurs und Radfahren erlebt gerade einen Boom. Denn wer allein auf seinem Rad sitzt, kann sich nicht anstecken. Und noch etwas spricht dafür: Beim Radfahren lässt sich die Bewegung prima in den Alltag integrieren. Denn Corona hin oder her, zumindest Einkaufen muss sein. Auch etwas weniger Trainierte müssen auf das Rad nicht verzichten. Sie können auf ein Pedelec umsteigen.

Wer nicht allein mit Muskelkraft fährt, sollte im Hinterkopf haben, dass es anderen Verkehrsteilnehmern schwerfällt, ein normales Rad von der motorunterstützten Variante zu unterscheiden. Doch wenn Geschwindigkeiten falsch eingeschätzt werden, kann ein Unfall schnell passieren, dann ist der richtige Versicherungsschutz wichtig. Welche Variante die richtige ist, hängt von der Geschwindigkeit des jeweiligen Modells ab. Bei einem Großteil der Pedelecs handelt es sich um Räder, die eine elektrische Tretunterstützung bis 25 Stundenkilometer liefern.
Wie die HUK-COBURG mitteilt, sind diese Pedelecs den Fahrrädern gleichgestellt. Sie lassen sich ohne Zulassung, Führerschein und Versicherungskenn-zeichen fahren. Das Unfallrisiko ist oft – auch bei der HUK-COBURG – in einer bestehenden Privathaftpflicht-Versicherung kostenlos miteingeschlossen. Ein Blick in die Bedingungen oder ein Gespräch mit dem Versicherer klärt, ob die kostenfreie Mitversicherung wirklich besteht.

Andere Spielregeln gelten für Fahrer der schnellen S-Pedelecs, deren Motorunterstützung erst bei 45 Kilometern pro Stunde endet. Wer sich auf den Sattel eines S-Pedelecs setzt, muss mindestens 16 Jahre alt sein, einen Führerschein der Klasse AM und eine Kfz-Haftpflichtversicherung besitzen. Das dafür notwendige Versicherungskennzeichen gibt es direkt bei der Kfz-Versicherung. Diebstahl nicht ausgeschlossen Genau wie ihre mit Muskelkraft betriebenen Pendants, die Fahrräder, werden auch S-Pedelecs gerne gestohlen. Um dagegen versichert zu sein, brauchen die Fahrer neben der Kfz-Haftpflichtversicherung noch eine Teilkasko-Versicherung.

Doch auch für Fahrer der langsameren Varianten ist Diebstahlschutz ein Thema: Verschwinden solche Pedelecs nach einem Einbruch aus dem verschlossenen Keller oder der verschlossenen Einzelgarage, ist das in der Hausratversicherung kostenlos mitversichert. Anders sieht es beim einfachen Diebstahl aus: Wenn also ein abgeschlossenes Pedelec von der Straße weggestohlen wird. Hier kann in der Regel nur der auf seinen Hausratversicherer zählen, der den Zusatzbaustein Fahrraddiebstahl in seinen Vertrag miteingeschlossen hat.
Bis zu welcher Summe die Versicherung im Schadenfall leistet, hat jeder selbst in der Hand. Dieser Schutz greift im Allgemeinen nicht nur 24 Stunden am Tag, sondern im Rahmen der Außenversicherung auch weltweit und er bezieht alle, fest mit dem Fahrrad verbundenen Teile, wie beispielsweise Sattel oder Räder, mit ein. Allerdings können solche Regelungen von Versicherer zu Versicherer variieren. An dieser Stelle bringt ein Gespräch mit dem eigenen Hausratversicherer Sicherheit.


BGH-Urteil: Schadensersatzklage im sogenannten "Dieselfall" gegen die VW AG überwiegend erfolgreich
Karlsruhe, 25. Mai 2020 - Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat hat heute entschieden, dass dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs Schadensersatzansprüche gegen VW zustehen. Er kann Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises verlangen, muss sich aber den gezogenen Nutzungsvorteil anrechnen lassen und VW das Fahrzeug zur Verfügung stellen.

Sachverhalt: Der Kläger erwarb am 10. Januar 2014 zu einem Preis von 31.490,- € brutto von einem Autohändler einen Gebrauchtwagen VW Sharan 2.0 TDl match, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist die Herstellerin des Wagens. Der Kilometerstand bei Erwerb betrug 20.000 km. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.
Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt.
Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.

Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software ein. Unter dem 15. Oktober 2015 erging gegen sie ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung, der auch das Fahrzeug des Klägers betrifft. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten.

Die Beklagte gab mit Pressemitteilung vom 25. November 2015 bekannt, Software-Updates durchzuführen, mit denen diese Software aus allen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA189 mit 2,0-Liter-Hubraum entfernt werden sollte. Nach der Installation sollen die betroffenen Fahrzeuge nur noch in einem adaptierten Modus 1 betrieben werden. Der Kläger hat das Software-Update im Februar 2017 durchführen lassen. Mit seiner Klage verlangt der Kläger im Wesentlichen die Zahlung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises in Höhe von 31.490 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht unter Zulassung der Revision die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und die Beklagte nebst Nebenpunkten in der Hauptsache verurteilt, an den Kläger 25.616,10 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen. Wegen des weitergehenden Zahlungsanspruchs hat es die Klage abgewiesen. Entscheidung des Senats: Die zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die Klageabweisung erstrebt hat, blieb ganz überwiegend ohne Erfolg; sie war nur in Bezug auf Nebenpunkte geringfügig erfolgreich.

Die Revision des Klägers, mit der er die vollständige Erstattung des Kaufpreises ohne Anrechnung einer Nutzungsentschädigung erreichen wollte, hatte keinen Erfolg. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte dem Kläger aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB haftet.
Das Verhalten der Beklagten im Verhältnis zum Kläger ist objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren. Die Beklagte hat auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe EA189 in siebenstelligen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden.
Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren.
Das gilt auch, wenn es sich um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs handelt. Das Berufungsgericht hat vor dem Hintergrund des nicht ausreichenden Vortrags der Beklagten zu den in ihrem Konzern erfolgten Vorgängen in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software von den im Hause der Beklagten für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen, namentlich dem vormaligen Leiter der Entwicklungsabteilung und den für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlichen vormaligen Vorständen, wenn nicht selbst, so zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden ist. Zu Recht hat es dieses Verhalten der Beklagten zugerechnet (§ 31 BGB).

Der Kläger ist veranlasst durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der Beklagten eine ungewollte vertragliche Verpflichtung eingegangen. Darin liegt sein Schaden, weil er ein Fahrzeug erhalten hat, das für seine Zwecke nicht voll brauchbar war. Er kann daher von der Beklagten Erstattung des Kaufpreises gegen Übergabe des Fahrzeugs verlangen. Dabei muss er sich aber die Nutzungsvorteile auf der Grundlage der gefahrenen Kilometer anrechnen lassen, weil er im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden darf, als er ohne den ungewollten Vertragsschluss stünde.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. § 31 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
Vorinstanzen: Landgericht Bad Kreuznach – Urteil vom 5. Oktober 2018 – 2 O 250/17

Bundesgerichtshof zum Schadensersatzanspruch eines Fußballvereins nach Zwangsabstieg

Karlsruhe, 20. Mai 2020 - Der u.a. für das Vereinsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über den Anspruch eines Fußballvereins auf Wiederzulassung zur Teilnahme am Spielbetrieb in der Regionalliga nach einem zu Unrecht angeordneten Zwangsabstieg entschieden. Sachverhalt: Der Beklagte führt als regionaler Fußballverband den Spielbetrieb der bei ihm eingerichteten Ligen und Wettbewerbe, u.a. die Regionalliga Nord in der vierthöchsten Spielklasse, durch.
Der Kläger ist ein Sportverein, der während der Zeit, in der seine Mannschaft in der Regionalliga Nord spielte, Mitglied des Beklagten war. Derzeit spielt die Mannschaft des Klägers in der siebthöchsten Spielklasse. Im Dezember 2013 beschloss das Präsidium des Beklagten den Zwangsabstieg des Klägers aus der Regionalliga Nord zum Ende der Spielzeit 2013/2014.
Der Bundesgerichtshof hat den Zwangsabstiegsbeschluss mit Urteil vom 20. September 2016 für nichtig erklärt (II ZR 25/15, BGHZ 212, 70, siehe auch Pressemitteilung Nr. 163/2016). Der Kläger begehrt nunmehr von dem Beklagten Schadensersatz in Form der Zulassung seiner Mannschaft zum Spielbetrieb der Regionalliga Nord zur nächsten Spielzeit.

Bisheriger Prozessverlauf: Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Zulassung zum Spielbetrieb weiter. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat die Revision zurückgewiesen. Dem Kläger steht wegen des rechtswidrigen Eingriffs in sein Mitgliedschaftsrecht durch den Zwangsabstieg zwar nach § 249 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz in Form der sogenannten Naturalrestitution zu. Er kann die Herstellung des Zustands verlangen, der bestünde, wenn er nicht zwangsabgestiegen wäre.
Nach diesem Grundsatz kann er aber keine Zulassung zur Teilnahme am Spielbetrieb in der nunmehr anstehenden nächsten Spielzeit verlangen. Ihm steht lediglich ein Anspruch darauf zu, so gestellt zu werden, wie er heute stünde, wenn er in der Spielzeit 2014/2015 noch am Spielbetrieb in der Regionalliga Nord teilgenommen hätte.
Nach dem insoweit maßgeblichen Regelwerk des Beklagten, d.h. seinem Statut sowie seiner Spielordnung nebst Anhängen, bezieht sich der mit der Mitgliedschaft im Beklagten verbundene Anspruch auf Teilnahme am Zulassungsverfahren für den Spielbetrieb der von der Beklagten veranstalteten Liga nur auf die jeweils anschließende nächste Spielzeit.
Der Kläger kann daher nur dann seine Zulassung zum Spielbetrieb der Regionalliga Nord in der nächsten anstehenden Spielzeit verlangen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könnte, dass er bei einer Teilnahme in der Spielzeit 2014/2015 auch heute noch in der Regionalliga Nord spielen würde.
Dies hat der Kläger nicht nachgewiesen, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat. Insoweit greift weder ein Anscheinsbeweis zu Gunsten des Klägers, dass er nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund eines typischen Geschehensablaufs über die Spielzeit 2014/2015 hinaus bis heute in der Regionalliga Nord verblieben wäre, noch liegen die Voraussetzungen einer anderen Beweiserleichterung vor. Da die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht gegeben waren, wurde die Revision gem. § 552a ZPO durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen.

Vorinstanzen: LG Bremen - Urteil vom 25. April 2018 - 9 O 664/17 OLG Bremen - Urteil vom 30. November 2018 - 2 U 44/18 Maßgebliche Normen: § 249 BGB [Art und Umfang des Schadensersatzes] Abs. 1 "Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre."


Ausland-Fernmeldeaufklärung nach dem BND-Gesetz verstößt in derzeitiger Form gegen Grundrechte des Grundgesetzes

Karlsruhe/Duisburg, 19. Mai 2020 - Mit heute verkündetem Urteil hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Überwachung der Telekommunikation von Ausländern im Ausland durch den Bundesnachrichtendienst an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden ist und nach der derzeitigen Ausgestaltung der Ermächtigungsgrundlagen gegen das grundrechtliche Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) und die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verstößt.
Dies betrifft sowohl die Erhebung und Verarbeitung der Daten als auch die Übermittlung der hierdurch gewonnenen Daten an andere Stellen wie ebenfalls die Kooperation mit anderen ausländischen Nachrichtendiensten. Eine verfassungsmäßige Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung (auch: „Ausland-Ausland-Telekommunikationsüberwachung“) ist jedoch möglich.

Nach der Entscheidung ist die Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG nicht auf das deutsche Staatsgebiet begrenzt. Jedenfalls der Schutz des Art. 10 Abs. 1 und des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Abwehrrechte gegenüber einer Telekommunikationsüberwachung erstreckt sich auch auf Ausländer im Ausland. Das gilt unabhängig davon, ob die Überwachung vom Inland oder vom Ausland aus erfolgt. Da der Gesetzgeber demgegenüber von der Unanwendbarkeit der Grundrechte ausgegangen ist, hat er den hieraus folgenden Anforderungen weder in formeller noch in inhaltlicher Hinsicht Rechnung getragen.

Weder ist er hinsichtlich Art. 10 Abs. 1 GG dem Zitiergebot nachgekommen noch genügen die Vorschriften zentralen Anforderungen der Grundrechte in inhaltlicher Hinsicht. Insbesondere ist die Überwachung nicht auf hinreichend bestimmte Zwecke begrenzt und durch diese kontrollfähig strukturiert; auch fehlt es an verschiedenen Schutzvorkehrungen, etwa zum Schutz von Journalisten oder Rechtsanwälten.
Hinsichtlich der Datenübermittlung fehlt es neben anderem an der Gewährleistung eines hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutzes und ausreichender Eingriffsschwellen. Entsprechend enthalten die Vorschriften zu den Kooperationen mit ausländischen Nachrichtendiensten keine hinreichenden Begrenzungen und Schutzvorkehrungen. Hinsichtlich all dieser Befugnisse fehlt es zudem an einer ausgebauten unabhängigen objektivrechtlichen Kontrolle. Eine solche Kontrolle muss als kontinuierliche Rechtskontrolle ausgestaltet sein und einen umfassenden Kontrollzugriff ermöglichen. 

Bei verhältnismäßiger Ausgestaltung ist das Instrument der strategischen Ausland-Ausland-Telekommunikationsüberwachung demgegenüber mit den Grundrechten des Grundgesetzes im Grundsatz vereinbar. Die beanstandeten Vorschriften gelten daher bis zum Jahresende 2021 fort, um dem Gesetzgeber eine Neuregelung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Anforderungen zu ermöglichen.


Eilantrag gegen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes zum Nachweis einer Masernschutzimpfung abgelehnt
Karlsruhe 18. Mai 2020 - Mit am heutigen Tag veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts Anträge auf vorläufige Außerkraftsetzung mehrerer, den Nachweis einer Masernschutzimpfung betreffende Regelungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) abgelehnt.
Nach den angegriffenen Vorschriften des IfSG darf eine Betreuung von Kindern in einer Kindertagesstätte oder bestimmten Formen der Kindestagespflege lediglich bei Nachweis entweder eines ausreichenden Impfschutzes oder einer Immunität gegen Masern erfolgen. Mit ihren Anträgen auf einstweilige Anordnung wollen die Beschwerdeführer erreichen, dass eine entsprechende Betreuung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden auch ohne den entsprechenden Nachweis erfolgen darf. Sollen wie hier gesetzliche Bestimmungen außer Kraft gesetzt werden, gilt allerdings ein strenger Maßstab.
Da die zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerden nicht vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet erscheinen, hatte die Kammer über die Anträge auf einstweilige Anordnung im Rahmen einer Folgenabwägung aufgrund summarischer Prüfung zu entscheiden. Danach muss das Interesse, Kinder ohne Masernschutzimpfung in einer Gemeinschaftseinrichtung betreuen zu lassen, gegenüber dem Interesse an der Abwehr infektionsbedingter Risiken für Leib oder Leben einer Vielzahl von Personen zurücktreten.

Unzulässige Verfassungsbeschwerden gegen Lockerungen und gegen Verlängerungen der Eindämmungsmaßnahmen zur Covid-19 Pandemie

Karlsruhe, 14. Mai 2020 - Die 1. und die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts haben mit heute veröffentlichten Beschlüssen zwei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerde des demnächst 65-jährigen Beschwerdeführers im Verfahren vor der 3. Kammer zielte darauf, Bund und Länder zu verpflichten, Lockerungen staatlicher „Corona-Maßnahmen“ zurückzunehmen. Die Verfassungsbeschwerde eines jüngeren Mannes im Verfahren vor der 1. Kammer zielte umgekehrt darauf, Einschränkungen durch die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung für unter 60 Jahre alte Menschen weiter zu lockern.

Beschlüsse der EZB zum Staatsanleihekaufprogramm kompetenzwidrig

Bundesverfassungsgericht/Karlsruhe,  5. Mai 2020 - Mit heute verkündetem Urteil hat der Zweite Senat mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das Staatsanleihekaufprogramm (Public Sector Purchase Programme – PSPP) stattgegeben.
Danach haben Bundesregierung und Deutscher Bundestag die Beschwerdeführer in ihrem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verletzt, indem sie es unterlassen haben, dagegen vorzugehen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) in den für die Einführung und Durchführung des PSPP erlassenen Beschlüssen weder geprüft noch dargelegt hat, dass die hierbei getroffenen Maßnahmen verhältnismäßig sind.

Dem steht das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 11. Dezember 2018 nicht entgegen, da es im Hinblick auf die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit der zur Durchführung des PSPP erlassenen Beschlüsse schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und damit ebenfalls ultra vires ergangen ist.
Einen Verstoß gegen das Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung konnte der Senat dagegen nicht feststellen. Aktuelle finanzielle Hilfsmaßnahmen der Europäischen Union oder der EZB im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Corona-Krise sind nicht Gegenstand der Entscheidung.

Anmerkung: Der Bundesbank wurde untersagt an der EZB-Aufkaufprogramm-Aktion mitzuwirken. Der EZB-Rat muss in einem neuen Beschluss nachvollziehbar darlegen, dass das Programm verhältnismäßig ist. Das alles steht nicht in einem Zusammenhang mit der Pandemie. Also lautet die Frage: Wann lassen weltweit die jeweiligen Notenbanken wieder Zinsen zu und stoppen die Geldschwemme? In der Pandemie-Zeit wohl eher nicht.

 

Loveparade - Mai 2020

Loveparade 2010 -2020


Loveparade-Strafverfahren eingestellt - Landgericht Duisburg erläutert  über die Ursachen der Katastrophe in einem Gerichtstermin

Duisburg, 04. Mai 2020 - Die 6. Große Strafkammer des Landgerichts Duisburg hat das Verfahren gegen die drei verbliebenen Angeklagten im LoveparadeStrafverfahren mit Zustimmung der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft eingestellt. Mit diesem Beschluss endet das Strafverfahren. Das Gericht hat den Verfahrensbeteiligten, insbesondere den Nebenklägern, die im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse über die Gründe für das Unglück in einem Termin erläutert.
In der Regel werden Einstellungsbeschlüsse nicht begründet. Den Richtern war es aber ein besonderes Anliegen, gerade für die Verletzten und Hinterbliebenen Aufklärungsarbeit zu leisten, die über die den Strafprozess bestimmende Frage nach der Schuld der Angeklagten hinausweist. Deshalb haben sie detailliert geschildert, was sich nach ihren Erkenntnissen von den Anfängen der Planung bis zum Ende des Unglückstages zugetragen haben könnte. Dabei stützen sich die Richter auf die Beweisaufnahme und den Inhalt der Akten.

Namentlich haben sie das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach vollumfänglich berücksichtigt. Als wesentliche zusammenwirkende Ursachen für die Katastrophe haben sie benannt:
- Einen Veranstaltungsort, der für das Veranstalterkonzept und die erwarteten und auch die tatsächlichen Besuchermengen nicht geeignet war,
- Zugangsanlagen, die für die erwartete Besucheranzahl zu geringe Kapazität hatten,
- zu wenig Fläche zwischen dem Zugang (über die Rampe Ost) auf das Gelände und der Fläche, auf der die Musikwagen fuhren,
- die unkoordinierte Steuerung der Personenströme,
- die massiven Störungen in der Kommunikation, die notwendige Absprachen teilweise unmöglich machten,
- die fehlende Abstimmung von Maßnahmen wegen des Rückstaus vor den Zugangsbereichen sowie zwischen dem Zugang auf das Gelände und der Fläche mit den Musikwagen,
- organisatorische Entscheidungen am Veranstaltungstag entgegen vorheriger Absprachen, - die Errichtung der (dritten) Polizeikette auf der Rampe Ost, die die Drucksituation auf der Rampe verstärkt hat,
- das nicht abgestimmte Öffnen der Zugangsanlagen trotz angeordneter Schließung,
- das Öffnen der Zaunelemente an der Zugangsanlage West um 16:31 Uhr.

Nach den Ausführungen des Gerichts hätte das Unglück auch am Veranstaltungstag noch durch eine Reihe von Maßnahmen verhindert oder zumindest in den Folgen abgemildert werden können, so etwa durch
- eine zwischen dem Veranstalter und der Polizei abgestimmte Steuerung der Personenströme und/oder
- koordinierte Maßnahmen wie zeitweilige Schließungen der Vorsperren oder der Zugangsanlagen und/oder
- den verstärkten Einsatz von Ordnern, um Personen von der Rampe weg zu leiten und auf das eigentliche Veranstaltungsgelände zu führen und/oder
- ein vorübergehendes Anhalten der Musikwagen auf der Paradestrecke, um besseren Personenfluss auf das Gelände zu ermöglichen und/oder
 - den Abbruch des Besucherzuflusses auf das Gelände und/oder

- den Abbruch des Besucherzuflusses in die Stadt Duisburg insgesamt (Stopp des Bahnverkehrs).

Nach den Ausführungen der Richter dürfte das Zusammenwirken einer Vielzahl von Umständen dazu geführt haben, dass es zu dem Gedränge mit dem tödlichen Verlauf gekommen ist. Unter Gesamtwürdigung dieser Erkenntnisse und aller Umstände der Katastrophe kommt das Gericht trotz der schwerwiegenden Folgen der Tat zu dem Schluss, dass die (mögliche) individuelle Schuld der Angeklagten an der Katastrophe zum jetzigen Zeitpunkt als gering anzusehen sei. Deshalb soll das Verfahren gegen sie nicht weitergeführt werden.

Nach Einschätzung der Richter wäre für den möglichen Fall einer Verurteilung Folgendes zu berücksichtigen: Die Handlungen der Angeklagten haben die schrecklichen Geschehnisse nicht allein, sondern erst im Zusammenwirken mit einer Vielzahl anderer Umstände möglich gemacht. Aus der Beweisaufnahme ist ersichtlich, dass die Angeklagten sich in der Planungsphase darum bemühten, eine für die Besucher sichere Veranstaltung zu organisieren.
Auch ist zu berücksichtigen, dass die Angeklagten seit fast 10 Jahren einem Strafverfahren ausgesetzt sind, das besonders großes mediales Interesse hervorgerufen hat. Zudem mussten sie sich an 183 Verhandlungstagen einer öffentlichen Hauptverhandlung stellen.
Das ganze Verfahren war vor allem für die Nebenkläger mit besonderen psychischen Belastungen verbunden. Aber auch die Angeklagten waren durch die lange Verfahrensdauer Belastungen ausgesetzt. Aus diesen Gründen hält es das Gericht für geboten, das Verfahren nach § 153 StPO einzustellen.

Das Loveparade-Strafverfahren in Zahlen
Das Loveparade-Strafverfahren ist mit dem Beschluss der 6. Großen Strafkammer vom 04.05.2020 beendet. Der Beschluss bildet das Ende einer Hauptverhandlung, die am 08.12.2017 begonnen hatte und an insgesamt 183 Hauptverhandlungstagen geführt wurde.
Das Gericht hat in der Hauptverhandlung neben einer Reihe von Sachverständigen insgesamt 116 Zeugen vernommen, vor allem Verletzte, Mitarbeiter der Stadt Duisburg, des Veranstalters der Loveparade, der Polizei und der Feuerwehr. Dabei stand den Richtern umfangreiches Aktenmaterial zur Verfügung.

Allein die Hauptakte hatte am Schluss einen Umfang von mehr als 60.000 Seiten. Hinzu kommen mehr als 1.000 Aktenordner mit ergänzendem Aktenmaterial und knapp 1.000 Stunden an Videomaterial. An der Hauptverhandlung haben zu Beginn 10 Angeklagte teilgenommen, die von 32 Rechtsanwälten verteidigt wurden, sowie mehr als 60 Nebenkläger mit 37 Nebenklageanwälten.

Auf Seiten des Gerichts waren neben dem Vorsitzenden Richter Mario Plein zwei beisitzende Richter und drei (ab Januar 2019 noch zwei) Ergänzungsrichter und neben den beiden Schöffen weitere fünf Ergänzungsschöffen an jedem Verhandlungstag anwesend. Drei Staatsanwälte haben in der Regel die Anklage vertreten.

Für die Verhandlung hat die Messe Düsseldorf das Congress Centrum Düsseldorf Ost (CCD Ost) in einen mobilen Gerichtssaal mit modernster Technik umgebaut sowie Technik- und Servicepersonal, Sanitäter und Brandwachen zur Verfügung gestellt.
Die durchschnittlichen Kosten für die Räumlichkeiten und das Personal haben sich anfänglich auf ca. 29.000 EUR pro Verhandlungstag belaufen und ab Juni 2018 auf ca. 26.000 EUR reduziert.
Seit Mai 2019 betrug die Saalmiete einschließlich Zusatzkosten durchschnittlich 22.000 EUR pro Verhandlungstag. Das beruht darauf, dass mit der Zeit die Kosten für externes Sicherheitspersonal, Technik, Sanitäter oder Brandwachen reduziert werden konnten.

Die Gesamtkosten des Verfahrens lassen sich derzeit noch nicht exakt beziffern. Zu diesen Kosten zählen die Entschädigungen für die 116 vernommenen Zeugen sowie sämtliche Sachverständigen, aber auch die Gebühren der Verteidiger und nahezu aller Nebenklagevertreter. Diese Kosten werden erst in einem späteren Verfahren – dem Kostenfestsetzungsverfahren – bestimmt.
Die Landesregierung hat zugesagt, eine Kostenübernahme im Wege der Opferentschädigung für diejenigen Nebenkläger zu prüfen, die nach dem Gesetz ihre Kosten selber tragen müssen.
Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 36 KLs 10/17

Loveparade-Verfahren: Auch Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich eine andere Vorstellung vom Ausgang des Prozesses
Das Landgericht Duisburg hat heute das Verfahren gegen die drei verbliebenen Angeklagten nach § 153 Abs. 2 der Strafprozessordnung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung eingestellt. Wir sind uns bewusst, dass diese Entscheidung den Verletzten und den Angehörigen der Verstorbenen angesichts der schweren Folgen der Katastrophe und des damit verbundenen Leids – wenn überhaupt – nur schwer zu vermitteln ist. Uns ist diese Entscheidung nicht leicht gefallen.
Auch die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich eine andere Vorstellung vom Ausgang des Prozesses. Sie erhebt die Anklage grundsätzlich nicht, um das Verfahren dann im Rahmen der Hauptverhandlung einzustellen. Deshalb empfinden auch wir die Einstellung des Verfahrens als unbefriedigend, sind aber zugleich davon überzeugt, dass diese Entscheidung nunmehr sachgerecht ist.

Der Prozess ist aus unserer Sicht nicht gescheitert oder mangels Verurteilung der Angeklagten umsonst gewesen. Denn ein wesentliches Ziel des Strafprozesses, nämlich die öffentliche Aufklärung der Tatbeiträge der Angeklagten sowie der Ursachen des Unglücks und damit die Antwort auf die nur allzu berechtigte Frage der Angehörigen und Verletzten, warum ihre Nächsten gestorben beziehungsweise warum sie verletzt worden sind, ist erreicht worden.
Hierzu wird der umfangreich begründete Beschluss des Landgerichts vom heutigen Tage beitragen können. Die Fortführung des Verfahrens zum Zwecke der Anhörung des Sachverständigen in der Hauptverhandlung verspricht keinen erheblichen weiteren Erkenntnisgewinn, der das Eingehen der mit der Corona-Pandemie einhergehenden Gesundheitsrisiken für alle Verfahrensbeteiligten rechtfertigen könnte.
Das gilt insbesondere, weil der Sachverständige auf Frage des Gerichts mitgeteilt hat, dass er im Wesentlichen an dem Gesamtergebnis seines vorläufigen schriftlichen Gutachtens festhält. Die Erkenntnisse aus dem Gutachten sind auch ohne mündliche Erörterung in der Hauptverhandlung sowohl durch die Staatsanwaltschaft als auch durch das Gericht bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.
Zudem steht nunmehr sicher fest, dass das für ein Urteil erforderliche Beweisprogramm bis zum Eintritt der absoluten Strafverfolgungsverjährung Ende Juli jedenfalls hinsichtlich des gravierendsten Vorwurfs der fahrlässigen Tötung nicht zu absolvieren ist. Zwar ist es möglich, dass die ebenfalls angeklagten fahrlässigen Körperverletzungen zu einem späteren Zeitpunkt verjähren.

Jede weitere Aufklärung des Sachverhalts in dieser Hinsicht wäre aber mit einer deutlichen Verlängerung des Verfahrens verbunden. Zudem wäre auch der Ausgang des Verfahrens ungewiss, da nicht absehbar ist, inwieweit diese Aufklärung überhaupt gelingen würde.
Bei Würdigung dieser Gesamtumstände ist die Fortführung des Prozesses aufgrund der derzeit bestehenden Gefährdungslage und mit Blick auf die Strafe, die die Angeklagten im Falle einer Verurteilung wegen des weniger gravierenden Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung noch zu erwarten hätten, nicht mehr verhältnismäßig.

 

Loveparade - Verein lopa2010ev: Was bleibt nach 3572 Tagen?
Heute ist es 3572 Tage her seitdem die beste aufgezeichnete Katastrophe in Deutschland geschehen ist. 3572 Tage ermittelt man so intensiv das bis heute die deutsche Justiz mit tausenden Videos und  Hunderttausenden Unterlagen es nicht möglich war weder Schuldige noch verantwortliche zu identifizieren. Viele Erinnern sich noch daran das hinter dem Altar der Duisburger Salvatore Kirche eine Ministerpräsidentin den anwesenden hochrangiger Vertreter der Politik Kirche sowie den Angehörigen und verletzten und Menschen in Deutschland lückenlose Aufklärung versprochen wurde .
Nun 9 Jahre, 9 Monate und 10 Tage später steht das Ergebnis fest was die deutsche Demokratie und Justiz zu bieten hat und keinen verwundert. Einstellung und das auf der frühestes Art die man sich vorstellen kann. Weder gibt man den Gutachter die Chance vorzutragen was er in diesem Verfahren längst ermittelt hat noch haben Angehörige die Chance anwesend zu sein das man wenigstens ihnen das Wort (Einstellung) in ihren Augen sagen kann.
Sicher war uns den einen früher den andern später längst klar das es kein Ergebnis geben kann da die Ermittlungen schon 7 Jahre andauerten und Massen an Unterlangen gesammelt worden sind. Nun Reiht sich auch die Loveparade Duisburg in die endlose Reihe von „Katastrophenopfern“ ein wo unser Rechtssystem versagt.
Von Rammstein, Eschede bis Berliner Breidtscheidplatz ist Politik im Spiel, nur gibt es kein Recht und Aufklärung. Unser Vertrauen in die Justiz so ist nun endgültig schwer geschädigt und wird das Leben vieler prägen. Viele Pateien nicht mehr wählbar und vertrauen in Worte von Politikern nichts mehr wert. In diesen Tagen wurde von vielen betroffenen die Fragen an uns gewendet die bis heute keine Hilfe hatten was mache ich den jetzt?
Wie geht es den weiter?
Auch ein Brief der Angehörigen erreichte uns die zum europäischen Gerichtshof ziehen wollen. Als Verein lopa2010ev sehen wir uns daher weiter in der Pflicht Hilfe zu leisten und werden selbstverständlich für eine Aufklärung kämpfen. Derzeitig gibt es viele Wege die wir noch gehen. Derzeitig prüfen
wir die Möglichkeit eine politische Untersuchung bei der EU einzufordern. 
Dieses benötigt allerdings Zeit da sie in 6 Sprachen übersetzt werden muss. Denn es liegt auf der Hand das eine erheblichen Einfluss der Politik und ein politischer Untersuchungsausschuss viele Mal verhindert wurde so wie internen Unterlangen der Vermittlung der Polizei und ihren verhalten den Prozess verweigert worden sind.
Unser Appell an die Politik ist es nun sich mit uns nach den ganzen Jahren endlich an einen Tisch eine Lösung zu finden auch da viel Nebenkläger in Zukunft zusätzlich zu ihren Schicksal nun Insolvenz sein werden. Jeder Politiker der dieses so stehen lässt hat sein Beruf verfehlt! Insbesondere sehen wir hier den Ministerpräsidenten Armin Laschet, Ministerpräsidenten Karl Josef Laumann, Ministerpräsidenten Peter  Biesenbach sowie  Ministerpräsidenten Herbert Reul sich mit uns in Verbindung zu setzen bevor der schaden größer wird.


April 2020

Eilantrag gegen Auswertung von Krankenversicherungsdaten bei offenen Erfolgsaussichten abgelehnt
Karlsruhe, 30. April 2020 - Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats einen Antrag auf vorläufige Außerkraftsetzung des Vollzugs neu in das SGB V eingefügter Vorschriften abgelehnt, die die Nutzung von Daten gesetzlich Krankenversicherter in pseudonymisierter oder anonymisierter Form im Hinblick auf digitale Innovationen und für weitere Zwecke, unter anderem zur medizinischen Forschung, ermöglichen.
Das Verfahren wirft schwierige verfassungsrechtliche Fragen auf, über die im Eilverfahren inhaltlich nicht entschieden werden kann. Die Kammer hatte deshalb aufgrund summarischer Prüfung im Rahmen einer Folgenabwägung zu entscheiden und den für die Prüfung der vorläufigen Außerkraftsetzung eines Gesetzes geltenden strengen Maßstab anzuwenden.
Die Nachteile, die sich aus einer vorläufigen Anwendung der Vorschriften ergeben, wenn sich das Gesetz im Nachhinein als verfassungswidrig erwiese, sind nach Ansicht der Kammer zwar von erheblichem Gewicht. Sie überwiegen aber nicht deutlich die Nachteile, die entstünden, wenn die Vorschriften außer Kraft träten, sich das Gesetz aber später als verfassungsgemäß erwiese.

Loveparade-Strafverfahren: Unterbrechung wegen der Corona-Pandemie beendet - Verhandlungstermin am 4. Mai kann stattfinden
Duisburg, 27. April 2020 - Mit Beschluss vom 27.04.2020 hat die 6. Große Strafkammer festgestellt, dass die Corona-Pandemie der Fortsetzung des LoveparadeStrafverfahrens vorerst nicht mehr zwingend im Wege steht und der Prozess fortgesetzt werden kann – wenn auch mit besonderen Hygienemaßnahmen. Das Gericht begründet seine Entscheidung mit einer verringerten Ansteckungsgefahr, die sich aus einer Verbesserung der allgemeinen Gefährdungslage in Bezug auf Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus und aus der zwischenzeitlich erfolgten Umsetzung von Schutzmaßnahmen im Sitzungssaal und im gesamten Gebäude ergibt.

Bei der Beurteilung der Gefährdungslage stützt sich das Gericht auf Informationen des Robert-Koch-Instituts sowie der Bundes- und der Landesregierung und folgt der Empfehlung der Landesregierung in deren Erlass vom 23.04.2020. Im gesamten Gebäude und insbesondere auch im Sitzungssaal sind bauliche Vorkehrungen getroffen worden, um den erforderlichen Sicherheitsabstand zu gewährleisten. Für Verfahrensbeteiligte und Besucher stehen zudem Spender mit Desinfektionsmittel bereit. Jede Person, die das Gebäude betritt, wird eingehend nach ihrem Gesundheitszustand befragt.
Um mögliche Infektionsketten zurückverfolgen zu können, werden sämtliche Personen, die das Gebäude betreten, namentlich erfasst. Diese Maßnahmen hat das Gericht in Absprache mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, dem zuständigen Gesundheitsamt und dem Bauaufsichtsamt der Stadt Düsseldorf umgesetzt.
Wichtiger organisatorischer Hinweis: Verfahrensbeteiligte und Zuschauer, die an der Sitzung am 04.05.2020 teilnehmen, werden dringend gebeten, im Gebäude besonders darauf zu achten, ausreichenden Abstand zu anderen Personen zu halten und die Hygienevorschriften strikt einzuhalten. Beim Aufenthalt im Sitzungsraum muss der Sicherheitsabstand zu anderen Personen nicht nur während der Sitzung, sondern insbesondere auch in Pausen bei der Bewegung im Saal eingehalten werden.
Trotz aller Vorkehrungen bleibt ein Restrisiko, bedingt durch die Vielzahl an Personen im Gebäude und deren Anreise aus dem gesamten Bundesgebiet sowie der Verhandlung in dem fensterlosen klimatisierten Saal. Für mehrere Hochrisikopatienten ist die Teilnahme an der Sitzung zwingend. Bitte helfen Sie mit, diese Personen zu schützen. Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 36 KLs 10/17


EU-Reiserecht, Flugverkehr und Tourismus in der Coronakrise: Fragen und Antworten

Brüssel/Duisburg, 27. April 2020 - Grenzkontrollen, Flugzeuge am Boden, Reisen abgesagt: Fluggesellschaften, die gesamte Reisebranche und Bürgerinnen und Bürger in der EU leiden unter den Einschränkungen, die eine schnelle, koordinierte Bewältigung der Corona-Pandemie in der EU und in der Welt erfordern. In einem ausführlichen Frage-Antwort-Katalog beantwortet die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland die am häufigsten gestellten Fragen, soweit das zum aktuellen Zeitpunkt möglich ist.
Zum Beispiel: Wie unterstützt die EU Tourismusunternehmen und Fluggesellschaften? Müssen Reisende Gutscheine für abgesagte Pauschal- und Individualreisen akzeptieren? Wie wird die Situation an den Schengen-Grenzen in den Sommerferien sein?

 

Zur Frage, ob ausgefallene Reisen oder Flüge mit einem Gutschein auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden können oder der Reisepreis rückerstattet werden muss, hat sich EU-Justizkommissar Didier Reynders bereits mehrfach klar geäußert: „Nach EU-Recht haben Verbraucher die Wahl, ob sie einen Gutschein akzeptieren oder eine Rückerstattung bevorzugen. Alle Beteiligten sollten zusammenarbeiten, um ein Angebot von freiwilligen und abgesicherten Gutscheinen zu fördern, das für die meisten Verbraucher attraktiv wäre. Die EU-Kommission hat bereits im März einen Leitfaden veröffentlicht und ihre Position mit allen Mitgliedstaaten geteilt, um einen kohärenten und fairen Ansatz in der gesamten EU zu gewährleisten.“

Wie wirkt sich die Coronavirus-Pandemie auf den Tourismus aus?

Der Tourismus ist einer der Wirtschaftsbereiche, die mit am stärksten von der Coronavirus-Pandemie betroffen sind.

Der Tourismus macht zwischen 10 und 11 Prozent der Wirtschaftsleistung der Europäischen Union aus. Sein Anteil an der Beschäftigung beträgt 12 Prozent, d.h. er sichert 27 Millionen direkte und indirekte Arbeitsplätze. Es gibt im Tourismus in der EU fast drei Millionen Unternehmen. 90 Prozent von ihnen sind kleine und mittlere Unternehmen, sehr viele davon sehr kleine Unternehmen.

Weltweit wird laut der Welttourismusorganisation(link is external) erwartet, dass die Coronavirus-Pandemie zu einem Rückgang um 20 bis 30 Prozent im internationalen Tourismus in diesem Jahr führen wird. Die EU-Kommission schätzt die Einnahmeverluste auf europäischer Ebene auf 50 Prozent für Hotels und Restaurants, 70 Prozent für Reiseveranstalter und Reisebüros und 90 Prozent für Kreuzfahrten und Fluggesellschaften.

Wie unterstützt die EU-Kommission den Tourismus, um die Folgen der Corona-Krise zu bewältigen?

Alle betroffenen Unternehmen, von den kleinen bis zu den großen, zu unterstützen, ist für die Kommission eine Schlüsselpriorität.

Die Kommission hat bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um dem Sektor seit Beginn der Pandemie zu helfen und verfolgt dabei einen doppelten Ansatz:

1. Kurzfristige Maßnahmen, damit die Unternehmen die schwierige Krise bewältigen.

2. Mittelfristig eine Reform des europäischen Tourismussektors

Mit dieser Reform soll die EU eine neue Weltreferenz für einen verantwortungsbewussten, nachhaltigen und innovativen Tourismus schaffen, als Gegenstück zu den Auswüchsen des Massentourismus.

Welche Maßnahmen hat die Kommission für den Tourismussektor im Zusammenhang mit dem Coronavirus ergriffen?

Die Kommission hat eine Reihe von Maßnahmen horizontaler und sektorspezifischer Art ergriffen, um Reise- und Tourismusakteure zu unterstützen:

- Mit neuen befristeten temporären Beihilfenregeln erlaubt die Kommission den Mitgliedstaaten, Unternehmen Zuschüsse, Darlehen und Bürgschaften zu gewähren. Die Anträge werden sehr schnell bearbeitet.

- Mit der Umschichtung von Mitteln aus den EU-Strukturfonds hat die EU-Kommission schnell 37 Mrd. Euro mobilisiert, um die am stärksten betroffenen Unternehmen zu unterstützen. Diese Mittel können auch für den Tourismus eingesetzt werden.

- Die Europäische Investitionsbank (EIB) wird einen gesamteuropäischen Garantiefonds in Höhe von 25 Mrd. Euro einrichten, der Finanzierungen in Höhe von 200 Mrd. Euro für kleine und große Unternehmen mit Schwerpunkt auf in der gesamten EU unterstützen könnte.

- Um stark betroffene KMU sofort zu entlasten, wird eine Milliarde Euro aus dem EU-Haushalt als Garantie für den Europäischen Investitionsfonds umgeschichtet. Damit sollen Banken Anreize erhalten, KMU und dem Mittelstand Liquidität zur Verfügung zu stellen. Dies wird dazu beitragen, 8 Mrd. Euro zur Unterstützung von 100.000 europäischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu mobilisieren.

Weitere Informationen:

Gesamtüberblick über die Unterstützung der EU für die Wirtschaft in der Coronakrise

Wie unterstützt die EU-Kommission den Luftfahrtsektor und die Fluggesellschaften darüber hinaus?

Zu den spezifischen EU-Maßnahmen für die Tourismus- und Reisebranche gehört die vorübergehende Aussetzung der Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen/Slots auf EU-Flughäfen, mit der sichergestellt wird, dass die Fluggesellschaften die Slots nicht verlieren, wenn sie weniger als 80 Prozent der Slots nutzen.

Am 13. März 2020 hatte die EU- Kommission den Vorschlag vorgelegt, am 30. März hat der Rat diesen verabschiedet, so dass er jetzt in Kraft ist.

Mit dieser Maßnahme werden zudem die Emissionen gesenkt, indem so genannte „Geisterflüge“ vermieden werden, bei denen Fluggesellschaften fast leere Flugzeuge fliegen, um ihre Slots zu behalten.

Am 26. März forderte die Europäische Kommission die EU-Mitgliedstaaten auf, den Luftfrachtbetrieb während der Coronavirus-Krise zu unterstützen. Der neue Leitfaden empfiehlt operative und organisatorische Schritte, um wesentliche Verkehrsströme, auch zur Beförderung medizinischer Hilfsgüter und von Personal, aufrechtzuerhalten.

Staatliche Beihilfen

Aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Coronavirus-Ausbruch hat die EU-Kommission neue zeitlich befristete Regeln für staatliche Beihilfen verabschiedet. Die am 19. März angenommene und am 3. April geänderte Rahmengesetzgebung ermöglicht es den Mitgliedstaaten, die volle Flexibilität, die in den Beihilfevorschriften vorgesehen ist, zu nutzen, um die Wirtschaft in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen, auch für besonders betroffene Sektoren wie den Luftfahrtsektor.

Der Rahmen ermöglicht es den Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass Unternehmen aller Art weiterhin ausreichend Liquidität zur Verfügung steht, um die Kontinuität der Wirtschaftstätigkeit zu wahren.

Er ergänzt viele andere Möglichkeiten, die den Mitgliedstaaten bereits zur Verfügung stehen,

- Beispielsweise können die Mitgliedstaaten allgemein anwendbare Änderungen zugunsten von Unternehmen vornehmen (z.B. Steuerstundungen oder die Förderung von Kurzarbeit in allen Sektoren), die nicht unter die Regeln für staatliche Beihilfen fallen. Sie können Unternehmen auch eine Entschädigung für Schäden gewähren, die durch den Ausbruch des Coronavirus entstanden sind und direkt durch diesen verursacht wurden. Dies kann nützlich sein, um besonders betroffene Sektoren, wie z.B. den Luftfahrtsektor, zu unterstützen.

Die Kommission arbeitet weiterhin mit allen Mitgliedstaaten zusammen, um Möglichkeiten zu erörtern und praktikable Lösungen zu finden, um diesen wichtigen Teil der Wirtschaft zu erhalten, wobei sie die volle Flexibilität nutzt, die im Rahmen der Vorschriften über staatliche Beihilfen besteht, und gleichzeitig bedenkt, dass der Binnenmarkt unser bester Trumpf ist, um diese Krise zu überstehen und danach wieder kräftig auf die Beine zu kommen.

Gibt es Beispiele für nationale Maßnahmen, die die EU-Kommission in Zusammenhang mit dem Ausbruch des Coronavirus genehmigt hat:

- Die Europäische Kommission hat am 27.4. ein Darlehen in Höhe von 550 Mio. Euro für die Fluggesellschaft Condor genehmigt für das der deutsche Staat bürgt. Mit der Maßnahme soll der Luftfahrtgesellschaft ein Ausgleich für einen Teil der durch die Coronakrise erlittenen Einbußen gewährt werden.

Wird der Flugverkehr von Umweltverpflichtungen entbunden?

Nein, die Maßnahmen in der Coronakrise entbinden die im Luftfahrtsektor tätigen Unternehmen nicht von der Verantwortung, ihren Umweltverpflichtungen nachzukommen.

Die Europäische Kommission hat sich verpflichtet, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, ein Ziel, zu dem alle Wirtschaftssektoren einschließlich der Luftfahrt beitragen müssen. Die Kommission wird noch in diesem Jahr eine Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität vorzulegen.

Außerdem schreiten die Arbeiten der EU-Kommission an der Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie voran, ebenso wie die Vorbereitungen zur Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems (ETS) bis Mitte 2021.

Unternehmen, die in allen Sektoren tätig sind, einschließlich derjenigen, die staatliche Beihilfen erhalten, sollten ihren Beitrag zu unserer europäischen Agenda für grünes Wachstum leisten.

Kann die Kommission ihre Genehmigungen staatlicher Beihilfen an die Einhaltung bestimmter Umweltkriterien/der EU-Klimaziele knüpfen?

Es ist Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, ob sie staatliche Beihilfen gewähren wollen, und Maßnahmen im Einklang mit den EU-Beihilfevorschriften und ihren politischen Zielen zu konzipieren, wie z. B. die grüne und digitale Umgestaltung ihrer Wirtschaft.

Eine gezielte und verhältnismäßige Anwendung der EU-Beihilfevorschriften gewährleistet, dass nationale Unterstützungsmaßnahmen Unternehmen, die von den wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus-Ausbruchs betroffen sind, wirksam helfen und gleichzeitig unangemessene Verzerrungen des EU-Binnenmarkts begrenzen.

 

Rechtsanwälte der Nebenklage appellieren: Loveparade-Prozess jetzt nicht einstellen!
Duisburg, 23. April 2020 - Die Unterzeichner sind Nebenklagevertreter im LoveparadeStrafverfahren. Wir haben zum Teil bereits in individuellen Stellungnahmen für unsere Mandanten der geplanten Einstellung des LoveparadeVerfahrens widersprochen. Mit diesem öffentlichen Appell wenden wir uns noch einmal an die 6. große Strafkammer des Landgerichts Duisburg: Wir appellieren an das Gericht, das Loveparade-Strafverfahren zum jetzigen Zeitpunkt nicht - wie geplant - einzustellen.
Im Frühjahr 2019 hatte das Gericht den Nebenklägern erneut versprochen, die Ursachen der Loveparade-Katastrophe 2010 umfassend aufzuklären. Ein wesentlicher und unverzichtbarer Schritt dazu ist die Einführung der Erkenntnisse des gerichtlich bestellten Sachverständigen Professor Dr.-Ing. Jürgen Gerlach in die Hauptverhandlung, dessen schriftliches Gutachten allein 3.800 Seiten beträgt. Dazu hatte das Gericht bereits vor der Corona- Krise Verhandlungstage reserviert.
Es gibt keinen zwingenden Grund den Loveparade-Prozess vor der Anhörung des Sachverständigen einzustellen! Ein Gesetz, das wegen der Corona-Krise am 27. März 2020 in Kraft getreten ist, ermöglicht es der Strafkammer, „Corona bedingt“, das Strafverfahren insgesamt für bis zu drei Monate zu unterbrechen.
Bereits am 2. April hat die Kammer die Verhandlung unter Verweis auf dieses neue Gesetz unterbrochen: „Das Gericht hat die Dauer der Unterbrechung zeitlich nicht eingegrenzt. (..) Theoretisch wäre (…) eine Unterbrechung bis Anfang Juni möglich. Das Gericht beobachtet die dynamische Entwicklung der Corona Pandemie fortlaufend und überprüft, ab wann eine geänderte Gefährdungslage eine veränderte Risikobewertung zulässt“. (Presseerklärung des Landgerichts Duisburg vom 02.04.2020, Hervorhebungen durch die Unterzeichner)
Nur 5 Tage nach dieser unbefristeten Unterbrechung der Hauptverhandlung wird am 7. April klar, dass die Strafkammer das Strafverfahren nicht etwa unterbrechen, sondern endgültig einstellen will. Dazu gibt weder der dynamische Verlauf der Corona-Pandemie in diesen Tagen Anlass, noch liegen dazu die gesetzlichen Voraussetzungen vor. In Nordrhein-Westfalen sind fast alle Gerichtsverhandlungen im April unterbrochen worden.
Es gehe „nun darum, unter Beachtung aller fortgeltenden Regeln der Gesundheitsfürsorge Schritt für Schritt zum ursprünglichen Geschäftsbetrieb zurückzukehren.“ (Peter Biesenbach, Justizminister des Landes NRW am 19.04.2020) Der Loveparade-Prozess findet im Kongresszentrum der Messe Düsseldorf statt. Dort bestehen aufgrund der Größe des Saals bessere Bedingungen als in jedem anderen Gerichtssaal im Land, um eine Hauptverhandlung auch unter den verstärkten „Corona-Bedingungen“ durchzuführen. Unter diesen hervorragenden Voraussetzungen gibt es keinen Grund, das Verfahren jetzt überstürzt einzustellen.
Das Gericht sollte vielmehr sein Versprechen vom Frühjahr 2019 jetzt einlösen. Das wichtigste Mittel der Aufklärung ist das als nächstes in die Hauptverhandlung einzuführende Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach. Die Nebenkläger und ihre Vertreter erhoffen sich von diesem Gutachten Struktur und Durchblick im Dickicht des sich mehrfach überlagernden, multikausalen Geschehens, welches letztendlich zu der Katastrophe mit 21 Toten und mehr als 650 Verletzten geführt hat.
Die Nebenkläger haben viele Fragen an den Gutachter und müssen die Möglichkeit erhalten, diese Fragen direkt an ihn in einer öffentlichen Verhandlung zu richten. Erst nach der Einführung des Gutachtens durch Professor Gerlach und der öffentlichen Diskussion dazu kann in einem Rechtsgespräch der Fortgang des Loveparade-Verfahrens und ggf. dessen Einstellung erörtert werden.

Loveparade-Strafverfahren: Weiterer Verlauf des Verfahrens Verlängerte Stellungnahmefrist für Nebenkläger und Aufhebung eines Sitzungstermins
Duisburg, 17. April 2020 - Die drei Angeklagten und die Staatsanwaltschaft haben heute schriftlich erklärt, einer Einstellung des Loveparade-Strafverfahrens nach § 153 Abs. 2 StPO zuzustimmen. Das Verfahren ist durch diese Erklärungen noch nicht beendet. Das Gericht hat heute Nachmittag die Nebenkläger über die Zustimmungen informiert.
Sie haben nunmehr Gelegenheit bis zum 27. April 2020, zu einer möglichen Einstellung des Verfahrens abschließend Stellung zu nehmen. Das Gericht wird erst dann über den weiteren Verlauf des Verfahrens, insbesondere einen Termin für eine etwaige Einstellung und ergänzende Erläuterungen, entscheiden.
Aufgrund von weiterhin bestehenden Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen mit dem Coronavirus (SARSCoV-2) sowie der verlängerten Stellungnahmefrist hat das Gericht den Sitzungstermin am 23. April 2020 aufgehoben. Der nächste Sitzungstermin ist auf den 04. Mai 2020 bestimmt. Sollte er nicht stattfinden können, wird dazu eine gesonderte Pressemitteilung ergehen. Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 36 KLs 10/17

Loveparade-Verfahren: Staatsanwaltschaft stimmt Einstellung des Strafverfahrens zu
Zustimmung zur Einstellung des Loveparade-Strafverfahrens
Duisburg, 17. April 2020 - Die Staatsanwaltschaft hat heute dem Vorschlag des Landgerichts, das Strafverfahren gegen die drei verbliebenen Angeklagten gemäß § 153 Abs. 2 StPO einzustellen, zugestimmt. Angesichts der schweren Folgen der Tragödie – 21 Tote, mehr als 650 Verletzte – und des damit verbundenen Leids ist uns diese Entscheidung nicht leicht gefallen. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände erscheint uns aber nunmehr eine Einstellung des Verfahrens im Ergebnis vertretbar.
Dabei geht die Staatsanwaltschaft – bei vorläufiger Bewertung des Beweisergebnisses – ebenso wie das Gericht davon aus, dass sich der hinreichende Tatverdacht gegen die drei Angeklagten bestätigt hat.
Vorbehaltlich der Verjährungsproblematik wäre daher ein Tatnachweis in der Hauptverhandlung wahrscheinlich. Die Gründe, die dazu geführt haben, dass die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens dennoch erteilt wurde, sind vielfältig und können aufgrund der Komplexität des Verfahrens an dieser Stelle nicht abschließend dargestellt werden. Insofern wird ergänzend auf die Ausführungen im anliegenden Handout Bezug genommen.

Folgende Erwägungen sind aber wesentlich: Durch die bisherige Beweisaufnahme sowie das vorläufige schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach konnten die entscheidenden Ursachen für das Unglück aus Sicht der Staatsanwaltschaft herausgearbeitet werden. Diese liegen in der fehlenden Eignung des Veranstaltungsraumes und des Veranstaltungskonzeptes für eine Veranstaltung dieser Größenordnung sowie in einer fehlerhaften Steuerung der Besucherströme am Veranstaltungstag. Dafür waren jedenfalls überwiegend die Angeklagten verantwortlich.

Sie haben daher ursprünglich nicht nur eine geringe hypothetische Schuld auf sich geladen. Zu ihren Gunsten ist hingegen zu berücksichtigen, dass es sich – nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach – um ein multikausales und im Einzelnen nur sehr schwer vorhersehbares Geschehen handelte. Die Angeklagten sind strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, sie sind durch die jahrelange öffentliche Diskussion über das Verfahren und ihre Rolle darin sowie die lange Verfahrensdauer erheblich belastet.
Für die Beantwortung der Frage, ob ein den Angeklagten anzulastendes Verschulden im Sinne von § 153 StPO gering ist, darf überdies nicht allein auf den Tatzeitpunkt abgestellt werden, vielmehr ist auch der aktuelle Verfahrensstand maßgeblich. Demzufolge sind heute wesentliche Faktoren zu berücksichtigen, die in der Vergangenheit noch nicht vorlagen, sich nunmehr aber erheblich auswirken.

Im Einzelnen: Seit der Teileinstellung des Strafverfahrens im Februar 2019 hinsichtlich der früheren sieben Mitangeklagten ist ein weiteres, die Angeklagten in ihrer Lebensgestaltung deutlich belastendes Jahr mit zahlreichen weiteren Hauptverhandlungsterminen vergangen. Durch die Corona-Pandemie ist eine konkrete Gefährdung zahlreicher Verfahrensbeteiligter und auch der an den Sitzungen teilnehmenden Öffentlichkeit mit ganz erheblichen Gesundheitsrisiken eingetreten.
Diese Gefährdung wird – wie die Unterbrechung des Verfahrens zeigt – zu einer Verzögerung der Hauptverhandlung führen. Es steht damit nunmehr sicher fest, dass das für ein Sachurteil nach dem Gesetz erforderliche Beweisprogramm bis zu dem Eintritt der absoluten Strafverfolgungsverjährung am 27. Juli 2020 jedenfalls hinsichtlich des Vorwurfes der fahrlässigen Tötung nicht zu absolvieren ist.
Der Umstand, dass möglicherweise hinsichtlich des Vorwurfes der fahrlässigen Körperverletzung die Verfolgungsverjährung gegebenenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten könnte, erscheint demgegenüber weniger bedeutsam.

Angesichts der Gesamtumstände teilt die Staatsanwaltschaft die Auffassung des Gerichts, dass die Schuld der Angeklagten unter Berücksichtigung der Gefahrenlage und des aktuellen Verfahrensstandes als gering angesehen werden kann. Eine Fortführung des Verfahrens ist daher – insbesondere auch mit Blick auf die Strafe, die die Angeklagten bei einer Verurteilung zu erwarten hätten – nicht mehr verhältnismäßig.


Zustimmung zur Einstellung des Loveparade-Strafverfahrens
Duisburg, 17. April 2020 - Die Staatsanwaltschaft hat heute dem am 7. April 2020 unterbreiteten Vorschlag des Landgerichts, das Strafverfahren gegen die drei verbliebenen Angeklagten gemäß § 153 Abs. 2 StPO einzustellen, zugestimmt. Die Staatsanwaltschaft schließt sich der Würdigung des Gerichts, nunmehr auch bezüglich dieser Angeklagten ein hypothetisches Verschulden als nur noch gering im Sinne des § 153 Abs. 2 StPO zu bewerten und ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung zu verneinen, an.

Mit einer solchen Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO wird das Strafverfahren ohne Schuldspruch beendet. Sie erfolgt in der Regel – und so auch hier – in einem Stadium, in dem die gesetzlichen Voraussetzungen der Schuldspruchreife noch nicht vorliegen. Deshalb verlangt das Gesetz nicht eine Schuldfeststellung, sondern das hypothetische Urteil, dass “die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre” und die Feststellung, dass kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht (§ 153 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 StPO).

Damit setzt § 153 Abs. 2 StPO zugleich voraus, dass durch das Verfahren bis zu der Einstellung ein Tatverdacht nicht ausgeräumt worden ist. Dies ist hier der Fall. Angesichts der schweren Folgen der tragischen Ereignisse erscheint es schwer vermittelbar, aus welchen Gründen die Staatsanwaltschaft dennoch die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens erteilt hat. Im Folgenden soll daher die Sicht der Staatsanwaltschaft erläutert werden.

Die Ursachen der Tragödie am 24. Juli 2010, die Rolle der Angeklagten und die Möglichkeiten einer Fortführung des Verfahrens Die entscheidenden Ursachen des Unglücks sind nach hiesiger Einschätzung mit hinreichender Sicherheit ermittelt worden. Sie liegen in
 der fehlerhaften Einschätzung der Eignung des Veranstaltungsraumes für eine Veranstaltung dieser Größenordnung,
 der fehlenden Eignung des Veranstaltungskonzeptes für die erwarteten und 2 eingetretenen Besucherzahlen und
 in einer fehlerhaften Steuerung der Besucherströme am Veranstaltungstag, nicht zuletzt aufgrund mangelnder Kommunikation.

Diese Würdigung wird durch die bisherige Beweisaufnahme belegt und kann sich auf das rund 3.800 Seiten umfassende schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach stützen. Aufgrund der in 183 Verhandlungstagen erhobenen zahlreichen Beweise und den Ausführungen des Sachverständigen geht die Staatsanwaltschaft bei vorläufiger Bewertung des Beweisergebnisses ebenso wie das Gericht davon aus, dass sich der hinreichende Tatverdacht gegen die drei Angeklagten bestätigt hat.
Vorbehaltlich der Verjährungsproblematik wäre daher ein Tatnachweis in der Hauptverhandlung wahrscheinlich. Die drei Angeklagten haben durch die angeklagte Tat nach Bewertung der Staatsanwaltschaft ursprünglich nicht nur eine geringe (hypothetische) Schuld auf sich geladen. Dies folgt ebenfalls aus den im Rahmen der umfangreichen bisherigen Beweisaufnahme und den durch den Sachverständigen im Rahmen seines Gutachtens ermittelten Ursachen der Katastrophe sowie den gravierenden Folgen der Tat mit 21 Toten sowie über 650 zum Teil schwer und oftmals auch heute noch traumatisierten Verletzten.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung darf für die Beantwortung der Frage, ob ein den Angeklagten anzulastendes Verschulden gering ist, indes nicht allein auf den Zeitpunkt der Tatbegehung abgestellt werden. Es ist vielmehr zu fragen, welche Strafe bei Abschluss des Verfahrens auch mit Blick auf die lange Verfahrensdauer und dem Umstand, dass die Angeklagten jahrelang dem Druck des Verfahrens ausgesetzt waren, tat- und schuldangemessen wäre.

Demzufolge ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 153 StPO auf Grundlage des aktuellen Verfahrensstandes und der damit einhergehenden geänderten Verfahrenslage zu prüfen. Dabei sind insbesondere mit Blick auf die Möglichkeiten der Fortführung des Verfahrens wesentliche Faktoren zu berücksichtigen, die in der Vergangenheit entweder noch nicht oder nicht mit dieser Sicherheit vorlagen, die sich aber nunmehr ganz erheblich auswirken und letztlich aus Sicht der Staatsanwaltschaft auch eine Verfahrenseinstellung gemäß § 153 Abs. 2 StPO rechtfertigen.
Seit der Teileinstellung des Strafverfahrens im Februar 2019 hinsichtlich der früheren sieben Mitangeklagten ist ein weiteres, die Angeklagten in ihrer Lebensgestaltung deutlich belastendes Jahr mit zahlreichen weiteren Hauptverhandlungsterminen vergangen.

Durch die Corona-Pandemie ist eine konkrete Gefährdung zahlreicher Verfahrensbeteiligter und auch der an den Sitzungen teilnehmenden Öffentlichkeit mit ganz erheblichen Gesundheitsrisiken eingetreten. Diese Gefährdung wird – wie die 3 Unterbrechung des Verfahrens zeigt – zu einer Verzögerung der Hauptverhandlung führen. Es steht damit nunmehr sicher fest, dass das für ein Sachurteil nach dem Gesetz erforderliche Beweisprogramm bis zu dem Eintritt der absoluten Strafverfolgungsverjährung am 27. Juli 2020 jedenfalls hinsichtlich des Vorwurfes der fahrlässigen Tötung nicht zu absolvieren ist.

Zwar könnte hinsichtlich des Vorwurfes der fahrlässigen Körperverletzung das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung nicht bereits am 27. Juli 2020, sondern ggf. erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten. Dazu müsste jedoch nachgewiesen werden, dass die psychischen Folgen der Tat bei den Nebenklägern erst zu einem späteren Zeitpunkt nach der Katastrophe aufgetreten sind. Das Gericht hat zur Klärung dieser Frage teilweise bereits psychiatrische Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben.
Die weitere Aufklärung des Sachverhaltes insoweit wäre – bei ungewissem Ausgang – mit belastenden Untersuchungen der Nebenkläger und einer deutlichen Verlängerung des Verfahrens verbunden; eine Nebenklägerin hat gegenüber der seitens der Kammer beauftragten Sachverständigen bereits erklärt, sie wolle die Begutachtung wegen der damit einhergehenden psychischen Belastung absagen.

Bei Würdigung der Gesamtumstände erscheint die Fortführung des Prozesses unter diesem Gesichtspunkt und mit Blick auf die Strafe, die die Angeklagten zu erwarten hätten, als nicht mehr verhältnismäßig.
Die teils geforderte Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach in der Hauptverhandlung verspricht angesichts seiner Stellungnahme vom 6. April 2020, wonach er im Wesentlichen an dem Gesamtergebnis seines vorläufigen schriftlichen Gutachtens festhält, keinen erheblichen weiteren Erkenntnisgewinn, der das Eingehen gesundheitlicher Risiken zu rechtfertigen vermag.

Natürlich hätte auch die Staatsanwaltschaft gerne den Sachverständigen angehört und ergänzend befragt. Eine kritische Auseinandersetzung mit seinen Ergebnissen konnte bislang in öffentlicher Hauptverhandlung nicht erfolgen. Dies erscheint jedenfalls derzeit unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Gefährdungen nicht möglich.
Die wesentlichen Erkenntnisse des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach zu den Ursachen der tragischen Ereignisse am 24. Juli 2010 werden der (Fach-) Öffentlichkeit, jedoch in anonymisierter Form, nach Abschluss des Strafverfahrens zur Verfügung stehen. Auf dieser Grundlage können die erforderlichen Lehren zur Vermeidung vergleichbarer Unglücke in der Zukunft gezogen werden.

Zur Beurteilung der (hypothetischen) Schuld der drei verbliebenen Angeklagten Die tragischen Ereignisse haben 21 überwiegend jungen Menschen das Leben gekostet. Mindestens 650 weitere wurden verletzt. Viele von ihnen leiden noch heute an den traumatischen Folgen des Ereignisses und kämpfen täglich damit. Dem Unglück ist eine mehrmonatige, intensive Planungsphase voraus gegangen.
Die Angeklagten verfügten dabei, wie die bisherige Beweisaufnahme belegt, über ein Problembewusstsein bezüglich mehrerer als kritisch erkannter Stellen, namentlich der 4 Situation vor den Vereinzelungsanlagen, im Tunnel sowie der Gefahr von Rückstaus im Übergangsbereich vom Kopf der Rampe Ost auf die Eventfläche. Dennoch unterblieb letztlich die gebotene ganzheitliche Betrachtung und Beurteilung der Veranstaltung obwohl die verbliebenen drei Angeklagten über größere Erfahrungen und Kenntnisse bei der Durchführung von Großveranstaltungen verfügten.
Allerdings sind auch zu Gunsten der Angeklagten zahlreiche gewichtige Faktoren zu berücksichtigen. Sie haben sich intensiv – wenn auch unzureichend – bemüht, im Rahmen der Vorbereitung der Veranstaltung, diese sicher zu gestalten. Keiner der Angeklagten handelte gewissenlos oder aus ethisch verwerflichen Motiven. Zudem wiesen die damaligen gesetzlichen und organisatorischen Regelungen für die Planung und Durchführung von Großveranstaltungen Lücken auf.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach handelte es sich um ein multikausales und im Einzelnen nur sehr schwer vorhersehbares Geschehen. Daher könne – so der Sachverständige – nicht ausgeschlossen werden, dass auch das Verhalten Dritter – und zwar nicht nur das der früheren Mitangeklagten in der Planungs- und Ausführungsphase – zu den tragischen Ereignissen beigetragen haben könnte, ohne dass hierdurch allerdings eine Unterbrechung des durch die Angeklagten in Gang gesetzten Kausalzusammenhangs erfolgte.
Des Weiteren wirken sich der lange Zeitablauf seit der Tat und die angesichts der Komplexität der Vorgänge entsprechend lange Verfahrensdauer von über 9 ¾ Jahren zu Gunsten der Angeklagten aus. Die Angeklagten sind darüber hinaus durch die jahrelange Diskussion über das Verfahren und ihre Rolle darin in der (Medien-) Öffentlichkeit einschließlich teilweise unhaltbarer, ehrenrühriger Vorwürfe erheblich belastet.
Sie sind zudem bis heute strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten und haben im Rahmen der Hauptverhandlung stets die Bereitschaft zur intensiven Auseinandersetzung mit den Vorwürfen gezeigt, und zwar ohne irgendwelche – durchaus mögliche – Blockadeversuche vorzunehmen. Fazit Fasst man die bisherigen Ausführungen zusammen, gebieten weder spezial- noch generalpräventive Erwägungen eine Fortführung der Hauptverhandlung. Eine erneute Straffälligkeit der strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getretenen Angeklagten ist nicht zu erwarten.
Auch generalpräventive Erwägungen erfordern keine Fortsetzung der Hauptverhandlung mehr. So ist es aufgrund der tragischen Ereignisse und der nachfolgenden strafrechtlichen Aufarbeitung, wie zahlreiche Zeugen bekundet haben, bereits jetzt zu einer deutlichen Verschärfung der bei Großveranstaltungen einzuhaltenden Anforderungen und einer Intensivierung der Prüfungsdichte gekommen.
Zudem ist aus der Sicht der Staatsanwaltschaft ein wesentliches Ziel dieses Strafprozesses, nämlich die öffentliche Aufklärung der Ursachen des Unglücks und damit die Antwort auf die nur allzu berechtigte Frage der Angehörigen und Verletzten, warum 5 ihre Nächsten gestorben bzw. warum sie verletzt worden sind, erreicht.
Hierzu wird ergänzend auch der – seitens der Kammer in ihrem Schreiben vom 7. April 2020 angekündigte – Einstellungsbeschluss mit ausführlicher Begründung beitragen können. Unter Berücksichtigung der möglichen Gefährdung der Verfahrensbeteiligten durch das SARS-CoV-2-Virus der Bewertung des Verfahrensstandes und der gebotenen Gesamtwürdigung aller die Angeklagten be- und entlastenden Faktoren erscheint die Verfahrenseinstellung gemäß § 153 Abs. 2 StPO vor dem Hintergrund der schweren Folgen der Tat zwar unbefriedigend, im Ergebnis aber nunmehr vertretbar und sachgerecht.

Exkurs
Die gesetzliche Voraussetzungen des § 153 StPO Die (hypothetische) Schuld ist gering im Sinne des § 153 StPO, wenn sie im Vergleich mit Vergehen gleicher Art nicht unerheblich unter dem Durchschnitt liegt. Dazu ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen. Ein der Einstellung gemäß § 153 StPO entgegenstehendes öffentliches Interesse kann sich sowohl aus spezialpräventiven als auch aus generalpräventiven Gründen ergeben.
Spezialpräventiv lässt sich das öffentliche Interesse begründen, wenn ohne eine strafrechtliche Sanktion weitere Straftaten der Angeklagten zu befürchten wären. Auf generalpräventive Erwägungen lässt sich das öffentliche Interesse stützen, wenn das reaktionslose Hinnehmen der Tat die Rechtstreue der Allgemeinheit beeinträchtigen würde.
Der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinne von § 153 StPO kann nicht mit „öffentlicher Interessiertheit“ oder dem Willen einzelner Verfahrensbeteiligter, ein Verfahren fortzuführen, gleichgesetzt werden. Auch außergewöhnliche Tatfolgen können das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung begründen.



Urteil im Prozess wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung - Jugendstrafen zwischen 1 1/2 und 2 1/2 Jahren verhängt
Landgericht Duisburg, 16. April 2020 - In dem Strafverfahren gegen drei Jugendliche im Alter von inzwischen 15 Jahren hat die 3. Große Strafkammer – Jugendkammer – in nicht öffentlicher Sitzung am 16.04.2020 ein Urteil verkündet. Zwei der Angeklagten wurden wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung zu Jugendstrafen von 1 ½ Jahren, einer der Angeklagten zu einer Jugendstrafe von 2 ½ Jahren verurteilt. Die Jugendstrafen von jeweils 1 ½ Jahren hat das Gericht zur Bewährung ausgesetzt, dabei aber die beiden Angeklagten mit einem Dauerarrest von 4 Wochen belegt. Der dritte Angeklagte bleibt weiter in Haft.

Nach den Feststellungen der Kammer wurde das 18-Jährige Opfer am Abend des 05.07.2019 zu einem Treffpunkt bestellt. Dort traf die junge Frau auf einen ihr bekannten 12-Jährigen sowie einen der Angeklagten. Mit diesem hatte sie vor der Tat – etwa zum Sommeranfang 2019 – eine kurze Beziehung geführt. Den Vorwurf aus der Anklageschrift, er habe sie bereits in diesem Zusammenhang zu sexuellen Handlungen gezwungen, hat die Geschädigte in der Hauptverhandlung nicht bestätigt. Sie begab sich anschließend freiwillig mit beiden zu einem nahe gelegenen Waldstück.
Hierbei war der jungen Frau bewusst, dass es mit dem Angeklagten – ihrem Ex-Freund – und dem anwesenden 12- Jährigen zu sexuellen Handlungen kommen könnte, womit sie auch einverstanden war. In dem Waldstück kamen die beiden anderen Angeklagten und ein weiterer 12-Jähriger hinzu. In der Folge kam es zwischen allen Angeklagten, einem der beiden 12-Jährigen sowie der Geschädigten zu sexuellen Handlungen.
Im Verlauf dieses Geschehens kam es auch zu Gewaltanwendungen, z. B. Ohrfeigen, gegenüber der Geschädigten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war sie mit weiteren sexuellen Handlungen nicht mehr einverstanden. Trotzdem zwangen die Angeklagten und einer der beiden 12-jährigen das Opfer weiterhin zum Geschlechtsverkehr.
Zugunsten der Angeklagten haben die Richter gewertet, dass sie bei der Tat noch sehr jung waren und erst an der Schwelle zur Strafmündigkeit standen. Zugunsten der beiden Angeklagten, die Bewährungsstrafen erhalten haben, hat das Gericht darüber hinaus berücksichtigt, dass diese bisher nicht vorbestraft sind. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 33 KLs 20/19

Anklage wegen Verdachts der Tötung von Mine O. erhoben - Ehemann angeklagt
Landgericht Duisburg, 16. April 2020 - Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat gegen den 29-jährigen Ehemann der Verstorbenen Anklage wegen Totschlags bei dem Landgericht Duisburg erhoben. Das Verfahren ist bei der 5. Großen Strafkammer als Schwurgericht anhängig. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeschuldigten vor, am 07.09.2019 zwischen 19:30 Uhr und 21:25 Uhr in der gemeinsamen Wohnung in Duisburg spontan den Entschluss gefasst zu haben, seine Ehefrau zu töten. Hierzu soll er ihr an den Hals gegriffen, sie gewürgt und ihr mit den Händen so lange die Luft abgedrückt haben, bis sie laut Anklage erstickte und noch am Tatort verstarb. Hintergrund soll die Absicht des Opfers gewesen sein, sich von dem Angeschuldigten zu trennen.
Der Angeschuldigte soll die Leiche seiner Ehefrau anschließend in einem Duisburger Waldstück vergraben haben, wo sie etwa drei Monate später von der Polizei gefunden wurde. Die 5. Große Strafkammer – Schwurgericht – prüft derzeit die von der Staatsanwaltschaft gegen den Angeschuldigten erhobenen Vorwürfe im sogenannten Zwischenverfahren. Dabei wird die Kammer über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung entscheiden. Über die Entscheidung wird die Pressestelle des Landgerichts Duisburg im Wege einer weiteren Pressemitteilung informieren. Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 35 Ks 6/20


Vorläufige Außervollzugsetzung vom Gottesdienstverbot abgelehnt
Karlsruhe, Bundesverfassungsgericht, 10. April 2020 - Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heutigem Beschluss einen Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung einer Regelung der Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus der hessischen Landesregierung (im Folgenden: Corona-Verordnung), die unter anderem ein Verbot von Zusammenkünften in Kirchen enthält, auf der Grundlage einer Folgenabwägung abgelehnt.

Erfolglose Eilanträge im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie
Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe, 8. April 2020 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats einen Antrag auf vorläufige Außerkraftsetzung der bayerischen Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen und über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie abgelehnt.
Der Antragsteller hielt die Verbote, Freunde zu treffen, seine Eltern zu besuchen, zu demonstrieren oder neue Menschen kennenzulernen, für zu weitgehend. Der Antrag war zwar nicht wegen des Grundsatzes der Subsidiarität unzulässig, da die vorherige Anrufung der Fachgerichte derzeit offensichtlich aussichtslos ist, denn diese haben bereits in anderen Verfahren den Erlass einstweiliger Anordnungen abgelehnt.
Er war aber unbegründet.

Die Kammer hatte im Rahmen einer Folgenabwägung aufgrund summarischer Prüfung zu entscheiden, wobei die Auswirkungen auf alle von den angegriffenen Regelungen Betroffenen zu berücksichtigen waren. Danach sind die Nachteile, die sich aus einer vorläufigen Anwendung ergeben, wenn sich die angegriffenen Maßnahmen im Nachhinein als verfassungswidrig erwiesen, zwar von besonderem Gewicht. Sie überwiegen aber nicht deutlich die Nachteile, die entstehen würden, wenn die Maßnahmen außer Kraft träten, sich aber später doch als verfassungsgemäß erweisen würden.

Die Gefahren für Leib und Leben wiegen hier schwerer als die Einschränkungen der persönlichen Freiheit. Zwar beschränken die angegriffenen Maßnahmen die Grundrechte der Menschen, die sich in Bayern aufhalten, erheblich. Sie schreiben vor, den unmittelbaren körperlichen Kontakt und weithin auch die reale Begegnung einzuschränken oder ganz zu unterlassen, sie untersagen Einrichtungen, an denen sich Menschen treffen, den Betrieb, und sie verbieten es, die eigene Wohnung ohne bestimmte Gründe zu verlassen.

Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte die Verfassungsbeschwerde Erfolg, wären all diese Einschränkungen mit ihren erheblichen und voraussichtlich teilweise auch unumkehrbaren sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen zu Unrecht verfügt und etwaige Verstöße gegen sie auch zu Unrecht geahndet worden.
Erginge demgegenüber die einstweilige Anordnung und hätte die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg, würden sich voraussichtlich sehr viele Menschen so verhalten, wie es mit den angegriffenen Regelungen unterbunden werden soll, obwohl die Verhaltensbeschränkungen mit der Verfassung vereinbar wären. So würden dann Einrichtungen, deren wirtschaftliche Existenz durch die Schließungen beeinträchtigt wird, wieder öffnen, Menschen ihre Wohnung häufig verlassen und auch der unmittelbare Kontakt zwischen Menschen häufig stattfinden.
Damit würde sich aber auch die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen nach derzeitigen Erkenntnissen erheblich erhöhen. Eine geltende Regelung kann im Eilrechtsschutz nur ausnahmsweise außer Vollzug gesetzt werden; dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Nach diesem erscheinen die Folgen der angegriffenen Schutzmaßnahmen zwar schwerwiegend, aber nicht im geforderten Maß unzumutbar.
Es erscheint nicht untragbar, sie vorübergehend zurückzustellen, um einen möglichst weitgehenden Schutz von Gesundheit und Leben zu ermöglichen, zu dem der Staat grundsätzlich auch nach der Verfassung verpflichtet ist. Gegenüber den Gefahren für Leib und Leben wiegen die Einschränkungen der persönlichen Freiheit weniger schwer. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Regelungen befristet sind, bezüglich der Ausgangsbeschränkungen viele Ausnahmen vorsehen und bei der Ahndung von Verstößen im Einzelfall im Rahmen des Ermessens individuellen Belangen von besonderem Gewicht Rechnung zu tragen ist.

LOVEPARADE-Prozess
Duisburg, 7. April 2020 - Zu dem heutigen Vorschlag des Landgerichts Duisburg, den Loveparade-Prozess einstellen zu wollen, erklärt die Kanzlei Baum Reiter & Collegen Folgendes: Es ist zu erwarten, dass die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten der Einstellung zustimmen werden. Eine Einstellung wird bedeuten, dass die Angeklagten, die nach Einschätzung des Gerichts wahrscheinlich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden wären, nicht zur Verantwortung gezogen werden können. Stattdessen werden die Kosten des Verfahrens von der Staatskasse getragen.
Wir bedauern, dass der Loveparade-Prozess nach nunmehr fast 10 Jahren Bearbeitung durch Polizei und Justiz ohne ein Gerichtsurteil enden wird. Außer dem Gutachten des Sachverständigen wird es keine richterlichen Feststellungen mehr geben. Die Geschädigten und die Angehörigen der Todesopfer sind maßlos enttäuscht.
Dies ist ein weiterer schwarzer Tag für die Opfer und Angehörigen der Loveparade-Katastrophe. Wir erwarten jetzt eine Abschlussdebatte des Landtags über die Konsequenzen aus dem gescheiterten Loveparade-Prozess und die Konsequenzen, die die Landesregierung aus dem Sachverständigen-Gutachten u.a. im Hinblick auf die Rolle der Polizei ziehen wird.


Loveparade-Strafverfahren: Weitere Behinderung des Verfahrens durch die CoronaPandemie – Gericht regt Einstellung an
Duisburg, 7. April 2020 - Die Kammer hat den Verfahrensbeteiligten vorgeschlagen, das Loveparade-Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO einzustellen. Sie können zu diesem Vorschlag bis zum 20. April 2020 schriftlich Stellung nehmen.
Dem Vorschlag liegt die Würdigung mehrerer unabhängiger Umstände zugrunde: Das Verfahren kann aktuell wegen des Risikos der Verbreitung von Infektionen durch den SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) nur eingeschränkt durchgeführt werden. Trotz aller Schutzmaßnahmen ist zu berücksichtigen, dass unter den notwendig zu beteiligenden Personen mehrere Angehörige von Risikogruppen sind. Schon jetzt musste die Hauptverhandlung deswegen unterbrochen werden. Eine weitere Anordnung von Quarantänen gegen Prozessbeteiligte ist jederzeit möglich.
 
Aufgrund der dynamischen Entwicklung der Corona-Pandemie ist nicht absehbar, wann und wie die Verhandlung fortgesetzt werden kann. Für den Fall einer Fortführung wäre mit einer erheblichen Dauer des weiteren Verfahrens zu rechnen. Durch die wahrscheinlich zugleich erforderliche Begrenzung der Sitzungsdauer könnte allein die für ein Urteil notwendige Einführung des Gutachtens des Sachverständigen Professor Dr. Gerlach zahlreiche zusätzliche Sitzungstage in Anspruch nehmen.
In ihre Überlegungen hat die Kammer die Ergebnisse des schriftlichen Gutachtens bereits einbezogen. Professor Dr. Gerlach hat gegenüber dem Gericht schriftlich erklärt, dass sich durch die in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise gegenüber seinen bisherigen Einschätzungen keine wesentlichen Änderungen ergeben.
Unabhängig von dem Gutachten wäre es erforderlich, mehrere Nebenkläger zu vernehmen und eine Reihe von psychiatrischen Sachverständigen zu hören. Auch dies wäre mit einer erheblichen Gefährdung aller Verfahrensbeteiligten verbunden. Dazu käme die starke psychische Belastung für einige Nebenkläger.

Die Kammer hält es zwar für wahrscheinlich, dass den Angeklagten die ihnen vorgeworfene Tat nachgewiesen werden könnte, wenn es möglich wäre die Hauptverhandlung ohne zeitliche Beschränkungen fortzusetzen. Da dies nicht der Fall ist, besteht allerdings nur noch eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, den angeklagten Sachverhalt verurteilungsreif aufzuklären.

Das im Verfahren gründlich aufgeklärte, multikausale Geschehen auf der Loveparade in Duisburg am 24. Juli 2010 liegt bereits fast zehn Jahre zurück. Spätestens am 27. Juli 2020 dürfte hinsichtlich des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung das Prozesshindernis der absoluten Verjährung eintreten. Auch dürfte eine etwaige Schuld der Angeklagten nach allen bisher vorliegenden Erkenntnissen als gering angesehen werden.
Weiterhin muss die Kammer die lange Dauer des Verfahrens und die konstruktive Mitwirkung der Angeklagten berücksichtigen. Zudem war keiner der Angeklagten strafrechtlich vorbelastet. Unter Würdigung dieser und weiterer Umstände würde sich eine eventuelle Strafe im unteren Bereich des Strafrahmens bewegen.
Sollten die für eine Einstellung erforderlichen Zustimmungen erteilt werden und sich aus den Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten keine Änderungen an der derzeitigen Auffassung des Gerichts ergeben, würde das Verfahren eingestellt.
In diesem Fall beabsichtigt die Kammer, die von ihr gewonnenen Erkenntnisse zu den Geschehnissen um die Loveparade 2010 in einem schriftlichen Beschluss zusammenzufassen und dessen Inhalt im Rahmen einer zeitlich begrenzten Hauptverhandlung vorzutragen. Der nächste Sitzungstermin ist auf den 21. April 2020 bestimmt. Ob er stattfinden kann, ist wegen der Corona-Pandemie noch unklar. Aktenzeichen: Landgericht Duisburg, 36 KLs 10/17


Corona-Homeoffice: Was ist erlaubt, was nicht?
Riedlingen/Duisburg, 3. April 2020 - Viele Arbeitnehmer arbeiten wegen des Coronavirus aktuell aus den eigenen vier Wänden. Nach dem oft sehr kurzfristigen Umzug von Rechner und Büroausstattung starten viele zum ersten Mal in einen Berufsalltag von Zuhause aus. Dabei stellen sich so manche Fragen: Wann muss ich erreichbar sein, gibt es eine Dokumentationspflicht und wie strikt muss die Arbeit vom Privaten getrennt werden? Prof. Dr. Simon A. Fischer, Professor für Wirtschaftsrecht an der SRH Fernhochschule, hat Antworten auf die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit der Telearbeit.

Was im Corona-Homeoffice erlaubt ist und was nicht – Experte für Arbeitsrecht der SRH Fernhochschule informiert - Foto (©Alberto Grosescu / AdobeStock)

Mein Arbeitgeber ordnet Homeoffice an: Darf er das?

Eigentlich darf der Arbeitgeber nicht einseitig Arbeit im Homeoffice anordnen. Allerdings haben das die Gerichte bisher nur für „normale“ Umstände entschieden und es vor allem damit begründet, dass der Arbeitnehmer den sozialen Kontakt zu seinen Kollegen verlieren könnte. In der jetzigen Situation muss man das allerdings anders bewerten, denn der direkte und persönliche Kontakt zwischen Kollegen sollte aktuell ohnehin nur dort stattfinden, wo er wirklich notwendig ist, also z.B. in Krankenhäusern und Supermärkten. Hinzu kommt, dass die Zeit im Homeoffice auf wenige Wochen begrenzt sein dürfte. Somit gehe ich davon aus, dass der Arbeitgeber das aktuell darf.

Laptopmangel: Kann der Arbeitgeber die Verwendung des privaten PCs fordern?

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber die Arbeitsmittel zu stellen und damit auch den dienstlichen Computer. Es gibt allerdings viele Mitarbeiter, die gerne mit ihren eigenen Geräten arbeiten, da ihnen diese vertrauter sind. Das nennt man BYOD (bring your own device). So zu arbeiten ist möglich, datenschutzrechtlich allerdings kritisch zu sehen und verlangen kann es der Arbeitgeber nicht.

Anforderungen an den Arbeitsplatz zuhause

Auch zuhause sollten, sobald ein Computer bzw. Laptop verwendet wird, die Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen eingehalten werden. So müssen die Bildschirme leicht dreh- und neigbar sein, es muss eine vom Laptop getrennte Tastatur eingesetzt werden und so weiter. Eine pragmatische Lösung wäre, die Mitarbeiter zu bitten ihren Desktop PC am Arbeitsplatz abzubauen und mit nach Hause zu nehmen. Viele Arbeitgeber werden ihre Mitarbeiter aber Hals über Kopf und mit einem Laptop unter dem Arm nach Hause geschickt haben. Hier sollte jedenfalls dann nachgebessert werden, wenn die Mitarbeiter nicht sehr bald in das Büro zurückkehren können.

Erreichbarkeit im Homeoffice

Man sollte während der auch sonst üblichen Arbeitszeiten erreichbar sein. Auch wenn der Arbeitnehmer nun von zuhause arbeitet, unterliegt er dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Geht das nicht durchgängig, weil z.B. aufgrund der KITA- und Schulschließungen Kinder zu betreuen sind, sollte man sich bemühen, eine Absprache mit dem Arbeitgeber zu treffen, zu welchen Zeiten man verlässlich erreichbar ist.

Wieviel Dokumentation muss sein? 

Es gibt, auch für Arbeitnehmer, (noch) keine gesetzliche Pflicht, die Arbeitszeit ab der ersten Minute zu dokumentieren. Allerdings ist es sicherlich ratsam, das im Homeoffice selbst zu tun, z.B. um später eine Argumentationsgrundlage zu haben, falls der Arbeitgeber anzweifelt, dass ich auf meine Stunden gekommen bin.

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Generell gilt sicherlich: Wenn mein Arbeitgeber mir nicht vertraut, hätte er mich kaum ins Homeoffice geschickt. Wo Vertrauen gut, Kontrolle aber besser ist, hat der Arbeitgeber ein Problem. Er darf ohne das Einverständnis des Arbeitnehmers dessen Wohnung nicht betreten. Auch dürfte eine Arbeitszeitüberwachung, wie sie z.B. durch das Auslesen gewisser Verkehrsdaten möglich sein könnte, nicht zulässig sein. Ich werde jedoch nicht verhindern können, dass mein Vorgesetzter sich hin und wieder einmal telefonisch bei mir meldet und auch meinen Arbeitsstand einer Plausibilitätsprüfung unterzieht.

Schnell die Wäsche aufhängen – oder doch nicht?

Während der Arbeitszeit sind private Tätigkeiten tabu, denn Arbeitszeitbetrug ist ein Kündigungsgrund und sogar strafbar. Allerdings hat man genauso wie im Büro auch zuhause das Recht, die Arbeit im Rahmen von Pausen zu unterbrechen. Da sollte das Aufhängen der Wäsche eigentlich drin sein. Und derjenige, der flexible Arbeitszeiten hat, kann, falls das mit den Socken wieder länger dauert, die Zeit auch einfach hinten dranhängen.

März 2020

Eilantrag gegen „Mietendeckel “ erfolglos

Bundesverfassungsgericht Karlsruhe/Duisburg, 12. März 2020 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats einen Antrag auf vorläufige Außerkraftsetzung der Bußgeldvorschriften des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (sogenannter „Mietendeckel) abgelehnt.
Die Antragstellerinnen und Antragsteller, die Wohnungen in Berlin vermieten, wollten erreichen, dass die Verletzung von bestimmten Auskunftspflichten und Verboten zur gesetzlich bestimmten Höchstmiete vorläufig nicht als Ordnungswidrigkeit eingestuft wird. Soll ein Gesetz außer Kraft gesetzt werden, gilt allerdings ein strenger Maßstab.
Die Kammer hatte darüber im Rahmen einer Folgenabwägung aufgrund summarischer Prüfung zu entscheiden. Danach sind die Nachteile, die sich aus einer vorläufigen Anwendung der Bußgeldvorschriften ergeben, wenn sich das Gesetz im Nachhinein als verfassungswidrig erwiese, zwar von besonderem Gewicht.
Sie überwiegen aber nicht deutlich die Nachteile, die entstehen würden, wenn die Bußgeldvorschriften außer Kraft träten, sich das Gesetz aber später doch als verfassungsgemäß erweisen würde. Die Antragstellenden selbst räumen ein, dass sich Vermieter dann nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten würden.
Mit Beschlüssen vom selben Tage hat die Kammer eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidungen angenommen und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil die Beschwerdeführenden nicht hinreichend dargetan haben, dass sie in ihren Grundrechten verletzt sind (1 BvR 475/20) beziehungsweise dass ihnen durch die angegriffenen Regelungen des Gesetzes ein schwerer Nachteil entsteht (1 BvR 515/20).


Ohne Aufenthaltsrecht von bestimmten existenzsichernden Sozialleistungen ausgeschlossen

Vorlage zum Ausschluss von Sozialleistungen für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht unzulässig
Pressemitteilung Nr. 15/2020 vom 4. März 2020
Beschluss vom 26. Februar 2020
1 BvL 1/20
Ausländerinnen und Ausländer, die in Deutschland kein Aufenthaltsrecht haben, sind nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII von bestimmten existenzsichernden Sozialleistungen ausgeschlossen. Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats die Vorlage eines Sozialgerichts zurückgewiesen, das dies mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für unvereinbar hält, soweit Unionsbürger vollständig von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen seien, bei denen das Nichtbestehen der Freizügigkeit zwar festgestellt, diese Feststellung aber noch nicht in Bestandskraft erwachsen sei. Im sozialgerichtlichen Ausgangsverfahren begehrt eine rumänische Familie im Wege des Eilrechtsschutzes die Bewilligung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Die Ausländerbehörde hatte den Verlust des Freizügigkeitsrechts gemäß § 5 Abs. 4 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern und die daraus folgende Ausreisepflicht festgestellt. Über die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden.
Die Vorlage des Sozialgerichts im Wege der konkreten Normenkontrolle ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Vorlage übergeht mehrere Fragen zur Verfassungswidrigkeit und zur Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm, die für die verfassungsrechtliche Prüfung unverzichtbar sind und ohne deren Klärung das Bundesverfassungsgericht in diesem Verfahren nicht entscheiden kann. Das Sozialgericht legt nicht hinreichend dar, dass das geltende Recht in der hier konkret zu entscheidenden Situation nicht so hätte ausgelegt werden können, dass die Leistung vor Bestandskraft der Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit nicht ausgeschlossen ist.

 

Februar 2020

Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen verfassungsgemäß

Bundesverfassungsgericht Karlsruhe, 27. Februar 2020 - Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat die Verfassungsbeschwerde einer hessischen Rechtsreferendarin gegen das Verbot, bei bestimmten dienstlichen Tätigkeiten ein Kopftuch zu tragen, zurückgewiesen.

Danach ist die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Pflicht, sich im Rechtsreferendariat in weltanschaulich-religiöser Hinsicht neutral zu verhalten, aus verfassungsrechtlicher Sicht zu respektieren. Zwar stellt diese Pflicht einen Eingriff in die Glaubensfreiheit und weitere Grundrechte der Beschwerdeführerin dar. Dieser ist aber gerechtfertigt.
Als rechtfertigende Verfassungsgüter kommen die Grundsätze der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege sowie die negative Religionsfreiheit Dritter in Betracht. Hier kommt keiner der kollidierenden Rechtspositionen ein derart überwiegendes Gewicht zu, das dazu zwänge, der Beschwerdeführerin das Tragen religiöser Symbole im Gerichtssaal zu verbieten oder zu erlauben.


Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig

Bundesverfassungsgericht Karlsruhe, 26. Februar 2020 - Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.

Mit dieser Begründung hat der Zweite Senat mit Urteil vom heutigen Tage entschieden, dass das in § 217 des Strafgesetzbuchs (StGB) normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung gegen das Grundgesetz verstößt und nichtig ist, weil es die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert. Hieraus folgt nicht, dass es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen untersagt ist, die Suizidhilfe zu regulieren. Er muss dabei aber sicherstellen, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibt.


Keine Haftung für Kundenbewertungen bei Amazon
Karlsruhe, 20. Februar 2020 - Der unter anderem für Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass den Anbieter eines auf der Online-Handelsplattform Amazon angebotenen Produkts für Bewertungen des Produkts durch Kunden grundsätzlich keine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft.

Sachverhalt: Der Kläger ist ein eingetragener Wettbewerbsverein. Die Beklagte vertreibt Kinesiologie-Tapes. Sie hat diese Produkte in der Vergangenheit damit beworben, dass sie zur Schmerzbehandlung geeignet seien, was jedoch medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte hat deshalb am 4. November 2013 gegenüber dem Kläger eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.
Die Beklagte bietet ihre Produkte auch bei der Online-Handelsplattform Amazon an. Dort wird für jedes Produkt über die EAN (European Article Number) eine diesem Produkt zugewiesene ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer) generiert, die sicherstellen soll, dass beim Aufruf eines bestimmten Produkts die Angebote sämtlicher Anbieter dieses Produkts angezeigt werden. Käuferinnen und Käufer können bei Amazon die Produkte bewerten.

Amazon weist eine solche Bewertung ohne nähere Prüfung dem unter der entsprechenden ASIN geführten Produkt zu. Das hat zur Folge, dass zu einem Artikel alle Kundenbewertungen angezeigt werden, die zu diesem - unter Umständen von mehreren Verkäufern angebotenen - Produkt abgegeben wurden.

Am 17. Januar 2017 bot die Beklagte bei Amazon Kinesiologie-Tapes an. Unter diesem Angebot waren Kundenrezensionen abrufbar, die unter anderem die Hinweise "schmerzlinderndes Tape!", "This product is perfect for pain…", "Schnell lässt der Schmerz nach", "Linderung der Schmerzen ist spürbar", "Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg" und "Schmerzen lindern" enthielten.

Der Kläger forderte von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe. Die Löschung der Kundenrezensionen lehnte Amazon auf Anfrage der Beklagten ab. Der Kläger begehrt Unterlassung und Zahlung der Vertragsstrafe sowie der Abmahnkosten. Die Beklagte habe sich die Kundenrezensionen zu Eigen gemacht und hätte auf ihre Löschung hinwirken müssen. Falls dies nicht möglich sei, dürfe sie die Produkte bei Amazon nicht anbieten.

Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch aus § 8 Abs. 1, § 3a* UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Zwar seien die in den Kundenrezensionen enthaltenen gesundheitsbezogenen Angaben irreführend. Sie stellten aber keine Werbung dar. Zumindest wäre eine solche Werbung der Beklagten nicht zuzurechnen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte für Kundenbewertungen der von ihr bei Amazon angebotenen Produkte keine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich nicht aus der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 und Satz 2 HWG, die Werbung für Medizinprodukte mit irreführenden Äußerungen Dritter verbietet.
Die Kundenbewertungen sind zwar irreführende Äußerungen Dritter, weil die behauptete Schmerzlinderung durch Kinesiologie-Tapes medizinisch nicht gesichert nachweisbar ist. Die Beklagte hat mit den Kundenbewertungen aber nicht geworben. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat sie weder selbst aktiv mit den Bewertungen geworben oder diese veranlasst, noch hat sie sich die Kundenbewertungen zu eigen gemacht, indem sie die inhaltliche Verantwortung dafür übernommen hat.

Die Kundenbewertungen sind vielmehr als solche gekennzeichnet, finden sich bei Amazon getrennt vom Angebot der Beklagten und werden von den Nutzerinnen und Nutzern nicht der Sphäre der Beklagten als Verkäuferin zugerechnet. Die Beklagte traf auch keine Rechtspflicht, eine Irreführung durch die Kundenbewertungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG zu verhindern.
Durch ihr Angebot auf Amazon wird keine Garantenstellung begründet. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dabei, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Marktplätzen gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, wird durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt.
Einer Abwägung mit dem Rechtsgut der öffentlichen Gesundheit, die als Gemeinschaftsgut von hohem Rang einen Eingriff in dieses Grundrecht rechtfertigen könnte, bedarf es hier nicht, weil Anhaltspunkten für eine Gesundheitsgefährdung bei dem Angebot von Kinesiologie-Tapes fehlen.

Vorinstanzen: LG Essen - Urteil vom 30. August 2017 - 42 O 20/17 OLG Hamm - Urteil vom 11. September 2018 - 4 U 134/17 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 3a UWG Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG
Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;
§ 8 Abs. 1 UWG
Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG
Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.



Unzulässiger Eilantrag gegen Berliner „Mietendeckel“
Karlsruhe, 14. Februar 2020 - Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats einen Antrag auf Außerkraftsetzung einer Vorschrift des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung des Landes Berlin (sogenannter „Mietendeckel) im Wege einer einstweiligen Anordnung als unzulässig verworfen.
Die Antragsteller, die Wohnungen in Berlin vermieten, begehrten, die Verletzung der Regelungen zu bestimmten Auskunftspflichten und zur gesetzlich bestimmten Höchstmiete vorläufig nicht als Ordnungswidrigkeit einzustufen. Ein zulässiger Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz erfordert eine substantiierte Darlegung seiner Voraussetzungen.
Die Zulässigkeit eines Eilantrags gegen ein Gesetz vor seiner Verkündung setzt dabei voraus, dass der Inhalt des Gesetzes feststeht und seine Verkündung unmittelbar bevorsteht.
Diesen Anforderungen genügt der Antrag nicht. Die Antragsteller haben nicht dargelegt, dass das Gesetzgebungsverfahren infolge der im Abgeordnetenhaus von Berlin im Januar 2020 durchgeführten zweiten Lesung des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung des Landes Berlin vollständig abgeschlossen ist.
Nach dem Berliner Landesrecht werden Gesetzesanträge zwar regelmäßig in zwei Lesungen beraten und beschlossen. Allerdings hat auf Verlangen des Präsidenten des Abgeordnetenhauses oder des Senats von Berlin eine dritte Lesung stattzufinden.
Zudem hat der Präsident des Abgeordnetenhauses Gesetze unverzüglich auszufertigen. Hier ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sowohl der Präsident des Abgeordnetenhauses als auch der Senat von Berlin keine dritte Lesung verlangt haben, noch dass durch den Präsidenten des Abgeordnetenhauses die Ausfertigung desselben vorgenommen wurde. Der Antrag ist daher verfrüht.


Aus dem Grundgesetz ergibt sich grundsätzlich kein Anspruch darauf, dass Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden
 
Karlsruhe, 5. Februar 2020 - Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Nach dem Tarifvertragsgesetz (TVG) können Tarifverträge durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) für allgemeinverbindlich erklärt werden. Sie gelten dann nicht nur für die Tarifvertragsparteien und ihre Mitglieder, sondern auch darüber hinaus.
Jedoch ergibt sich aus der in Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie kein Recht darauf, dass ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wird. Daher hat die 3. Kammer des Ersten Senats mit heute veröffentlichtem Beschluss die Verfassungsbeschwerde einer Gewerkschaft und einer durch Tarifvertrag eingerichteten Sozialkasse nicht zur Entscheidung angenommen.

Januar 2020

Urteil im Verfahren zum Tod einer Frau nach Stoß vor einen Zug in Voerde Beschuldigter in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht
Landgericht Duisburg, 28. Januar 2020 - In dem Strafverfahren (Sicherungsverfahren) gegen einen 28-jährigen Beschuldigten aus Hamminkeln hat die 5. Große Strafkammer – Schwurgericht – in der öffentlichen Sitzung am 28.01.2020 ein Urteil verkündet. Der Beschuldigte wurde (unbefristet) in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.

Nach den Feststellungen der Kammer stieß der Beschuldigte am 20.07.2019 die am Bahnsteig des Bahnhofs in Voerde wartende Geschädigte in Tötungsabsicht vor einen einfahrenden Zug. Die junge Frau wurde von dem Zug erfasst und verstarb noch am Tatort. Zuvor war der Beschuldigte bereits mit anderen auf dem Bahnsteig wartenden Personen in Konflikt geraten.

Die Richter haben die Tat als Mord mit dem Merkmal der Heimtücke gewertet. Sie haben hierzu festgestellt, dass der Beschuldigte bei der Tat bewusst den Umstand ausnutzte, dass die Frau nicht mit einem Angriff auf ihr Leben rechnete und sich deswegen hiergegen nicht zur Wehr setzen konnte. Das Gericht hat dagegen das Merkmal der Mordlust nicht angenommen.

Die Richter konnten nicht feststellen, dass es dem Beschuldigten darum ging, sich durch die Tötung eines Menschen Befriedigung zu verschaffen. Die Motivlage blieb nach der durchgeführten Beweisaufnahme unklar. Die Richter haben überdies nach Anhörung eines psychiatrischen Sachverständigen festgestellt, dass der Beschuldigte die Tat aufgrund einer psychischen Erkrankung beging. Es konnte zudem nicht ausgeschlossen werden, dass er bei der Tat schuldunfähig war.
Weil das Gericht davon ausgegangen ist, dass der Beschuldigte wegen seiner Erkrankung auch in Zukunft für die Allgemeinheit gefährlich ist, hat es seine unbefristete Unterbringung in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Aktenzeichen: 35 Ks 20/19

Alkohol im Blut kann Versicherungsschutz kosten
·       Mitfahrt bei Betrunkenem kann Konsequenzen haben
·       Promillegrenzen gelten auch beim Radfahren

Coburg/Duisburg,  23. Januar 2020 -
Die fünfte Jahreszeit hat begonnen und nähert sich langsam ihrem Höhepunkt. Für viele Narren gehört ein guter Schluck genauso zum Fasching wie die gute Laune. Manch einer fühlt sich nach ein, zwei Gläsern immer noch als Herr des Geschehens, doch der Eindruck täuscht. Schon geringe Alkoholmengen genügen, um die Reaktionsfähigkeit drastisch einzuschränken.

Bei Fahrauffälligkeiten – wie dem Fahren von Schlangenlinien oder zu dichtem Auffahren – drohen bereits ab 0,3 Promille ein Fahrverbot, Punkte und ein Bußgeld. Wer mit 0,5 Promille in eine Polizeikontrolle gerät, wird mit mindestens 500 Euro zur Kasse gebeten, darf sich mindestens einen Monat nicht ans Steuer setzen und kassiert zwei Punkte in Flensburg.

Ist ein Autofahrer mit mehr als 1,1 Promille unterwegs, geht der Gesetzgeber automatisch von absoluter Fahruntüchtigkeit aus. Wen die Polizei so antrifft, der muss sich für mindestens sechs Monate von seinem Führerschein verabschieden. Weitere Konsequenzen sind drei Punkte in Flensburg und eine Geldstrafe. Bei solch einer Trunkenheitsfahrt wird der Führerschein entzogen. Seine Rückgabe muss bei der Straßenverkehrsbehörde beantragt werden.

Fahranfänger sollten berücksichtigen: Bis zum 21. Geburtstag beziehungsweise während der Probezeit ist Alkohol am Steuer absolut tabu. Auch Rad fahren und Alkohol passen nicht zusammen: Wer angetrunken einen Unfall verursacht, läuft ab 0,3 Promille ebenfalls Gefahr, seinen Führer-schein verlieren. Ab 1,6 Promille muss auch ein Radfahrer mit einem Verfahren rechnen - unabhängig davon, ob er einen Führerschein besitzt.

Nicht mit Versicherungsschutz spielen

Soweit die strafrechtliche Seite. War bei einem Unfall Alkohol im Spiel, kann sich das, wie die HUK-COBURG mitteilt, auch auf den Versicherungsschutz auswirken. Inwiefern hängt vom Blutalkoholspiegel und der individuellen Fahrtüchtigkeit ab. Also davon, ob der Fahrer eine Situation erkannt und angemessen reagiert hat. Wer Schlangenlinien gefahren ist, Autos gerammt hat oder von der Straße abgekommen ist, hat diese Grenze überschritten. Wie viel Alkohol zu Ausfallerscheinungen führt, ist bei jedem verschieden. Im Extremfall genügt ein Glas Sekt.

Lässt sich der Unfall eindeutig auf Alkoholkonsum zurückführen, greift in der Kfz-Haftpflichtversicherung die Trunkenheitsklausel. Sie befreit den Versicherer von seiner Leistungspflicht. Das heißt: Die Versicherung reguliert den Schaden des Opfers, nimmt aber den Unfallverursacher in Regress. Maximal 5.000 Euro kann sie sich vom Schädiger zurückholen.

In der Kasko-Versicherung kann sich der Versicherer auf Leistungsfreiheit berufen und nur einen Teil des Schadens oder gar nichts bezahlen. Bei 1,1 Promille gilt der Alkoholgenuss automatisch als unfallursächlich. Allerdings genügen auch geringere Mengen, um den Versicherungsschutz ins Wanken zu bringen. Die Gretchenfrage ist und bleibt die Ursächlichkeit für die Karambolage.

Beifahrer mit in der Verantwortung

Auch wer bei seinem alkoholisierten Trinkkumpan ins Auto steigt, muss bei einem Unfall mit Konsequenzen rechnen. Wird der Beifahrer verletzt, können seine Ansprüche gekürzt werden, die er im Normalfall gegen den Verursacher gehabt hätte. Dies gilt zum Beispiel für das Schmerzensgeld. Die Rechtsprechung unterstellt hier, dass ein Beifahrer, der sich zu einem Betrunkenen ins Auto setzt, sich selbst gefährdet und die Verletzungsfolgen dadurch mit verursacht hat.

Selbst am Morgen nach einer fröhlich durchzechten Nacht ist der Alkohol immer noch ein Thema. Schließlich dauert es um die zehn Stunden, bis ein Promille Alkohol im Körper abgebaut wird. Im Zweifelsfall empfiehlt sich der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel.

Kein gewohnheitsrechtliches Wegerecht aufgrund jahrzehntelanger Duldung durch den Nachbarn
Karlsruhe, 24. Januar 2020 - Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass im Verhältnis einzelner Grundstücksnachbarn ein Wegerecht nicht aufgrund Gewohnheitsrechts durch eine – sei es auch jahrzehntelange – Übung entstehen kann. Außerhalb des Grundbuchs kann ein Wegerecht nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegrecht unter den Voraussetzungen des § 917 BGB bestehen.
Sachverhalt: Die Kläger sind Eigentümer dreier nebeneinander an einer öffentlichen Straße liegender Grundstücke, die mit drei aneinandergrenzenden Häusern bebaut sind. Im rückwärtigen Teil dieser Grundstücke befinden sich Garagen, die baurechtlich nicht genehmigt sind. Die Beklagte ist Eigentümerin von Grundstücken, auf denen sich ein Weg befindet, über den die Kläger die Garagen und die rückwärtigen Bereiche ihrer vorne über die Straße erschlossenen Grundstücke erreichen.
Eine Nutzung des Weges wurde seit Jahrzehnten durch frühere Eigentümer der Grundstücke und nach dem Eigentumsübergang auf die Beklagte durch diese selbst geduldet. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2016 erklärte die Beklagte gegenüber den Klägern die "Kündigung des Leihvertrages über das vor über 30 Jahren bestellte, schuldrechtliche Wegerecht".
Sie kündigte an, den Weg zu sperren und begann mit dem Bau einer Toranlage. Die Kläger, die sich auf ein zu ihren Gunsten bestehendes Wegerecht, hilfsweise auf ein Notwegrecht berufen, verlangen von der Beklagten, die Sperrung des Weges zu unterlassen.

Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Beklagte verpflichtet, es zu unterlassen, die Kläger an der Nutzung des Weges zu hindern, insbesondere durch das Anbringen eines Tores mit Schließanlage. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und dies damit begründet, dass die Kläger aufgrund eines zu ihren Gunsten bestehenden Gewohnheitsrechts zur Nutzung des Zuwegs zum rückwärtigen Bereich ihrer Grundstücke berechtigt seien. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Die Kläger können sich nicht auf Gewohnheitsrecht berufen. Gewohnheitsrecht entsteht durch längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird.
Als ungeschriebenes Recht enthält es eine generell-abstrakte Regelung; diese muss über den Einzelfall hinausweisen. Zwar muss Gewohnheitsrecht kein "Jedermann-Recht" sein.
In dem Unterfall der sog. Observanz, bei der es sich um ein örtlich begrenztes Gewohnheitsrecht handelt, kann dieses auch im Verhältnis einer begrenzten Zahl von Eigentümern und Pächtern zueinander entstehen, etwa nur für eine Gemeinde oder die Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Voraussetzung ist aber auch in diesem Fall, dass die ungeschriebene Rechtsnorm, die die Beteiligten als verbindlich anerkennen, alle Rechtsverhältnisse einer bestimmten Art beherrscht.

Gewohnheitsrecht kann als dem Gesetz gleichwertige Rechtsquelle allgemeiner Art nur zwischen einer Vielzahl von Rechtsindividuen und in Bezug auf eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen entstehen, nicht aber beschränkt auf ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn.
In einem konkreten Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn kann ein Wegerecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch außerhalb des Grundbuchs nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegrecht unter den Voraussetzungen des § 917 BGB entstehen, nicht aber durch eine – sei es auch jahrzehntelange – Übung unter Grundstücksnachbarn.
Das Oberlandesgericht wird zu prüfen haben, ob den Klägern gemäß § 917 Abs. 1 BGB ein Notwegrecht zusteht. Dies wäre der Fall, wenn die ordnungsmäßige Benutzung ihrer Grundstücke eine Zufahrt über die Grundstücke der Beklagten erforderlich machte.
Soweit die Grundstücke nur zu Wohnzwecken genutzt werden, wird ein Notwegrecht allerdings schon deshalb ausscheiden, weil die im hinteren Bereich der Grundstücke der Kläger befindlichen Garagen baurechtlich nicht genehmigt und mangels Erschließung auch nicht genehmigungsfähig sind.
Soweit die Grundstücke gewerblich genutzt werden, kommt ein Notwegrecht hingegen grundsätzlich in Betracht, da bei einem Gewerbegrundstück etwa Be- und Entladevorgänge sowie das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem verbindungslosen Grundstücksteil für die ordnungsmäßige Benutzung erforderlich sein und damit für diesen Teil eine Zufahrt erforderlich machen können.

Vorinstanzen: LG Aachen – Urteil vom 11. Oktober 2017 – 11 O 157/17 OLG Köln – Beschluss vom 1. Juni 2018 – 16 U 149/17 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 1027 BGB Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 bestimmten Rechte zu. § 1004 BGB (1) 1Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.
2Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. (2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. § 293 ZPO 1Das in einem anderen Staat geltende Recht, die Gewohnheitsrechte und Statuten bedürfen des Beweises nur insofern, als sie dem Gericht unbekannt sind.
2Bei Ermittlung dieser Rechtsnormen ist das Gericht auf die von den Parteien beigebrachten Nachweise nicht beschränkt; es ist befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen und zum Zwecke einer solchen Benutzung das Erforderliche anzuordnen.



Keine Überwachung des ruhenden Verkehrs durch private Dienstleister   OLG Frankfurt am Main/Duisburg, 20. Januar 2020 - Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat in einer Grundsatzentscheidung die Überwachung des ruhenden Verkehrs durch „private Dienstleister“ für gesetzeswidrig erklärt. Die so ermittelten Beweise unterliegen einem absoluten Verwertungsverbot, entschied das OLG mit heute veröffentlichtem Beschluss. Nr. 06/2020

Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main (Stadt Frankfurt) hatte als Ortspolizeibehörde wegen unerlaubten Parkens im eingeschränkten Halteverbot gegen den Betroffenen ein Verwarngeld von 15 € verhängt. Auf den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Frankfurt am Main das Verwarngeld durch Urteil vom 19.07.2018 bestätigt. Die Feststellungen zu dem Parkverstoß beruhen auf der Angabe des in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen H.. Dieser war der Stadt Frankfurt durch „die Firma W. überlassen“ und von der Stadt als „Stadtpolizist“ bestellt worden. Die Tätigkeit übte der Zeuge in Uniform aus.

Gegen diese Verurteilung wendete sich der Betroffene vor dem OLG mit Erfolg. Das Verfahren sei einzustellen, da die zugrundeliegenden Beweise einem absoluten Beweisverwertungsverbot unterlägen, begründete das OLG seine Entscheidung. Der Einsatz „privater Dienstleister“ zur Verkehrsüberwachung des ruhenden Verkehrs sei gesetzeswidrig.
Das Recht, Ordnungswidrigkeiten zu ahnden, sei ausschließlich dem Staat – hier konkret der Polizei – zugewiesen. Dieses im Rechtsstaatsprinzip verwurzelte staatliche Gewaltmonopol beziehe sich auf die gesamte Verkehrsüberwachung, d.h. sowohl den fließenden als auch den ruhenden Verkehr.

Im Einzelnen: Das OLG hatte zunächst das Innenministerium gebeten, die Rechtsstruktur des Vorgehens der Stadt Frankfurt mitzuteilen. Nach Rücksprache mit der Stadt Frankfurt erklärte das Ministerium, dass die Stadt Frankfurt für die Kontrolle des ruhenden Verkehrs Leiharbeitskräfte eines privaten Dienstleisters auf Basis einer Stundenvergütung einsetze. Die von der privaten Firma überlassenen Leiharbeitskräfte würden „unter dem Einsatz des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sowie einer physisch-räumlichen und organisatorischen Integration in die Gemeindeverwaltung“ durch „das Regierungspräsidium Darmstadt gem. § 99 Abs. 3 Nr. 4e HSOG zu Hilfspolizeibeamtin und -beamten bestellt“ (Stellungnahme der Stadt Frankfurt vom 20.05.2019).
Gemäß § 99 Abs. 2 S.1 HSOG hätten Hilfspolizeibeamte im Rahmen ihrer Aufgaben die Befugnisse von Polizeivollzugsbeamten. Diese umfassenden Rechte seien einzelvertraglich wieder beschränkt. Das Innenministerium teilte zudem mit, dass neben der Stadt Frankfurt auch weitere Kommunen in Hessen Aufgaben bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs an Leiharbeitskräfte übertragen hätten und diese jeweils zu Hilfspolizeibeamten bestellt worden seien.

Diese Leiharbeitskräfte trügen in einigen Kommunen Uniformen, aber nicht in allen. Dieses Vorgehen erklärte das OLG nun für gesetzeswidrig: Die der Stadt Frankfurt als Polizeibehörde gesetzlich zugewiesene Verpflichtungen, den ruhenden Verkehr zu überwachen und Verstöße zu ahnden, seien hoheitliche Aufgaben. Mangels Ermächtigungsgrundlage dürften diese Aufgaben nicht durch private Dienstleister durchgeführt werden.
Die Überlassung privater Mitarbeiter nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zur Durchführung hoheitlicher Aufgaben sei unzulässig. Die Bestellung privater Personen nach § 99 HSOG zu Hilfspolizeibeamten der Ortspolizeibehörden sei gesetzeswidrig.

Es gebe keine vom Parlament erlassene Ermächtigungsgrundlage, die die Stadt Frankfurt berechtigte, die Aufgabe der Überwachung des ruhenden Verkehrs auf „Dritte“ zu übertragen. Ein über die Arbeitnehmerüberlassung entliehener Mitarbeiter werde nicht „Bediensteter“ der Stadt Frankfurt und könne deshalb auch nicht durch einen hoheitlichen Bestellungsakt „Stadtpolizist“ werden. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz diene dazu, den Missbrauch von Arbeitnehmerüberlassung im privatwirtschaftlichen Bereich einzudämmen.

Ein Wirtschaftsunternehmen (und nicht der Staat) dürfe kurzfristige auftretende Tätigkeitsspitze durch die kurzfristige Hinzuziehung fremder Arbeitskräfte ausgleichen, wobei entscheidend sei, dass der entliehene Arbeitnehmer im verleihenden Unternehmen verbleibe.
Das Regierungspräsidium Darmstadt habe für die vorliegend vorgenommene Bestellung einer Privatperson zu einem „Stadtpolizisten“ auch keine Zuständigkeit. Sie ergebe sich insbesondere nicht aus § 99 Abs. 3 Nr. 4 HSOG. § 99 HSOG erfülle vielmehr nicht die Voraussetzungen für eine Ermächtigungsnorm und könne als Landespolizeigesetz diese auch nicht erfüllen. § 99 HSOG regele lediglich die Frage einer möglichen landesspezifischen Umsetzung bei der Durchführung („Wie“), wenn dies in einer Ermächtigungsgrundlage vorgesehen wäre („Ob“).
Für die Verkehrsüberwachung fehle jedoch diese Ermächtigungsgrundlage. Mit Hilfe des Polizeirechts der Länder könne eine verfassungsrechtlich verankerte und in Bundesgesetzen geregelte Kompetenz-, Regelungs- und Sanktionierungszuweisung nicht umgangen oder außer Kraft gesetzt werden. § 99 Abs. 3 HSOG sei nach Sinn und Zweck der Vorschrift und gemäß der gesetzgeberischen Konstruktion vor dem Hintergrund seines eng auszulegenden Ausnahmecharakters zu Art. 33 Abs. 4 GG so aufgebaut, dass die jeweilige Behörde für die ihr übertragenen (polizeilichen) Tätigkeiten jeweils eigene Bedienstete und Bedienstete der jeweils nachgeordneten Behörden als „Hilfspolizeibeamte“ bestellen könne.

Die Stadt Frankfurt könne daher nach § 99 Abs. 3 HSOG für die eigene „Stadtpolizei“ „eigene Bedienstete“ bestellen. Das habe sie indes nicht getan. Stattdessen habe sie die „Verkehrsüberwachung den privaten Dienstleister im strafbewehrten Gewand einer Polizeiuniform durchführen“ lassen. Es sei nach Außen der „täuschende(n) Schein der Rechtstaatlichkeit“ aufgebaut worden, „um den Bürgern und den Gerichten gegenüber den Eindruck polizeilicher Handlungen zu vermitteln“.
Tatsächlich seien diese aber durch einen „privaten Dienstleister“ durchgeführt worden, der im Ergebnis durch Verwarngelder finanziert werde, deren zu Grunde liegende Verstöße er selbst erhebe. Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 3.1.2020, Az: 2 Ss-Owi 963/18 (vorausgehend Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 19.7.2018, Az: 979 OWi - 858 Js 47749/17)

 Erläuterungen: In Frankfurt wurden 2018 über 700.000 Parkverstöße geahndet mit einem Sanktionswert von über 10 Mio. €. Das OLG Frankfurt ist laut der Beschlussbegründung das erste OLG, welches sich mit der Frage der Zulässigkeit des Einsatzes „privater Dienstleister“ im Bereich der Verkehrsüberwachung des ruhenden Verkehrs befasst.
Den Einsatz sog. „privater Dienstleister“ bei der Überwachung des fließenden Verkehrs hatte das OLG bereits grundsätzlich für gesetzeswidrig erklärt (Grundsatzentscheidungen v. 26.04.2017 - 2 Ss-Owi 295/17 sog. Lauterbach-Entscheidung; Beschluss vom 06.11.2019 - 2 Ss-OWi 942/19 - vgl. Presseerklärung Nr. 65/2019 vom 12.11.2019; Beschluss vom 27.11.2019 - 2 Ss-OWi 1092/19 - vgl. 
Presseerklärung Nr. 78/2019 vom 20.12.2019).
Art. 33 Grundgesetz [Staatsbürgerliche Rechte] (1) .... (4)

Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. § 99 HSOG Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamte
(1) 1 Zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben der Gefahrenabwehr oder zur hilfsweisen Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben können Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamte bestellt werden; in den Landkreisen und Gemeinden können sie die Bezeichnung Ordnungspolizeibeamtin oder Ordnungspolizeibeamter führen. 2 Die Bestellung ist widerruflich.
(2) ... (3) 1 Zu Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamten können bestellen 1. die kreisfreien Städte und Landkreise eigene Bedienstete, 2. die Polizeibehörden eigene Bedienstete,
3. die Landräte eigene Bedienstete und Bedienstete kreisangehöriger Gemeinden, 4. die Regierungspräsidien a) Bedienstete sonstiger Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, b) Privatforstbedienstete, die als Forstschutzbedienstete amtlich bestätigt worden sind, und, soweit in sonstigen Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, Bedienstete von Unternehmen, die dem öffentlichen Verkehr dienen, c) amtlich verpflichtete Fischereiaufseherinnen und Fischereiaufseher, d) sonstige Bedienstete des Landes, e) andere Personen. 2 Bestellungen von Bediensteten kreisangehöriger Gemeinden sowie Bestellungen nach Satz 1 Nr. 4 Buchst. a bis c erfolgen auf Antrag.

Neue Düsseldorfer Tabelle 2020

Die von dem Oberlandesgericht Düsseldorf herausgegebene "Düsseldorfer Tabelle" wird zum 1. Januar 2020 geändert. Die Änderungen betreffen im Wesentlichen (1) die Bedarfssätze minderjähriger und volljähriger Kinder, (2) den Bedarf eines Studierenden, der nicht mehr bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, sowie (3) die sogenannten Selbstbehalte. Am Ende dieser Mitteilung wird (4) kurz die Bedeutung der "Düsseldorfer Tabelle" erklärt und (5) eine Perspektive für das Jahr 2021 gegeben.
1. Bedarfssätze für Kinder
Die Anhebung der Bedarfssätze minderjähriger Kinder beruht auf der Erhöhung des Mindestbedarfs gemäß der "Zweiten Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 12.09.2019".

Der Mindestunterhalt beträgt danach ab dem 1. Januar 2020:
- für Kinder der 1. Altersstufe (bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres) 369 EUR (Anhebung um 15 EUR),
- für Kinder der 2. Altersstufe (bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres) 424 EUR (Anhebung um 18 EUR) und
- für Kinder der 3. Altersstufe (vom 13. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit) 497 EUR (Anhebung um 21 EUR).
Diese der Entscheidung des Gesetzgebers folgende Erhöhung des Mindestunterhalts führt zugleich zu einer Änderung der Bedarfssätze der 2. bis 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle. Sie werden wie in der Vergangenheit ab der 2. bis 5. Gruppe um jeweils 5 Prozent und in den folgenden Gruppen um jeweils 8 Prozent des Mindestunterhalts angehoben. Auch die Bedarfssätze volljähriger Kinder, die in 2018 und in 2019 unverändert blieben, werden zum 01.01.2020 angehoben. Sie betragen 125 Prozent des Bedarfs der 2. Altersstufe. Die Einkommensgruppen, die zuletzt zum 01.01.2018 erhöht wurden, bleiben unverändert.

2. Bedarf von Studierenden
In Anlehnung an den zum 01.08.2019 gestiegenen Höchstsatz nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz steigt der Bedarf eines Studierenden, der nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, von bisher 735 EUR auf 860 EUR (einschließlich 375 EUR an Warmmiete). Auf den Bedarf des Kindes ist nach § 1612b BGB das Kindergeld anzurechnen.
Dieses beträgt seit dem 1. Juli 2019:
- für ein erstes und zweites Kind 204 EUR,
- für ein drittes Kind 210 EUR und
- ab dem vierten Kind 235 EUR.

Das Kindergeld ist bei minderjährigen Kindern in der Regel zur Hälfte und bei volljährigen Kindern in vollem Umfang auf den Barunterhaltsbedarf anzurechnen. Die sich nach Abzug des Kindergeldanteils ergebenden Beträge sind in den im Anhang der Tabelle beigefügten "Zahlbetragstabellen" aufgelistet.

3. Selbstbehalte
Erstmals seit 2015 ändern sich die sogenannten Selbstbehalte. Diese Selbstbehalte bilden den dem Unterhaltspflichtigen mindestens zu belassenden Betrag ab. Gegenüber den Ansprüchen minderjähriger Kinder und volljähriger unverheirateter Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, beträgt der notwendige Selbstbehalt des nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 960 EUR und des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1.160 EUR statt bislang 880 EUR bzw. 1.080 EUR.
Der notwendige Selbstbehalt beinhaltet Wohnkosten (Warmmiete) von 430 EUR. Der Selbstbehalt kann erhöht werden, wenn die Wohnkosten diesen Betrag überschreiten und nicht unangemessen sind. Sofern nicht der Mindestbedarf des unterhaltsberechtigten Kindes betroffen ist, beträgt der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende Eigenbedarf mindestens 1.400 EUR statt bisher 1.300 EUR. Gegenüber Ansprüchen auf Ehegattenunterhalt bzw. Unterhaltsansprüchen der Mutter oder des Vaters eines nicht ehelichen Kindes beträgt der Eigenbedarf des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ab dem 01.01.2020 1.280 EUR und des nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen 1.180 EUR.

Die Unterscheidung zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen erfolgt in Anlehnung an den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Oktober 2019 (Aktenzeichen XII ZB 341/17). Der Selbstbehalt gegenüber Unterhaltsansprüchen von Eltern steigt zum 01.01.2020 von bisher 1.800 EUR auf 2.000 EUR. Auswirkungen des sogenannten Angehörigenentlastungsgesesetzes sind noch nicht berücksichtigt.

4. Hintergrund der "Düsseldorfer Tabelle"
Die seit dem 1. Januar 1979 von dem Oberlandesgericht Düsseldorf herausgegebene "Düsseldorfer Tabelle" beruht auf Koordinierungsgesprächen aller Oberlandesgerichte und der Unterhaltskommission des Familiengerichtstages e.V. Sie ist eine Richtlinie und Hilfsmittel für die Bemessung des angemessenen Unterhalts im Sinne des § 1610 BGB und wird von allen Oberlandesgerichten zur Bestimmung des Kindesunterhalts verwandt.

5. Perspektiven für 2021
Die nächste Änderung der Düsseldorfer Tabelle wird voraussichtlich zum 1. Januar 2021 erfolgen. Nach der Mindestunterhaltsverordnung vom 12. September 2019 wird dann der Mindestunterhalt
- für ein Kind der 1. Altersstufe auf 378 EUR,
- für ein Kind der 2. Altersstufe auf 434 EUR und
- für ein Kind der 3. Altersstufe auf 508 EUR steigen.