Brüssel/Duisburg, 7. Oktober 2025
- Menschenrechtsverletzungen und die Nichteinhaltung
von Entscheidungen internationaler Gerichte können
künftig zur Wiedereinführung der Visumpflicht
führen. Das Europäische Parlament hat Regeln
gebilligt, die eine einfacherere Aussetzung der
Visafreiheit für Länder ermöglichen, die ein
Sicherheitsrisiko darstellen oder Menschenrechte
verletzen.
In einer Abstimmung am Dienstag haben die
Europaaabgeordneten am Dienstag in Straßburg eine
Reform des EU-Mechanismus zur Aussetzung der
Visumfreiheit angenommen. Die neuen Regeln betreffen
61 Länder, deren Staatsangehörige derzeit ohne Visum
für Kurzaufenthalte von bis zu 90 Tagen innerhalb
eines Zeitraums von 180 Tagen in den Schengen-Raum
einreisen dürfen (siehe Liste der Länder in
Anhang II).
Der überarbeitete Mechanismus ermöglicht es der
Europäischen Kommission, bei Sicherheitsbedenken
gegenüber einem bestimmten Land die Visumpflicht
erneut einzuführen – zunächst befristet, bis
Untersuchung und Gespräche abgeschlossen sind, und
bei fortbestehenden Problemen dauerhaft.
Zu den Gründen zählen Bedrohungen der inneren
Sicherheit (einschließlich eines Anstiegs schwerer
Straftaten durch Staatsangehörige des betreffenden
Landes), sowie ein deutlicher Zuwachs abgelehnter
Asylanträge, Einreiseverweigerungen oder von Fällen,
in denen die zulässige Aufenthaltsdauer
überschritten wird.
• Flexiblerer Mechanismus zur Aussetzung der
Visafreiheit
• Neue Gründe für die Aussetzung der visumfreien
Einreise in die EU umfassen hybride Bedrohungen und
sogenannte „goldene Pässe“.
Neue Gründe für eine Aussetzung
Die Reform erweitert die bestehenden Bestimmungen um
zusätzliche Gründe für eine Aussetzung der
Visafreiheit.
Dazu gehören: hybride Bedrohungen (wie die staatlich
gesteuerte Instrumentalisierung von Migranten),
Investoren-Staatsbürgerschaftsprogramme („goldene
Pässe“), die Sicherheitsbedenken hervorrufen,
eine mangelnde Angleichung an die
EU-Visapolitik, Verstöße gegen die Charta der
Vereinten Nationen oder gegen das internationale
Menschen- und humanitäre Völkerrecht
sowie die Missachtung von Entscheidungen
internationaler Gerichte.
Mit diesen Ergänzungen werden die Gründe für eine
Aussetzung an die Kriterien für die Gewährung der
Visafreiheit angeglichen, um mehr Kohärenz zu
schaffen und eine abschreckende Wirkung zu erzielen.
Bestehende Gründe, darunter Sicherheitsbedenken und
mangelnde Zusammenarbeit bei Rückübernahmen, bleiben
weiterhin bestehen.
Kein Straferlass für Regierungsvertreter aus
Drittstaaten
Um Regierungen von Drittstaaten davon abzuhalten,
gegen die Bedingungen ihrer
Kurzaufenthalts-Visumbefreiungsabkommen zu
verstoßen, erhält die EU mit der Reform größere
Flexibilität, die Visafreiheit gezielt für
Regierungsvertreter auszusetzen, die für
Menschenrechtsverletzungen oder andere Verstöße
ihrer Regierungen verantwortlich sein könnten.
Die Reform legt die Schwelle für die Bewertung eines
„erheblichen“ Anstiegs von Personen, die sich
unerlaubt im Schengen-Raum aufhalten, oder von
schweren Straftaten auf 30 % fest. Der Schwellenwert
für die Beurteilung einer niedrigen
Anerkennungsquote von Asylanträgen wird auf 20 %
festgesetzt. In hinreichend begründeten Fällen kann
die Kommission von diesen Schwellenwerten abweichen.
Berichterstatter Matjaž Nemec (S&D,
Slowenien) erklärte: „Europa bleibt der am
häufigsten besuchte Kontinent der Welt – sowohl von
Touristinnen und Touristen als auch von
Geschäftsreisenden – und unsere Visapolitik ist
daher eines unserer stärksten außenpolitischen
Instrumente. Mit einem modernisierten
Aussetzungsmechanismus wird die EU in der Lage sein,
visumfreies Reisen im Falle schwerwiegender
Menschenrechtsverletzungen auszusetzen und gezielt
gegen Regierungsbeamte oder andere Gruppen
vorzugehen. Dieser reformierte Mechanismus
bekräftigt unser Engagement für die Menschenrechte
und das internationale Völkerrecht.“
Der Rechtsakt, auf den sich
Parlament und Rat in Verhandlungen bereits informell
geeinigt haben, wurde im Plenum mit 518 Stimmen
dafür, 96 dagegen und 24 Enthaltungen angenommen. Er
muss nun noch formell vom Rat beschlossen werden. Er
tritt 20 Tage nach seiner Veröffentlichung im
Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Funktionsweise des Mechanismus
Nach den neuen Regeln kann die Europäische
Kommission, auf Vorschlag eines betroffenen
Mitgliedstaats oder aus eigener Initiative und unter
Berücksichtigung von Informationen anderer
EU-Institutionen, ein Verfahren zur Aussetzung der
Visumfreiheit für bestimmte Drittstaaten einleiten.
Dies kann zunächst befristet und bei anhaltenden
Problemen dauerhaft erfolgen.
Bislang wurde die Visumfreiheit erst einmal im
Fall von Vanuatu widerrufen.
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