BZ-Home  Sitemap

Industrie - Wirtschaft - Handel - Finanzen  Logistik   Verkehr - Forschung - Klima 

Sonderseiten

duisport thyssenkrupp  Haniel  WBDuisburg Stadtwerke DBI Produkte -Technik  Rheinbogen Geschichte Duisburger Unternehmen Archiv 2025: 5 - 8  1 - 4
2024: 9 - 12 5 - 8  • 1- 4 5 - 12 2023  01-04 20232022 202107. - 12.2020

 

Thyssenkrupp Steel: Marie Jaroni zur CEO bestellt und Vertrag verlängert

IGA 2027: RheinPark Duisburg erhält grünes Update


 Wirtschaft im Rheinland braucht echte Reformen  

IHKs besorgt: „Lage vieler Unternehmen verschlechtert sich weiter“
Duisburg/Niederrhein, 12. November 2025 - Die Wirtschaft im Rheinland kommt nicht Schwung. Schließungen, Stellenabbau und fehlende Investitionen betreffen die ganze Region, das zeigt das Konjunkturbarometer der IHKs im Rheinland. Besonders die wichtige Grundstoffindustrie leidet: Stahl- und Chemieprodukte lassen sich schlecht verkaufen.

Bürokratie, Energiepreise und marode Straßen bremsen die Wirtschaft. Die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen sinkt. Das neue Konjunkturbarometer ist eine deutliche Mahnung an die Bundesregierung.  

Zu wenig, zu verzagt – so urteilen die Unternehmen über die neue Bundesregierung. Viele Betriebe haben sich mehr erhofft. Von den bisherigen Reformen kommt bei der Wirtschaft zu wenig an. Der Mittelstand ist durch Berichtspflichten, endlose Verfahren und eine entrückte Verwaltung gefesselt. Die Industrie kann die Standortnachteile nicht mehr durch Produktivität ausgleichen.

 IHK-Geschäftsführer im Bereich Regionalpolitik und Konjunktur Ocke Hamann sowie IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Stefan Dietzfelbinger stellen das neue Konjunkturbarometer Rheinland vor.  Foto: Niederrheinische IHK / Jacqueline Wardeski

„Jeder vierte Betrieb will Beschäftigte entlassen. Jeder Dritte will weniger investieren. Das zieht andere mit in den Abwärtsstrudel“, warnt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Stefan Dietzfelbinger.      

Strompreise müssen runter
Die IHKs im Rheinland sind in Sorge um ihre Industrie. Die leeren Auftragsbücher machen der rheinischen Wirtschaft besonders zu schaffen. „Wir müssen alles tun, um unsere Produktionsketten intakt zu halten. Ein Chemieunternehmen, das seine Tore schließt, kommt nicht mehr zurück. Im Gegenteil, es zieht weitere mit sich. Das Rheinland ist der Energie-Standort in Deutschland.

Die Energiekosten müssen dringend runter. Die Bundesregierung hat ihr Versprechen nicht gehalten, die Stromsteuer für alle zu senken. Besonders der Mittelstand ist enttäuscht. Auch beim geplanten Industriestrompreis bleiben Mittelständler außen vor. Zudem ist es nur eine Brückenlösung – der Strom wird nach drei Jahren wieder teuer. Die Energiepreise müssen aber dauerhaft für alle Betriebe sinken. Hier muss Berlin dringend nachbessern“, so der IHK-Chef.  

 

Bürokratie bleibt Hemmschuh
Vorschriften, Formulare und Genehmigungen sind für knapp 60 Prozent der Unternehmen die größte Bremse. Aktuell ist es nur der Staat der mehr investiert. Für den dringend notwendigen Aufschwung reicht das nicht. Wichtig ist, dass die privaten Investitionen anspringen.



„Unser Konjunkturklimaindex zeigt wie zurückhaltend die Wirtschaft ist. Er tritt mit 91 Punkten auf der Stelle. Seit mehr als drei Jahren gibt es kaum positive Impulse. Auch, weil die Bürokratie uns im Weg steht. Wir brauchen grundlegende Reformen. Ankündigungen alleine reichen nicht. Wenn unsere Verwaltungen nicht umdenken, wird es nicht gehen. Sie sollten digitaler und kundenfreundlicher werden“, so Dietzfelbinger.
 


Mehr Freiheit für Unternehmen Gleichzeitig bleibt der Fachkräftemangel ein Risiko – fast jedes zweite Unternehmen sieht darin eine Gefahr. Gleichzeitig machen ihnen die gestiegenen Arbeitskosten zu schaffen. Und auch bei der Infrastruktur zeigt sich ein alarmierendes Bild: Marode Verkehrswege, schleppende Genehmigungen und fehlende Digitalisierung gefährden den Standort.



All das führt laut den IHKs zu einer gefährlichen Mischung: Unternehmen verlieren Vertrauen – in die Zukunft, in die Politik, in die Planbarkeit. „Das Rheinland ist stark. Unsere Unternehmen sind innovativ, anpassungsfähig, bereit für Wandel. Aber sie brauchen endlich die Freiheit, wieder unternehmerisch handeln zu können. Wer Wachstum will, muss Verlässlichkeit schaffen. Wer Transformation will, muss Investitionen ermöglichen. Und wer Wohlstand sichern will, muss die Wirtschaft endlich ernst nehmen“, betont Dietzfelbinger.  

Konjunkturbarometer Rheinland
Die IHK-Initiative Rheinland veröffentlicht halbjährlich ein Konjunkturbarometer. Mehr als 2000 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen haben im Herbst 2025 teilgenommen. Teil der Initiative sind die IHKs Aachen, Bonn/Rhein-Sieg, Düsseldorf, Mittlerer Niederrhein, die Bergische sowie die Niederrheinische IHK.
      



  

Sondervermögen muss in die Zukunft wirken: IHK NRW fordert Nachteilsausgleich für den Verkehrsstandort NRW

Duisburg, 12. November 2025 - Aktuelle Planungen der Bundesregierung zur Mittelausstattung im Bundeshaushalt und den Vergaberegeln im Sondervermögen benachteiligen NRW

IHK NRW warnt anlässlich der finalen Haushaltsverhandlungen im Bundestag vor Standortnachteilen für Nordrhein-Westfalen bei der Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen: „Gerade hier ist der Zustand der Verkehrsinfrastruktur besonders kritisch – bröckelnde Brücken, überlastete Autobahnen und veraltete Wasserstraßen gefährden Lieferketten und Wettbewerbsfähigkeit“, betont Dr. Ralf Mittelstädt, Hauptgeschäftsführer von IHK NRW. „Doch so wie Haushalt und Sondervermögen derzeit ausgestaltet sind, droht NRW weniger und nicht mehr Investitionsmittel zu erhalten. Das ist das Gegenteil dessen, was dieses Land jetzt braucht.“

NRW trägt im Bundesvergleich eine überdurchschnittliche Last im Verkehrsnetz:
Fast 30 Prozent der Autobahnbrücken im Land sind sanierungs- oder ersatzbedürftig (Bund: teils unter 10 %).
Ersatzneubauten in NRW sind in der Regel mit Ausbau verbunden – und fallen damit aus vielen Förderzugriffen des Sondervermögens heraus.
Die wichtigsten Wasserstraßen für Industrie und Hafenstandorte sind im Sondervermögen kaum berücksichtigt.
Zahlreiche Verkehrsprojekte verzögern sich, weil Planungsverfahren in dicht besiedelten Räumen besonders komplex sind.

„Die Lage ist eindeutig: Der Bedarf in NRW ist am größten – aber die Mittelzuweisung berücksichtigt das nicht“, erklärt Ocke Hamann, verkehrspolitischer Sprecher von IHK NRW. „Das gefährdet die industrielle Basis und die Logistikdrehscheibe NRW. Wir können nicht akzeptieren, dass das Land mit dem größten Erhaltungs- und Ersatzbedarf am Ende am wenigsten bauen kann. NRW braucht jetzt eine faire Mittelverteilung und Planungssicherheit. Jeder Euro, der hier eine Brückensperrung verhindert, ist ein Gewinn für den gesamten Standort.“

IHK NRW fordert daher, dass sich die Vergabe aus Haushalt und Sondervermögen am tatsächlichen Instandsetzungs- und Ersatzbedarf orientieren, nicht an formalen Kriterien. Komplexe Förderprogramme müssen durch klare Prioritäten, schnellere Planungsverfahren und zentrale Unterstützung für Kommunen ersetzt werden. Für Hafenstandorte, Stahl, Chemie und Logistik sind funktionierende Wasserwege und belastbare Brücken wirtschaftskritische Infrastruktur – diese müssen im Sondervermögen verbindlich berücksichtigt werden.

Die besondere NRW-Betroffenheit zeigt sich bei den folgenden Baustellen:
NRW-Baustelle Nummer 1
In NRW sind die Autobahnen und Bundesstraßen am Limit. Deshalb gibt es praktisch keine Reparatur ohne Ausbau. Fast jede Brücke, die ersetzt wird, bekommt eine zusätzliche Spur. Das bedeutet: Sie kann nicht aus dem Sondervermögen bezahlt werden.

NRW-Baustelle Nummer 2
Durch Umschichtungen der Mittel im Bundeshaushalt ist dieser nicht so gewachsen wie gedacht. Für den Straßenbau fehlt daher dringend benötigtes Geld. Da sehr viele Maßnahmen in NRW nicht vom Sondervermögen profitieren, sondern auf den Haushalt angewiesen sind, kann bei uns vergleichsweise weniger gebaut werden.

NRW-Baustelle Nummer 3
Schnell gebaut wird besonders dort, wo die Planungen fertig sind. Das Bundesverkehrsministerium hat mit seinem Netz zur Brückensanierung (Brückensanierungsprogramm) an Autobahnen Prioritäten gesetzt. Ein Nachteil für NRW, denn der Anteil der als Priorität eingestuften Streckenabschnitte ist bei uns verglichen mit anderen Bundesländern geringer.

NRW-Baustelle Nummer 4
Auf der vom Bundesverkehrsministerium veröffentlichten Liste, welchen Vorhaben eine Verzögerung droht, stehen besonders viele NRW-Projekte (29 von 74). Das liegt auch daran, dass in NRW in der Regel in hochverdichteten Räumen gebaut wird. Diese Verfahren sind deshalb sehr komplex und leiden besonders häufig unter den hohen Anforderungen der Planfeststellung. NRW würde folglich von den angekündigten Schritten zur Planungsbeschleunigung sehr profitieren – genau diese Vorhaben der Bundesregierung aber sind noch nicht umgesetzt.

NRW-Baustelle Nummer 5
In keinem anderen Bundesland sind die Wasserstraßen für den Betrieb der Industrie wichtiger. Ob Stahl, Chemie, Baustoffe, Container oder Futtermittel – in den Häfen NRWs wird rund die Hälfte der Mengen, die mit Binnenschiffen in Deutschland transportiert werden, umgeschlagen. Kein anderes Bundesland braucht die Wasserstraße mehr, um Straßen und Schienen zu entlasten. Dass im Haushalt kein zusätzliches Geld für Wasserstraßen bereitgestellt wird und die Wasserstraßen vom Sondervermögen ausgenommen sind, trifft NRW deshalb besonders hart.

Appell an die NRW-Verkehrspolitik
IHK NRW fordert daher, dass NRW in den finalen Haushaltsberatungen bessere Chance bekommt, seinen Wettbewerbsnachteile auszugleichen. „Beim Zustand der Straßen, Schienen und Wasserwege muss NRW dringend zu den anderen Bundesländern aufschließen, sonst droht die Industrie schneller abzuwandern, als uns lieb sein kann“, so IHK NRW-Hauptgeschäftsführer Dr. Ralf Mittelstädt zu den aktuellen NRW-Baustellen.

„Unser Bundesland braucht einen adäquaten Nachteilsausgleich. Jede Brücke, die für LKW gesperrt wird, ist eine Vollsperrung für die Wirtschaft. Umgekehrt ist jeder Euro, der eine Sperrung verhindert, besonders gut investiert,“ drängt abschließend Ocke Hamann, verkehrspolitischer Sprecher von IHK NRW, auf eine breitere Nutzung der Mittel aus dem Sondervermögen und Vergabe nach Bedarf.

BFH verhandelt über Grundsteuer: Verband Wohneigentum fordert Kurswechsel

 „Drei von vier Eigentümerinnen und Eigentümern zahlen nun mehr als vorher“

Bonn/Berlin(Duisburg, 12. November 2025 - Heute verhandelt der Bundesfinanzhof (BFH) erstmals über mehrere Verfahren zur neuen Grundsteuer – ein Tag mit Signalwirkung für Millionen Haus- und Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer. Die Reform, die mehr Gerechtigkeit versprochen hatte, steht erneut auf dem Prüfstand. Für den gemeinnützigen Verband Wohneigentum ist der Verhandlungstag ein Weckruf an die Politik: Die bisherigen Bewertungsmodelle erzeugen neue Ungleichheiten, während die Belastung vieler Haushalte spürbar steigt.

Verbandspräsident Peter Wegner mahnt: „Drei von vier Eigentümerinnen und Eigentümern zahlen heute bereits mehr Grundsteuer als vor der Reform. Das ist weder sozial ausgewogen noch politisch haltbar.“ In der Beratungspraxis des Verbands zeige sich eine deutliche Schieflage: „Die Menschen sind fassungslos. Viele möchten ihrem Ärger Luft machen, andere sorgen sich ernsthaft, wie sie die höheren Beträge künftig stemmen sollen.“

Der Verband kritisiert, dass die Steuer auf Basis stark vereinfachter Standardwerte erhoben wird. „Typisierte Einstufungen, die sich allein auf Bodenrichtwerte und pauschale Mieten stützen, bilden die Realität nicht ab und produzieren vielerorts nicht nachvollziehbare Ungerechtigkeiten“, so Wegner. Damit wachse nicht nur der bürokratische Aufwand, sondern auch der Vertrauensverlust. „Die neue Grundsteuer hatte von Beginn an ein Akzeptanzproblem – und sie hat ein Gerechtigkeitsproblem. Das Gesetz muss zurück auf die politische Ebene und korrigiert werden.“

Reform im Stresstest: Was heute in München verhandelt wird
Der BFH prüft in drei Verfahren (II R 25/24, II R 31/24, II R 3/25), ob die Bewertungsregeln (§218ff BewG) des sogenannten Bundesmodells verfassungsgemäß sind. Elf Bundesländer nutzen dieses Modell, das auf pauschalen Bodenrichtwerten, standardisierten Nettokaltmieten und Typisierungen basiert.

Konkret geht es um die Frage, ob Millionen Grundstücke mithilfe pauschaler Berechnungen bewertet werden dürfen – oder ob das den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt. Mehrere Finanzgerichte haben verfassungsrechtliche Zweifel geäußert und dem BFH vorgelegt.
Mögliche Szenarien reichen von der Bestätigung des Modells bis zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht. Im Raum stehen Fragen, die Millionen Steuerbescheide berühren. Was eine Entscheidung bedeuten könnte-

• Bestätigung der Bewertungsregeln: Wenn der Bundesfinanzhof das Bundesmodell für rechtmäßig hält: In diesem Fall blieben die bereits ergangenen Grundsteuerwert- und Grundsteuermessbescheide grundsätzlich bestehen. Einsprüche, die sich ausschließlich auf die Verfassungsmäßigkeit des Modells stützen, hätten dann keine Aussicht auf Erfolg. Nur individuelle Bewertungsfehler (z.B. falsche Flächenangaben, Bodenrichtwert, Nutzung) könnten noch geltend gemacht werden.

• Teilweise Beanstandung oder Vorlage an das Bundesverfassungsgericht: Der BFH könnte bestimmte Bewertungsregeln für verfassungsrechtlich zweifelhaft halten und das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Prüfung vorlegen (§ 80 Abs.1 BVerfGG). In diesem Fall würden laufende Einspruchsverfahren ruhen, bis Karlsruhe entschieden hat. Erst danach wäre klar, ob einzelne Berechnungsparameter (z.B. Mietniveaustufen, Typisierungen, Bodenrichtwert, Methodik) geändert oder rückwirkend angepasst werden müssen. Es entstünde eine Übergangsphase mit erheblicher Rechtsunsicherheit, aber keine automatische Aufhebung bestehender Bescheide.

• Verfassungswidrigkeit des Modells (nach Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts): Sollte das BVerfG das Bewertungsmodell oder Teile davon für verfassungswidrig erklären, müsste der Gesetzgeber nachbessern. Das Gericht würde voraussichtlich – wie schon 2018 – eine Übergangsfrist setzen, innerhalb derer das geltende Recht weiter angewendet werden darf, um das Steueraufkommen der Kommunen zu sichern. Erst nach Inkrafttreten einer neuen Regelung könnten Neubewertungen erfolgen.

Eine Rückwirkung auf bereits festgesetzte Grundsteuerbescheide wäre nur in engen Ausnahmefällen denkbar (z.B. bei noch offenen Verfahren oder vorläufigen Bescheiden). Kommunen müssten ihre Hebesätze dann anpassen, um Einnahmeverluste oder -sprünge auszugleichen. Für Eigentümer*innen könnte das zu Entlastungen oder Neuverteilungen führen, aber nicht automatisch zu Rückzahlungen.
Reform mit Schlagseite: föderales Steuer-Labyrinth

Seit dem 1. Januar 2025 gilt die neue Grundsteuer bundesweit – aber einheitlich ist sie keineswegs. Jedes Bundesland darf vom Bundesmodell abweichen. Das Ergebnis: ein Flickenteppich aus 16 Systemen. Ziel war mehr Gerechtigkeit – sichtbar wird eher Komplexität und Verunsicherung.
Länder-Zoom: Drei Modelle, drei Botschaften

Die Grundsteuerreform ist längst kein einheitliches Projekt mehr – sie ist zu einem Experimentierfeld der Länder geworden. Zwischen politischem Pragmatismus, fiskalischem Druck und öffentlicher Empörung entstehen sehr unterschiedliche Antworten auf dieselbe Frage: Wie bleibt Wohnen bezahlbar, wenn Bewertungsgrundlagen steigen?

Nordrhein-Westfalen: Zwischen Anspruch und Unsicherheit
NRW, wo das Bundesmodell angewandt wird, ist von der Reform besonders stark betroffen. Denn im bevölkerungsreichsten Bundesland lag die Grundsteuer bereits in der Vergangenheit auf bundesweitem Rekordniveau. Seit der Reform haben die Bürger*innen in Nordrhein-Westfalen umso mehr mit Verwerfungen zu kämpfen. „In NRW schlägt das Gerechtigkeits-Defizit der Grundsteuerreform doppelt und dreifach zu Buche“, sagt Jan Koch, Geschäftsführer des Verband Wohneigentum Nordrhein-Westfalen.

In tausenden Fällen hätten die neuen Regeln zu teils absurden Bewertungsfehlern geführt. „Hinzu kommt, dass die Grundsteuer in NRW durch die Reform fürs Wohnen teurer und fürs Gewerbe günstiger geworden ist“, erklärt Koch. Ermäßigte Hebesätze für Wohngrundstücke, die diesen Effekt abmildern könnten, haben ihm zufolge aber nur gut ein Viertel der NRW-Städte eingeführt. Getoppt wird das von einer neuen Entwicklung.

„Weil die Finanzämter im Laufe des Jahres massenweise falsche Grundsteuer-Bescheide nach unten korrigieren mussten, blieben die Einnahmen der Städte weit hinter ihren Prognosen zurück. Die Konsequenz: Im nächsten Jahr müssen zahlreiche NRW-Städte ihre Hebesätze schon wieder erhöhen“, befürchtet der Grundsteuer-Experte aus NRW. Sein Fazit: „Gerecht wird diese Grundsteuer nicht mehr!“

Der Verband Wohneigentum Nordrhein-Westfalen fordert deshalb ermäßigte Hebesätze fürs Wohnen und gesplittete Hebesätze, um die Belastung gerechter zu verteilen. Gleichzeitig drängt NRW auf Transparenz bei den Bewertungsgrundlagen – damit Eigentümer*innen nachvollziehen können, warum ihre Grundsteuer steigt, während Nachbarn entlastet werden.

Thüringen: der politische Rückwärtsgang
Thüringen hat aus der Unzufriedenheit vieler Eigentümer*innen Konsequenzen gezogen – und die Steuermesszahl für Wohnimmobilien um 26 % gesenkt. Statt 0,31 ‰ gilt nun 0,23 ‰, während Gewerbe stärker belastet wird. Das Ziel: Wohnen entlasten, Fehlsteuerungen korrigieren, Vertrauen zurückgewinnen. Die Folge: Rund 750.000 neue Bescheide müssen verschickt werden – ein gewaltiger Aufwand, der selbst das Finanzministerium an seine Grenzen bringt. „Diese Reform strahlt den Geist der gemeinsamen Verantwortung aus“, findet Thüringens Finanzministerin Katja Wolf.

Hamburg: Ausgleich durch Mathematik
Ganz anders in Hamburg: Der Stadtstaat setzt auf eine erhebliche Erhöhung der Hebesätze, versucht aber nach dem Nutzen des Grundstücks zu unterscheiden. Der Hebesatz B steigt von 540 % auf 975 %, die Grundsteuer C für unbebaute Grundstücke sogar auf 8.000 %. Zugleich führt Hamburg differenzierte Messzahlen ein: 0,70 für Wohnflächen, 0,87 für Gewerbe. Offiziell soll das aufkommensneutral sein – faktisch bedeutet es für viele Eigentümer*innen Mehrbelastungen, besonders in Innenstadtlagen.

Dennoch berichtet Dr. Herlind Gundelach, Landesvorsitzende Verband Wohneigentum Hamburg: „In Hamburg hält sich der Protest über die neue Grundsteuer in Grenzen, zumal unser Finanzsenator mehrmals nachdrücklich seine frühere Aussage bestätigt hat, dass er - falls Mehreinnahmen gegenüber der früheren Regelung entstehen - er diese an die Zahler zurückgeben wird.

Auch in Hamburg gab es zum Teil deutliche Steigerungen des Betrags, in der Regel ist das aber darauf zurückzuführen, dass bei dem entsprechenden Finanzamt auch keine aktuellen Berechnungsgrundlagen vorlagen. Bei Einigen wurden in Eigenregie in den letzten Jahren erhebliche bauliche Veränderungen an ihren Häusern vorgenommen, dies aber zu keiner Zeit angezeigt haben. Insofern haben sie in den letzten Jahren zu wenig Grundsteuer bezahlt, das wird jetzt ausgeglichen.“

Ob NRW, Thüringen oder Hamburg – überall versuchen Politik und Verwaltung, die Folgen der Reform in den Griff zu bekommen. Doch jede Korrektur auf Landesebene verstärkt das strukturelle Problem: Statt einheitlicher Gerechtigkeit herrscht ein Flickenteppich aus Steuerlogiken. „Am Ende entscheidet der Wohnort, nicht die Wohnform über die Höhe der Grundsteuer.“ so Verband-Wohneigentum-Präsident Peter Wegner.

Aufkommensneutralität – ein Märchen mit Folgen
Die Reform sollte Einzelbelastungen ausgleichen und das Gesamtaufkommen stabil halten. Doch Auswertungen von CORRECTIV & Finanztip zeigen: In Hessen überschreiten rund 80 % der Kommunen die empfohlenen Hebesätze, in Sachsen etwa 20 %. Der Verband Wohneigentum kritisiert: „Die Grundsteuer muss bezahlbar bleiben. Nicht höhere Belastung darf das Ziel sein.“

Tipps für von Erhöhung Betroffene:
1. Bescheid prüfen – insbesondere Bewertung und Messzahl.
2. Falls die Frist noch nicht abgelaufen ist, Einspruch fristgerecht einlegen – oft verweisend auf die anhängigen Verfahren beim BFH.
3. Gegengutachten prüfen – sinnvoll bei offenkundig zu hoher Bewertung.
4. Hebesatz-Beschlüsse der Kommune beobachten – bereits steigende Kommunalhebesätze können mehr kosten als Bewertungssenkungen sparen.
5. Wenn die Frist für den Einspruch abgelaufen ist, ggf. auf eine Fehlerkorrektur bestehen.

Die Verfahren sind kein Randthema – sie entscheiden über das System der Grundsteuer in Deutschland. Bestätigt das Gericht das Bundesmodell, bleibt alles beim Alten mit weiter steigender Komplexität. Wird das Modell gekippt, steht eine Neuberechnung im großen Stil an – mit Risiken für Kommunalhaushalte und Chancen für Menschen mit Wohneigentum. Ein Urteil wird im Frühjahr 2026 erwartet.

BdSt NRW vergleicht Friedhofsgebühren 2025 in Großstädten

=> Download: Tabelle Friedhofsgebühen 2025 [pdf]

Duisburg, 12. November 2025 - Die Friedhofsgebühren in Nordrhein-Westfalen steigen weiter, wie der Bund der Steuerzahler NRW in seinem jährlichen Vergleich unter den 30 Großstädten festgestellt hat. Bei den Sargwahlgräbern bleibt Leverkusen teurer Spitzenreiter, bei den Urnengräbern ist es Köln.

Der BdSt-Vergleich zeigt: Mehr als 5.000 Euro kostet eine Sargbestattung in Leverkusen. In Gütersloh sind es knapp unter 2.000 Euro. (Foto: Thomas Lammertz / BdSt NRW)

Teurer Abschied: Friedhofsgebühren in NRW steigen
BdSt NRW vergleicht die Gebühren für die 30 größten Städte im Land
Eine Sargbestattung in einem einstelligen Wahlgrab kostet in diesem Jahr im NRW-Durchschnitt 3.644 Euro – ein Plus von 4 % gegenüber 2024. Damit liegen die Gebühren deutlich über der allgemeinen Preissteigerung von 2,3 %.

Eine Urnenbestattung im Reihengrab ist mit 1.612 Euro im Durchschnitt nur halb so teuer. Auch hier sind die Gebühren gestiegen, um 5 %. Sargbestattung: Leverkusen bleibt mit 5.273 Euro Spitzenreiter bei den Sargwahlgräbern. Gütersloh ist mit 1.934 Euro am günstigsten. Bemerkenswert ist, dass sich in Gütersloh die kirchlichen Friedhöfe offensichtlich positiv auswirken. Sie sorgen für Konkurrenz und halten die städtischen Gebühren im Zaum.

In einigen Städten sanken die Gebühren – etwa in Bonn (-10 %) oder Hamm (-3 %). Andere Städte wie z.B. Bottrop (+19 %), Oberhausen (+18 %) und Neuss (+12 %) meldeten kräftige Aufschläge. Urnenbeisetzungen: 2.452 Euro zahlt man für eine Urnenbestattung in Köln. Mit 531 Euro ist diese Form der Beisetzung in Gütersloh am günstigsten. Besonders auffällig sind die Steigerungen für eine Urnenbeisetzung in Bottrop (+78 %), Oberhausen (+21 %), Mönchengladbach (+19 %) und Neuss (+12 %). In Bonn dagegen sanken die Gebühren um 6 %.

Die hohe Gebührensteigerung in Bottrop ist auf die Einführung des sogenannten „Kölner Modells“ zurückzuführen. Bei dieser Art der Berechnung fallen nicht nur Kosten für die Grabstelle an, sondern es wird anteilig auch die Infrastruktur des Friedhofs berücksichtigt. Die Verantwortung für die Höhe der Friedhofsgebühren liegt bei den Stadträten – sie beschließen die jeweilige Gebührensatzung und sollten prüfen, wie sie die Gebühren mindestens stabil halten können.

Trauerhallen und Verwaltungsgebühren: Große Preisspannen
Die Kosten für die Nutzung der Trauerhalle fallen je nach Kommune höchst unterschiedlich aus. In Gelsenkirchen kostet ein kleiner Feierraum 83 Euro, in Recklinghausen sind es 385 Euro für eine Trauerhalle. Zusätzlich verlangen viele Friedhofsverwaltungen Verwaltungsgebühren etwa für die Genehmigung von Grabmalen oder das Bearbeiten von Grabnutzungsrechten.

Der BdSt NRW kritisiert solche Zusatzkosten – insbesondere, wenn sie rein formaler Natur sind. Tipp: Gebühren vorab vergleichen Gerade in Zeiten steigender Kosten lohnt sich ein Gebührenvergleich zwischen kommunalen und kirchlichen Friedhöfen. Angehörige sollten sich daher frühzeitig informieren und Kosten transparent gegenüberstellen – pietätvoll und mit Blick auf die eigene finanzielle Belastung. 

Die Verantwortung für die Höhe der Friedhofsgebühren liegt bei den Stadträten – sie beschließen die jeweilige Gebührensatzung und sollten prüfen, wie sie die Gebühren mindestens stabil halten können Fazit: Eine würdevolle Bestattung darf kein Kostenrisiko sein. Der BdSt NRW fordert die Städte auf, die Belastungen für Hinterbliebene zu begrenzen und die Gebührenstrukturen regelmäßig zu überprüfen – im Sinne der Bürger und ihrer Angehörigen.

Der Bund der Steuerzahler NRW berücksichtigt in seinem Friedhofsgebührenvergleich ausschließlich die städtischen Gebühren für Grabüberlassung, Grabbereitung und Nutzung einer Trauerhalle. Aufwendungen für eine Kremierung, für den Bestatter, den Steinmetz und den Friedhofsgärtner fallen zusätzlich an. Manche Städte erheben zusätzlich eine Verwaltungsgebühr, etwa für die Genehmigung von Grabmalen oder das Bearbeiten von Grabnutzungsrechten. Der BdSt NRW kritisiert solche Zusatzkosten – insbesondere, wenn sie rein formaler Natur sind.

51 Prozent aller Beschäftigten bekommen Weihnachtsgeld, mit Tarifvertrag 77 Prozent

Tarifliche Ansprüche reichen von 250 Euro bis zu mehr als 4.200 Euro

Düsseldorf/Duisburg, 5. November 2025 - Alle Jahre wieder: Nicht nur das Weihnachtsfest naht in großen Schritten, sondern auch das Weihnachtsgeld. So ist es zumindest für gut die Hälfte der Beschäftigten (51 Prozent), bei denen der Arbeitgeber die Sonderzahlung zusätzlich zum regulären Gehalt überweist, und zwar meist schon im November. Einige Arbeitgeber tun dies freiwillig oder als eingeübte Praxis.

Einen rechtlich verbindlichen Anspruch auf Weihnachtsgeld sichert eine entsprechende Vereinbarung im Tarifvertrag. Deshalb macht es einen großen Unterschied, ob der Arbeitgeber nach Tarifvertrag zahlt oder nicht: Mehr als drei Viertel der Beschäftigten (77 Prozent) in Betrieben mit Tarifvertrag erhalten Weihnachtsgeld, ohne Tarifvertrag sind es mit 41 Prozent deutlich weniger. Das ergibt eine Umfrage unter gut 58.000 Beschäftigten durch das Internetportal Lohnspiegel.de, das vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung betreut wird.

Die Umfrage zeigt außerdem, dass Männer (54 Prozent) etwas häufiger als Frauen (48 Prozent) Weihnachtsgeld ausgezahlt bekommen und Beschäftigte in Westdeutschland (53 Prozent) bessere Aussichten auf einen Bonus zum Fest haben als jene in Ostdeutschland (41 Prozent).
Auch zwischen Beschäftigten mit einem unbefristeten Vertrag (52 Prozent) und einem befristeten Vertrag (48 Prozent) gibt es geringfügige Unterschiede, ebenso zwischen Beschäftigten in Vollzeit (53 Prozent) und in Teilzeit (46 Prozent). Der Analyse zufolge bleibt der entscheidende Faktor aber die Tarifbindung des Arbeitgebers.



„Auch die Grundgehälter sind mit Tarifvertrag in aller Regel höher – das Weihnachtsgeld ist ein echtes Extra, das nicht an anderer Stelle wieder abgezwackt wird“, sagt Dr. Malte Lübker, Gehaltsexperte am WSI. „Tarifverträge lohnen sich für die Beschäftigten nicht nur zu Weihnachten, sondern das ganze Jahr über.“

Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiteten im Jahr 2024 nur noch 49 Prozent der Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben, verglichen mit 68 Prozent im Jahr 2000. Grund dafür ist neben dem Ausscheren etablierter Unternehmen – wie zuletzt beim Sportartikelhersteller Adidas –, dass neu gegründete Betriebe oft erstmal versuchen, einen Tarifvertrag zu verhindern.

„Einen Tarifvertrag durchzusetzen, erfordert meist einen langen Atem – und setzt voraus, dass Belegschaft und Gewerkschaft gemeinsam dafür kämpfen“, sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI. „Umso wichtiger ist, dass die Politik Tarifbindung unterstützt und nicht unterminiert, wie das lange Zeit durch eine Vergabe öffentlicher Aufträge einfach nach dem billigsten Angebot ging. Das Bundestariftreuegesetz ist dafür ein wichtiger Baustein.“

Große Unterschiede bei der Höhe des tarifvertraglichen Weihnachtsgeldes
Die Höhe des tariflichen Weihnachtsgelds variiert zwischen den einzelnen Branchen teilweise erheblich: Bei den mittleren Entgeltgruppen reicht sie in der Endstufe von 250 Euro in der Landwirtschaft Bayern bis zu 4.235 Euro in der Chemischen Industrie Nordrhein. Vergleichsweise hohe Beträge werden auch in der Energieversorgung Nordrhein-Westfalen (4.113 Euro), der Süßwarenindustrie Baden-Württemberg (3.900 Euro) und der Textilindustrie Westfalen und Osnabrück (3.751 Euro) gezahlt.

Auch im Privaten Bankgewerbe (3.719 Euro) und bei der Deutschen Bahn (3.399 Euro) können sich Beschäftigte in den kommenden Wochen über ein dickes Extra freuen. Dies zeigt eine aktuelle Auswertung des WSI-Tarifarchivs von 23 ausgewählten größeren Branchen.

Nur wenige Branchen haben beim Weihnachtsgeld einen Pauschalbetrag festgelegt. In den meisten Fällen wird das Weihnachtsgeld als fester Prozentsatz vom Monatsentgelt berechnet. In Branchen, in denen für 2025 höhere Tarifentgelte vereinbart wurden, hat sich auch das Weihnachtsgeld entsprechend erhöht. Einen deutlichen Anstieg gegenüber dem Vorjahr gab es beispielsweise für die Tarifbeschäftigten im Gastgewerbe Bayern (+9,6 Prozent), bei der Deutschen Bahn AG (+9,0 Prozent) und in der Süßwarenindustrie Baden-Württemberg (+7,6 Prozent).




Ein klassisches 13. Monatsentgelt im Sinne einer Sonderzahlung von 100 Prozent eines Monatsentgeltes erhalten die Beschäftigten in der Chemischen Industrie, Teilen der Energiewirtschaft, in der Süßwarenindustrie, bei der Deutschen Bahn AG, im Privaten Bankgewerbe sowie in einzelnen westdeutschen Tarifregionen der Textilindustrie und dem privaten Transport- und Verkehrsgewerbe.



In der Eisen- und Stahlindustrie werden sogar 110 Prozent eines Monatsentgeltes gezahlt, wobei hier Weihnachts- und Urlaubsgeld zu einer Jahressonderzahlung zusammengelegt wurden. Auch im Öffentlichen Dienst gibt es eine einheitliche Jahressonderzahlung, die an die Stelle des früher üblichen Weihnachts- und Urlaubsgeldes getreten ist. Sie beträgt bei den kommunalen Arbeitgebern, die für die Auswertung berücksichtigt wurden, je nach Vergütungsgruppe zwischen 52 und 85 Prozent des Monatsentgeltes.

Da Tarifverträge oft regional ausgehandelt werden, gib es teilweise zwischen den einzelnen Bundesländern und damit auch zwischen Ost- und Westdeutschland Unterschiede in der Höhe der Sonderzahlung. In einigen Branchen können die Unterschiede mehrere hundert Euro, in Einzelfällen wie im Bauhauptgewerbe auch noch über tausend Euro zugunsten der Beschäftigten im Westen ausmachen.

Ein Ausnahmefall ist die Landwirtschaft, wo das Weihnachtsgeld in Mecklenburg-Vorpommern mit 275 Euro geringfügig höher ist als in Bayern (250 Euro). Keine Ost-West-Unterschiede gibt es beispielsweise in den bundesweit gültigen Tarifverträgen im Privaten Bankgewerbe, im Versicherungsgewerbe, im öffentlichen Dienst und der Deutschen Bahn AG.

Unter den großen Wirtschaftszweigen sind Tarifbranchen ohne Weihnachtsgeld oder eine vergleichbare Sonderzahlung die Ausnahme. Kein Weihnachtsgeld gibt es im Gebäudereinigungshandwerk und der Floristik. Dasselbe trifft auf das ostdeutsche Bewachungsgewerbe zu, während in einigen Regionen Westdeutschlands das Weihnachtsgeld erst nach einer bestimmten Anzahl von Berufsjahren gewährt wird.

Informationen zur WSI-Lohnspiegel-Datenbank
Die Berechnungen zur Häufigkeit von Weihnachtsgeld beruhen auf den Angaben von 58.119 Beschäftigten mit mehr als einem Jahr Berufserfahrung, die zwischen dem 1. Oktober 2024 und dem 30. September 2025 an einer Online-Erhebung des WSI-Portals Lohnspiegel.de teilgenommen haben. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, erlaubt aber aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die Arbeitswelt. Lohnspiegel.de ist ein nicht-kommerzielles Angebot der Hans-Böckler-Stiftung.

Eine Auswertung des Statistische Bundesamt war im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis gekommen, dass sogar gut 85 Prozent der Tarifbeschäftigten Weihnachtsgeld erhalten. Die Differenz zur WSI-Auswertung ergibt sich aus jeweils unterschiedlichen Erhebungsmethoden und Fragestellungen.
In der Online-Umfrage von Lohnspiegel.de werden die Beschäftigten explizit danach gefragt, ob sie Weihnachtsgeld erhalten. Das Statistische Bundesamt wertet hingegen Tarifverträge aus und rechnet auf dieser Grundlage die Verbreitung von Weihnachtsgeld hoch. Dabei werden alle Sonderzahlungen berücksichtigt, die im November oder Dezember ausgezahlt werden.
'

„Stahlschock“ könnte jährlich 50 Milliarden Euro Wertschöpfung kosten

Neue Studie: Abbau von Stahlproduktion würde Resilienz der Wirtschaft schwächen

Düsseldorf/Duisburg, 4. November 2025 - Bis zu 50 Milliarden Euro jährlicher Wertschöpfungsverlust drohen der deutschen Wirtschaft, wenn sie ohne inländische Stahlproduktion in einen globalen „Stahlschock“ geriete. Das ist ein Szenario, bei dem aufgrund von geopolitischen Konflikten oder Lieferkettenproblemen große Stahlexporteure wie beispielsweise China ihre Ausfuhren nach Europa in kurzer Zeit erheblich drosseln würden – gewissermaßen die Schwergewichts-Variante der aktuellen Probleme bei Computerchips oder seltenen Erden. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie von Ökonomen der Universität Mannheim.*

 „Wirtschaftliche Resilienz für Deutschland und Europa setzt eine starke deutsche Stahlindustrie voraus, die zeitnah und breit auf klimafreundliche Produktion umstellt“, resümieren die Autoren Prof. Dr. Tom Krebs und Dr. Patrick Kaczmarczyk. Daher sei politische Unterstützung der Transformation in der Stahlbranche ökonomisch sinnvoll, bei Bedarf auch deutlich über die bisherigen Pläne hinaus. Dabei dränge die Zeit: Die an deutschen Standorten existierenden Koks-Hochöfen haben laut der Studie bis 2035 ihre technische Lebensdauer ausgeschöpft. Sie sollten durch CO2-arme Anlagen zur Direktreduktion ersetzt werden.

Die von manchen als angeblich kostengünstiger verfochtene Alternative, Stahl weitgehend oder vollständig aus dem Ausland zu importieren, beruhe „auf der unrealistischen Annahme, dass globale Lieferketten immer reibungslos funktionieren und nahezu perfekter Wettbewerb auf den globalen Märkten vorherrscht“, warnen die Wirtschaftsforscher.

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigten vielmehr, „dass gewisse Mehrkosten aus Gründen der Resilienz sich langfristig als die effizientere und stabilere Form der Produktionsorganisation erweisen können, auch wenn es bei einer kurzfristigen und statischen Betrachtung komparative Kostenvorteile geben mag.“ Noch hinzu kämen hohe soziale und politische Kosten, wenn allein in der Branche Zehntausende Arbeitsplätze wegfallen würden, räumlich konzentriert auf die Stahlregionen.

„Antibiotika, bestimmte Chemikalien oder Chips für die Massenfertigung: jahrelang hieß es, solche vermeintlich simplen Produkte brauchen wir nicht mehr selber herzustellen, die kaufen wir billiger in Übersee. Vielfach stellt sich gerade heraus, dass das ein riesiger Fehler war“, sagt Christina Schildmann, Leiterin der der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung. „Die Studie zeigt, warum wir diesen Fehler beim unverzichtbaren Werkstoff Stahl nicht wiederholen sollten. Zumal sich mit den notwendigen Investitionen in eine klimafreundliche Produktion zwei wichtige Ziele gleichzeitig erreichen lassen: Mehr Resilienz und nachhaltige Innovation.“

Auf Grundlage verschiedener vorliegender Modelle analysieren Krebs und Kaczmarczyk eingehend, wie sich der Stahlbedarf in Deutschland und der EU in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird. Für Europa lässt sich eine jährliche Nachfrage im Korridor von 160 bis 180 Millionen Tonnen bis 2050 prognostizieren. Um den Bedarf verlässlich zu decken, leiten die Wirtschaftsforscher daraus eine langfristig notwendige Produktion von mindestens rund 40 Millionen Tonnen in Deutschland ab. Jeweils zur Hälfte „Primärstahl“, über CO2-arme Direktreduktion erzeugt, und „Sekundärstahl“, der in Elektroöfen aus Stahlschrott geschmolzen wird.

Kapazitäten für 20 Millionen Tonnen „grüner“ Primärstahl notwendig, Investitionen für nur acht Millionen geplant

Aktuell ist Deutschland der größte Stahlhersteller in der EU und mit rund 37 Millionen Tonnen Rohstahlerzeugung im Jahr 2024 weltweit auf Platz sieben. Von zentraler Bedeutung ist der Umstieg auf eine klimaschonendere Produktionsweise mittels Direktreduktionsanlagen. Pilotprojekte zeigen, dass die schrittweise Transformation technisch machbar ist – doch dafür sind stabile politische Rahmenbedingungen und gezielte Fördermaßnahmen erforderlich.

Die Investitionen in neue Produktionsanlagen werden längst nicht im erforderlichen Maß getätigt, warnen Krebs und Kaczmarczyk. Nach den Berechnungen der Forscher besteht derzeit eine eklatante Lücke im Bereich der „grünen“ Stahlproduktion: Dem künftigen Bedarf von jährlich 20 Millionen Tonnen Primärstahl steht eine geplante Produktionskapazität von lediglich acht Millionen Tonnen gegenüber.

Dies ist unter anderem auf die anhaltende Absage der Investitionspläne von Arcelormittal in Bremen und Eisenhüttenstadt sowie die aktuell unzureichenden Pläne von Thyssenkrupp in Duisburg zurückzuführen. „Deutschland muss daher den Ausbau der Produktionskapazitäten im Bereich des grünen Stahls deutlich beschleunigen und zusätzliche Investitionen anstoßen, wenn es einen angemessenen Beitrag zur Klimatransformation der europäischen Industrie leisten möchte“, schreiben Krebs und Kaczmarczyk.

Sollte das nicht geschehen und sollten Deutschland und Europa künftig mangels nennenswerter eigener Stahlproduktion stark von Importen abhängig sein, würde ein „Stahlschock“ erheblichen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Die von den Forschern für dieses Szenario berechneten 50 Milliarden Euro an jährlichem Verlust von Wertschöpfung entsprechen 1,2 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts.

Die Verluste setzen sich aus zwei Komponenten zusammen, die jeweils etwa zur Hälfte zum Gesamtverlust beitragen: Erstens müssten nachgelagerte Branchen wie die Bauwirtschaft, die Metallerzeugung, der Maschinenbau, die Elektrotechnik oder die Autobranche erheblich mehr für Stahl bezahlen. Dieser Kostenschub würde die Produktion und damit die Wertschöpfung in diesen Sektoren verringern. Zweitens würde die Krise auch die Einkommen der privaten Haushalte schmälern, was wiederum die Binnennachfrage beeinträchtigen würde.

Als Einwand gegen den Erhalt der heimischen Stahlindustrie wird mitunter vorgebracht, dass Deutschland ohnehin von Importen abhängig sei, da das für die Primärstahlproduktion notwendige Eisenerz aus dem Ausland stammt. „Dieses Argument greift jedoch zu kurz“, erklären die Wissenschaftler. Eisenerz sei ein weltweit breit verfügbarer Rohstoff, dessen Handel auf stabilen und gut diversifizierten Märkten erfolge – anders als bei den Erzeugnissen der Stahlindustrie.

Ebenso wenig überzeugen nach Analyse der Forscher Vorstellungen, die Stahlerzeugung innerhalb der EU nach Südeuropa zu verlagern, weil dort die Voraussetzung für die günstige Erzeugung von erneuerbaren Energien besonders gut sei. Zwar werde beispielsweise in Spanien in zusätzliche Kapazitäten investiert. Mit drei Millionen Tonnen sei der Umfang aber viel zu gering. Und die Idee, Teile der Wertschöpfungskette bei der Stahlproduktion auf unterschiedliche Länder aufzuteilen, vergrößere nicht nur Lieferkettenrisiken, sie koste auch Effizienz und mehr Energie, weil sie die enge technische Verzahnung der Prozesse vernachlässige.

Arbeitsplatzverluste würden Stahlregionen hart treffen
Neben ökologischer Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Resilienz sind auch die Folgen für die Beschäftigten zu berücksichtigen, betonen die Forscher. Sollte die Stahlproduktion ins Ausland verlagert werden, hätte das erhebliche Arbeitsplatzverluste zur Folge.

Da 42 Prozent der Beschäftigten in der Stahlindustrie über 50 Jahre alt sind, ist davon auszugehen, dass mindestens 30.000 der 70.000 Beschäftigten akut von Arbeitsplatzverlust und einem erschwerten Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt betroffen wären. Diese Verluste würden sich geographisch zu großen Teilen auf die fünf Standorte Bremen, Duisburg, Eisenhüttenstadt, Saarland und Salzgitter konzentrieren. Durch die Einkommens- und Nachfrageverluste wären dort indirekt weitere Arbeitsplätze bedroht.

„Angesichts historischer Erfahrungen mit industriellen Strukturbrüchen in den USA und Großbritannien sowie der Altersstruktur der Beschäftigten in der Stahlindustrie ist davon auszugehen, dass ein großer Teil der Betroffenen nach dem Arbeitsplatzverlust nicht gleichwertig wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden kann“, so die Wissenschaftler. Dies hätte erhebliche soziale und auch politische Konsequenzen: „Eine solche Wirtschaftspolitik wäre ein Konjunkturprogramm für die AfD in den betroffenen Regionen.“

Hinzu kommt, dass auch Beschäftigte in den nachgelagerten Branchen und in anderen Regionen betroffen wären. In den Industrien, die Stahl als Grundstoff nutzen, sind in Deutschland rund vier Millionen Menschen beschäftigt, was zwei Dritteln aller Industriearbeitsplätze entspricht.

IHK: „Berlin erkennt Ernst der Lage nicht“

Unternehmer sprechen mit Rouenhoff (CDU), Özdemir (SPD) und van Beek (SPD)
Duisburg, 29. Oktober 2025 - Bis Sommer sollte es der Wirtschaft spürbar besser gehen. Das verkündete die Bundesregierung im Frühjahr. Dann war von einem Herbst der Reformen die Rede. Ende Oktober sei von einem Aufbruch nichts zu spüren, machten Unternehmer vom Niederrhein deutlich. Im Gespräch mit drei Bundestagsabgeordneten forderte Werner Schaurte-Küppers, Präsident der Niederrheinischen IHK: „Mit etwas Kosmetik ist es nicht getan. Wir brauchen entschlossenes Handeln.“

Zu Gast war Stefan Rouenhoff (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Ebenso die Bundestagsabgeordneten Mahmut Özdemir (SPD) und der neu gewählte Sascha van Beek (SPD). Sie trafen sich in Duisburg auf Einladung der IHK mit 50 Unternehmern. „Die Lage ist dramatisch. Der Mittelstand ächzt unter hohen Steuern und Bürokratie. Mancher Familien-Unternehmer muss aufgeben. Die Industrie muss tausende Stellen streichen“, warnt Schaurte-Küppers.

50 Unternehmer diskutierten mit den Bundespolitikern über die Lage der Wirtschaft.
Fotos: Niederrheinische IHK/Gruppe C Photography

Herbst bringt Stellenabbau statt Reformen
Ein halbes Jahr ist die schwarz-rote Bundesregierung im Amt. Von weniger Bürokratie sei nichts zu spüren, sagt der IHK-Präsident. Unternehmen warten zum Teil jahrelang auf eine Baugenehmigung. „Unvorstellbar. Aber das ist die Realität in Deutschland und zeigt, woran wir kranken“, so Schaurte-Küppers. Auch die Energiekosten seien nicht wettbewerbsfähig, finden die Unternehmer.

An die Abgeordneten appellieren sie: „Hier müssen Sie dringend etwas tun, sonst ist unsere Industrie bald komplett erledigt.“ Nicht zu vergessen die marode Infrastruktur: „NRW braucht schnelle Hilfe und viel Geld. Wir sind die Verkehrs-Drehscheibe Europas. Die Debatte über die Finanzierung der Infrastruktur erweckt den Eindruck: In Berlin wird der Ernst der Lage nicht erkannt“, sagte Schaurte-Küppers.

v.l.: IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Stefan Dietzfelinger, Bundestagsabgeordneter Sascha van Beek, Stefan Rouenhoff, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, IHK-Präsident Werner Schaurte-Küppers und Bundestagsabgeordneter Mahmut Özdemir.

Stahlgipfel gehört nach Duisburg
Besonders kritisch ist die Lage in der Stahlbranche. Schaurte-Küppers: „Wir brauchen einen besseren Schutz der Stahlindustrie vor Dumping-Importen“ Auch der geplante Stahlgipfel der Bundesregierung ist laut IHK eine dringend nötige Initiative. „Noch gibt es keinen Termin.

Klar ist aber: Der Gipfel gehört nach Duisburg, wo Stahl gelebt wird“, betonte Schaurte-Küppers. Sascha van Beek knüpfte an: „Ich kann das nur unterstützen. Hier bei uns in der Region geht es ja nicht nur um ein paar Stahlhütten. Es geht um eine ganze Region, um Arbeitsplätze und Familien, um eine Wertschöpfungskette, die tief im Mittelstand und Handwerk am gesamten Niederrhein verwurzelt ist.“

Mahmut Özdemir ergänzte: „Die Regierungskoalition muss jetzt schnell die sozialen Fragen unseres Landes mit der Förderung des Wohlstandes beantworten. Dazu zählen für mich das Halten von Arbeitsplätzen durch einen günstigen Industriestrompreis, den Hochlauf von Wasserstoff sowie die Unabhängigkeit bei Grundstoffen in Stahl und Chemie.“

Rouenhoff will Hürden ausräumen
Stefan Rouenhoff räumte ein: „Es ist in den letzten Jahren viel liegengeblieben. Es gibt einen Reformstau in unserem Land. Die neue Bundesregierung hat sich auf den Weg gemacht, Deutschland nach Jahren der Stagnation und Rezession wieder auf Wachstumskurs zu bringen.

Das Gebot der Stunde lautet: Bürokratie abbauen, Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen, Energiekosten auf ein verträgliches Maß bringen, die Innovationskraft im Mittelstand stärken, unsere Handelsbeziehungen diversifizieren.“
Daran will der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium zusammen mit der IHK und anderen Wirtschaftsverbänden arbeiten.

Die Niederrheinische IHK vertritt das Gesamtinteresse von rund 70.000 Mitgliedsunternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen in Duisburg und den Kreisen Wesel und Kleve. Sie versteht sich als zukunftsorientierter Dienstleister und engagiert sich als Wirtschaftsförderer und Motor im Strukturwandel.


Chip-Knappheit trifft Wirtschaft am Niederrhein IHK: „Wir brauchen resiliente Lieferketten“

Duisburg, 28. Oktober 2025 - Die Chipkrise macht der Wirtschaft am Niederrhein Sorgen. Das zeigt eine laufende Umfrage der Niederrheinischen IHK. Die Betriebe sehen ein erhöhtes Risiko für verzögerte Lieferungen und Preissteigerungen. Produktionsausfälle sehen sie derzeit nicht. Wenn die Lieferengpässe beim niederländischen Chip-Hersteller Nexperia weiter anhalten, erwarten 60 Prozent Verzögerungen bei ihren Lieferzeiten.

Eine Ursache ist, dass es weniger Lagerbestände in den Unternehmen gibt: „Plötzliche Lieferprobleme bei einem Hersteller wie Nexperia wirken sich rasant aus. Das spüren nicht nur Automobil- und Maschinenbaukonzerne, sondern auch viele mittelständische Betriebe hier vor Ort.
Die Chipkrise um Nexperia ist mehr als ein Lieferproblem – sie ist ein Weckruf für Deutschland. Wir brauchen resiliente Lieferketten und müssen die Abhängigkeit von wenigen Herstellern reduzieren. Die Produktion von Schlüsseltechnologien wie Halbleiter-Chips muss in Deutschland und Europa beschleunigt und auch gefördert werden, damit kritische Bauteile nicht mehr von extern bezogen werden müssen“, betont Jürgen Kaiser, Geschäftsführer der Niederrheinischen IHK. 
 
Foto: Niederrheinische IHK/Jacqueline Wardeski

Chip-Knappheit: IHK fragt nach Stimmungsbild
Die Umfrage der Niederrheinischen IHK läuft noch bis zum 31. Oktober. Mitmachen können Unternehmen aus Duisburg, dem Kreis Kleve oder Kreis Wesel. Die IHK will damit einen besseren Überblick erhalten, wie die Region betroffen ist.

Unternehmer aus Südamerika erkunden Wirtschaft am Niederrhein

Fokus auf duale Ausbildung und Wasserstoff  
Duisburg, 27. Oktober 2025 - Gute internationale Beziehungen sind in der aktuellen Weltlage wichtig. Auf Einladung der Niederrheinischen IHK erkunden 30 Unternehmer aus Ecuador die Wirtschaft am Niederrhein. Sie knüpfen Kontakte zu Betrieben und lernen das System der dualen Ausbildung in Deutschland kennen.  

„Wir freuen uns über den Besuch aus Südamerika. Delegationsreisen sind ein Türöffner. Sie ermöglichen es den Unternehmern, ein Land unmittelbar kennenzulernen. Sich ein Bild zu machen. So entstehen Kontakte und neue Geschäftsideen“, erklärt Dr. Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen IHK. „Da unsere Kombination aus Theorie und Praxis in der Ausbildung weltweit einzigartig ist, möchten wir die Vorteile über Ländergrenzen hinweg bewerben.“  

IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Stefan Dietzfelbinger (links) begrüßte Jörg Zehnle, Geschäftsführer der Auslandshandelskammer Ecuador, zum fünftägigen Austausch.  

Auf dem Programm für den viertägigen Besuch stehen Gespräche mit Thyssenkrupp über Wasserstoff als Energieträger. Eine Besichtigung des Duisburger Hafens ist Teil des Austausches. Und es geht auch in Hightech-Werkstatt „FabLab“ der Hochschule Rhein-Waal. Dort erleben die Geschäftsleute aus Südamerika, wie Studenten und Gründer ihre Ideen mittels 3D-Druck verwirklichen.    

Auslandshandelskammer unterstützt Austausch
Im April war bereits eine Delegation der Niederrheinischen IHK in Südamerika, um Kontakte für Kooperationen zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen. Die Reisen finden in Zusammenarbeit mit der Auslandshandelskammer (AHK) Ecuador statt. „Duisburg und der Niederrhein werden als innovativer Standort wahrgenommen. Besonders bei den Themen Wasserstoff und duale Ausbildung. Mit unserer Reise möchten wir den Grundstein für gemeinsame Projekte legen“, so Jörg Zehnle, Geschäftsführer der AHK Ecuador.  

Die AHKs unterstützen deutsche Unternehmen im In- und Ausland. Sie helfen ihnen, sich auf internationalen Märkten zu positionieren und mit und lokalen Geschäftspartnern zu vernetzen. Außerdem werben sie für das duale Ausbildungssystem nach deutschem Vorbild. Auf diese Weise schaffen sie nachhaltige Partnerschaften im Bereich Fachkräfte. Das Netzwerk umfasst weltweit 150 Standorte in 90 Ländern.    

Auf Einladung der Niederrheinischen IHK erkunden 30 Unternehmer aus Ecuador die Wirtschaft am Niederrhein. Im Fokus steht die duale Berufsausbildung, die auf besonderes Interesse stößt.  Fotos Niederrheinische IHK/Hendrik Grzebatzki


Sozialstaat: Ausgabenquote für Rente und Arbeitslose niedriger als früher – Reform auf Gesundheitssystem konzentrieren

Düsseldorf/Duisburg, 8. Oktober 2025 - Die Sozialstaatsdebatte in Deutschland hat sich stark zugespitzt, wesentlich angetrieben durch Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz. Ein systematischer Blick in die aktuellsten Statistiken zum Sozialstaat zeigt allerdings: Die Gesamtausgaben für soziale Sicherung sind in Deutschland nicht auffällig groß und nicht auffällig gestiegen.

 

Gemessen an der gesamtwirtschaftlich relevanten Größe, der Wirtschaftsleistung, sind die Ausgaben in zentralen Bereichen wie Grundsicherung, Rente und Arbeitslosenversicherung sogar unverändert bzw. niedriger als vor 15 oder vor 20 Jahren, zeigt eine neue Auswertung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.*



Einen Anstieg der Ausgabenquoten in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) gab es hingegen bei den Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe sowie bei der Pflegeversicherung. Dabei spielen allerdings auch sehr sinnvolle politische Entscheidungen eine Rolle. Dazu zählen der starke Ausbau der Kinderbetreuung, der unter anderem die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit verbessert hat, und besser vergütete sowie präventionsorientierte Pflegeleistungen, etwa bei Demenz.

Wirklich problematisch ist nach Analyse des IMK die Kostenentwicklung lediglich in einem Bereich: dem Gesundheitssystem. Neben erfolgversprechenden Reformansätzen kursierten auch dort allerdings Ideen, die eher kontraproduktiv wirken könnten, warnen Prof. Dr. Sebastian Dullien und Dr. Katja Rietzler, die Autor*innen der Kurzstudie.

„Den Staat und auch die soziale Sicherung effizienter und gerechter machen zu wollen, ist absolut legitim und angebracht. Die aktuelle Sozialstaatsdebatte krankt aber oft an einem Fokus auf Schein- oder sekundären Problemen. Das könnte wirklich notwendige Reformen be- und sogar verhindern, und es verstellt den Blick darauf, dass die soziale Sicherung ein wichtiger Faktor für Wirtschaftswachstum und gesellschaftliche Stabilität ist. Wir brauchen mehr realistische Analyse, weniger Alarmismus“, sagt Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK.

Anfang 2024 haben Dullien und IMK-Fiskalexpertin Rietzler in einer Kurzstudie gezeigt, dass die Ausgaben für den Sozialstaat in Deutschland im internationalen Vergleich nicht übermäßig hoch lagen. Deutschland reihte sich bei der Quote staatlicher Sozialausgaben im Mittelfeld der entwickelten EU-Staaten ein zwischen Spanien und Dänemark.

Der Ausgabenzuwachs zwischen 2002 und 2022 war sogar der drittniedrigste unter 27 OECD-Staaten, für die Daten verfügbar waren. Berücksichtigt man sowohl die gesetzliche Krankenversicherung als auch verpflichtende private Krankenversicherungen, wie es sie in einigen Ländern gibt, lag die deutsche Sozialausgabenquote nahe derjenigen der Schweiz und der USA.

Inzwischen sind Daten vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlicht worden, die für 2024 einen Anstieg der deutschen Sozialleistungsquote aufzeigen. Die Abgrenzung des BMAS ist nicht vollständig mit jener der OECD zu vergleichen, auch liegen für viele andere Länder noch keine Daten für 2024 vor. „Allerdings lässt sich schon vorab anhand der bisher vorliegenden Daten sagen: Der jüngste Anstieg war nicht so kräftig, dass Deutschland damit das Mittelfeld der europäischen Länder verlassen hätte“, betonen die IMK-Expert*innen.

Nach der Revision der Daten zum Bruttoinlandsprodukt durch das Statistische Bundesamt im August 2025 lag die Sozialleistungsquote nach nationaler Messung 2024 bei 31,0 Prozent, 1,1 Prozentpunkte höher als im Vorjahr, aber immer noch spürbar unter den Ständen von 2020 und 2021 (siehe auch Abbildung 1 in der Kurzstudie; Link unten).

Anstieg der Sozialleistungsquote beruht auf Rezession, nicht auf stärkerer Entwicklung der Ausgaben
Hinzu kommt nach der IMK-Analyse: Der Sozialstaat hat seit 2022 in erster Linie ein Problem unzureichenden Wirtschaftswachstums, nicht übermäßiger Ausgabensteigerungen. Denn die Wirtschaftsleistung ist sowohl 2023 als auch 2024 im Jahresdurchschnitt geschrumpft. Selbst konstante Sozialleistungen würden in einer solchen Situation rechnerisch zu einem Anstieg der Sozialleistungsquote führen, weil der Nenner der Quote schrumpft.

Generell sind die inflationsbereinigten Sozialausgaben in Deutschland von 2009 bis 2019 ziemlich genau mit dem Trend des Bruttoinlandsprodukts gewachsen. 2020 führte die Covid-Pandemie zu einem Anstieg der Sozialausgaben über den Trend, was sich aber schnell korrigierte. Seit 2022 liegen die Sozialausgaben laut IMK sogar unter dem ursprünglichen BIP-Trend. Allerdings ist das Bruttoinlandsprodukt selber noch weiter hinter dem Trend zurückgeblieben, sodass sich die Sozialleistungsquote erhöht hat (siehe auch Abbildung 2 in der Analyse).

Das IMK betrachtet auch die Details der Sozialleistungsquote. Dabei zeigt sich, dass die Entwicklung in den verschiedenen Bereichen der sozialen Sicherung unterschiedlich ausfiel. So waren die Ausgaben für die Rentenversicherung, inklusive Bundeszuschüsse, relativ zum BIP in den vergangenen 20 Jahren sogar spürbar rückläufig – von 10,4 Prozent des BIP 2004 auf zuletzt 9,4 Prozent (siehe auch Abbildung 3 in der Kurzstudie).

Ebenfalls rückläufig waren im 20-Jahresvergleich die Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung (von 2,3 auf 0,9 Prozent des BIP), wobei hier zu beachten ist, dass mit den Hartz-Reformen 2005 ein Teil der Kosten der Arbeitslosenversicherung in die Grundsicherung bzw. das Bürgergeld verschoben wurde. Betrachtet man die Ausgaben von Arbeitslosenversicherung, Bürgergeld und Sozialhilfe zusammen, so sind die Ausgaben dieser Kategorien insgesamt relativ zum BIP seit 2004 unverändert geblieben.

Im Vergleich mit 2010 sind die Ausgaben für Bürgergeld, Eingliederungshilfen und Sozialhilfe – die in der Bürgergelddebatte derzeit Stein des Anstoßes sind – relativ zum Bruttoinlandsprodukt sogar leicht zurückgegangen, von 2,8 auf 2,7 Prozent. „Das ist umso bemerkenswerter, als dass mit der Flüchtlingsaufnahme um das Jahr 2015 und nach der russischen Invasion in die Ukraine 2022 mehrere Millionen Menschen nach Deutschland gekommen sind, die Bürgergeld erhalten bzw. erhielten“, schreiben Dullien und Rietzler.

Mehr Geld für Kinderbetreuung oder professionelle Pflege unterstützt Erwerbsbeteiligung und Wachstum
Einen deutlichen Anstieg gab es dagegen bei den Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe (seit 2004 von 0,8 auf 1,7 Prozent des BIP) sowie bei den Ausgaben der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung. Unter die Kinder- und Jugendhilfe fallen nach SGB VIII auch die Kosten für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Der Ausbau der Kinderbetreuung war ein wichtiges politisches Projekt, das Eltern eine höhere Erwerbsbeteiligung ermöglicht und deshalb sogar als förderlich für das Wirtschaftswachstum angesehen werden muss.

Bei der Pflegeversicherung spiegelt die Ausgabenentwicklung (Anstieg seit 2004 von 0,8 auf 1,5 Prozent des BIP) zum einen eine Ausweitung der Leistungen (u.a. bei Demenz), eine steigende Fallzahl auch als Folge der demografischen Entwicklung sowie eine dringend notwendige Verbesserung der (qualitativen) personellen Ausstattung von Pflegeeinrichtungen ab.

„Jede Diskussion um ein angemessenes Niveau der Leistungen der Pflegeversicherung sollte dabei mit beachten, dass diese zum Teil Angehörigen erst die Erwerbsbeteiligung ermöglicht“, geben die Forschenden zu bedenken. Kürzungen würden „nur zu einer Verschiebung der Kosten vom Versicherungssystem auf die einzelnen Haushalte“ führen, „nicht eine gesamtwirtschaftliche Senkung der Pflegekosten bedeuten“.

Bei den Ausgaben für die Gesundheitsversorgung fällt nach der IMK-Analyse beim Blick auf Zahlen der OECD für 2024 auf, dass Deutschland hier tatsächlich im internationalen Vergleich sehr weit vorne liegt. Alleine die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung sind zwischen 2004 und 2024 von 6,0 auf 7,5 Prozent des BIP gestiegen, hinzu kommen unter anderem die Ausgaben der privaten Krankenversicherungen, der Beihilfe und die Zuzahlungen der privaten Haushalte.

Hohe Ausgaben für Gesundheit wären dabei kein Problem, wenn im Gegenzug eine besonders gute Entwicklung bei der Lebenserwartung oder bei der Gesundheit der Bevölkerung zu beobachten wäre. Beides ist nicht der Fall, sodass nach Einschätzung von Dullien und Rietzler im Gesundheitssystem der problematische „Befund hoher Kosten bei mittelmäßiger Gesundheit der Bevölkerung“ angebracht sei.

Vielversprechend erschienen daher Reformvorschläge, die das Gesundheitssystem effizienter machen in dem Sinne, dass sie die Qualität von medizinischen Leistungen verbessern oder Doppeluntersuchungen vermeiden. Eine konsequente Digitalisierung sei ebenfalls wichtig. Auf der reinen Kostenseite fällt laut IMK im OECD-Vergleich auf, dass in Deutschland Kosten für Medikamente anfallen, die pro Kopf fast 1,5-mal so hoch sind wie im europäischen Durchschnitt.

Inwieweit die besonders hohen Ausgaben für nicht-stationär verabreichte Medikamente in Deutschland auf besonders hohe Preise für Pharmazeutika, auf im Vergleich häufige Verschreibungen oder strukturelle Unterschiede zwischen den Aufgaben von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzt*innen zurückgehen, lasse sich der OECD-Statistik allerdings nicht entnehmen.

Ebenfalls auffällig ist nach der Analyse, dass, ebenfalls laut OECD, im EU-Vergleich die Ärzt*innen in Deutschland relativ zu den jeweiligen Durchschnittseinkommen im Land besonders gut vergütet werden, während das Pflegepersonal in Krankenhäusern bei der relativen Bezahlung im europäischen Durchschnitt liegt. Allerdings sind beim Einkommen von Mediziner*innen Unterschiede etwa bei der Altersversorgung, der Berücksichtigung von privat abgerechneten Leistungen oder Kosten für Praxisübernahmen nicht mitberücksichtigt, was einen direkten Vergleich erschwert.

Fazit der Forschenden: Wenn es Reformbedarf in den sozialen Sicherungssystemen in Deutschland gebe, dann betreffe dieser am ehesten die Krankenversicherung. Mit einem einfachen Ruf nach mehr „Eigenverantwortung“ von Patient*innen sei es hier aber nicht getan. So bewerten Dullien und Rietzler unter diesem Motto vorgebrachte Vorschläge wie etwa Gebühren für Arztbesuche als nicht besonders sinnvoll.

Sie brächten die Gefahr mit sich, dass insbesondere Menschen mit geringen Einkommen trotz medizinischer Notwendigkeit nicht oder verspätet ärztliche Hilfe suchen, was die Krankheitskosten am Ende sogar erhöhen könne. Auch die Idee von Karenztagen bei der Lohnfortzahlung berge relevante Risiken, weil möglicherweise kranke Menschen trotzdem zur Arbeit gehen und Kolleg*innen oder Kund*innen infizieren könnten.


Kerstin Wendt neue Handelsrichterin am Landgericht Duisburg

Unternehmerin engagiert sich ehrenamtlich für die Wirtschaft
Duisburg, 30. September 2025 - Unternehmerische Konflikte schnell und praxisnah lösen: Das gelingt bei den Kammern für Handelssachen an den Landgerichten in Duisburg und Kleve. Dort entscheiden neben Berufsrichtern auch Kaufleute als Handelsrichter gleichberechtigt mit – und das ehrenamtlich. Seit September ist Kerstin Wendt, Geschäftsführerin der Heinrich Harbisch Schiffswerft GmbH in Duisburg, als neue Handelsrichterin am Landgericht Duisburg aktiv.

Wie wird man Handelsrichter? Auf Anfrage der Landgerichte schlägt die Niederrheinische IHK Unternehmer vor, die im Handelsregister eingetragen sind und sich bereit erklärt haben, das Ehrenamt zu übernehmen. Nach Prüfung des Vorschlags unterzeichnet der Präsident des Oberlandesgerichts Düsseldorf die Ernennungsurkunde.

Am 26. September erhielt Kerstin Wendt ihre Urkunde: Der Präsident des Landgerichts Duisburg, Ulf-Thomas Bender, überreichte sie persönlich. Begleitet wurde die Übergabe von Dr. Frank Rieger, Geschäftsführer Recht und Steuern der Niederrheinischen IHK.

V.l.: Dr. Frank Rieger, Geschäftsführer Recht und Steuern der Niederrheinischen IHK, Ulf-Thomas Bender, Präsident des Landgerichts Duisburg, Kerstin Wendt, Geschäftsführerin der Heinrich Harbisch Schiffswerft GmbH und neue Handelsrichterin, sowie Antje Reim, Vorsitzende Richterin am Landgericht Duisburg. Foto: Niederrheinische IHK/Jacqueline Wardeski


Deutsche Wirtschaft nach der Rezession: IMK prognostiziert 0,2 Prozent Wirtschaftswachstum für 2025 und 1,4 Prozent für 2026

Düsseldorf/Duisburg, 25. September 2025 - Die Trendwende zum Besseren für die deutsche Wirtschaft hat im laufenden dritten Quartal 2025 begonnen: Seit der Jahresmitte befindet sich die Konjunktur auf dem Weg aus der Talsohle – und der verspricht im kommenden Jahr in einen Aufschwung zu münden. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst im Jahresdurchschnitt 2025 leicht um 0,2 Prozent, im Jahresdurchschnitt 2026 wird es um 1,4 Prozent zulegen.

Das Wachstum ist damit im kommenden Jahr ein wenig stärker als im Durchschnitt des Euroraums und ebenso hoch wie in den USA (Detaildaten unten). Hauptgründe für die Erholung sind die positiven Impulse der staatlichen Investitionen und Investitionsfördermaßnahmen sowie ein anziehender Konsum der privaten Haushalte. Das ergibt die neue Konjunkturprognose des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.*

Der Außenhandel entwickelt sich hingegen weiterhin schwach, vor allem aus zwei Gründen: Erstens behindern die neuen US-Zölle den Export in die USA und belasten zudem die amerikanische und die gesamte Weltkonjunktur. Zweitens wächst die globale Konkurrenz durch chinesische Unternehmen, während die Nachfrage aus China schwach bleibt. Da der Arbeitsmarkt zeitversetzt reagiert, bringt das anziehende Wachstum noch keine durchschlagende Wende bei Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit.

Die Arbeitslosenquote steigt 2025 auf 6,3 Prozent im Jahresmittel, 2026 sinkt sie ganz leicht auf 6,2 Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen wächst nach einer Stagnation in diesem Jahr 2026 wieder – um 0,1 Prozent. Die Inflationsrate liegt laut IMK-Prognose im Jahresdurchschnitt 2025 bei 2,0 Prozent, 2026 sinkt sie auf 1,8 Prozent.

Gegenüber seiner vorherigen Prognose vom Juni 2025 lässt das IMK die Wachstumserwartung beim BIP für dieses Jahr unverändert. Für 2026 senken die Ökonom*innen sie leicht um 0,1 Prozentpunkte. „Das ändert aber nichts an der Kernbotschaft unserer Prognose: Die deutsche Wirtschaft ist nach langer Durststrecke wieder auf dem Weg nach vorne“, sagt Prof. Dr. Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK. „Wichtige Faktoren dafür sind die zu erwartende solide Lohnentwicklung, vor allem aber die politische Entscheidung, endlich den enormen öffentlichen Investitionsstau in Deutschland aufzulösen.“

Vornehmlich politischer Natur sind allerdings auch die erheblichen Risiken, die die Konjunkturforscher*innen ausmachen: International neben einer denkbaren Zuspitzung der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten vor allem die Unsicherheit, ob US-Präsident Donald Trump den Handelskonflikt trotz Zoll-„Deals“ nicht doch wieder anheizt. Im Inland die Frage, ob die öffentlichen Investitionen wirklich im erwarteten Volumen hochgefahren werden.

„Da wir die internationale Entwicklung nur in beschränktem Maße beeinflussen können, darf sich die deutsche Wirtschaftspolitik keine Fehler leisten. Bund, Länder und Kommunen sollten nun wirklich Investitionen konsequent priorisieren und Genehmigungsverfahren beschleunigen“, erklärt Dullien. Zweiter zentraler Punkt sei, das langsam wachsende Vertrauen der Verbraucher*innen nicht wieder zu schwächen: „Unnötig zugespitzte Debatten über Kürzungen, etwa bei der sozialen Sicherung, schädigen dieses Vertrauen.“ Zudem hält es das IMK für unerlässlich, dass die Europäische Zentralbank in den nächsten Monaten noch einmal den Leitzins senkt.

Kerndaten der Prognose



– Arbeitsmarkt –
Die langanhaltende Rezession der letzten Jahre, die nach kürzlich revidierten Daten des Statistischen Bundesamts Ende 2022 begann, wirkt sich mittlerweile auch negativ auf den Arbeitsmarkt aus. Immerhin: Angesichts der erheblichen Dauer der Schwächephase war die Entwicklung „insgesamt besser, als eigentlich zu erwarten gewesen wäre, und am aktuellen Rand scheint eine gewisse Hoffnung angebracht“, analysieren die Expert*innen des IMK.

Die Zahl der Erwerbstätigen stagniert im Jahresdurchschnitt 2025. Die Arbeitslosigkeit steigt um rund 150.000 Personen auf 2,94 Millionen im Jahresmittel, die Arbeitslosenquote liegt bei 6,3 Prozent nach 6,0 Prozent 2024. Für 2026 veranschlagen die Forschenden dann wieder eine leichte Zunahme der Erwerbstätigenzahl um jahresdurchschnittlich 0,1 Prozent. Die Arbeitslosigkeit sinkt marginal um etwa 6000 Personen, die Quote leicht auf 6,2 Prozent.

– Weltwirtschaft und Außenhandel –
Die Weltwirtschaft wächst 2025 und 2026 recht verhalten um 3,1 bzw. 2,9 Prozent. Insbesondere die Handelspolitik der USA wirkt belastend – auch auf die wirtschaftliche Entwicklung im eigenen Land. Das IMK rechnet für die USA mit einem Wirtschaftswachstum von 1,7 und 1,4 Prozent – nach noch 2,8 Prozent 2024. Auch in China ist die wirtschaftliche Dynamik rückläufig: In diesem Jahr wird die Wirtschaft um 5,0 Prozent zulegen, 2026 sind es 4,4 Prozent. Im Euroraum wird das BIP 2025 um 1,3 Prozent wachsen, 2026 sind es 1,2 Prozent.

Die deutschen Exporte erhalten von wichtigen Handelspartnern nur schwache Impulse, wozu neben den US-Zöllen auch beiträgt, dass der Euro erheblich gegenüber dem US-Dollar aufgewertet hat und dass in China gezielt Importe durch Produkte aus heimischer Herstellung ersetzt werden. Im Jahresdurchschnitt 2025 sinken die Ausfuhren um 1,2 Prozent. 2026 wachsen die Exporte zwar wieder, allerdings lediglich um 0,7 Prozent im Jahresmittel.

Die Importe legen 2025 um durchschnittlich 2,8 Prozent zu. 2026 steigen die Einfuhren mit der anziehenden Konjunktur in Deutschland um 3,6 Prozent. Dementsprechend ist der Beitrag des Außenhandels zum Wirtschaftswachstum in beiden Jahren deutlich negativ. Der Saldo der deutschen Leistungsbilanz wird im Prognosezeitraumspürbar sinken. Gleichwohl verzeichnet Deutschland weiterhin einen Außenhandelsüberschuss – 4 Prozent 2025 und 2,8 Prozent 2026.

– Investitionen –
Die Ausrüstungsinvestitionen nehmen ab Jahresmitte laut IMK-Prognose wieder Fahrt auf, im Jahresdurchschnitt 2025 schlägt sich das aber noch nicht nieder: Hier nehmen die Investitionen sogar um 1,6 Prozent ab. Ab der zweiten Jahreshälfte zeigen die vermehrten staatlichen Investitionen und die Investitionsförderung aber erste Wirkung, hinzu kommen Ausgaben für militärische Waffensysteme.

2026 zieht das Tempo dann stark an, im Jahresdurchschnitt legen die Ausrüstungsinvestitionen um 5,8 Prozent zu. Die Bauinvestitionen schwenken, auch in Folge steigender Infrastrukturinvestitionen, ebenfalls auf einen Erholungskurs ein, der sich allerdings auch erst 2026 deutlicher in der Statistik zeigt: Nach einem Rückgang um 1,1 Prozent im Jahresdurchschnitt 2025 legen die Bauinvestitionen im kommenden Jahr um durchschnittlich 4,1 Prozent zu.

– Privater und öffentlicher Konsum –
Beim privaten Konsum schwindet die Zurückhaltung, die 2024 trotz steigender Realeinkommen geprägt hatte. Für dieses Jahr erwartet das IMK bei weiter zunehmenden Einkommen, noch einmal sinkender Inflation und seit Jahresbeginn zurückgehender Sparquote einen realen Zuwachs der privaten Konsumausgaben um 1,2 Prozent im Jahresdurchschnitt.

2026 ziehen die Ausgaben der Privathaushalte dann noch einmal stärker an – um real 1,6 Prozent im Jahresmittel. Zusammen mit einem um 2,1 bzw. 2,3 Prozent wachsenden Staatskonsum und einer dynamischen Investitionstätigkeit sorgt die private Nachfrage dafür, dass die Inlandsnachfrage 2025 und vor allem 2026 das Rückgrat der wirtschaftlichen Entwicklung bildet.

– Inflation und öffentliche Finanzen –
Für 2025 prognostiziert das IMK eine durchschnittliche Teuerungsrate von 2,0 Prozent im Jahresmittel. Damit liegt die Teuerung genau beim EZB-Inflationsziel. 2026 erwarten die Ökonom*innen mit 1,8 Prozent einen Wert etwas unterhalb der Zielmarke.

Das IMK rechnet damit, dass die Steuereinnahmen 2025 moderat und die Beitragseinnahmen der Sozialversicherungen nach den Beitragssatzanhebungen zu Jahresbeginn kräftig steigen. Unter dem Strich wachsen die öffentlichen Einnahmen in diesem Jahr etwas stärker als die Ausgaben – auch, weil die öffentlichen Investitionen erst zum Jahresende spürbar ausgeweitet werden. Das gesamtstaatliche Defizit gemessen am BIP wird daher auf 2,3 Prozent zurückgehen nach 2,7 Prozent 2024.

Im kommenden Jahr gibt der Staat spürbar mehr Geld für Investitionen und Verteidigung aus, während der Ausgleich der kalten Progression bei der Einkommensteuer, die Sonderabschreibungen für Unternehmensinvestitionen und die Anhebung der Pendlerpauschale die Einnahmeentwicklung dämpfen.

Das sind die wesentlichen Gründe dafür, dass das Defizit 2026 auf 3,2 Prozent im Jahresdurchschnitt steigt. Damit liegt es etwas über der Maastricht-Grenze von 3 Prozent. Die Forschenden gehen aber nicht davon aus, dass die EU-Kommission deswegen ein Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits einleitet. Denn Verteidigungsausnahmen sind nun in erheblichem Umfang von den europäischen Schuldenbremsen ausgenommen.

Trotz leichten Anstiegs: Inflation für 7 von 9 Haushaltstypen unter Zielrate der EZB, Leitzinspause im September war Fehler

Düsseldorf/Duisburg, 19. September 2025 - Die Inflationsrate in Deutschland ist im August leicht auf 2,2 Prozent gestiegen und liegt damit aktuell etwas über dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 Prozent. Der Anstieg um 0,2 Prozentpunkte gegenüber Juli beruht vor allem auf höheren Preisen für Lebensmittel. Hinzu kommt, dass sinkende Energiepreise die Inflation nicht mehr so stark bremsen wie im Vormonat.

Von neun verschiedenen Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, hatten trotz des Anstiegs sieben eine haushaltsspezifische Teuerung unterhalb des EZB-Zielwerts. Lediglich zwei einkommensstarke Haushaltstypen wiesen einen Wert beim oder geringfügig über dem Inflationsziel auf.

Konkret reichte die Spannweite im August von 1,7 bis 2,1 Prozent, der Unterschied lag also bei geringen 0,4 Prozentpunkten, zeigt der neue Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.*

Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Inflationswelle im Herbst 2022 betrug die Spanne 3,1 Prozentpunkte. Während Haushalte mit niedrigen Einkommen, insbesondere Familien, während des akuten Teuerungsschubs der Jahre 2022 und 2023 eine deutlich höhere Inflation schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate im August 2025 wie in den Vormonaten unterdurchschnittlich: Der Warenkorb von Paaren mit Kindern und niedrigem Einkommen sowie von Alleinlebenden mit niedrigem Einkommen verteuerte sich um jeweils 1,7 Prozent. Eine identische Inflationsrate hatten Alleinerziehende mit mittlerem Einkommen. Alleinlebende mit mittlerem Einkommen folgten mit 1,8 Prozent.




Als einzige Haushaltstypen hatten im August Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen (2,1 Prozent) sowie Familien mit hohen Einkommen (2,0 Prozent) eine Inflation geringfügig oberhalb bzw. beim EZB-Ziel. Ein wichtiger Faktor für das etwas höhere Niveau ist, dass bei diesen konsumstarken Haushaltstypen die niedrigeren Energiepreise weniger stark ins Gewicht fallen als bei Haushalten mit weniger Einkommen, deren Warenkörbe stärker durch Güter des täglichen Bedarfs geprägt sind. Zudem fragen Haushalte mit höheren Einkommen stärker Dienstleistungen nach, die sich derzeit noch merklich verteuern, wie Versicherungsdienstleistungen und soziale Dienstleistungen.

Die drei anderen untersuchten Haushaltstypen, Paarfamilien und Paare ohne Kinder mit jeweils mittleren Einkommen sowie Alleinlebende mit höheren Einkommen, verzeichneten im August eine Inflationsrate von je 1,9 Prozent.

Inflationslage im gesamten Euroraum entspannt
Die Inflation in Deutschland und im Euroraum werde im weiteren Jahresverlauf um das EZB-Inflationsziel von 2,0 Prozent schwanken und 2026 sogar darunter liegen, erwartet Dr. Silke Tober, IMK-Expertin für Geldpolitik und Autorin des Inflationsmonitors. Gleichzeitig belasteten US-Zölle, hohe Energiepreise und die starke Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar um 14 Prozent seit Jahresbeginn die Wirtschaft.

Dadurch steige auch das Risiko einer mittelfristig sogar zu niedrigen Inflation. „Es war daher ein Fehler, dass die EZB den Leitzins auf ihrer September-Sitzung nicht gesenkt hat“, schreibt Tober. „Gerade in der aktuell kritischen Phase, bevor die staatlichen Investitionen in Deutschland an Breite gewinnen, hätte die EZB, die die Investitionsschwäche durch ihre übermäßig restriktive Geldpolitik bewusst mit herbeigeführt hat, einen Beitrag zur Stärkung der Investitionstätigkeit leisten müssen“, erklärt die Forscherin. Die Zentralbank sollte jetzt „zügig eine weitere Zinssenkung in Aussicht stellen“ – auch, um den Aufwärtstrend des Euro zu bremsen.

Lebensmittel 39 Prozent teurer als im August 2019
Das IMK berechnet seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden (mehr zu den Typen und zur Methode unten). In einer Datenbank liefert der IMK Inflationsmonitor zudem ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen (Link unten).

Die längerfristige Betrachtung illustriert auch, dass Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen von der starken Teuerung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine besonders stark betroffen waren, weil Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Energie in ihrem Budget eine größere Rolle spielen als bei Haushalten mit hohen Einkommen.

Diese wirkten lange als die stärksten Preistreiber, zeigt der längerfristige Vergleich, den Tober in ihrem neuen Bericht ebenfalls anstellt: Die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke lagen im August 2025 um 39,0 Prozent höher als im August 2019, also vor Pandemie und Ukrainekrieg. Damit war die Teuerung für diese unverzichtbaren Basisprodukte mehr als dreimal so stark wie mit der EZB-Zielinflation von kumuliert 12,6 Prozent in diesem Zeitraum vereinbar. Energie war trotz der Preisrückgänge in letzter Zeit um 35,9 Prozent teurer als sechs Jahre zuvor, darunter Haushaltsenergie um 46,2 Prozent und Kraftstoffe um 22,2 Prozent.