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Jugend in DU

Am 11. Dezember 1946 in New York: Kinderhilfswerk Unicef wird ins Leben gerufen! Am 24. Juli 1957 wurde in Duisburg aus Dankbarkeit und der Einsicht, dass auch in vielen anderen Teilen der Welt Kinder in großer Not leben, die Arbeitsgruppe Duisburg ins Leben gerufen. Redaktion Harald Jeschke
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Gaza: „Die Kinder sind gefangen in einem Kreislauf des Leidens“

Zusammenfassung des heutigen Statements von James Elder, UNICEF-Sprecher, im Palais des Nations in Genf

© UNICEF/UNI501984/Al-Qattaa

Gaza/Köln/Duisburg, 26. März 2024 - Seit einigen Tagen ist UNICEF-Sprecher James Elder in Gaza. Heute hat er von seinen Eindrücken vor Ort berichtet. „Ich möchte über zwei wichtige Themen sprechen, von denen die Menschen hier in Gaza sagen, dass sie für ihr Überleben entscheidend sind. Die Sicherheit der Menschen in Rafah und die Lieferung von Hilfsgütern. Rafah ist nicht wiederzuerkennen, weil die Straßen überfüllt sind und Zelte an Straßenecken und auf sandigen Flächen stehen. Die Menschen schlafen auf der Straße, in öffentlichen Gebäuden und an jedem anderen verfügbaren Platz. Die weltweiten Standards für humanitäre Notsituationen legen fest, dass maximal 20 Personen sich eine Toilette teilen sollten.


In Rafah gibt es etwa eine Toilette für 850 Menschen. Bei den Duschen sind es viermal so viele, also eine Dusche für 3.600 Menschen. Das ist eine eklatante Missachtung der menschlichen Grundbedürfnisse und der Menschenwürde. Dieselben Standards besagen, dass jeder Mensch täglich 15 Liter Wasser braucht, und ein absolutes Minimum von drei Litern, nur um zu überleben. Als ich im November hier war, waren Familien und Kinder im Gazastreifen auf drei Liter oder weniger Wasser pro Person und Tag angewiesen. Heute haben die befragten Haushalte im Durchschnitt Zugang zu weniger als einem Liter sauberem Wasser pro Person und Tag.


Das benachbarte Chan Yunis ist ebenfalls nicht wiederzuerkennen, wenn auch aus einem anderen Grund – es existiert kaum noch. In meinen 20 Jahren bei den Vereinten Nationen habe ich noch nie derartige Zerstörung gesehen. Nur Chaos und Ruinen, Schutt und Trümmer, die in alle Richtungen verstreut sind. Völlige Vernichtung. Beim Gang durch die Straßen war ich überwältigt von dem Verlust. Das bringt uns zurück nach Rafah und den endlosen Diskussionen über eine groß angelegte Militäroperation in Rafah. Rafah ist eine Stadt der Kinder. 600.000 Mädchen und Jungen leben dort. Rafah beherbergt einige der letzten verbliebenen Krankenhäuser, Notunterkünfte, Märkte und Wasserversorgungssysteme in Gaza. Und dann ist da noch der Norden.


Gestern war ich wieder in Jabalia. Zehntausende von Menschen drängen sich auf den Straßen und halten sich die Hand vor den Mund – das universelle Zeichen für Hunger. Als ich vor einer Woche in den Gazastreifen kam, standen Hunderte von Lastwagen mit lebensrettender humanitärer Hilfe bereit, die darauf warteten, zu den Menschen zu gelangen, die sie dringend benötigten – allerdings auf der falschen Seite der Grenze. Hunderte von Lkw der UN und INGO [Internationalen Nichtregierungsorganisationen] stehen dort im Stau und warten auf die Einfahrt nach Gaza. In der Integrated Food Security Phase Classification (IPC) [fünfstufige Skala für Hungerrisiken] wurde letzte Woche festgestellt, dass im nördlichen Gazastreifen eine Hungersnot unmittelbar bevorsteht.


Der Gazastreifen hat nun den höchsten Prozentsatz einer Bevölkerung, der die höchste Einstufung seit Beginn der Klassifizierung im Jahr 2004 erhalten hat. Vor dem Krieg war Mangelernährung im Gazastreifen selten, weniger als ein Prozent der Kinder unter fünf Jahren war akut mangelernährt. Heute ist eines von drei Kindern unter zwei Jahren akut mangelernährt. Es liegt auf der Hand, dass der Norden dringend große Mengen an Lebensmitteln und therapeutischer Nahrung benötigt. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass unsere Bemühungen, diese Hilfe zu leisten, eingeschränkt werden. Es gibt den alten Grenzübergang Erez, der genutzt werden könnte, nur zehn Minuten von den hungernden Menschen entfernt. Zehn Minuten.


Würde er geöffnet, könnten wir die humanitäre Krise im Norden innerhalb weniger Tage bewältigen. Aber er bleibt geschlossen. Zwischen dem 1. und 22. März wurde ein Viertel der 40 humanitären Hilfsmissionen in den nördlichen Gazastreifen abgelehnt. UNRWA wird nun daran gehindert, Lebensmittel in den Norden zu bringen, obwohl bislang 50 Prozent der in den Norden gelieferten Lebensmittel von UNRWA geliefert wurden. Um es klar zu sagen: Lebensrettende Hilfe wird unterbunden. Menschen verlieren ihr Leben. Die Menschenwürde wird missachtet. Die Entbehrung, die aufgezwungene Ausweglosigkeit lassen die Bevölkerung verzweifeln. Die Nerven der Menschen liegen blank angesichts der ständigen Angriffe.


Sie fragen oft, ob es noch Hoffnung gibt. Alles bewegt sich hier zwischen den Extremen, auch diese Frage. Auf der einen Seite erzählt mir eine Mutter, dass sie geliebte Menschen verloren hat, ihr Zuhause und die Möglichkeit, ihre Kinder regelmäßig zu ernähren. Alles, was sie noch besitzt, ist Hoffnung. Gestern dann saß UNICEF mit Jugendlichen zusammen, von denen einige sagten, sie wünschten sich so sehr, dass ihr Albtraum ein Ende hätte und dass sie hofften, getötet zu werden. In Gaza wird regelmäßig das Unaussprechliche gesagt.


Von Mädchen im Teenageralter, die hoffen, dass sie getötet werden, bis hin zu der Aussage, dass ein Kind die letzte noch lebende Person der gesamten Familie ist. Solches Grauen ist hier nicht mehr einzigartig. Trotz allem gibt es so viele tapfere, hilfsbereite und unermüdliche Palästinenser*innen, die sich gegenseitig unterstützen. Und die UN-Organisationen und UNICEF machen weiter.


Wir von UNICEF setzen uns weiterhin für jedes Kind ein. Wasser, Schutz, Ernährung, Unterkunft – UNICEF ist hier. Wie wir gestern gehört haben, muss der Waffenstillstand umfassend sein, nicht nur symbolisch. Die Geiseln müssen nach Hause zurückkehren. Die Menschen in Gaza müssen leben dürfen. In den drei Monaten, die zwischen meinen Besuchen lagen, sind alle schrecklichen Zahlen dramatisch angestiegen. Gaza hat die Rekorde der Menschheit für ihre dunkelsten Kapitel gebrochen. Die Menschheit muss jetzt dringend ein anderes Kapitel schreiben.“

UN-Bericht: Weltweite Kindersterblichkeit auf historischem Tiefstand
Trotz vieler Fortschritte starb im Jahr 2022 weltweit alle sechs Sekunden ein Kind unter fünf Jahren – schätzungsweise 4,9 Millionen Kinder insgesamt

© UNICEF/UNI535065/Willocq


Genf/New York/Washington/Köln/Duisburg, 13. März 2024 - Die Zahl der Kinder, die vor ihrem fünften Geburtstag gestorben sind, erreichte im Jahr 2022 mit schätzungsweise 4,9 Millionen einen historischen Tiefstand. Dies geht aus heute veröffentlichten Schätzungen der Vereinten Nationen zur Kindersterblichkeit (UN Inter-agency Group for Child Mortality Estimation, UN IGME) hervor.

„Hinter diesen Zahlen stehen die Geschichten von qualifiziertem Gesundheitspersonal und Hebammen, die Müttern helfen, ihre Neugeborenen sicher zur Welt zu bringen, von Gesundheitshelferinnen und -helfern, die Kinder impfen und vor tödlichen Krankheiten schützen, und die Hausbesuche in ihren Gemeinden machen, um Familien zu unterstützen und eine angemessene Gesundheits- und Ernährungsversorgung für Kinder sicherzustellen,” sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. „Das jahrzehntelange Engagement von Einzelpersonen, Gemeinschaften und Staaten, um Kinder mit kostengünstigen, hochwertigen und wirksamen Gesundheitsdiensten zu erreichen, zeigt, dass wir das Wissen und die Instrumente besitzen, Leben zu retten."



Aus dem Bericht geht hervor, dass heute mehr Kinder überleben als je zuvor: Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren ist seit dem Jahr 2000 weltweit um 51 Prozent gesunken. Mehrere Länder mit niedrigem und niedrigem mittlerem Einkommen konnten die Sterblichkeitsrate sogar noch weiter senken. Dies zeigt, dass Fortschritte möglich sind, wenn ausreichend Ressourcen für die medizinische Grundversorgung bereitgestellt werden, einschließlich der Gesundheitsversorgung von Kindern. Die Ergebnisse zeigen beispielsweise, dass die Sterblichkeitsrate von Kindern in Kambodscha, Malawi, der Mongolei und Ruanda seit 2000 um über 75 Prozent gesunken ist.




Der Bericht macht jedoch auch deutlich, dass trotz dieser Fortschritte noch eine lange Wegstrecke bleibt, um dem vermeidbaren Tod von Kindern und Jugendlichen weltweit ein Ende zu setzen. Zusätzlich zu den 4,9 Millionen Todesfällen vor dem fünften Lebensjahr – rund die Hälfte davon waren Neugeborene – haben weitere 2,1 Millionen Kinder und Jugendliche zwischen fünf und 24 Jahren ihr Leben verloren. Die meisten dieser Todesfälle ereigneten sich in Afrika südlich der Sahara und in Südasien.



Diese tragischen Todesfälle sind in erster Linie auf vermeidbare Ursachen oder behandelbare Krankheiten zurückzuführen, wie Frühgeburten, Komplikationen während der Geburt, Lungenentzündungen, Durchfallerkrankungen und Malaria. Viele Leben hätten gerettet werden können, wenn die Kinder besseren Zugang zur medizinischen Grundversorgung gehabt hätten. Dazu gehören essenzielle kostengünstige Maßnahmen wie Impfungen, die Verfügbarkeit von qualifiziertem Gesundheitspersonal bei der Geburt, Unterstützung beim frühen und kontinuierlichen Stillen sowie die Diagnose und Behandlung von Kinderkrankheiten.



„Auch wenn es begrüßenswerte Fortschritte gibt, leiden jedes Jahr noch immer Millionen Familien unter dem erschütternden Verlust eines Kindes, oft schon in den ersten Tagen nach der Geburt,” sagte WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus. „Wo ein Kind geboren wird, sollte nicht darüber entscheiden, ob es leben oder sterben wird. Es ist von entscheidender Bedeutung, den Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung für jede Frau und jedes Kind zu verbessern, auch in Krisensituationen und in abgelegenen Gebieten.”



Dafür braucht es Investitionen in Bildung, Arbeitsplätze und angemessene Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal, einschließlich von Gesundheitshelferinnen und -helfern in den Gemeinden.  

Als vertrauenswürdige Gemeindemitglieder spielen gemeindebasierte Gesundheitshelferinnen und -helfer eine wichtige Rolle, um Kinder und Familien mit lebensrettenden Gesundheitsdiensten zu erreichen. Sie sollten in die Systeme der grundlegenden Gesundheitsversorgung integriert, fair bezahlt, gut ausgebildet und mit den Mitteln ausgestattet werden, die für eine qualitativ hochwertige Versorgung erforderlich sind.



Studien zufolge könnte die Zahl der Todesfälle bei Kindern in den Ländern mit dem höchsten Risiko erheblich zurückgehen, wenn Kindern und ihren Familien in ihrer Gemeinde Gesundheitsdienste zur Verfügung stehen würden. Allein dadurch könnten Millionen Kinder gerettet werden, und die Versorgung würde näher am Wohnort erfolgen. Um die Gesundheit und Überlebensrate von Kindern zu verbessern, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes gegen Kinderkrankheiten – insbesondere gegen die häufigsten Ursachen für Todesfälle nach der Geburt, akute Atemwegsinfektionen, Durchfälle und Malaria.



„Der diesjährige Bericht ist ein wichtiger Meilenstein, der zeigt, dass weniger Kinder vor ihrem fünften Geburtstag sterben,” sagte Dr. Juan Pablo Uribe, Globaler Direktor für Gesundheit, Ernährung und Bevölkerung, Weltbank & Direktor der Globalen Finanzierungseinrichtung für Frauen, Kinder und Jugendliche. „Aber dies reicht nicht aus. Wir müssen den Fortschritt durch mehr Investitionen, Zusammenarbeit und Fokus beschleunigen, um dem vermeidbaren Tod von Kindern ein Ende zu setzen und unsere globalen Verpflichtungen zu erfüllen. Wir sind allen Kindern schuldig, dafür zu sorgen, dass sie Zugang zu einer vergleichbaren Gesundheitsversorgung und gleiche Chancen haben, unabhängig davon, wo sie geboren wurden."  



Trotz der Fortschritte gibt es auch erhebliche Risiken und Ungleichheiten, die das Überleben von Kindern in vielen Teilen der Welt gefährden. Zu diesen Bedrohungen gehören die zunehmende Ungleichheit und wirtschaftliche Instabilität, neue und anhaltende Konflikte, die sich verschärfenden Auswirkungen des Klimawandels und die Folgen von COVID-19. Bei Kindern aus den ärmsten Haushalten ist die Wahrscheinlichkeit, vor dem fünften Lebensjahr zu sterben, doppelt so hoch wie bei Kindern aus den wohlhabendsten Haushalten. Bei Kindern, die in fragilen oder von Konflikten betroffenen Gebieten leben, ist die Wahrscheinlichkeit, vor ihrem fünften Geburtstag zu sterben, fast dreimal so hoch wie bei Kindern in anderen Regionen.



„Die neuen Schätzungen zeigen, dass ein besserer Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung, insbesondere zum Zeitpunkt der Geburt, dazu beiträgt, die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren zu senken,” sagte Li Junhua, Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten. „Die Meilensteine bei der Verringerung der Kindersterblichkeit sind zwar wichtig, um Fortschritte zu verfolgen, sie sollten uns aber auch daran erinnern, dass weitere Anstrengungen und Investitionen erforderlich sind, um Ungleichheiten zu verringern und vermeidbare Todesfälle bei Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen weltweit zu beenden.”



Insgesamt kommt der Fortschritt zu langsam voran. Bei den derzeitigen Raten werden 59 Länder das Nachhaltige Entwicklungsziel für die Senkung der Kindersterblichkeit und 64 Länder das Ziel für die Senkung der Neugeborenensterblichkeit verfehlen. Das bedeutet, dass bis 2030 schätzungsweise 35 Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag sterben werden – insbesondere in Afrika südlich der Sahara und in Südasien sowie in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen.



Der Bericht stellt zudem große Datenlücken fest, insbesondere in Afrika südlich der Sahara und in Südasien. Daten und Statistiken müssen verbessert werden, um das Überleben und die Gesundheit von Kindern besser erfassen und überwachen zu können. Dazu gehören Indikatoren für Sterblichkeit und Gesundheit durch Haushaltserhebungen, die Registrierung von Geburten und Todesfällen durch Gesundheitsmanagement-Informationssysteme (HMIS) und die zivile Registrierung und Vitalstatistik (CRVS).




UNICEF-Report: Über 230 Millionen Mädchen und Frauen sind Überlebende von weiblicher Genitalverstümmelung

Neue Schätzungen von UNICEF zeigen Anstieg um 15 Prozent seit 2016

Mutter in Guinea mit ihren drei Töchtern und einem Schild „Nein zur Genitalverstümmelung von Mädchen“. © UNICEF/UN0769634/Camara

New York/Köln/Duisburg, 8. März 2024 - Laut einem neuen UNICEF-Bericht haben über 230 Millionen heute lebende Mädchen und Frauen weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM) erlitten. Die ersten globalen Schätzungen seit 2016 zeigen einen Anstieg der Gesamtzahl der Überlebenden um 15 Prozent (30 Millionen Mädchen und Frauen) im Vergleich zu den vor acht Jahren veröffentlichten Daten.


Die am heutigen Weltfrauentag veröffentlichten Schätzungen zeigen, dass die Fortschritte bei der Beendigung von weiblicher Genitalverstümmelung nach wie vor langsam sind und hinter dem Bevölkerungswachstum zurückbleiben – insbesondere in den Regionen, in denen die Praxis am häufigsten vorkommt. Um weiblicher Genitalverstümmelung bis 2030 ein Ende zu setzen, wie es in den Nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen angestrebt wird, müsste der weltweite Rückgang 27-mal so schnell sein.



„Weibliche Genitalverstümmelung schadet dem Körper von Mädchen, trübt ihre Zukunftsaussichten und gefährdet ihr Leben“, sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell in New York. „Wir sehen auch einen besorgniserregenden Trend, dass mehr Mädchen in jüngerem Alter dieser Praxis ausgesetzt sind, viele sogar schon vor ihrem fünften Geburtstag. Dadurch wird das Zeitfenster zum Eingreifen kürzer. Wir müssen die Anstrengungen zur Beendigung dieser schädlichen Praxis verstärken.“




Höchste Fallzahlen von weiblicher Genitalverstümmelung in Afrika

Der neue UNICEF-Bericht „Female Genital Mutilation: A Global Concern“ ist eine Zusammenstellung der aktuell verfügbaren Statistiken zu weiblicher Genitalverstümmelung – einer Praxis, die die Menschenrechte von Mädchen und Frauen verletzt und dauerhafte physische, psychische und soziale Auswirkungen haben kann. Die meisten betroffenen Mädchen und Frauen (144 Millionen) leben in afrikanischen Ländern, gefolgt von 80 Millionen in Asien und sechs Millionen im Nahen Osten. Auch in kleinen praktizierenden Gemeinschaften und Einwanderungsländern in anderen Teilen der Welt treten Fälle auf.




Die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung breitet sich global nicht weiter aus. Die Analyse zeigt jedoch, dass die Zahl der Mädchen, die in FGM praktizierenden Ländern geboren werden, im Vergleich zum Rest der Welt schnell zunimmt. Dadurch ist eine größere Bevölkerungsgruppe gefährdet und muss durch Präventionsbemühungen erreicht werden.




Die Analyse zeigt auch, dass vier von zehn FGM-Überlebenden in instabilen und von Konflikten betroffenen Gebieten leben, in denen das Bevölkerungswachstum ebenfalls schnell verläuft. Diese Kombination kann Bildungs- und Gesundheitsdienste belasten, Prioritäten bei der Finanzierung verschieben und dazu führen, dass Programme zur Förderung der Geschlechtergleichheit unterbrochen werden. Länder wie Somalia und der Sudan sind mit einer Vielzahl von dringenden Problemen konfrontiert, während Konflikte und Bevölkerungswachstum die Herausforderungen noch erhöhen. In Äthiopien sind kontinuierliche Fortschritte zu verzeichnen, aber unvorhersehbare, massive Wetterereignisse (sogenannte „climate shocks“), Krankheiten und Ernährungsunsicherheit erschweren die zuverlässige Umsetzung von Programmen für Mädchen.




Positive Beispiele zeigen, dass Fortschritt möglich ist

Trotz der Herausforderungen zeigen positive Beispiele in einigen Ländern, dass Fortschritte möglich sind und teilweise an Fahrt gewinnen. Die Hälfte der in den letzten 30 Jahren erzielten Fortschritte wurde erst innerhalb des letzten Jahrzehnts erreicht. In Kenia ist beispielsweise die Verbreitung von weiblicher Genitalverstümmelung von „mäßig“ auf „niedrig“ zurückgegangen; in Sierra Leone gibt es einen Rückgang von „hoher“ auf „mäßig hohe“ Prävalenz.

Auch in Ägypten, wo vor 30 Jahren noch nahezu jedes Mädchen einer Genitalverstümmelung unterzogen wurde, beginnt die Praxis zurückzugehen.

Auch die Einstellungen der Menschen zur Praxis ändern sich. Dem Bericht zufolge sind rund 400 Millionen in praktizierenden Ländern in Afrika und im Nahen Osten – oder zwei Drittel der Bevölkerung – gegen FGM.


UNICEF fordert Staaten und Gemeinschaften auf, ihre bisherigen Anstrengungen zu verdoppeln, um Geschlechterdiskriminierung und -ungleichheit zu beenden und dringend in Dienstleistungen für Mädchen zu investieren.

UNICEF setzt sich in Kooperation mit dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) dafür ein, weibliche Genitalverstümmelung zu beenden. Das 2008 gestartete gemeinsame UNFPA-UNICEF-Programm arbeitet in 17 Ländern daran, soziale Normen in betroffenen Gemeinden zu verändern und gleichzeitig Regierungen bei der Umsetzung nationaler Maßnahmen zu unterstützen. Das gemeinsame Programm wird auch von der Bundesregierung unterstützt. 



Zwei Jahre Krieg in der Ukraine: Aufwachsen mit Angst, Angriffen und Luftalarm 



© UNICEF/UNI448435/Hrom

Berlin/Duisburg, 23. Februar 2024 -  Kinder in den ukrainischen Frontgebieten haben seit Kriegsbeginn bis zu 5.000 Stunden – umgerechnet etwa sieben Monate – in Schutzkellern verbracht. Das geht aus einer Analyse des UN-Kinderhilfswerks UNICEF anlässlich des zweiten Jahrestags des Kriegs hervor. UNICEF und das Bundesentwicklungsministerium haben in den vergangenen zwei Jahren ihr Engagement für die Kinder in der Ukraine deutlich ausgeweitet und werden es weiter fortführen: von psychosozialer Betreuung über Lernangebote bis hin zu Wasser- und Gesundheitsversorgung.


Der Krieg in der Ukraine hat schwere Auswirkungen auf das Leben und die Psyche der Kinder und Jugendlichen. Immer wieder müssen sich Kinder in Schutzkellern, Bunkern und U-Bahn-Stationen vor Angriffen in Sicherheit bringen. In Gebieten nahe der Front haben nach Berechnungen von UNICEF Kinder in den vergangenen zwei Jahren zwischen 3.000 und 5.000 Stunden in Kellern Schutz vor Angriffen gesucht, während oben Luftalarm herrschte. Dies entspricht umgerechnet etwa vier bis sieben Monaten. 


Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze: „Die ukrainischen Kinder leiden besonders unter dem brutalen Angriff Russlands. Statt in der Schule müssen viel zu viele Kinder ihre Tage im Luftschutzkeller verbringen. Damit die Ukraine stark bleiben kann, braucht sie mehr als nur Waffen. Auch die Unterstützung der Kinder und Jugendlichen ist wichtig für die Widerstandskraft der Ukraine. Das gilt auch für den kommenden Wiederaufbau des Landes. Denn es ist diese Generation, die nach Schule und Ausbildung die Ukraine wiederaufbauen wird, als freies, europäisches Land. Die Ukrainerinnen und Ukrainer können sich dabei auf Deutschlands Unterstützung verlassen, solange es nötig ist.“


Seit dem 24. Februar 2022 wurden mindestens 579 Mädchen und Jungen getötet. 1.284 Kinder wurden verletzt. Mehr als 3,3 Millionen Kinder aus der Ukraine sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Der Krieg hat zudem zu schweren Beeinträchtigungen beim Lernen geführt. Nach UNICEF-Berechnungen können die Hälfte aller Kinder in der Ukraine nicht kontinuierlich am Präsenzunterricht teilnehmen.  „Die Kinder in der Ukraine sehnen sich nach Sicherheit, dem Austausch mit Gleichaltrigen in der Schule und einem friedlichen Aufwachsen. Doch mit jedem Tag dieses zermürbenden Krieges wächst ihre Not. Dies schlägt sich auch in ihrer seelischen Verfassung nieder“, sagte Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland.


„Es geht jetzt darum, die Angebote für Kinder in der ganzen Ukraine zu stabilisieren und weiter auszubauen, damit sie diese schwere Zeit überstehen können. Kinder und junge Menschen sind diejenigen, die die Zukunft des Landes gestalten werden und müssen. Sie brauchen langfristig Perspektiven für ein Leben nach dem Krieg.“


Aufgrund der schweren Angriffe sind Millionen Menschen zeitweise ohne Strom, Wasser und Gas. Besonders dramatisch ist die Lage der Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten im Süden und Osten des Landes sowie für die rund 3,7 Millionen Menschen, die innerhalb des Landes vertrieben wurden. Zahlreiche Familien müssen den Winter in Notunterkünften oder beschädigten Gebäuden überstehen, ohne ausreichenden Schutz vor der kalten Jahreszeit.


„In Charkiw und Cherson, in Saporischschja und Kramatorsk – ganz gleich, wo wir im Einsatz sind, die Not der Kinder ist überall spürbar“, sagte Mustapha Ben Messaoud, Leiter der Nothilfeprogramme in der Ukraine. „Gleichzeitig zeigen sie eine enorme Widerstandskraft, selbst in den schwierigsten Situationen. Sie versuchen, mit aller Kraft an ihren Plänen und Träumen für die Zukunft festzuhalten. Die UNICEF-Hilfe ist für viele von ihnen ein Rettungsanker.“


Die 16-jährige Mariia aus Krywyj Rih in der schwer betroffenen Region Dnipro engagiert sich im Rahmen eines UNICEF-Programms für Gleichaltrige in ihrer Gemeinde. Sie sagt: „Viele junge Menschen in unserem vom Krieg gebeutelten Land benötigen mentale Unterstützung und Ermutigung. Ich schöpfe Kraft und Inspiration daraus, mich zu engagieren und etwas für junge Menschen zu bewirken.“


2023 hat UNICEF beispielsweise dazu beigetragen, 1,3 Millionen Kinder mit Lernangeboten und 2,5 Millionen Kinder und Betreuende mit psychosozialer Hilfe zu erreichen. 5,5 Millionen Menschen erhielten Zugang zu sauberem Wasser und rund fünf Millionen Menschen zur Gesundheitsversorgung. Rund 60.000 Familien erhielten Bargeldhilfen. Das BMZ ist eine der wichtigsten Stützen dieser Arbeit. UNICEF und das BMZ werden die gemeinsame Arbeit in der Ukraine auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Bis 2026 wird UNICEF mit BMZ-Unterstützung rund 3,3 Millionen Kinder und 1,8 Millionen Jugendliche in der Ukraine unterstützen.


Die Kooperation trägt dazu bei, Schulen, Kindergärten, aber auch die Wasserversorgung und Sanitäreinrichtungen wiederaufzubauen und Zugang zu Bildung in einem sicheren Lernumfeld zu schaffen. Darüber hinaus werden Anlaufstellen für Familien geschaffen, die Hilfe und Betreuung brauchen. Das BMZ unterstützt auch die UNICEF-Programme UPSHIFT und U-Report, die die aktive Teilhabe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen stärken.  


Die Ukraine-Wiederaufbaukonferenz, die Deutschland gemeinsam mit der Ukraine im Juni in Berlin ausrichtet, wird auch einen Fokus darauf legen, was Kinder, Jugendliche und ihre Familien für ihre Zukunft in der Ukraine benötigen. Dabei geht es um Schulen, Bildungschancen, Fachkräfteausbildung und Wissenschaft. 


70 Jahre Weltkindertag - "Mit Kinderrechten in die Zukunft"

UNICEF Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk von Bund und Ländern fordern nachdrücklich die ebenfalls im Koalitionsvertrag angekündigte Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz. 

© Deutsches Kinderhilfswerk – Paula G. Vidal

Köln/Berlin/Duisburg, 14. Februar 2024 - Der Weltkindertag am 20. September steht im Jahr 2024 unter dem Motto „Mit Kinderrechten in die Zukunft“. UNICEF Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk fordern zum 70. Geburtstag dieses Tages, dass die Politik ihre Prioritäten verstärkt auf Kinder ausrichten muss. Denn jeder junge Mensch ist eine große Chance für die Zukunft unserer Gesellschaft. Und es ist das Recht jedes Kindes, sich gut zu entwickeln und sein Leben gestalten zu können – ganz gleich, woher es kommt oder welchen Aufenthaltsstatus es hat.

In Kinder zu investieren, ist gerade jetzt notwendig, um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Gleichzeitig gilt es, die Kinder- und Menschenrechte als demokratische Gesellschaft gegenüber jeglicher Form von Diskriminierung zu verteidigen. 


Im September 1954 empfahlen die Vereinten Nationen ihren Mitgliedstaaten die Einführung eines weltweiten Tages für Kinder. Sie wollten damit den Einsatz für Kinderrechte stärken, die Freundschaft unter Kindern und Jugendlichen auf der Welt fördern und die Regierungen auffordern, die weltweite UNICEF-Arbeit zu unterstützen. Inzwischen wird der Weltkindertag in über 145 Staaten am 20. September gefeiert; seit 1989 sind die Kinderrechte mit einer UN-Konvention für jedes Kind verbrieft.
 


„Wir brauchen Vielfalt und die Zuversicht und Ideen der jungen Generation, um unsere großen Zukunftsaufgaben als demokratische Gesellschaft zu meistern. Deshalb ist es gerade in einer Zeit großer Krisen und Herausforderungen so wichtig, sich entschlossen für jedes Kind und seine Rechte einzusetzen”, sagt Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland.


 „Mit dem Motto des Weltkindertags im Jahr 2024 möchten wir das besonders unterstreichen.“ „Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten mit vielfältigen Fähigkeiten. Staat und Zivilgesellschaft müssen mehr dafür tun, dass sie stark und gleichberechtigt mit ihrer Kreativität und Kompetenz unsere Gesellschaft mitgestalten können“, sagt Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes. „Die Grundlage dafür ist die UN-Kinderrechtskonvention. Die muss in Deutschland endlich vollständig umgesetzt werden.“


Rund um den Weltkindertag am 20. September 2024 werden bundesweit zahlreiche Initiativen mit lokalen Demonstrationen, Festen und anderen Veranstaltungen auf die Situation der Kinder, ihre Rechte und ihre Zukunft aufmerksam machen. 70 Jahre, nachdem der Weltkindertag eingeführt wurde, weisen UNICEF Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk mit dem Motto 2024 darauf hin, dass die Interessen und Rechte der Kinder auch heute richtungweisend für politische Entscheidungen der Gegenwart und Zukunft sein müssen. Diskriminierung und Hass in jeglicher Form dürfen keinen Platz in der Gesellschaft haben.


Die Zusagen im 2021 geschlossenen Koalitionsvertrag für die Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen müssen bis zum Ende der Legislaturperiode umgesetzt werden – dazu gehören beispielsweise die Verbesserung von Bildungs- und Teilhabechancen für jedes Kind, unabhängig von Herkunft oder Einkommen der Eltern und die Absicherung kindgerechter Lebensbedingungen für geflüchtete Kinder. Zudem fordern UNICEF Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk von Bund und Ländern nachdrücklich die ebenfalls im Koalitionsvertrag angekündigte Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz. 


EU-Lieferkettengesetz: Große Chance für Kinderrechte ist durch Enthaltung der Bundesregierung gefährdet

Gemeinsamer Aufruf von deutschen Kinderrechtsorganisationen vor der Abstimmung in Brüssel am Freitag

© UNICEF/UNI487754/Himu

Berlin/ Köln, 7. Februar 2024 - Deutsche Kinderrechtsorganisationen sind enttäuscht über die Ankündigung der Bundesregierung, sich bei der Abstimmung des EU-Lieferkettengesetzes am Freitag zu enthalten und damit den über Monate hinweg verhandelten Kompromiss eventuell scheitern zu lassen. In einem gemeinsamen Appell fordern Kindernothilfe, Save the Children Deutschland, SOS-Kinderdörfer weltweit, terre des hommes Deutschland, UNICEF Deutschland und World Vision Deutschland die Bundesregierung mit Nachdruck auf, dem EU-Gesetzvorhaben zuzustimmen und so den Schutz von Kinderrechten in globalen Lieferketten zu stärken. 


„Wenn das EU-Lieferkettengesetz nicht kommt, wäre das eine große verpasste Chance für einen besseren Schutz der Kinderrechte in globalen Lieferketten“, sagte Dr. Sebastian Sedlmayr, Leiter der Politikabteilung bei UNICEF Deutschland. „Es gibt viele gute Gründe für ein solches Gesetz: Kinder haben ein Recht auf Schutz. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen darauf vertrauen können, dass für Produkte und Dienstleistungen keine Kinder ausgebeutet, Menschenrechte verletzt oder Umweltschäden in Kauf genommen werden. Auch für Unternehmen sind Regelungen fairer, die europaweit gelten. Das EU-Lieferkettengesetz wäre deshalb ein sehr wichtiger Schritt.“


„Unsere intensive praktische Zusammenarbeit mit Unternehmen in Risikolieferketten zeigt tagtäglich, dass die kinderrechtlichen Anforderungen der EU-Richtlinie für Unternehmen gut umsetzbar sind“, sagt Eva-Maria Scholz, Abteilungsleitung Unternehmenspartnerschaften & Stiftungen bei Save the Children Deutschland. „Wir stehen ausdrücklich bereit, Unternehmen in Deutschland bei der Umsetzung ihrer kinderrechtlichen Sorgfaltspflichten aktiv zu unterstützen.“


Gemeinsamer Appell zum EU-Lieferkettengesetz
Das EU-Lieferkettengesetz wäre ein Meilenstein für den Schutz der Kinderrechte in globalen Lieferketten, da es Unternehmen in der gesamten EU dazu verpflichten würde, die Menschen- und Kinderrechte im Rahmen ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflichten zu achten.  Wir als deutsche Kinderrechtsorganisationen wären sehr enttäuscht, wenn die Bundesregierung sich der Abstimmung für ein EU-Lieferkettengesetz enthielte und damit das Scheitern einer EU-einheitlichen Gesetzgebung riskierte.


Deshalb rufen wir die Bundesregierung heute mit Nachdruck dazu auf, das EU-Lieferkettengesetz im Rat der Europäischen Union zu unterstützen. Das EU-Lieferkettengesetz enthält wichtige Elemente internationaler Standards und Abkommen, die über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hinausgehen und schließt somit menschenrechtliche Lücken des deutschen LkSGs. So sollen Kinder als spezifische Personengruppe mit eigenen Rechten besser in unternehmerischen Sorgfaltspflichten berücksichtigt werden. 


Das EU-Lieferkettengesetz würde außerdem gleiche Regeln für alle in der EU tätigen Unternehmen schaffen und damit einer möglichen Benachteiligung deutscher Unternehmen durch die nationale Gesetzgebung entgegenwirken. Bereits während der EU-Ratspräsidentschaft in 2020 hatte sich die
Bundesregierung zu der Notwendigkeit eines EU-Lieferkettengesetzes für den Schutz von Kinderrechten im globalen Wirtschaftskontext bekannt. Die Bundesregierung hat den abgestimmten Richtlinientext mitverhandelt und sollte dem bereits ausgehandelten Kompromiss für ein EU-Lieferkettengesetz entsprechend zuzustimmen.


Ein Jahr nach den verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien sind die Folgen für Kinder weiter sehr präsent 

Anhaltende Krise in Syrien verschärft humanitäre Situation der Kinder und Familien

© UNICEF/UN0793096/Ashawi

New York/Amman/Genf/Köln/DUisburg, 6. Februar 2024 - Ein Jahr nach den tödlichsten Erdbeben in der jüngeren Geschichte der Türkei und Syriens sind die Auswirkungen der Katastrophe auf Kinder noch sehr präsent. Für die Menschen in Syrien werden die Auswirkungen der Erdbeben durch die anhaltende humanitäre Krise noch verstärkt. 


Bei den ersten beiden verheerenden Erdbeben am 6. Februar 2023, auf die zahlreichen Nachbeben folgten, wurden Tausende von Kindern getötet und verletzt. Familien wurden obdachlos und hatten keinen Zugang zur Grundversorgung wie sauberem Wasser, medizinischer Versorgung und Bildungsangeboten. Gleichzeitig waren Kinder vielfachen Risiken im Hinblick auf ihren Schutz ausgesetzt. 


Dank weitreichender humanitärer Hilfe konnten viele Menschen unterstützt werden. Doch in Syrien sind weiterhin rund 7,5 Millionen Kinder auf humanitäre Hilfe angewiesen. In der Türkei benötigen 3,2 Millionen Kinder lebenswichtige Unterstützung. „Die Erdbeben, die die Türkei und Syrien vor einem Jahr erschütterten, haben das Leben von Millionen Kindern von einer Minute auf die andere auf den Kopf gestellt. Tausende von Menschen kamen ums Leben. Häuser, Schulen und Gesundheitszentren wurden zerstört. Dadurch haben viele Kinder ihr Gefühl von Sicherheit verloren“, sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell.


„Die Unterstützung der Regierungen und humanitären Bemühungen hat dazu beigetragen, dass Familien ihr Leben langsam wieder aufbauen und Kindern geholfen wurde, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Aber viel zu viele Familien, insbesondere im Norden Syriens, sind weiterhin von einer humanitären Krise betroffen, deren Ende nicht absehbar ist.“ In Syrien befinden sich Kinder nach rund 13 Jahren Gewalt, Zerstörung und anhaltender humanitärer Krisen in einer der weltweit komplexesten Notsituationen.


Rund 7,5 Millionen Kinder benötigen aufgrund der sich zuspitzenden Wirtschaftskrise, anhaltender lokaler Konflikte, Massenvertreibungen und einer schwachen öffentlichen Infrastruktur humanitäre Hilfe – vielerorts steht die Grundversorgung vor dem Zusammenbruch. Die Wasser- und Abwassersysteme sowie die öffentliche Gesundheitsversorgung sind nach Jahren geringer Investitionen stark überlastet, wodurch Krankheitsausbrüche drohen. Die anhaltende Dürre und Wasserkrise sowie die unsichere Ernährungslage verschärfen die Situation weiter, was wiederum dazu führt, dass immer mehr Kinder unter Mangelernährung leiden und ihr Leben verlieren. Rund 90 Prozent der Familien in Syrien leben in Armut; mehr als 50 Prozent sind von Ernährungsunsicherheit betroffen.


Die anhaltende Wirtschaftskrise führt zudem dazu, dass insbesondere Frauen oft keine andere Wahl haben, als auf negative Bewältigungsmechanismen zurückzugreifen, während geschlechtsspezifische Gewalt und die Ausbeutung von Kindern weiter zunehmen. In der Türkei haben die Erdbeben die Bildung von mehr als vier Millionen Kindern unterbrochen. Im vergangenen Jahr hat UNICEF dazu beigetragen, rund eine Million der Kinder mit formalen und informellen Bildungsangeboten zu erreichen. Obwohl große Anstrengungen unternommen wurden, um den Zugang zu Bildung zu verbessern, gehen viele Kinder in den betroffenen Gebieten in der Türkei weiterhin nicht zur Schule.


Gemeinsam mit seinen Partnern hat UNICEF rund 4,7 Millionen Menschen mit Hilfsprogrammen erreicht, darunter 2,4 Millionen Kinder. Mehr als 1,5 Millionen Kinder und Betreuende wurden mit psychischer und psychosozialer Unterstützung und mehr als drei Millionen mit sauberem Wasser erreicht.  Für die Hilfe für von den Erdbeben betroffenen Kindern in der Türkei benötigt UNICEF 2024 116 Millionen US-Dollar. Für die Hilfe für Kinder in Syrien benötigt UNICEF in diesem Jahr 401,7 Millionen US-Dollar.


„Die Situation der betroffenen Kinder in der Türkei verbessert sich weiter, auch wenn es noch viel zu tun gibt", sagte Russell. „In Syrien verschlechtert sich die humanitäre Lage für Kinder und Familien. Ohne weitere humanitäre Anstrengungen und finanzielle Mittel zur Wiederherstellung der Grundversorgung wie beispielsweise in den Bereichen Bildung und Wasser- und Abwassersysteme werden die Kinder in Syrien in einem Teufelskreis aus Not und Krisen gefangen bleiben."


Schätzungsweise 17.000 Kinder im Gazastreifen sind unbegleitet oder von ihren Eltern getrennt  

Genf/ Köln/Duisburg, 2. Februar 2024 - „UNICEF schätzt, dass mindestens 17.000 Kinder im Gazastreifen unbegleitet oder von ihren Familien getrennt sind – jede dieser Trennungen bedeutet eine herzzerreißende Geschichte von Verlust und Trauer. Die Zahl entspricht einem Prozent der 1,7 Millionen Menschen, die innerhalb des Gazastreifens vertrieben sind.  Es handelt sich hierbei um eine Schätzung, da es unter den derzeitigen Sicherheits- und humanitären Bedingungen nahezu unmöglich ist, Informationen zusammenzutragen und zu überprüfen.


In dieser Woche bin ich aus Gaza zurückgekehrt. Ich bin vielen Kindern begegnet – jedes von ihnen hat seine eigene erschütternden Geschichte. Von den zwölf Kindern, die ich getroffen habe, hatte mehr als die Hälfte ein Familienmitglied in diesem Krieg verloren. Drei Kinder hatten einen Elternteil verloren, zwei sowohl ihre Mutter als auch ihren Vater. Hinter jeder dieser Zahlen steht ein Kind, das mit dieser schrecklichen neuen Realität konfrontiert ist.


Die elfjährige Razan war mit ihrer Familie im Haus ihres Onkels, als dieses in den ersten Wochen des Krieges bombardiert wurde. Sie verlor fast alle ihre Angehörigen. Ihre Mutter, ihr Vater, ihr Bruder und ihre beiden Schwestern wurden getötet. Razans Bein musste amputiert werden. Nach der Operation infizierte sich ihre Wunde. Razan wird jetzt von ihrer Tante und ihrem Onkel versorgt, die nach Rafah geflohen sind. In einem Zentrum, in dem unbegleitete Kinder betreut werden, habe ich zwei Kinder im Alter von sechs und vier Jahren kennengelernt. Sie sind Cousins und ihre Familien wurden Anfang Dezember getötet. Vor allem das vierjährige Mädchen steht noch unter Schock.   


Ich habe diese Kinder in Rafah getroffen. Wir befürchten, dass die Situation von Kindern, die ihre Eltern verloren haben, im Norden und im Zentrum des Gazastreifens noch dramatischer ist. In Konfliktsituationen kümmert sich häufig die erweiterte Familie um verwaiste Kinder. Doch viele Familien sind angesichts fehlender Nahrungsmittel, Wasser und Unterkünfte verzweifelt. Es ist eine große Herausforderung, sich um ein weiteres Kind zu kümmern, während sie selbst mit aller Kraft versuchen, ihre Kinder und Familien zu versorgen.


In dieser Situation ist es wichtig, dass die vorübergehende Versorgung und Unterstützung der Kinder sichergestellt wird. Wo immer möglich, sollten Kinder mit ihren Familien in Kontakt bleiben und Angehörige identifiziert werden, damit sie wieder mit ihnen zusammengeführt werden können, sobald die Situation sich stabilisiert. Razan steht wie die meisten Kinder, die so Traumatisches erlebt haben, unter Schock. Jedes Mal, wenn sie sich an die Ereignisse erinnert, bricht sie in Tränen aus und ist kraftlos. Razans Situation ist auch deshalb besonders belastend, weil sie sich nur eingeschränkt bewegen kann und keine spezialisierten Unterstützungs- und Rehabilitationsdienste zur Verfügung stehen. 


Die mentale Gesundheit der Kinder ist stark beeinträchtigt. Sie zeigen Symptome wie extrem starke anhaltende Angstzustände oder Appetitverlust. Sie können nicht schlafen, brausen emotional auf oder geraten jedes Mal in Panik, wenn sie Bomben hören.


UNICEF schätzt, dass bereits vor diesem Krieg mehr als 500.000 Kinder im Gazastreifen psychologische und psychosoziale Hilfe benötigten. Wir gehen davon aus, dass mittlerweile alle Kinder – eine Million insgesamt – Bedarf haben. 

Gemeinsam mit seinen Partnern hat UNICEF mehr als 40.000 Kindern und 10.000 Betreuungspersonen mit psychologischer und psychosozialer Hilfe erreicht. Ich habe an den Angeboten teilgenommen und es war eine Erleichterung zu sehen, wie die Kinder spielen, malen, tanzen, singen und lächeln. Psychosoziale Angebote helfen ihnen, mit der schrecklichen Situation umzugehen. Aber natürlich reichen diese bei weitem nicht aus. Die einzige Möglichkeit, psychische und psychosoziale Unterstützung in großem Umfang zu leisten, ist ein Waffenstillstand.


Im Jahr 2022 hat der sogenannte Kinderschutz-”Cluster” 100.000 Kinder mit relevanten Programmen erreicht. Auch jetzt könnten wir diese Hilfe ausweiten. Aber unter den derzeitigen Sicherheits- und humanitären Bedingungen ist dies nicht möglich. Noch eine Anmerkung: Die Kinder haben nichts mit diesem Konflikt zu tun. Dennoch leiden sie, wie kein Kind jemals leiden sollte. Kein einziges Kind sollte je solcher Gewalt ausgesetzt sein, wie wir sie am 7. Oktober und seither gesehen haben."